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  • 07.12.2011

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 04.05.2011 – 11 K 5936/08

    1. Unterfallen zur Ausfuhr angemeldete mehr als 100 Jahre alte Münzen und Medaillen dem Schutzbereich der Verordnung Nr. 116/2009 über die Ausfuhr von Kulturgütern, ist der Ausfuhranmeldung grundsätzlich eine Ausfuhrgenehmigung beizufügen.

    2. Die Verordnung Nr. 116/2009 über die Ausfuhr von Kulturgütern stellt nicht nur solche archäologischen Gegenstände unter Schutz, die unmittelbar aus Grabungen stammen, sondern auch solche, die ursprünglich von einer solchen Herkunft waren und sich im Handel befinden.

    3. Antike Münzen fallen unter den Begriff der archäologischen Gegenstände, die von der Verordnung Nr. 116/2009 erfasst werden. Eine archäologische Relevanz der Gegenstände ist keine Voraussetzung für die Anwendung des Schutzbereichts.

    4. Bei Münzen mit einem Alter zwischen 1500 und 2400 Jahren spricht der erste Anschein dafür, dass diese aus Grabungen und nicht aus einer historischen Sammlung stammen.

    5. Sind zur Ausfuhr angemeldete Münzen, die nicht durch das Kulturschutzgesetz gegen Abwanderung geschützt sind, offensichtlich von beschränktem archäologischen und wissenschaftlichen Wert, liegt es nach der Bagatellregelung des Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 116/2009 im Ermessen des Hauptzollamts, ob eine Ausnahme von der Ausfuhrgenehmigungspflicht zu machen ist. Dabei ist auch das Grundrecht auf freie Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG zu beachten.

    6. Ist sich das Hauptzollamt der Möglichkeit einer Ermessenentscheidung bei der Genehmigung der Ausfuhr nicht bewusst, ist seine Entscheidung wegen Ermessensunterschreitung ermessensfehlerhaft.

    7. Eine Klageerhebung ist auch vor Beendigung des außergerichtlichen Vorverfahrens möglich, wenn die Entscheidung über den Einspruch während des Klageverfahrens nachgeholt wird.


    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 11. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. März 2011 unter Berücksichtigung der Schriftsätze vom 15. April 2011 und vom 6. Mai 2011 in der Sitzung vom 24. Mai 2011 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Ehrenamtlicher Richter … Ehrenamtliche Richterin …

    für Recht erkannt:

    1. Der Bescheid des Beklagten vom 4. November 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Juli 2009 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senates erneut zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger und dem Beklagten je zu 1/2 auferlegt.

    3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.

    4. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Annahme einer Ausfuhranmeldung für antike Münzen ohne Vorlage einer Ausfuhrgenehmigung.

    Mit Ausfuhranmeldung … meldete der Kläger am 31. Oktober 2008 32 Münzen und Medaillen mit einem Gesamtwert von 3.900 EUR beim Zollamt X des beklagten Hauptzollamts (HZA) zur Ausfuhr an, die in einer Anlage zur Anmeldung, in der auch andere Münzen auflistet waren, genau bezeichnet und gelb markiert waren. In Feld 44 der Ausfuhranmeldung trug er die Codierung „Y903” ein, nach der die angemeldeten Gegenstände nicht in der Liste der Kulturgüter enthalten sind. Nach den Angaben in der Anlage zur Ausfuhranmeldung sind die Münzen und Medaillen etwa 1500 bis 2400 Jahre alt und zwischen 50 und 400 EUR wert. Einzelne Münzen werden als „selten”, „sehr selten” und „äußerst selten” bezeichnet. Wegen der Einzelheiten verweist der Senat auf die Ausfuhranmeldung mit Anlage (siehe dort z.B. lfd. Nrn. 58, 64, 68 und 69). Die abfertigenden Beamten gingen aufgrund des Alters und der Art der Münzen und Medaillen davon aus, dass es sich hierbei um Kulturgüter im Sinne des Art. 1 i. V. m. Anhang A. Nr. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 des Rates vom 9. Dezember 1992 über die Ausfuhr von Kulturgütern (Amtsblatt der EG L 395 vom 31. Dezember 1992, S. 1 – 5, im Folgenden Verordnung Nr. 3911/92) handelte. Da der Kläger keine Ausfuhrgenehmigung vorlegte, lehnte das HZA – Zollamt X – mit Bescheid vom 4. November 2008 die Annahme der Ausfuhranmeldung für die Münzen und Medaillen ab.

    Mit Schreiben vom 12. November 2008 ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Einspruch einlegen und ausführen, das HZA dürfe für die Ausfuhr dieser Münzen keine Ausfuhrgenehmigung verlangen. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2008 teilte das beklagte HZA dem Klägervertreter mit, nach Auskunft des Landesmuseums Y als zuständige Behörde seien sämtliche genannten Münzen und Medaillen als Kulturgüter im Sinne des Art. 1 i. V. m. Anhang A. Nr. 1 der Verordnung Nr. 3911/92 einzustufen. Für diese Münzen müssten somit zwingend Ausfuhrgenehmigungen vorgelegt werden. Da offenbar die Zeit dränge, stelle es anheim, diese Ausfuhrgenehmigungen schnellstmöglich zu beantragen und erneut unter Vorlage der entsprechenden Genehmigungen sowie Ausfuhrerklärungen die Münzen zur Ausfuhr anzumelden. Andernfalls müsse es den Einspruch als unbegründet zurückweisen. Daraufhin ließ der Kläger durch seinen Prozessvertreter mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 Klage erheben.

    Mit Schreiben vom 23. März 2009 wies die Berichterstatterin die Beteiligten darauf hin, dass die Klage nach Aktenlage derzeit unzulässig sei. Trotz des abweichenden Wortlauts der Klageschrift sei von einer Verpflichtungsklage unter Aufhebung der ergangenen ablehnenden Entscheidung auszugehen. Diese setze jedoch das Vorliegen eines abgeschlossenen Vorverfahrens voraus, woran es vorliegend mangele. Bei dem Schreiben des HZA vom 10. Dezember 2008 handle es sich jedenfalls nicht um eine Einspruchsentscheidung. Dieser Mangel könne nach herrschender Meinung aus verfahrensökonomischen Gründen jedoch behoben werden, falls die Einspruchsentscheidung vor Schluss der mündlichen Verhandlung vorliege (sogenanntes Hineinwachsen in die Zulässigkeit). Gleichzeitig forderte sie das HZA auf, in angemessener Zeit eine Einspruchsentscheidung vorzulegen.

    Daraufhin führte der Kläger zur Zulässigkeit der Klage aus, dieser sei ein Vorverfahren nach § 44 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorausgegangen, das am 10. Dezember 2008 mit einem Widerspruchsbescheid des HZA beendet worden sei. Dieser Bescheid schließe das Widerspruchsverfahren mit der eindeutigen Feststellung ab, dem für die Ausfuhr zuständigen Zollamt müssten für die Münzen zwingend Ausfuhrgenehmigungen vorgelegt werden. Selbst wenn der angefochtene Bescheid trotz seines eindeutigen Wortlautes als „Informationsschreiben” gewertet werden sollte, sei der Kläger berechtigt, nach seinem förmlichen Widerspruch Anfechtungsklage zu erheben. Das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung in diesem Bescheid sei ein Mangel, den das HZA zu vertreten habe.

    Das HZA bat das zuständige Landesmuseum Y mit Schreiben vom 9. April 2009 unter Darstellung des Streitstandes um Mitteilung, um welche Art von Waren im Sinne der Verordnung Nr. 3911/92 es sich bei den fraglichen, in einer dem Schreiben beigefügten Liste einzeln aufgeführten Münzen handele. Die zuständigen Bediensteten des Landesmuseums antworteten mit Schreiben vom 28. April 2009, ihres Erachtens sei eine Ausfuhr ohne den für diese Fälle gedachten Vordruck der Verordnung Nr. 3911/92 nicht statthaft. Der Kläger habe in der Vergangenheit in durchaus vergleichbaren Fällen eine entsprechende Genehmigung beantragt, weshalb sein Ansinnen, die antiken Münzen im vorliegenden Fall ohne entsprechenden Vordruck aus dem Hoheitsgebiet der EU zu verbringen, für sie als genehmigende Behörde nicht nachzuvollziehen sei. Zudem sei bislang nicht begutachtet worden, ob es sich bei den antiken Münzen um archäologisches Gut und dementsprechend um Bodenfunde handle. Eine Vorlage der betreffenden Münzen habe bisher nicht stattgefunden.

    Am 16. Juli 2009 erließ das HZA daraufhin eine Einspruchsentscheidung, in der es ausführt, nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3911/92 dürfe die Ausfuhr von Kulturgütern aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft grundsätzlich nur unter Vorlage einer Ausfuhrgenehmigung erfolgen. Bei den Münzen handle es sich um Kulturgüter gemäß Anhang A. Nr. 1 1. Anstrich der Verordnung Nr. 3911/92. Insofern erübrige sich die Differenzierung zwischen Sammlungen und Einzelstücken. Das Erfordernis der Vorlage einer Ausfuhrgenehmigung beeinträchtige den Kläger auch nicht in seinem Recht auf freie Berufsausübung nach Art. 12 GG. Der Kläger habe die Pflicht, den Zollbehörden auf Verlangen alle Unterlagen und Angaben zur Verfügung zu stellen und jede erforderliche Unterstützung zu gewähren (Art. 14 Zollkodex – ZK –). Dies widerspreche auch nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Pflicht zur Vorlage einer Ausfuhrgenehmigung oder eines Nachweises, dass es sich nicht um ausfuhrgenehmigungspflichtige Gegenstände handele, sei notwendig, um den Schutz von Kulturgütern zu gewährleisten. Der Kläger habe weder die erforderlichen Ausfuhrgenehmigungen vorgelegt, noch Nachweise darüber, dass es sich um Waren handelt, die ohne Ausfuhrgenehmigung hätten ausgeführt werden dürfen.

    Der Kläger lässt zur Begründung seiner Klage vortragen, durch die Forderung, eine Ausfuhrgenehmigung für die Münzen vorzulegen, sei der Kläger in seinen Rechten auf freie Berufsausübung nach Art. 12 des Grundgesetzes (GG) als Münzenhändler und Münzenauktionator beeinträchtigt. Die Entscheidung des HZA finde in der genannten Verordnung keine Rechtsgrundlage. Ausfuhrgenehmigungen seien nur für „Sammlungen von numismatischem Wert” erforderlich. Münzen als „Einzelexemplare” seien von der Verordnung nicht erfasst. Solche „Einzelexemplare” bedürften nur dann einer Ausfuhrgenehmigung, wenn sie aus einer zoologischen, botanischen, mineralogischen oder anatomischen Sammlung stammten. Dies ergebe sich aus den Zusammenhang des Anhang A. Nr. 12a und Nr. 12b der Verordnung Nr. 3911/92. Die betroffenen Münzen stellten weder eine Sammlung dar noch seien sie Teil einer Sammlung. Offenbar habe sich das HZA durch die missverständliche Fußnote zu Nr. 12 des Anhangs der Verordnung Nr. 3911/92 in die Irre führen lassen und den Begriff der Sammlung nicht im Sinne einer zusammenhängenden und über die Bedeutung der jeweiligen Einzelgegenstände hinausgehenden Sachgesamtheit verstanden, sondern im Sinne einer Mehrzahl von Einzelstücken (Sammlungsstücken), die bei entsprechender Ergänzung durch weitere, mit ihnen in Verbindung stehende Objekte später zur Eingliederung in eine Sammlung geeignet wären. Dabei verkenne das HZA den Umstand, dass die Verordnung keineswegs die Gleichbehandlung von einzelnen Sammlungsstücken und geschlossenen Sammlungen verlange.

    Mit dem angefochtenen Bescheid breche das HZA zum ersten Mal mit der seit 1992 üblichen Anwendung der Verordnung Nr. 3911/92, der zufolge die Ausfuhr von Sammlungsstücken von numismatischem Wert (Münzen und Medaillen als Einzelexemplare) lediglich einer Ausfuhranmeldung bedürfe.

    Der Kläger beantragt,

    das HZA unter Aufhebung des Bescheides des beklagten HZA vom 4. November 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Juli 2009 zu verpflichten, die Ausfuhranmeldung vom 31. Oktober 2008 ohne Vorlage einer Ausfuhrgenehmigung anzunehmen,

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Das HZA beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Seine Auffassung ergibt sich aus der im Rahmen des Klageverfahrens gefertigten Einspruchsentscheidung.

    Mit Schreiben vom 8. und 10. März 2011 wies die Berichterstatterin auf Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 3911/92 hin, wonach die Mitgliedstaaten ermächtigt sind, keine Ausfuhrgenehmigungen für im Anhang unter dem 1. und 2. Gedankenstrich der Kategorie A.1 aufgeführten Kulturgüter zu verlangen, wenn diese von archäologisch oder wissenschaftlich beschränktem Wert sind, vorausgesetzt, dass sie nicht unmittelbar aus Grabungen, archäologischen Funden und archäologischen Stätten in einem Mitgliedstaat stammen und der Handel mit ihnen rechtmäßig ist.

    Am 22. März 2011 wurde die Sache mündlich verhandelt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte der Kläger ein „Rechtsgutachten zum Erfordernis einer Ausfuhrgenehmigung für antike Münzen” von Prof. Dr. … vom 21. März 2011 vor, in dem der Verfasser zu dem Ergebnis kommt, die von der Ausfuhranmeldung betroffenen Münzen unterfielen nicht dem Anhang I A. Nr. 1 der Verordnung Nr. 116/2009 und seien damit vom Geltungsbereich der Verordnung nicht erfasst. Selbst wenn man jedoch die Münzen unter Anhang I A. Nr. 1 der Verordnung Nr. 116/2009 subsumiere, unterfielen sie der Ausnahmeregelung des Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung. Bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung der Ausnahmeregelung dürfe vorliegend keine Ausfuhrgenehmigung verlangt werden. Wegen der Einzelheiten verweist der Senat auf das Gutachten vom 21. März 2011 (Bl. 128 ff. der Gerichtsakte).

    Daraufhin schloss der Senat zunächst die mündlichen Verhandlung. Wegen ihres weiteren Ablaufs wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

    Mit Schriftsatz vom 15. April 2011 nahm das HZA zu dem Rechtsgutachten Stellung. Bei den Münzen handle es sich um Kulturgüter im Sinne des Anhangs A. Nr. 1 1. Anstrich der Verordnung Nr. 3911/92. Zwar ermögliche Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung den Mitgliedstaaten, unter bestimmten Voraussetzungen von der Vorlage einer Ausfuhrgenehmigung abzusehen; Deutschland habe jedoch keine Ausnahmeregelung normiert, auf die sich der Kläger berufen könne. Es komme allenfalls ein Ermessensfehlgebrauch der die Ausfuhrgenehmigung erteilenden Behörde in Betracht und damit des Landesmuseums Y. Die Zollverwaltung überwache nur die Ausfuhr (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 des Kulturgüterrückgabegesetzes – KultGüRückG –). Dies beinhalte, dass die Ausfuhranmeldung nur angenommen werde, wenn die erforderliche Ausfuhrgenehmigung vorliege, beziehungsweise die zuständige Behörde erkläre, dass keine Ausfuhrgenehmigung erforderlich ist. Vorliegend habe das zuständige Landesmuseum Y jedoch gerade erklärt, dass nach den ihm vorliegenden Erkenntnissen eine Ausfuhrgenehmigung erforderlich sei. Erkenntnisse, die gegen eine Verpflichtung zur Vorlage einer Ausfuhrgenehmigung sprächen, könnten allenfalls dann gewonnen werden, wenn die Münzen der Genehmigungsbehörde vorlägen. Dies habe der Kläger jedoch verweigert. In der Vergangenheit habe das Landesmuseum Y in vergleichbaren Fällen stets eine Ausfuhrgenehmigung für erforderlich gehalten.

    Durch die Ausfuhrgenehmigungspflicht werde weder die Berufsfreiheit noch der Außenwirtschaftsverkehr unverhältnismäßig eingeschränkt. Diese Verpflichtung sei geeignet, rechtswidrige Abwanderung von wertvollem Kulturgut aus der Europäischen Union zu verhindern. Das Ausfuhrgenehmigungsverfahren sei sowohl erforderlich als auch angemessen, um dieses Ziel zu erreichen. Denn es belaste denjenigen, der beabsichtige, ein Kulturgut auszuführen, nur geringfügig.

    Mit Beschluss vom 19. April 2011 wurde die mündliche Verhandlung wiedereröffnet.

    Der Klägervertreter erwiderte auf die Ausführungen des HZA im Wesentlichen, dessen Behauptung, antike Münzen aus griechischer und römischer Zeit stammten aller Erfahrung nach aus Grabungen, belege seine Unkenntnis. Solche Münzen seien bereits im Altertum gesammelt worden. Diese Sammelleidenschaft habe sich über die Renaissance bis heute fortgesetzt.

    Mit Schriftsätzen vom 6. bzw. 9. Mai 2011 verzichteten die Beteiligten übereinstimmend auf die Durchführung einer (weiteren) mündlichen Verhandlung.

    Entscheidungsgründe

    Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne erneute mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO analog).

    Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

    1. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Annahme der Ausfuhranmeldung für die 32 Medaillen und Münzen durch das beklagte HZA ohne Vorlage einer entsprechenden Ausfuhrgenehmigung. Damit handelt es sich um eine Verpflichtungsklage nach § 40 Abs. 1 FGO. Zwar fehlte zum Zeitpunkt der Klageerhebung das für eine Verpflichtungsklage erforderliche vorangegangene abgeschlossene Vorverfahren (§ 44 Abs. 1 FGO), denn anders als der Klägervertreter vorträgt handelt es sich bei dem Schreiben des HZA vom 10. Dezember 2008 nicht um eine Einspruchsentscheidung – insoweit verweist der Senat auf das Schreiben der Berichterstatterin vom 23. März 2009 (Bl. 50 der Gerichtsakte) –. Allerdings ist eine Klageerhebung auch vor Beendigung des außergerichtlichen Vorverfahrens möglich, wenn nur die Entscheidung über den Einspruch während des Klageverfahrens nachgeholt wird, weil es sich um eine Sachurteilsvoraussetzung handelt, die erst zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen muss. Dies gebietet schon die Verfahrensökonomie (so auch die h. M., statt vieler Dunkel in Schwarz, FGO-Kommentar, § 44 Rz. 9 mit zahlreichen Nachweisen).

    Das HZA hat am 16. Juli 2009 eine Einspruchsentscheidung gefertigt und dem Kläger über dessen Prozessbevollmächtigten bekannt gegeben, so dass im Entscheidungszeitpunkt die Sachentscheidungsvoraussetzungen – inzwischen unbestritten – erfüllt waren.

    2. Die Klage ist teilweise begründet. Der Kläger kann mit seinem Antrag, das HZA zu verpflichten, die Zollanmeldung ohne Vorlage der Ausfuhrgenehmigungen für die Münzen anzunehmen, zwar nicht durchdringen; die Sache ist jedoch zur erneuten Entscheidung an das HZA zurückzuverweisen, denn die zur Ausfuhr angemeldeten Münzen unterfallen dem Schutzbereich der Verordnung über die Ausfuhr von Kulturgütern, so dass der Ausfuhranmeldung grundsätzlich eine Ausfuhrgenehmigung beizufügen ist (siehe unter Buchstabe a). Allerdings sind die Voraussetzungen, unter denen nach Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnungen Nr. 3911/92 und Nr. 116/2009 die Mitgliedstaaten ermächtigt sind, keine Ausfuhrgenehmigung zu verlangen, erfüllt, so dass das HZA eine Ermessensentscheidung zu treffen hatte. Dieses ihm zustehende Ermessen hat das HZA jedoch nicht ausgeübt (siehe unter Buchstabe b), weshalb die Ablehnung der Annahme der Ausfuhranmeldung rechtswidrig, der Kläger in seinen Rechten verletzt ist und das HZA zu verpflichten war, den Kläger unter Beachtung der Auffassung des Senates erneut zu bescheiden (§ 101 S. 1 und 2 FGO, siehe unter Buchstabe c). Diese Entscheidung ist vom Prozessantrag des Klägers mit umfasst, da das Bescheidungsurteil ein Minus gegenüber der beantragten Verpflichtung zur Annahme der Ausfuhranmeldung darstellt.

    a) Nach Art. 63 ZK werden Anmeldungen, die den Voraussetzungen des Art. 62 ZK entsprechen, von den Zollbehörden unverzüglich angenommen, sofern die betreffenden Waren gestellt worden sind.

    Der Kläger hat eine schriftliche Zollanmeldung nach amtlichem Muster abgegeben und unterzeichnet. Auch enthält diese alle Angaben, die zur Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet werden, erforderlich sind (Art. 62 Abs. 1 ZK). Die Frage, ob er der Anmeldung jedoch auch alle Unterlagen beigefügt hat, deren Vorlage zur Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet werden, nach Art. 62 Abs. 2 ZK erforderlich ist, hat das HZA in rechtswidriger Weise verneint.

    Der Ausfuhranmeldung sind grundsätzlich alle für die zutreffende Erhebung der Ausfuhrabgaben sowie für die Anwendung der Ausfuhrbestimmungen auf die betreffende Ware notwendigen Unterlagen beizufügen (Art. 221 Abs. 1 ZK-Durchführungsverordnung –ZK-DVO–). Hierzu gehören – soweit erforderlich – auch Ausfuhrgenehmigungen im Sinne der Verordnung über die Ausfuhr von Kulturgütern. Die diese Voraussetzung regelnde, im Zeitpunkt der Ausfuhranmeldung gültige Verordnung Nr. 3911/92 wurde durch die Verordnung (EWG) Nr. 116/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 (im Folgenden Verordnung Nr. 116/2009) ersetzt. Für die Entscheidung maßgeblich ist bei Verpflichtungsklagen die Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (grundlegend BFH-Urteil vom 21. Juli 1992 VII R 28/91, BFH/NV 1993, 440), bei der Überprüfung von Ermessensentscheidungen jedoch die Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, die im vorliegenden Fall erst im Rahmen des Klageverfahrens ergangen ist (vgl. statt vieler Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 102 Rz. 13, m.w.N.). Damit ist vorliegend in jedem Fall die Verordnung Nr. 116/2009 maßgeblich, die hinsichtlich der vorliegend einschlägigen Vorschriften allerdings mit der Verordnung Nr. 3911/92 übereinstimmt.

    Die zur Ausfuhr angemeldeten Münzen und Medaillen unterfallen dem Schutzbereich der oben genannten Verordnung über die Ausfuhr von Kulturgütern, so dass grundsätzlich eine Ausfuhrgenehmigung erforderlich ist.

    Nach Art. 1 der Verordnung Nr. 116/2009 gelten als „Kulturgüter” im Sinne der jeweiligen Verordnung die in deren Anhang I aufgeführten Güter. Im Anhang I sind unter A.1

    „Mehr als 100 Jahre alte archäologische Gegenstände

    aus Grabungen und archäologischen Funden zu Lande oder zu Wasser

    archäologischen Stätten

    archäologischen Sammlungen”

    aufgelistet. Hierunter fallen auch die vom Kläger zur Ausfuhr bestimmten Münzen und Medaillen, die seinen Angaben zufolge alle zwischen 1500 bis 2400 und damit weit mehr als 100 Jahre alt sind. Schon aufgrund dieses Alters liegt eine Herkunft aus Grabungen und archäologischen Funden, archäologischen Stätten oder archäologischen Sammlungen nahe. Dabei ist unerheblich, dass sich die Münzen und Medaillen bereits seit geraumer Zeit im Handel befinden; denn die Verordnung stellt in A.1 ihres Anhangs I nicht nur solche archäologischen Gegenstände unter Schutz, die unmittelbar aus Grabungen, archäologischen Stätten oder archäologischen Sammlungen stammen, sondern auch solche, die ursprünglich von einer solchen Herkunft waren. Dies ergibt sich aus der Formulierung des Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 2 der Verordnung, der ausdrücklich unmittelbar aus Grabungen, archäologischen Funden und archäologischen Stätten stammende Kulturgüter von seiner Bagatellregelung ausnimmt. Damit setzt er voraus, dass Kulturgüter nach der allgemeinen Regelung des A.1 des Anhangs I der Verordnung auch dann vom Schutzbereich der Verordnung erfasst sind, wenn sie nicht unmittelbar aus Grabungen, archäologischen Funden und archäologischen Stätten stammen. Andernfalls würde die Einschränkung in Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 2 der Verordnung ins Leere laufen.

    Zwar kann bei einem Alter der Münzen zwischen 1500 und 2400 Jahren nur in den wenigsten Fällen tatsächlich nachgewiesen werden, dass diese tatsächlich irgendwann einmal aus Grabungen, archäologischen Funden und archäologischen Stätten gestammt haben; jedoch spricht er erste Anschein für diese Vermutung. Diese kann durch die Behauptung des Klägers, antike Münzen stammten in der Regel aus Sammlungen, da sich das Sammeln von Münzen schon immer großer Beliebtheit erfreut habe, nicht entkräftet werden. Auch wenn nicht in Abrede gestellt werden soll, dass ein – vielleicht auch nicht unerheblicher – Teil der damals im Umlauf gewesenen Münzen aufbewahrt oder gesammelt wurde, bedeutet dies nicht, dass bei Münzen dieses Alters grundsätzlich von Exemplaren aus über ein bis zwei Jahrtausende weitergeführten Sammlungen auszugehen ist. Nähme man Münzen mit dieser Begründung von vornherein vom Anwendungsbereich der Verordnung aus, liefe der mit der Verordnung bezweckte Schutz ins Leere, die Ausfuhr von Kulturgütern zu überwachen (2. und 3. Absatz der Erwägungsgründe zu Verordnung Nr. 116/2009).

    Die Argumentation von Prof. Dr. …, der in seinem Gutachten zu dem Schluss kommt, antike Münzen fielen in der Regel nicht unter den Begriff der archäologischen Gegenstände und seien regelmäßig ohne archäologische Relevanz (S. 2 des Gutachtens vom 21. März 2011 unter III), überzeugt den Senat nicht. Die Archäologie als historische Wissenschaft hat die möglichst weitgehende Erforschung der Geschichte des Menschen und seiner materiellen Hinterlassenschaften zum Inhalt (Brockhaus Enzyklopädie online). Danach fallen auch die vorliegenden antiken Münzen unter den Begriff der archäologischen Gegenstände, denn es handelt sich unzweifelhaft um eine materielle Hinterlassenschaft der im Altertum lebenden Menschen.

    Soweit Prof. Dr. … die Qualifizierung als archäologischen Gegenstand an das Vorliegen eines Bezugs zu einem archäologisch interessanten Fundort knüpft, engt er den Begriff des archäologischen Gegenstandes in einer Weise ein, die vom Wortlaut der Regelung nicht gedeckt ist. Der Zusammenhang mit einem Fundort entsteht nämlich erst durch die weiteren Voraussetzungen der insoweit eindeutigen Formulierung des Anhangs I A.1 der Verordnung Nr. 116/2009, wonach archäologische Gegenstände unter den Schutzbereich der Verordnung fallen, wenn sie aus Grabungen und archäologischen Funden, archäologischen Stätten oder aus archäologischen Sammlungen stammen.

    Die von Prof. Dr. … geforderte archäologische Relevanz der Gegenstände ist in diesem Zusammenhang keine Voraussetzung für die Anwendung des Schutzbereiches. Dieser kommt nur bei der Frage Bedeutung zu, ob die Ausnahmeregelung nach Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 116/2009 greift, für deren Anwendung ein wissenschaftlich und archäologischer Wert der Münzen Voraussetzung ist (siehe dazu unter Buchstabe b).

    Da die betreffenden Münzen und Medaillen bereits unter den in Anhang I unter A.1 genannten Schutzbereich der Verordnung fallen, kommt es auf den von den Beteiligten diskutierten Schutzbereich der Nr. 12b bzw. 13b des Anhangs I der Verordnung nicht mehr an.

    Nach dem Anhang I der Verordnung Nr. 116/2009 sind Kulturgüter im Sinne der unter A.1 genannten Waren jeweils nach Buchstabe B des Anhangs unabhängig von ihrem Wert als Kulturgüter im Sinne des Art. 1 der Verordnung anzusehen. Demnach ist gemäß Art. 4 der Verordnung bei der Ausfuhr grundsätzlich eine Ausfuhrgenehmigung vorzulegen.

    b) Allerdings kommt vorliegend die Ausnahmeregelung des Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 116/2009 zum Tragen. Nach dieser Vorschrift sind die Mitgliedstaaten ermächtigt, für in Anhang I A.1 unter dem ersten und zweiten Gedankenstrich aufgeführte Kulturgüter keine Ausfuhrgenehmigungen zu verlangen, wenn die Kulturgüter von archäologisch oder wissenschaftlich beschränktem Wert sind, nicht unmittelbar aus Grabungen, archäologischen Funden und archäologischen Stätten in einem Mitgliedstaat stammen oder der Handel mit ihnen rechtmäßig ist. Mit dieser Regelung wird den Mitgliedstaaten ein Ermessen eingeräumt, Ausnahmen von der generell gültigen Ausfuhrgenehmigungspflicht zu machen. Zwar hat der nationale Gesetz- oder Verordnungsgeber keine konkretisierenden Regelungen zur Anwendung der in Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung geregelten Bagatellregelung erlassen. Dies ist für die Anwendung der Ausnahmeregelung aber auch nicht erforderlich, da es sich bei der in Form einer Verordnung kodifizierten Regelung um unmittelbar geltendes Recht handelt (Art. 249 Abs. 2 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrages von Nizza). Der Kläger kann sich daher unmittelbar auf die Verordnung berufen.

    Dies führt zwar nicht dazu, dass der Kläger einen Anspruch hätte, die in der Anlage zur Ausfuhranmeldung aufgelisteten Münzen ohne Vorlage einer Ausfuhrgenehmigung auszuführen, jedoch besteht ein Anspruch auf ermessensgerechte Entscheidung. Daran fehlt es vorliegend. Weder das HZA noch das von ihm zu Rate gezogene Landesmuseum Y waren sich überhaupt der Möglichkeit einer Ermessensentscheidung im Rahmen des Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung bewusst, weshalb die ablehnende Entscheidung an einem Ermessensfehler leidet (Ermessensunterschreitung).

    Die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nach Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 116/2009 liegen vor. So sind die Münzen offensichtlich von beschränktem archäologischen und wissenschaftlichen Wert. Hierfür spricht zum einen der eher geringe Preis, zu dem die Münzen auf der Auktion angeboten wurden (zwischen 50 und 400 EUR), zum anderen die Tatsache, dass sie noch in großer Stückzahl vorhanden sind und nach der unbestrittenen Einlassung des Klägers in den gängigen Verzeichnissen aufgelistet sind. Da die Münzen zuvor aus Amerika eingeführt wurden und sich bereits im Handel befanden, ist davon auszugehen, dass sie nicht unmittelbar aus Grabungen, archäologischen Funden und archäologischen Stätten in einem Mitgliedstaat stammen. Es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Handel mit ihnen unrechtmäßig wäre. Für die Rechtmäßigkeit des Handels spricht schon die Tatsache, dass die Münzen auf einer öffentlichen Auktion angeboten und im für diesen Zweck erstellten Katalog aufgeführt sind.

    Zwar hat das Landesmuseum Y in seinem Schreiben vom 28. April 2009 an das HZA durch seinen Hauptkonservator … sowie den Numismatiker … erklärt, seiner Ansicht nach sei eine Ausfuhr ohne die entsprechende Ausfuhrgenehmigung nicht zulässig. Aus dem Schreiben ergibt sich jedoch, dass das Landesmuseum Y die Frage, ob ein Fall der in Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 116/2009 normierten Ausnahmeregelung vorliegt, überhaupt nicht geprüft, möglicherweise nicht einmal gesehen hat. Vielmehr erschöpft sich das Schreiben in der Feststellung, eine Ausfuhr ohne entsprechende Genehmigung sei nicht statthaft.

    Soweit sich das HZA im Klageverfahren darauf beruft, es könne ohne Vorlage der Münzen nicht feststellen, ob ein Fall des Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung vorliege, widerspricht dieses Verlangen einer Begutachtung durch die Fachbehörde dem Willen des Verordnungsgebers zur Verfahrensvereinfachung in Bagatellfällen. Dem Senat sind die Schwierigkeiten, die diese Ausnahmeregelung für die in der Regel in der Sache unkundigen abfertigenden Zollbeamten bei der Ausfuhr in sich birgt, durchaus bewusst. Vorliegend war es daher auch nicht zu beanstanden, dass sich das HZA an die zuständige Fachbehörde, das Landesmuseum Y, gewandt hat. Das ausnahmslose Verlangen, beim Landesmuseum einen formellen Antrag auf Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung bzw. eines entsprechenden Antrags auf Erteilung eines Negativattestes zu stellen, schießt jedoch über dieses Ziel hinaus.

    Den abfertigenden Beamten lagen nach Aktenlage alle notwendigen Angaben für die Beurteilung vor, ob es sich um Münzen von archäologisch und wissenschaftlich geringem Wert handelt. Die Münzen waren in der der Ausfuhranmeldung beigefügten Liste nach Art, Alter und Wert genau bezeichnet. Für das Landesmuseum, dem das HZA die Liste übersandt hatte, wäre es ohne weiteres möglich gewesen, anhand dieser Angaben festzustellen, dass es sich um Münzen von geringem archäologischen und wissenschaftlichen Wert handelte (vergleiche zur Anerkennung der Voraussetzungen für die Anwendung der Bagatellregelung auch Eberl, Probleme und Auswirkungen des EG-Vorschriften zum Kulturgüterschutz, NVwZ 1994, 729 unter II 2.). Eine solche Prüfung hat es jedoch gar nicht vorgenommen, da es von einer ausnahmslosen Ausfuhrgenehmigungspflicht ausging und auf Einhaltung des Verfahrens zur Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung bestand. Dementsprechend kam es auch zu keiner Ermessensentscheidung über das Absehen vom Verlangen einer Ausfuhrgenehmigung. Diesen Fehler der fehlenden Ermessensausübung (Ermessensunterschreitung) muss sich das HZA zurechnen lassen.

    c) Die gerichtliche Überprüfung von Ermessensentscheidungen ist – anders als der Wortlaut des § 102 vermuten lässt – darauf beschränkt, festzustellen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht beachtet oder Ermessen fehlerhaft ausgeübt wurde. Das Gericht ist jedoch nicht zur eigenen Ermessensausübung befugt, weshalb die Sache an das HZA zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen und die Klage im Übrigen abzuweisen war.

    Bei seiner erneuten Entscheidung wird das HZA zu berücksichtigen haben, dass die Verordnung entsprechend der europäischen und nationalen Grundrechte auszulegen ist und die zu treffende Ermessensentscheidung diesen Grundsätzen genügen muss. Dies gilt insbesondere für die gemeinschaftsrechtlich gewährte Ausfuhrfreiheit. Beschränkungen derselben müssen gerechtfertigt sein. Dies sind sie nur dann, wenn die Beschränkung verhältnismäßig ist. Jede Einschränkung muss dementsprechend zur Erreichung ihres Ziels geeignet sein, sich auf das unbedingt Notwendige beschränken und darf nicht unverhältnismäßig sein (Kotzur in Geiger/Khan/Kotzur EUV, AEUV, 5. Auflage, Art. 36 AEUV Rz. 14, 15; siehe auch Ehlers in Grabitz/Hilf, das Recht der Europäischen Union, Loseblatt-Kommentar, 41. Ergänzungslieferung 2010, Bd. V, E 17 Rz. 27 ff.). Hierbei dürfte auch eine Rolle spielen, dass eine Ausfuhrgenehmigung nach Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 4 der Verordnung Nr. 116/2009 (nur) dann verweigert werden darf, wenn die betreffenden Kulturgüter unter eine Rechtsvorschrift zum Schutz nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert in dem betreffenden Mitgliedstaat fallen. Zumindest in dem für Deutschland erstellten Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes nach § 1 des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung vom 1. Januar 1975 in der Fassung vom 08.07.1999 (KultgSchG, BGBl I 1999, 1754) sind die zur Ausfuhr angemeldeten Münzen unstreitig nicht enthalten.

    Bei seiner Entscheidung hat das HZA auch das Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) zu beachten. Auch wenn grundsätzlich ein Anwendungsvorrang des EU-Rechts gilt, der im Grundsatz auch gegenüber nationalem Verfassungsrecht besteht und insbesondere mit den Grundrechten vereinbar ist (Jarass in Jarass/Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl., Art. 23 Rz. 34 mit Nachweisen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts), können verfassungsrechtliche Bedenken aus deutscher Sicht dann bestehen, wenn durch den Rechtsakt der EU die Grenze der nach dem Grundgesetz übertragbaren oder übertragenen Hoheitsrechte überschritten wird. Auch dies ist bei der Anwendung der Bagatellregelung des Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 116/2009 zu berücksichtigen.

    Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 136 Abs. 1 S. 1 und 143 Abs. 1 FGO. Dabei entspricht der den Beteiligten auferlegte Anteil an den Kosten dem Ausmaß ihres jeweiligen Unterliegens (vgl. zur Kostenentscheidung im Falle der Bescheidung bei einem Antrag auf Verpflichtung grundlegend BFH-Urteile vom 3. August 1976 VII R 103/75, BFHE 120, 97; BStBl II 1976, 800; BFH-Urteil vom 1. Februar 1977 VII R 62/75, BFHE 121, 371, BStBl II 1977, 370,NJW 1977, 1216; BFH-Urteil vom 26. Januar 1988 VIII R 151/84, BFH/NV 1988, 695). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 709, 711 der Zivilprozessordnung i. V. m. § 151 Abs. 3 FGO.

    Die Revision war nach § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts für erforderlich erachtet.

    VorschriftenGG Art. 12 Abs. 1, FGO § 40, FGO § 44 Abs. 1