20.10.2011
Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 24.03.2010 – 13 K 287/06
- In Ausnahmefällen liegt trotz fehlender rechtlicher Möglichkeit zur Durchsetzung des eigenen Willens einer Person eine faktische Beherrschung und damit eine personelle Verflechtung vor, wenn auf die Gesellschafter aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen derartiger Druck ausgeübt werden kann, dass sich diese dem Willen der herrschenden Person unterordnen, z.B. weil diese unverzichtbare Betriebsgrundlagen zur Verfügung stellt, die er der Gesellschaft ohne weiteres wieder entziehen kann und die nicht ersatzweise von Dritten beschafft werden können.
- Die Verpachtung eines Grundstücks gewährt dem Gesellschafter nur dann eine hinreichende Machtstellung, wenn nicht die Möglichkeit besteht, ein anderes Grundstück zu pachten und den Betrieb zu verlegen.
- Eine Betriebsverpachtung im Ganzen liegt dann nicht vor, wenn das Grundvermögen nicht die alleinige Betriebsgrundlage darstellt und andererseits der Kläger das bewegliche Anlagevermögen und das Umlaufvermögen nicht die GmbH als Pächter veräußert sondern in die GmbH eingebracht hat.
- Ein Ruhen des Gewerbebetriebs ist nicht nur dann anzunehmen, wenn die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung vorliegen, sondern auch dann, wenn ein Gewerbetreibender den seinem bisherigen Betrieb das Gepräge gebenden Grundbesitz vermögensverwaltend vorhält oder die Vermietung von bisher zum Betriebsvermögen gehörendem Grundbesitz wie bisher fortführt und sich weder aus den äußerlich erkennbaren Umständen eindeutig ergibt, dass der Betrieb endgültig aufgegeben werden soll, noch eine eindeutige Erklärung dieses Inhalts gegenüber dem Finanzamt abgegeben worden ist.
- Ein Ruhen des Gewerbebetriebs außerhalb der Betriebsverpachtung liegt nicht vor, wenn bei Einstellung der werbenden Tätigkeit nicht die Absicht bestand, den Betrieb später fortzuführen (subjektives Tatbestandsmerkmal) und die zurückbehaltenen Wirtschaftsgüter es nicht erlaubten, den Betrieb innerhalb eines überschaubaren Zeitraums in gleichartiger oder ähnlicher Weise wiederaufzunehmen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob zwischen dem Einzelunternehmen des Klägers zu 1. und der GmbH, an der die Kläger zu 1. und 2. beteiligt waren, eine Betriebsaufspaltung bestand, mit der Folge, dass der Entnahmegewinn betreffend mehrerer Grundstücke als laufender Gewinn zu versteuern ist.
Die Kläger sind miteinander verheiratet und wurden im Streitjahr 1994 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger zu 1. hatte bis zum XX XX XX einen Getränkegroßhandel als Einzelunternehmen. Zum XX XX XX wurde durch Einbringung des bisherigen Einzelunternehmens - mit Ausnahme des Grundvermögens - die GmbH gegründet (vgl. Gesellschaftsvertrag vom 17.09.1979, Nr. 489 der Urkundenrolle für 1979 des Notars Dr. R.G.). Neben dem Kläger zu 1. waren die Klägerin zu 2. und der Bruder des Klägers zu 1., Herr L.N., an der GmbH beteiligt. Die Beteiligungsverhältnisse stellten sich sowohl 1979 als auch unverändert im Jahre 1994 wie folgt dar:
| Gesellschafter | Stammeinlagen | Beteiligung in % |
| Kläger zu 1. | 49.000 DM | 49 % |
| Klägerin zu 2. | 26.000 DM | 26 % |
| L.N. (Bruder des Klägers) | 25.000 DM | 25 % |
| 100.000 DM | 100 % |
Im Streitjahr gingen die Beteiligten vom Bestehen einer Betriebsaufspaltung zwischen der GmbH als Betriebsgesellschaft und dem Einzelunternehmen als Besitzunternehmen, und damit von einer gewerblichen Tätigkeit des Einzelunternehmens durch die Vermietung und Verpachtung, aus.
Zum 31.12.YY entnahm der Kläger zu 1. die Grundstücke A-Str. 19a, 21 und 23 und die nicht betrieblich genutzten Teile des Grundstücks A-Str. 23a dem Betriebsvermögen und berechnete einen Entnahmegewinn in Höhe von insgesamt 1.160.506 DM.
Die Kläger erklärten den Entnahmegewinn einkommensteuerrechtlich als tarifbegünstigten Gewinn aus einer Teilbetriebsaufgabe gemäß § 34 Einkommensteuergesetz -EStG-. In den Folgejahren erklärten sie die Einkünfte aus der Vermietung der entnommenen Grundstücke als private Vermietungseinkünfte des Klägers zu 1.
Der Beklagte folgte zunächst in dem Einkommensteuerbescheid 1994 vom 25.10.1996 den Angaben der Kläger. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abgabenordnung -AO-.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung stellte der Beklagte fest, dass der Entnahmegewinn auf 1.170.706 DM zu erhöhen sei. Hinsichtlich der Höhe bestünde Einigkeit unter den Beteiligten. Weiterhin vertrat der Beklagte im Anschluss an die Außenprüfung die Auffassung, dass es sich bei der Entnahme nicht um eine Teilbetriebsaufgabe handele. Die Grundstücksvermietung stelle für sich betrachtet keine gewerbliche Tätigkeit dar, was jedoch Voraussetzung für eine Teilbetriebsaufgabe sei.
Dementsprechend änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 1994 durch Bescheid vom 03.04.2001. Der Entnahmegewinn wurde darin als laufender Gewinn aus dem Gewerbebetrieb erfasst.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger mit Schreiben vom 27.04.2001 Einspruch. Sie begehrten die Aufhebung des geänderten Bescheids. Sie waren der Auffassung, bei der Entnahme der Grundstücke handele es sich um eine Teilbetriebsaufgabe, so
dass der Gewinn im Rahmen der Einkommensteuer tarifbegünstigt sei. Jedes Grundstück stelle für sich betrachtet einen selbständigen, organisatorisch abgegrenzten Teil des Vermietungsunternehmens dar und sei für sich lebensfähig. Die Frage der Gewerblichkeit sei aus der Sicht des Veräußerers zu bestimmen. Nicht erheblich sei deshalb, ob sich die Gewerblichkeit nur durch die Verbindung mit dem Hauptbetrieb oder aus eigenen Merkmalen ergebe. Darüber hinaus sei die Vermietung auch isoliert betrachtet als gewerblich anzusehen, da sie umfangreiche Umbau- und Verwaltungstätigkeiten erfordere und die so erbrachten Leistungen über eine bloße Vermietung hinaus gingen. Letztlich habe der Bescheid aus Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht geändert werden können, da eine Änderung der Rechtsprechung nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO nicht zuungunsten des Einspruchsführers habe berücksichtigt werden dürfen.
Diesen Einspruch wies der Beklagte als unbegründet zurück. Der Entnahmegewinn sei nicht nach § 34 EStG tarifbegünstigt. Die Anwendung der Vorschrift setze voraus, dass der Kläger im Veranlagungszeitraum außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 EStG bezogen habe.
Die Entnahme der Grundstücke stelle keine Teilbetriebsaufgabe dar, da ein Teilbetrieb nur dann vorläge, wenn es sich um einen mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteten Teil des Gesamtbetriebs handele, der für sich betrachtet alle Merkmale eines Gewerbebetriebs aufweise und allein lebensfähig sei. Entgegen der Ansicht der Kläger käme es gerade darauf an, dass sich die Gewerblichkeit aus eigenen Merkmalen ergebe und nicht lediglich aus der Verbindung mit dem Hauptbetrieb. Das entspräche auch ständiger Rechtsprechung. Vorliegend stelle die Vermietung der entnommenen Grundstücke isoliert betrachtet keine gewerbliche Tätigkeit, sondern eine private Vermögensverwaltung dar. Zwar könne auch eine Grundstücksverwaltung als gewerblich zu beurteilen sein, jedoch setze dies voraus, dass über die bloße Vermögensverwaltung hinausgehende Leistungen erbracht würden oder dass sich die Gewerblichkeit aus anderen Umständen ergebe. Die vom Kläger entnommenen Grundstücke seien lediglich gewillkürtes Betriebsvermögen des durch eine Betriebsaufspaltung gebildeten Vermietungsunternehmens. Des weitern seien die von
den Klägern vorgebrachten Argumente nicht geeignet, das Vorliegen einer gewerblichen Vermietung zu begründen. Auch wenn die Vermietung der Grundstücke Umbaumaßnahmen erfordert habe und wegen häufigen Mieterwechsels eine umfangreiche Verwaltungstätigkeit habe entfaltet werden müssen, so seien diese Leistungen lediglich im Rahmen der Vermietung und nicht als darüber hinausgehende Leistungen erbracht worden. Es sei im Übrigen nicht ersichtlich, dass die nach dem Vortrag der Kläger entfalteten Umbau- und Verwaltungstätigkeiten über die üblichen Tätigkeiten im Rahmen der Vermietung mehrerer mehrgeschossiger Gebäude zu fremden Gewerbe- und Wohnzwecken hinausgehe. Letztlich hätten die Kläger selbst im Rahmen der Einkommensteuererklärungen der Folgejahre die Einkünfte aus der Vermietung der Grundstücke als private Vermietungseinkünfte und nicht als Einkünfte aus gewerblicher Vermietung erklärt. Der Änderung des Bescheids nach § 164 Abs. 2 S. 1 AO hätte auch nicht die Berücksichtigung des Vertrauensschutzgedankens im Sinne des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO entgegengestanden. Entgegen der Auffassung der Kläger läge keine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung vor. Vielmehr sähe der Bundesfinanzhof - BFH - die Entnahme von vermieteten Grundstücken, die zuvor gewillkürtes Betriebsvermögen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung darstellten, seit 1969 unverändert nicht als Teilbetriebsaufgabe an.
Gegen diese Entscheidung wenden sich die Kläger nunmehr mit ihrer Klage.
Sie sind der Auffassung, die Besteuerung des Entnahmegewinns im Jahre 1994 durch den Beklagten beruhe auf der rechtsirrtümlichen Annahme, dass es sich bei den „entnommenen” Grundstücken um Betriebsvermögen des Klägers zu 1. handele. Die zu fremdgewerblichen oder zu fremden Wohnzwecken genutzten Grundstücke hielte der Kläger zu 1. jedoch im Jahr 1994 im Privatvermögen.
Mangels einer Betriebsaufspaltung seien die Grundstücke nicht aufgrund der bloßen Vermietung an die GmbH Betriebsvermögen des Besitzunternehmens des Klägers zu 1.
Voraussetzung für die Betriebsaufspaltung sei neben der sachlichen Verflechtung durch die Vermietung des Betriebsgrundstücks an die GmbH (Teile des Grundstücks A- Str. 23a) auch die personelle Verflechtung. Eine personelle Verflechtung könne allerdings vorliegend nur dadurch begründet werden, dass der Kläger zu 1., in dessen Alleineigentum die Grundstücke stünden, auch die Betriebs-GmbH beherrsche. Nach den Beteiligungsverhältnissen vom 31.12.YY sei dies jedoch nicht der Fall gewesen, da der Kläger zu 1. nur mit 49 % an der GmbH beteiligt sei.
Eine personelle Verflechtung ergebe sich auch nicht in Verbindung mit den von der Klägerin zu 2. gehaltenen Anteilen, da eine Zusammenrechnung von Ehegattenanteilen nicht zulässig sei.
Nach der aktuellen Rechtsprechung hätten nicht die Kläger Interessengegensätze zwischen den Ehegatten geltend zu machen; vielmehr habe der Beklagten Beweisanzeichen darzulegen, die für über die eheliche Lebensgemeinschaft hinausgehende gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen der Eheleute sprächen und ausnahmsweise eine Zusammenrechnung der Ehegattenanteile rechtfertige.
Für die Einbeziehung der Anteile des Bruders des Klägers zu 1. fehle es ebenso an einer rechtlichen Grundlage. Der bloße Umstand, dass der Bruder in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert sei, lasse nicht den Schluss zu, dass die GmbH faktisch durch den Kläger zu 1. beherrscht würde. Auch, dass der Bruder dem Kläger zu 1. sowie dessen Kindern im Jahre 1996 Anteile an der GmbH geschenkt habe, sei nicht geeignet, eine faktische Beherrschung der GmbH durch den Kläger zu 1. zu begründen.
Somit lägen die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung nicht vor. Soweit sie aufgrund ihrer früheren Nutzung zu eigengewerblichen Zwecken des früheren Einzelunternehmers Betriebsvermögen darstellten, wäre davon auszugehen, dass die Grundstücke in dem Zeitpunkt als entnommen anzusehen wären, in dem die Betriebsaufspaltung angenommen wurde, d.h. im vorliegenden Fall zum XX XX XX.
Die Grundstücke seien auch nicht aus anderen Gründen Betriebsvermögen. Es fände keine originär eigengewerbliche Nutzung statt, so dass sie nicht zum notwendigen Betriebsvermögen zählten. Auch stellten sie weder gewillkürtes Betriebsvermögen noch Betriebsvermögen durch Bilanzierung dar. Die bloße Bilanzierung durch den Steuerpflichtigen führe nur dann zu einer steuerlichen Umqualifizierung der Einkunftsart, wenn weitere Merkmale einer gewerblichen Tätigkeit vorlägen.
Im Ergebnis handele es sich bei den Grundstücken um unrichtigerweise als Betriebsvermögen behandelte Wirtschaftsgüter des Privatvermögens, die im Jahr 1994 gewinnneutral auszubuchen seien. Diese Ausbuchung stelle nach ständiger Rechtsprechung keine Entnahme dar. Eine während der unrichtigen Behandlung als Betriebsvermögen eingetretene Wertsteigerung dürfe nicht erfasst werden.
Die Kläger sind der Auffassung, dass der Kläger zu 1. nicht beherrschender Gesellschafter gewesen sei, da er der Gesellschaft keine unverzichtbaren Betriebsgrundlagen zur Verfügung gestellt habe.
Eine Betriebsverpachtung käme nicht in Betracht, da der Kläger zu 1. sein Einzelunternehmen mit Ausnahme der Grundstücke in die GmbH eingebracht habe; diese hätten der GmbH auch nicht ihr Gepräge gegeben.
Hilfsweise sind die Kläger der Auffassung, dass - unterstelle man eine Betriebsaufspaltung - dieser Entnahmegewinn als Aufgabegewinn der ermäßigten Besteuerung gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG unterläge.
Die Kläger beantragen,
den geänderten Einkommensteuerbescheid 1994 vom 03.04.2001 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30.12.2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bleibt im Wesentlichen bei seinem außergerichtlichen Vorbringen. Er ist der Ansicht, dass seit dem XX XX XX eine Betriebsaufspaltung vorläge. Hinsichtlich der Frage der sachlichen und personellen Verflechtung verweist er auf die Feststellungen des Betriebsprüfers anlässlich der im Jahre 1985 durchgeführten Betriebsprüfung. Nach den damaligen Ermittlungen und Feststellungen bestünden gleichgerichtete Interessen des Klägers zu 1., sowohl mit der Klägerin zu 2. als auch
mit dem Bruder des Klägers zu 1. Nach dem Eindruck, der während der Betriebsprüfung entstand, habe der Bruder keinen entscheidenden Einfluss auf die Betriebsgesellschaft, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass der Kläger zu 1. als Alleineigentümer der Grundstücke betriebliche Entscheidungen im Sinne eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens habe durchsetzen können.
Hilfsweise wäre nach Ansicht des Beklagten eine Betriebsverpachtung anzunehmen, so dass die Grundstücke ihre ursprüngliche Betriebseigenschaft nicht aufgegeben hätten; mangels einer ausdrücklichen Betriebsaufgabe sei der Fortbestand des Einzelunternehmens anzunehmen; 1994 läge damit eine Entnahme vor.
Am 15.12.2009 hat ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden. Auf eine weitere mündliche Verhandlung haben die Beteiligten verzichtet.
Dem Gericht haben die den Rechtsstreit betreffenden Steuerakten vorgelegen.
Gründe
Die Klage hat Erfolg.
Sie ist zulässig und begründet.
Der Bescheid für 1994 über Einkommensteuer und Kirchensteuer ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, so dass der Bescheid gemäß § 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO- aufgehoben wird.
Mangels Betriebsaufspaltung wegen fehlender personeller Verflechtung zwischen der GmbH und dem Einzelunternehmen des Klägers zu 1. ist die Vermietung der streitgegenständlichen Grundstücke keine gewerbliche Tätigkeit, so dass im Veranlagungszeitraum 1994 die „Entnahme” der Grundstücke keinen laufenden Gewinn aus gewerblichen Einkünften gemäß §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, 4 Abs. 1 S. 1 EStG auslöst.
Die Vermietung von Wirtschaftsgütern wird nach ständiger Rechtsprechung des BFH dann als eine über eine reine Vermögensverwaltung hinausgehende gewerbliche Tätigkeit angesehen, wenn das vermietende Unternehmen (Besitzunternehmen) mit dem mietenden Unternehmen (Betriebsunternehmen) sachlich und personell verflochten ist (Betriebsaufspaltung) (BFH-Urteil vom 02.12.2004 III R 77/03, BStBl II 2005, 340, m. w. N.; BFH-Urteil vom 21.01.1999 IV R 96/96, BStBl II 2002, 771).
Nach dem Beschluss des Großen Senats vom 08.11.1971 (GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 10972, 63) setzt die - hier in Bezug auf die Betriebsaufspaltung allein streitige - personelle Verflechtung voraus, dass eine Person oder mehrere Personen zusammen als Personengruppe sowohl das Besitz- als auch das Betriebsunternehmen in der Weise beherrschen, dass sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen. Der Große Senat des Bundesfinanzhofes sieht es als entscheidend an, ob die hinter den beiden Unternehmen stehenden Personen „einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen” haben. Denn dann unterscheidet sich die Tätigkeit des Besitzunternehmers von der Tätigkeit des normalen Vermieters.
Dieser Wille tritt am klarsten hervor, wenn an beiden Unternehmen dieselben Personen im gleichen Verhältnis beteiligt sind (sog. Beteiligungsidentität). Es genügt aber, dass die Person oder die Personen, die das Besitzunternehmen tatsächlich beherrschen, in der Lage sind, im Betriebsunternehmen ihren Willen durchzusetzen (sog. Beherrschungsidentität) (BFH-Urteil vom 02.12.2004 III R 77/03, BStBl II 2005, 340; BFH-Urteil vom 24.02.2000 IV R 62/98, BStBl II 2000, 417).
Im vorliegenden Fall liegt keine Beteiligungsidentität vor, da es sich bei dem potentiellen Besitzunternehmen um ein Einzelunternehmen handelt, während an der Betriebsgesellschaft drei natürliche Personen beteiligt sind. Darüber hinaus ist der Kläger zu 1. als Inhaber des Besitzunternehmens aufgrund der Beteiligungsverhältnisse an der GmbH auch nicht in der Lage die Betriebsgesellschaft zu beherrschen. Er ist mit 49 % an der GmbH beteiligt, während im Gesellschaftsvertrag vom 17.09.1979 unter § 9 Abs. 3 geregelt ist, dass die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit gefasst werden. Abweichende vertragliche Vereinbarung, wie die Übertragung von Stimmrechten seitens der Klägerin zu 2. oder des Bruders des Klägers zu 1. sind nicht vorgetragen und nicht ersichtlich.
Eine Beherrschung durch die Kläger zu 1. ist auch nicht wegen einer Zusammenrechnung seiner Anteile und der Anteile seiner Ehefrau, der Klägerin zu 2., anzunehmen. Eine Zusammenrechnung von Ehegattenanteilen ist nur möglich, wenn Ehegatten eine geschlossene Personengruppe darstellen oder wenn besondere Beweisanzeichen für eine zusätzlich zur Ehe bestehende Wirtschaftsgemeinschaft zwischen den Ehegatten gegeben ist. Allein der Umstand, dass es sich bei Gesellschaftern um Eheleute handelt, führt nicht zu der Annahme, sie verfolgten gemeinsame Interessen (ständige Rechtsprechung, zum Beispiel BFH-Urteil vom 15.10.1998 IV R 20/98, BStBl II 1999, 445, m.w.N.; BFH-Urteil vom 27.11.1985 I R 115/85, BStBl II 1986, 362; vgl. auch Lange, Personengesellschaften im Steuerrecht, 7. Auflage 2008, Rdnr. 3386 ff.). Vielmehr müssen zusätzlich zur ehelichen Lebensgemeinschaft Umstände von der Finanzverwaltung dargelegt (und nachgewiesen) werden, die für die Annahme einer personellen Verflechtung durch gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen der Ehegatten sprechen. Nicht als besondere Beweisanzeichen können unter anderem jahreslanges konfliktfreies Zusammenwirken der Eheleute oder das durch den Ehemann der Betriebsgesellschaft maßgeblich verliehene „Gepräge” herangezogen werden.
In diesem Sinne besondere Umstände, wie einen Stimmbindungsvertrag oder eine unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht, sind im vorliegenden Fall weder vorgetragen noch ersichtlich. Das Gleiche gilt für die Anteile des Bruders. Auch bezüglich dieser Anteile bestehen keine Anhaltspunkte, die eine Zusammenrechnung der Anteile rechtfertigen würden. Dass der Bruder seine Anteile später an die Kinder der Kläger unentgeltlich übertragen hat, lässt keinen entsprechenden Rückschluss zu.
Ferner ist hinsichtlich der personellen Verflechtung auch nicht auf eine faktische Beherrschung durch einen Gesellschafter, zum Beispiel dadurch, dass er wesentliche Betriebsgrundlagen zur Verfügung stellt oder eine besondere Fachkenntnis hat, abzustellen. Gegen ein generelles Abstellen auf die rein tatsächliche Beherrschung
sprechen vor allem zwei Gesichtspunkte. Erstens ließe sich das tatsächliche Beherrschungsverhältnis nur aus dem Verhalten der Gesellschafter in der Vergangenheit ableiten, was aber keinen sicheren Schluss darauf zulässt, dass dieser Zustand auch künftig fortwirkt. Zweitens ist unklar, welche Anforderungen in diesem Zusammenhang an eine tatsächliche Beherrschung zu stellen sind. Entschließt sich beispielsweise der jahrelang kooperative Nur-Betriebsgesellschafter erstmals, eine von der Mehrheit gewünschte Entscheidung nicht mitzutragen, könnte angenommen werden, dass damit die tatsächliche Beherrschung durch die Mehrheitsgesellschafter ihr Ende gefunden hat. Das würde aber zugleich das sofortige Entfallen der Betriebsaufspaltung bedeuten. Angesichts der weitreichenden Folgen einer Beendigung der Betriebsaufspaltung, insbesondere im Hinblick auf die Aufdeckung stiller Reserven, würde die Betriebsaufspaltung unter solchen Umständen ein unkalkulierbares Risiko darstellen. Es ist deshalb vertreten worden, ein einmaliges abweichendes Stimmverhalten sei unbeachtlich, womit die Frage offenbliebe, welche Anzahl stattdessen erforderlich sein soll, um das Ende der Beherrschung anzunehmen (vgl. BGH-Urteil vom 21.01.1999 IV R 96/96, BStBl II 2002, 771).
Damit ist nicht ausgeschlossen, dass in besonders gelagerten Ausnahmefällen trotz fehlender rechtlicher Möglichkeit zur Durchsetzung des eigenen Willens eine Person ein Unternehmen faktisch im Sinne der Rechtsprechungsgrundsätze zur Betriebsaufspaltung beherrschen kann. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 29.07.1976 IV R 145/72, BStBl II 1976, 750; Urteil vom 21.01.1999
IV R 96/96, BStBl II 2002, 771; Urteil vom 15.03.2000 VIII R 82/98, BStBl II 2002, 774; vgl. auch Lange, Personengesellschaften im Steuerrecht, 7. Auflage 2008, Rdnr. 3374). Eine solche faktische Beherrschung liegt dann vor, wenn auf die Gesellschafter, deren Stimme zur Erreichung der im Einzelfall erforderlichen Stimmenmehrheit fehlen, aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen Druck dahingehend ausgeübt werden kann, dass sie sich dem Willen der beherrschenden Person unterordnen. Dazu kann es etwa kommen, wenn ein Gesellschafter der Gesellschaft unverzichtbare Betriebsgrundlage zur Verfügung stellt, die er der Gesellschaft ohne weiteres wieder entziehen kann.
Unter unverzichtbaren Betriebsgrundlagen sind nach Wendt (vgl. Wendt, Anm. BFH-Urteil vom 15.03.2000 VIII R 82/98, FR 2000, 819) wohl wesentliche Betriebsgrundlagen zu verstehen, die nicht ersatzweise von Dritten beschafft werden können. Auch betont der BFH, dass der mit der Überlassung von wesentlichen Betriebsgrundlagen verbundene wirtschaftliche Druck auf die Gesellschafter für sich allein nicht den Schluss rechtfertigt, die Gesellschafter könnten bei der Beschlussfassung keinen eigenen geschäftlichen Willen entfalten (BFH-Urteil vom 15.03.2000 VIII R 82/98, BStBl II 2002, 774; vgl. Kempermann, NWB 2003, Fach 3 S. 12501, 12505). Aus der Zusammenschau dieser Gesichtspunkte ist damit unter „unverzichtbar” mehr als „wesentlich” zu verstehen.
Im Streitfall ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger zu 1. der GmbH unverzichtbare Betriebsgrundlagen zur Verfügung stellt, so dass sich für die Unterordnung der beiden anderen Gesellschafter unter den Willen des Klägers zu 1. keine Anhaltspunkte ergeben. Die Verpachtung des Grundstücks an die GmbH gewährt dem Kläger zu 1. keine für die Beherrschung dieser Gesellschaft hinreichende tatsächliche Machtstellung. So bestand für die GmbH sehr wohl die Möglichkeit, ein anderes Grundstück zu pachten und den Betrieb zu verlegen. Auf dem streitgegenständlichen Grundstück waren zwar bauliche Veränderungen an dem Gebäude in der Gestalt vorgenommen worden, dass eine Rampe errichtet wurde, um das leichtere Be- und Entladen der Getränkelieferwagen zu ermöglichen, jedoch wird das zur Verfügung gestellt Wirtschaftsgut dadurch nicht unverzichtbar, denn die bauliche Veränderung stellt keine spezifische Veränderung dar, die nicht in auch bei anderen Gebäuden anzutreffen ist, die der Lagerhaltung dienen. Darüber hätte der Kläger zu 1. der GmbH das Grundstück auch nicht ohne weiteres entziehen können, da der Kläger zu 1. an die Kündigungsfristen der Pachtverträge gebunden war.
Es ist auch nicht deswegen ein laufender Gewinn aus gewerblichen Einkünften anzunehmen, weil beim Einzelunternehmen des Klägers zu 1. die Voraussetzungen eines ruhenden Gewerbebetriebs vorliegen.
Ein Ruhen des Gewerbebetriebs kann bei Vorliegen einer Betriebsverpachtung in Betracht kommen. Danach braucht ein Gewerbetreibender die in seinem Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven dann nicht aufzudecken, wenn er zwar selbst seine werbende Tätigkeit einstellt, aber entweder den Betrieb im Ganzen als geschlossenen Organismus oder zumindest alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs verpachtet. Eine Betriebsverpachtung kann dann vorliegen, wenn der Unternehmer lediglich ein Betriebsgrundstück verpachtet und das Grundstück die alleinige Betriebsgrundlage darstellt. Je nach Art des Gewerbebetriebs kann allerdings eine Betriebsverpachtung auch dann noch vorliegen, wenn das bewegliche Anlagevermögen und das Umlaufvermögen an der Pächter veräußert werden und/oder jederzeit leicht und kurzfristig wiederbeschafft werden können (BFH-Urteil vom 11.05.1999 VIII R 72/96, BStBl II 2002, 722).
Im vorliegenden Fall liegt keine Betriebsverpachtung im Ganzen vor, weil einerseits das Grundvermögen nicht die alleinige Betriebsgrundlage darstellte und andererseits der Kläger zu 1. sämtliche Wirtschaftsgüter bis auf die Betriebsgrundstücke, mithin das bewegliche Anlagevermögen und das Umlaufvermögen nicht an den Pächter, d.h. die GmbH, veräußert hat, sondern in die GmbH eingebracht hat. Diese Wirtschaftsgüter sind nicht jederzeit leicht und kurzfristig wiederzubeschaffen; denn zur Wiederbeschaffung wäre ein Beschluss der Gesellschafterversammlung lt. Gesellschaftsvertrag vom 17.09.1979 mit einfacher Mehrheit von Nöten, den der Kläger zu 1. bei seiner Beteiligungsquote von 49 % nicht ohne weiteres herbeiführen könnte.
Ein Ruhen des Gewerbebetriebs ist nicht nur dann anzunehmen, wenn die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung vorliegen, sondern unter anderem auch dann, wenn ein Gewerbetreibender den seinem bisherigen Betrieb das Gepräge gebenden Grundbesitz vermögensverwaltend vorhält oder die Vermietung von bisher zum Betriebsvermögen gehörendem Grundbesitz wie bisher fortführt und sich weder aus den äußerlich erkennbaren Umständen eindeutig ergibt, dass der Betrieb endgültig aufgegeben werden soll, noch eine eindeutige Erklärung dieses Inhalts gegenüber dem Finanzamt abgegeben worden ist (BFH-Urteil vom 11.05.1999 VIII R 72/96, BStBl II 2002, 722).
Auch hinsichtlich dieser beiden Möglichkeiten, ein Ruhen des Gewerbebetriebs anzunehmen, liegen die Voraussetzungen im Streitfall nicht vor. Zum einen handelt es sich bei dem Grundstück, das an die GmbH verpachtet wurde, nicht um einen dem Betrieb das Gepräge gebende Grundbesitz. Der Grundbesitz gibt einem Betrieb das Gepräge, wenn seine besondere Eigenart auf den Betrieb durchschlägt und so dem Betrieb seine „Handschrift”, seine „Individualität” verleiht. Das ist vorliegend nicht der Fall. Dies scheidet ebenso aus, wie das Grundstück keine unverzichtbare Betriebsgrundlage dargestellt; denn es handelt sich bei dem Grundbesitz um nichts mehr als eine wesentliche Betriebsgrundlage.
Zum anderen wurde auch nicht die Vermietung von bisher zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitz fortgeführt; denn vor der Gründung der GmbH war zumindest der betriebliche Teil des Grundbesitzes vom Einzelunternehmen des Klägers zu 1. selbst genutzt und erstmals nach Gründung der GmbH an diese verpachtet.
Darüber hinaus scheitert die Annahme, ein Ruhen des Gewerbebetriebs außerhalb der Betriebsverpachtung anzunehmen, bereits daran, dass bei Einstellung der werbenden Tätigkeit nicht die Absicht bestand, den Betrieb später fortzuführen (subjektives Tatbestandsmerkmal) und die zurückbehaltenen Wirtschaftsgüter es nicht erlaubten, den Betrieb innerhalb eines überschaubaren Zeitraums in gleichartiger oder ähnlicher Weise wiederaufzunehmen (objektives Tatbestandsmerkmal).
Durch das Einbringen des Einzelunternehmens - mit Ausnahme des Grundvermögens - in die GmbH wird deutlich, dass weder der Kläger zu 1. die Absicht hatte, den Betrieb später fortzuführen, noch die objektiven Gegebenheiten es erlauben, allein mit dem Betriebsgrundstück ohne bewegliches Anlage- und Umlaufvermögen den Getränkehandel als Einzelunternehmen wieder aufzunehmen.
Da im Ergebnis mangels personeller Verflechtung keine Betriebsaufspaltung vorliegt und auch die Voraussetzungen eines ruhenden Gewerbebetriebs nicht vorliegen, stellt die Vermietung und Verpachtung des Grundbesitzes keine gewerbliche Tätigkeit dar. Auf die Frage, ob die Vermietung der Grundstücke über die vermögensverwaltende Vermietung hinaus ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter, organisatorisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebes, der für sich betrachtet alle Merkmale eines Betriebes im Sinne des Einkommensteuergesetzes aufweist und für sich lebensfähig ist, und deshalb der ermäßigte Tarif des § 34 EStG Anwendung findet, kommt es nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung -ZPO-.
Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren erging gemäß § 139 Abs. 3 S. 3 FGO.