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  • 22.11.2011

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 30.09.2011 – 6 K 3407/08 AO

    1) Erstattet das Finanzamt Steuerbeträge auf ein für den Steuerpflichtigen bei einem Kreditinstitut geführtes Girokonto, ist im Regelfall davon auszugehen, dass das Finanzamt mit der Überweisung nicht zugunsten des Kreditinstituts, sondern mit befreiender Wirkung gegenüber dem anspruchsberechtigten Steuerpflichtigen als Steuergläubiger leisten will.

    2) In einem solchen Fall kann eine Erstattung nicht von dem lediglich als Zahlstelle eingeschalteten Kreditinstitut, sondern nur von dem vermeintlichen Steuergläubiger bzw. Kontoinhaber zurückgefordert werden.

    3) Für die Einordnung eines Kreditinstituts als bloße Zahlstelle kommt es nicht darauf an, ob das Konto, auf welches die (fehlerhafte) Steuererstattung geflossen ist, noch besteht. Demnach ist auch unbeachtlich, wenn das Konto in der EDV des Kreditinstituts aus dem technischen Bestand ausgegliedert worden ist.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat der 6. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht Richter … ehrenamtlicher Richter ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 30.09.2011 für Recht erkannt:

    Tatbestand:

    Zu entscheiden ist, ob der Rückforderungsbescheid vom 15.02.2006, mit welchem der Beklagte (Bekl.) die Klägerin (Klin.) als Leistungsempfängerin einer Steuererstattung in Anspruch genommen hat, rechtmäßig ist.

    Die Klin. ist ein Kreditinstitut, bei welchem die ARGE F A (ARGE), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), am 10.08.2000 ein Geschäftskonto mit der Nummer xx00 errichtete. Gesellschafter der ARGE waren – jedenfalls zum Zeitpunkt der Kontoeröffnung – die I Bau GmbH (AG …, HRB …) und die B GmbH (AG …, HRB …). Dabei handelte es sich bei dem Konto mit der Nummer xx00 um ein sogenanntes „Oder-Konto”, über dessen Guthaben die beiden Gesellschafter jeweils allein verfügen konnten.

    Über das Vermögen der B GmbH wurde durch Beschluss des AG … C – Insolvenzgericht – vom 19.11.2002 (2 IN …) das Insolvenzverfahren eröffnet, welches durch Beschluss des AG … C vom 31.03.2005 mangels Masse wieder eingestellt wurde. Die B GmbH wurde am 22.11.2006 im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht.

    Im Jahre 2002 wurde die I Bau GmbH in die I Bau GmbH & Co. KG (AG …, HRA …) umgewandelt. Komplementär der I Bau GmbH & Co. KG war die I Bau Beteiligungs-GmbH (AG …, HRB …). Kommanditist war Herr I. Über das Vermögen der I Bau GmbH & Co. KG wurde am 01.01.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet (AG …, 2 IN …). Gem. den öffentlichen Bekanntmachungen des Insolvenzgerichts ist dieses Insolvenzverfahren noch nicht beendet.

    Nachdem im Einspruchsverfahren und zu Beginn des Klageverfahrens zunächst streitig war, ob die ARGE als Rechtssubjekt wegen einer möglichen Insolvenz der ARGE und/oder wegen der Insolvenzverfahren über die Vermögen ihrer Gesellschafter noch existiert, haben die Parteien inzwischen unstreitig gestellt, dass über das Vermögen der ARGE kein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und dass hinsichtlich der Insolvenz ihrer Gesellschafter jedenfalls noch keine Vollbeendigung der ARGE erfolgt ist und die ARGE daher als Rechtssubjekt noch existiert.

    Im Jahr 2004 führte der Bekl. bei der ARGE eine Betriebsprüfung (Bp) für die Jahre 2000 bis 2002 durch. Im Nachgang zur Bp kam es am 03.08.2004 zu einer Erstattung eines (vermeintlichen) Umsatzsteuer (USt)-Guthabens i. H. v. 309.846,11 EUR auf das Konto xx00 der ARGE bei der Klin. Dabei hatte die Klin. das ungekündigte Konto xx00 vor dem Zahlungseingang in Ermangelung von Kontenbewegungen bereits aus dem technischen Bestand der laufenden Konten herausgenommen und wegen des Zahlungseingangs zum 05.08.2004 wieder in den technischen Bestand aufgenommen.

    Am 30.09.2005 buchte die Klin. von dem Konto der ARGE mit der Nr. xx00 einen Betrag i. H. v. 310.524,57 EUR auf das Konto yy00 der I Bau GmbH & Co. KG. Anschließend wurde Teilbeträge i. H. v. 102.000,00 EUR bzw. i. H. v. 189.000,00 EUR auf die ebenfalls bei der Klin. geführten Konten der I Bau GmbH & Co. KG mit den Nrn. yy10 sowie yy32 umgebucht und mit diesen Teilbeträgen Forderungen getilgt, welche die Klin. gegen die I Bau GmbH & Co. KG hatte. Auf dem Kontoauszug vom 30.09.2005 der ARGE (Konto-Nr.: xx00) findet sich der Vermerk „Forderungseinzug”. Für diese Umbuchungen stütze sich die Klin. auf eine Globalabtretung vom 21.01.2002, wonach die I Bau GmbH & Co. KG der Klin. alle Forderungen gegen Drittschuldner mit dem Anfangsbuchstaben A – V zur Sicherheit abtrat.

    Im November 2005 gelangte der Bekl. zu der Ansicht, dass die Erstattung der USt fehlerhaft sei, weil Vorsteuerbeträge in der Umsatzsteuervoranmeldung für April 2004 versehentlich doppelt berücksichtigt worden seien. Daraufhin erließ der Bekl. am 22.12.2005 einen geänderten Bescheid für 2004 über USt gegenüber der ARGE, welcher eine Zahllast i. H. v. 517.986,13 EUR auswies. Zugleich wurde die ARGE zur Zahlung der 517.986,13 EUR bis zum 27.01.2006 aufgefordert. In dieser Zahllast i. H. v. 517.986,13 EUR sind die – nach Auffassung des Bekl. – zu Unrecht erstatteten Steuern i. H. v. 309.846,11 EUR enthalten. Der Bescheid vom 22.12.2005 ist bestandskräftig. Eine Zahlung von Seiten der ARGE ist nicht erfolgt. Herr I, der Kommanditist der I Bau GmbH & Co KG, ließ dem Bekl. in Bezug auf den Bescheid vom 22.12.2005 jedoch mitteilen, dass die ARGE insolvent sei und dass der Beklagte sich hinsichtlich der Rückerstattung der fehlerhaft für April 2004 gezahlten Umsatzsteuererstattung unmittelbar an die Klin. wenden möge.

    Mit Bescheid vom 15.02.2006 erließ der Bekl. gegenüber der Klin. einen Rückforderungsbescheid nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO). In dem Bescheid führte der Bekl. aus, dass mit Datum vom 03.08.2004 der ARGE ein USt-Guthaben i. H. v. 309.846,11 EUR auf das Konto mit der Nr. xx00 bei der Klin. ausgezahlt worden sei. Dem läge eine fehlerhafte USt-Festsetzung für April 2004 zu Grunde. Aufgrund dieser USt-Festsetzung ergäbe sich zu Gunsten der Steuerpflichtigen (ARGE) eine ungerechtfertigte Erstattung i. H. v. 309.846,11 EUR. Die Klin. wurde aufgefordert, den Betrag i. H. v. 309.846,11 EUR unter Angabe der Steuer-Nr. der ARGE bis zum 10.03.2006 an den Bekl. zurückzuzahlen.

    Gegen den Rückforderungsbescheid vom 15.02.2006 erhob die Klin. mit Schreiben vom 08.03.2006 Einspruch. Zur Begründung trug die Klin. im Wesentlichen vor, dass die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 AO nicht vorliegen würden. Mit EE vom 30.07.2008 wies der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Bekl. insbesondere aus, dass die ARGE zum Zeitpunkt der rechtsgrundlosen Steuererstattung am 03.08.2004 aufgrund der vorherigen Insolvenz ihrer Gesellschafter nicht mehr existiert habe und deshalb nicht die ARGE, sondern die Klin. rechtsgrundlos bereichert sei.

    Mit der am 04.09.2008 erhobenen Klage verfolgt die Klin. ihr Begehren weiter, den Rückforderungsbescheid ersatzlos aufzuheben. Zur Begründung trägt sie vor, dass die Voraussetzungen für einen auf § 37 Abs. 2 AO gestützten Rückforderungsbescheid nicht vorliegen würden. Die Klin. sei nicht Leistungsempfängerin des (angeblich) rechtsgrundlos gezahlten Erstattungsbetrages. Die Klin. habe mit der Entgegennahme der eingehenden Zahlung nicht im eigenen Namen, sondern als bloße Zahlstelle für die ARGE gehandelt. Leistungsempfängerin sei die ARGE, so dass ein gegen die Klin. gerichteter Rückzahlungsanspruch ausscheide. Der Zahlungseingang sei auch durch die Klin. nicht unmittelbar auf Forderungen, welche die Klin. gegen die I Bau GmbH & Co. KG hatte, umgebucht worden. Die Umbuchung sei vielmehr erst über ein Jahr nach der Umbuchung am 30.09.2005 und im Übrigen berechtigterweise in Ausübung der Einziehungsermächtigung aus der Globalabtretung vom 21.01.2002 erfolgt. Überdies habe der Insolvenzverwalter der I Bau GmbH & Co. KG die Klin. zur Einziehung der von der Globalabtretung erfassten Forderungen ermächtigt. Schließlich sei die I Bau GmbH & Co KG – bzw. deren Insolvenzverwalter – zur alleineigen Verfügung über das Konto der ARGE mit der Nummer xx00 berechtigt gewesen, da es sich um ein „Oder-Konto” gehandelt habe. Schließlich könnten sich allenfalls die ARGE und/oder die I Bau GmbH & Co. KG und nicht der Bekl. auf die Unzulässigkeit der Umbuchungen vom 30.09.2005 berufen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageschrift vom 04.09.2008 und die weiteren Schriftsätze der Klin. vom 11.12.2008, 20.02.2009, 16.04.2010, 17.05.2010, 25.05.2010, 16.08.2010 und 05.11.2010 verwiesen.

    Die Klin beantragt,

    den Rückforderungsbescheid vom 15.02.2006 in der Fassung der Einspruchsentscheidung (EE) vom 30.07.2008 aufzuheben,

    hilfsweise,

    die Revision zuzulassen.

    Der Bekl. beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise,

    die Revision zuzulassen.

    Der Bekl. ist der Auffassung, dass die Klin. Leistungsempfängerin der Überweisung vom 03.08.2004 sei, weil das Konto der ARGE am 03.08.2004 nicht mehr existiert habe. Es sei ausschließlich zur Verbuchung des Zahlungseinganges wieder eingerichtet worden. Ferner habe die Klin. das Guthaben auf dem Konto xx00, was unstreitig ist, zugunsten der I Bau GmbH & Co. KG umgebucht und hiermit letztlich eigene Forderungen, welche die Klin. gegen die insolvente I Bau GmbH & Co. KG hatte, getilgt. Durch diese Umbuchung habe die Klin. eigene finanzielle Interessen und eine eigene Zweckbestimmung gesetzt, weshalb die Klin. nicht lediglich als Zahlstelle angesehen werden könne. Zur Umbuchung vom 30.09.2005 sei die Klin. zudem nicht berechtigt gewesen. Dementsprechend sei die Klin. nicht schutzwürdig. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die EE vom 30.07.2008 sowie auf die Schriftsätze des Bekl. vom 24.10.2008, 16.01.2009, 05.05.2010, 07.06.2010 und vom 08.09.2010 verwiesen.

    Im Übrigen wird auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 02.06.2010 sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 30.09.2011 verwiesen.

    Entscheidungsgründe:

    Die Klage ist begründet.

    Die Klin. ist in Bezug auf die Überweisung des der ARGE vermeintlich zustehenden Steuererstattungsbetrages auf das bei der Klin. geführte Konto der ARGE am 03.08.2004 nicht Leistungsempfängerin im Sinne des § 37 Abs. 2 AO. Die Klin. ist Zahlstelle. Leistungsempfängerin ist die ARGE. Da der angefochtene

    Rückforderungsbescheid des Bekl. auf einer gegenteiligen Auffassung beruht und ein Rückforderungsanspruch nur dann in Betracht kommt, wenn die Klin. als Leistungsempfängerin anzusehen wäre, ist die Klin. durch den Rückforderungsbescheid vom 15.02.2006 in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

    Gemäß § 37 Abs. 2 AO ist eine Steuer, die ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist, von dem, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, zu erstatten. Der Erstattungspflichtige muss als Leistungsempfänger der zuvor geleisteten Zahlung anzusehen sein.

    Wer als Leistungsempfänger i. S. d. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO anzusehen ist, ist auf Grund objektiver Betrachtungsweise zu entscheiden. Sind an einem Erstattungsvorgang mehrere Personen beteiligt, ist derjenige Schuldner des Rückzahlungsanspruchs, zu dessen Gunsten erkennbar die Zahlung geleistet wurde, die nunmehr zurückgefordert wird. In der Regel ist das derjenige, demgegenüber die Finanzbehörde ihre abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen wollte. Auch wenn ein Dritter eine Zahlung tatsächlich empfängt, ist er dann nicht als Leistungsempfänger anzusehen, wenn er lediglich als Zahlstelle benannt worden ist oder wenn das Finanzamt auf Grund einer Anweisung des Erstattungsberechtigten an diesen gezahlt hat (vgl. BFH-Urteil vom 06.06.2003, VII B 262/02, BFH/NV 2003, 1532; BFH-Urteil vom 30.08.2005, VII R 64/04, BStBl. II 2006, 353; BFH-Urteil vom 10.11.2009, VII R 6/09, BStBl. II 2010, 255). Wenn bei einer Steuererstattung ein vom Steuerpflichtigen angegebenes Kreditinstitut eingeschaltet ist, ist im Regelfall davon auszugehen, dass das Finanzamt mit der Überweisung nicht zu Gunsten des Kreditinstituts, sondern mit befreiender Wirkung gegenüber dem anspruchsberechtigten Steuerpflichtigen als Steuergläubiger leisten will. In diesem Fall ist das Kreditinstitut nicht Leistungsempfänger, sondern lediglich Zahlstelle. Leistungsempfänger bleibt der Steuerpflichtige, so dass ein späterer Erstattungsbetrag nicht von dem Kreditinstitut, sondern nur von dem vermeintlichen Steuergläubiger und damit dem Kontoinhaber zurückgefordert werden kann (BFH-Urteil vom 10.11.2009, VII R 6/09, BStBl. II 2010, 255; BFH-Beschluss vom 26.04.2010, VII B 212/09, BFH/NV 2010, 1414).

    Nach Auffassung des Senats ist vorliegend die ARGE als Steuerpflichtige als Leistungsempfängerin der (fehlerhaften) Steuererstattung anzusehen. Eine von der Grundregel abweichende Beurteilung, dass der Steuerpflichtige Leistungsempfänger und das Kreditinstitut Zahlstelle ist, ist nicht geboten.

    Zunächst war die ARGE zum Zeitpunkt der Steuererstattung noch taugliches Rechtssubjekt, um einem Anspruch aus § 37 Abs. 2 AO ausgesetzt zu sein. Über das Vermögen der ARGE wurde kein Insolvenzverfahren durchgeführt. Allerdings führte die Eröffnung der Insolvenzverfahren über die Vermögen der Gesellschafter der ARGE gemäß § 728 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Auflösung der ARGE. Die Auflösung einer GbR ist jedoch von ihrer Vollbeendigung mit Auseinandersetzung zu unterscheiden. Nach der Auflösung der GbR gemäß § 728 Abs. 2 Satz 1 BGB vollzieht sich die Auseinandersetzung der Gesellschaft nach allgemeinem Gesellschaftsrecht. Soweit im Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Regelungen enthalten sind, erfolgt die Auseinandersetzung gemäß §§ 730 bis 735 BGB (Ulmer in: MüKo, BGB, 4. Aufl. 2004, § 728 Rn. 38). Danach führt die Auflösung der GbR nicht zur sofortigen Beendigung der Gesellschaft, sondern zu deren Umwandlung in eine Abwicklungsgesellschaft. Hintergrund für diese Regelung ist insbesondere, dass die Gesellschaft auf diese Weise als Zuordnungssubjekt weiterhin erhalten bleibt und den Gesellschaftsgläubigern damit weiterhin ein Schuldner zur Verfügung steht. Erst wenn das Gesellschaftsvermögen vollständig abgewickelt ist, ist die Gesellschaft beendet (Ulmer in: MüKo, BGB, 4. Aufl. 2004, § 730 Rn. 1). Diese Vollbeendigung der ARGE ist unstreitig noch nicht erfolgt. Somit war die ARGE zum Zeitpunkt der (fehlerhaften) Steuererstattung noch taugliches Rechtssubjekt für einen Girovertrag und für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis. Dass auch die Bekl. zum Zeitpunkt der Steuererstattung (03.08.2004) nicht an der Existenz der ARGE zweifelte, wird zudem daran deutlich, dass die Bekl. gegen die ARGE als Steuerpflichtige noch am 22.12.2005 einen USt-Bescheid für 2004 erlassen hat.

    Unerheblich für die Zahlstelleneigenschaft der Klin. ist auch, dass die Klin. das Konto der ARGE mit der Nr. xx00 vor dem Geldeingang zwischenzeitlich aus dem Bestand der laufenden Konten herausgenommen hatte. Nach neuerer Rechtsprechung des BFH, welcher der Senat bereits mit Entscheidung vom 24.03.2011 gefolgt ist, kommt es für die Einordnung eines Kreditinstitutes als Leistungsempfänger i. S. d. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO nicht darauf an, ob das Konto, auf welches die (fehlerhafte) Steuererstattung geflossen ist, noch besteht (BFH-Urteil vom 10.11.2009, VII R 6/09, BStBl. II 2010, 255; BFH-Beschluss vom 26.04.2010, VII B 212/09, BFH/NV 2010, 1414; FG Münster, Urteil vom 24.03.2011, 6 K 2439/10, juris). Das Kreditinstitut ist nach neuerer Rechtsprechung auch dann als Zahlstelle anzusehen, wenn der Erstattungsbetrag auf ein früheres Konto des Steuerpflichtigen bei diesem Kreditinstitut überwiesen worden ist und wenn der Steuerpflichtige dieses Konto früher als sein Konto gegenüber der Finanzbehörde angegeben hatte, mit der Maßgabe, dass dorthin Erstattungen erfolgen sollen. Somit ist ein Kreditinstitut auch dann lediglich Zahlstelle und nicht zur Rückzahlung des vom Finanzamt auf ein vom Steuerpflichtigen angegebenes Girokonto überwiesenen Betrages verpflichtet, wenn es den Betrag auf ein bereits gekündigtes, aber noch nicht abgerechnetes Girokonto verbucht und nach Rechnungsabschluss an den früheren Kontoinhaber bzw. dessen Insolvenzverwalter ausgezahlt hat (BFH-Urteil vom 10.11.2009, VII R 6/09, BStBl. II 2010, 255; BFH-Beschluss vom 26.04.2010, VII B 212/09, BFH/NV 2010, 1414; FG Münster, Urteil vom 24.03.2011, 6 K 2439/10, juris).

    Dem Beklagten ist zwar zuzubilligen, dass der BFH in früheren Entscheidungen das Kreditinstitut als Leistungsempfängerin im Sinne des § 37 Abs. 2 AO angesehen hat, wenn der als Zahlungsempfänger benannte Steuerpflichtige bei dem Kreditinstitut kein Konto mehr unterhielt (BGH-Beschluss vom 06.06.2003, VII B 262/02, BFH/NV 2003, 1532; BGH-Beschluss vom 28.01.2004, VII B 139/03, BFH/NV 2004, 762). Hiervon ist der BFH mit Urteil vom 10.11.2009 jedoch abgewichen und hat das Kreditinstitut auch bei gekündigtem Konto bzw. Girovertrag aufgrund der nachvertraglichen Pflichten aus dem Girovertrag in Anlehnung an den Rechtsgedanken aus § 812 Abs. 1 BGB – und die zivilrechtliche Rechtsprechung zu den Leistungsbeziehungen im Rahmen des § 812 Abs. 1 BGB bei erloschenem Girovertrag (BGH-Urteil vom 05.12.2006, XI ZR 21/06, BGHZ 170, 121) – als Zahlstelle angesehen (BFH-Urteil vom 10.11.2009, VII R 6/09, BStBl. II 2010, 255).

    Dies kann hier aufgrund eines Erst-Recht-Schlusses nicht anders gesehen werden. Wenn selbst in dem Fall, in dem das Konto des Steuerpflichtigen bei dem Kreditinstitut auf Grund einer Kündigung des Girovertrages nicht mehr existiert, davon auszugehen ist, dass der Steuerpflichtige und nicht das Kreditinstitut Leistungsempfänger i. S. d. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO ist, so muss dies erst Recht für den Fall gelten, in dem das Konto des Steuerpflichtigen, wie hier, nicht im rechtlichen Sinne in Folge einer Kündigung des Girovertrages erloschen, sondern lediglich in der EDV des Kreditinstitutes aus dem technischen Bestand ausgegliedert worden ist. Diese interne Ausgliederung des Kontos aus dem technischen Bestand – in Ermangelung von Kontenbewegungen – ist im Vergleich zur vollständigen Beendigung und Auflösung des Kontos auf Grund einer Kündigung des Girovertrages als weniger anzusehen, denn die zivilrechtlichen Pflichten des Kreditinstitutes aus dem Girovertrag bestehen bei einem aus dem technischen Bestand ausgegliederten aber ungekündigten Konto noch unverändert fort. Ein Rückgriff auf nachvertragliche Pflichten aus dem Girovertrag, wie vom BFH im Urteil vom 10.11.2009 vorgenommen und für ausreichend erachtet (VII R 6 /09, BStBl. II 2010, 255), ist hier nicht erforderlich.

    Überdies stehen der Einordnung der Klin. als Zahlstelle die älteren Entscheidungen des BFH vom 06.06.2003 und 28.01.2004 nach Auffassung des Senates nicht entgehen. Der BFH hat in der Entscheidung vom 06.06.2003 ausgeführt, dass es für die Bestimmung des Leistungsempfängers entscheidend auf die Sicht des Zuwendungsempfängers und nicht auf den inneren Willen des Leistenden ankäme (BGH-Beschluss vom 06.06.2003, VII B 262/02, BFH/NV 2003, 1532). Wenn der Leistende nun die Zahlung auf ein Konto anweist, welches aufgrund der Kündigung des Girovertrages nicht mehr bestehe, sei für das Kreditinstitut erkennbar, dass das Finanzamt das Kreditinstitut nicht lediglich als Zahlstelle für den Steuerpflichtigen in Anspruch nehme (BGH-Beschluss vom 06.06.2003, VII B 262/02, BFH/NV 2003, 1532). Dies hat der BFH mit dem Beschluss vom 28.01.2004 nochmals bestätigt (VII B 139/03, BFH/NV 2004, 762). Vorliegend war der Girovertrag zwischen der Klin. und der ARGE jedoch ungekündigt. Die Klin. hatte das Konto lediglich in Ermangelung von Kontenbewegungen aus dem internen technischen Bestand der laufenden Konten genommen. Die Pflichten aus dem Girovertrag bestanden unverändert fort. Bei dieser Sachlage musste die Klin. nicht davon ausgehen, dass der Beklagte die Klin. nicht als Zahlstelle, sondern als Leistungsempfängerin in Anspruch nahm.

    Auch die spätere Umbuchung durch die Klin. führt nicht dazu, dass die Klin. als Leistungsempfängerin im Sinne des § 37 Abs. 2 AO anzusehen ist. Hierfür spricht bereits, dass die Umbuchung erst am 30.09.2005 und damit mehr als ein Jahr nach der Gutschrift vom 03.08.2004 erfolgt ist. Der Anspruch aus § 37 Abs. 2 Satz 1 AO entsteht im Zeitpunkt der rechtsgrundlosen Zahlung (vgl. Drüen in: Tipke/Kruse, AO, § 37 Rn. 42). Am 03.08.2004 wollte der Bekl. erkennbar an die ARGE als Steuerpflichtigen leisten und sich für die Zahlung der Klin. als Zahlstelle bedienen. Diese Einordung der Beteiligten zum Zeitpunkt der Anspruchsentstehung kann nicht durch eine mehr als 13 Monate später erfolgte Umbuchung in der Art geändert werden, dass die Zahlstelle plötzlich als Leistungsempfängerin anzusehen ist.

    Ferner macht die Umbuchung und die anschließende Aufrechnung die Klin. auch deshalb nicht zur Leistungsempfängerin, weil sich dieser Vorgang allein im Verhältnis zwischen der Klin. als Bank und der ARGE als deren Vertragspartner vollzieht und gerade zur Voraussetzung hat, dass die Bank lediglich Zahlstelle ist (vgl. BFH-Urteil vom 10.11.2009, VII R 6/09, BStBl. II 2010, 255). Aus diesem Grund ist hier auch nicht entscheidungserheblich, ob die Klin. zur Umbuchung vom 30.09.2005 berechtigt war. Eine etwaige Umbuchungsberechtigung betrifft lediglich die Rechtsbeziehung zwischen der Klin. und der ARGE aus dem Girovertrag bzw. die Rechtsbeziehung zwischen der Klin. und der I Bau GmbH & Co. KG aus der Globalabtretung. Der Bekl. ist hier nicht beteiligt. Sofern der Bekl. anführt, die Klin. sei nicht schutzwürdig, weil sie zur Umbuchung nicht berechtigt gewesen sei, so ist darauf hinzuweisen, dass eine Berechtigung zur Umbuchung jedenfalls naheliegend ist. Bei dem Konto der ARGE mit der Nummer xx00 handelte es sich um eine „Oder-Konto”. Danach waren beide Gesellschafter der ARGE jeweils allein verfügungsberechtigt. Damit durfte auch die I Bau GmbH & Co. KG über das Guthaben auf dem Girokonto allein verfügen. Aus der Auflösung der ARGE durch die Insolvenz ihrer Gesellschafter gemäß § 728 Abs. 2 Satz 1 BGB hatte die I Bau GmbH & Co. KG als Gesellschafterin der GbR aus § 734 BGB einen Anspruch gegen die ARGE auf einen Teil des Auseinandersetzungsguthabens. Mit der Globalabtretung vom 21.01.2002 hatte die I Bau GmbH & Co. KG ihre sämtlichen gegenwärtigen und künftigen Ansprüche gegen alle Drittschuldner mit den Anfangsbuchstaben A bis V an die Klin. abgetreten und damit auch ihre Ansprüche gegen die „ARGE F”, sodass die Klin. die Forderungen, welche ursprünglich die I Bau GmbH & Co. KG gegen die ARGE hatte, aus eigenem Recht geltend machen konnte. Ob diese Forderung auf das anteilige Auseinandersetzungsguthaben in dieser Höhe bestand und fällig war, wird gegebenenfalls zwischen den Beteiligten dieses Anspruchs zu klären sein. Gleiches gilt für die Prüfung, ob der Insolvenzverwalter der I Bau GmbH & Co. KG der Einziehung der von der Globalabtretung erfassten Forderungen tatsächlich zugestimmt hat und ob diese Zustimmung erforderlich war.

    Schließlich ist eine sogenannte eigene Zweckbestimmung des Kreditinstitutes im Rahmen der Umbuchung hinsichtlich des Erstattungsbetrages jedenfalls dann unschädlich und macht das Kreditinstitut nicht zum Leistungsempfänger, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich in den Genuss der Erstattung gekommen ist (FG Münster, Urteil vom 24.03.2011, 6 K 2439/10, juris). Dies ist vorliegend der Fall. Der Erstattungsbetrag wurde von der Klin. auf Grund der Globalabtretung vom 21.01.2002 von dem Konto der ARGE auf ein Konto der I Bau GmbH & Co. KG umgebucht und hier letztlich zur Tilgung von Schulden der I Bau GmbH & Co. KG verwendet. Durch die Umbuchung und Verrechnung zugunsten der I Bau GmbH & Co. KG hat die ARGE entweder ihre Verpflichtung aus dem oben genannten Abfindungsanspruch aus § 734 BGB (teilweise) erfüllt oder, wenn und soweit der Abfindungsanspruch (noch) nicht bestand, einen Rückerstattungsanspruch gegen die I Bau GmbH & Co. KG erlangt. In beiden Fällen ist die Fehlüberweisung des Bekl. letztlich auch der ARGE zugute gekommen.

    Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

    Wegen grundsätzlicher Bedeutung ist die Revision zuzulassen. Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 10.11.2009 (VII R 6/09, BStBl. II 2010, 255) zwar einen Anschluss an die zivilrechtliche Rechtsprechung zur Bestimmung des Leistungsempfängers nach erloschenem Konto vollzogen, aber dennoch offengelassen, ob im Übrigen an der Rechtsprechung aus den Entscheidungen vom 06.06.2003 (VII B 262/02, BFH/NV 2003, 1532) und vom 28.01.2004 (VII B 139/03, BFH/NV 2004, 762) festgehalten werde. Die vorliegende Fallgestaltung ist daher nicht endgültig geklärt.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. § 709 der Zivilprozessordnung.

    VorschriftenAO § 37 Abs 2