25.08.2011
Finanzgericht Hamburg: Gerichtsbescheid vom 15.06.2011 – 3 K 135/10
1. Im Erhebungsverfahren können Steuerpflichtiger und Finanzamt Vergleiche schließen.
2. Hat ein Zufluss völlig gefehlt und der Arbeitgeber die Lohnsteuer mithin zu Unrecht einbehalten, ist die Lohnsteuer nach der neueren Rechtsprechung des BFH gleichwohl anzurechnen (Aufgabe des Korrespondenzprinzips zugunsten der materiellen Gerechtigkeit).
3. Bei der Berechnung des Betrags einer teilweise vorzunehmenden Lohnsteueranrechnung ist anteilig (prozentual) auf die im konkreten Lohnabrechnungszeitraum tatsächlich abgezogene Lohnsteuer abzustellen.
Tatbestand
A.
Die Beteiligten streiten über die Anrechnung von vom damaligen, inzwischen liquidierten Arbeitgeber für einen geldwerten Vorteil einbehaltene Lohnsteuer, nachdem das Vorliegen dieses Vorteils zwischen den Beteiligten zuvor im Verfahren 3K 51/08 umstritten war und sie sich dort verständigt und das Verfahren für erledigt erklärt haben.
I.
1.a)
Der Kläger war bis 30. September 2003 angestellter kaufmännischer Leiter der A GmbH, deren Gesellschafterin die Stadt B war. Gegenstand des Unternehmens der A war die Förderung junger Unternehmen auf dem Gebiet der Medizintechnik, und zwar sowohl durch Übernahme von Beteiligungen als auch durch Aufbau eines persönlichen Netzwerks. Geschäftsführer bis August 2003 war Dr. C.
b)
Aufgrund politischer Veränderungen wurde die Arbeit der A eingestellt. Dazu wurde zunächst der bisherige Geschäftsführer abberufen und im September 2003 der neue Geschäftsführer D bestellt mit der Aufgabe, die Liquidation vorzubereiten und mit dem Personal Abfindungsverträge auszuhandeln. Im Dezember 2004 wurde die Auflösung der Gesellschaft förmlich beschlossen und ein Liquidator bestellt. Im Januar 2009 wurde die Gesellschaft im Handelsregister nach Beendigung der Liquidation gelöscht. Die Bücher und Schriften wurden der Behörde für Wirtschaft und Arbeit der Stadt B zur Aufbewahrung übergeben.
2.a)
Ein Kernteam von Medizinern und Ingenieuren hatte ein Handgerät (”...”) zur Überwachung von mechanischen Herzklappen, das vom Patienten selbst eingesetzt werden kann (”...”), entwickelt, aber noch nicht zur Marktreife gebracht. Zur Weiterführung der Projektidee benötigten sie betriebswirtschaftliche Unterstützung und Beratung sowie Kapital. Neben weiteren Personen kam der Kläger als Ökonom hinzu, danach die A als Investor, später Dr. E als weiterer Investor.
b)
Mit Gesellschaftsvertrag vom ... 2002 wurde von dem Kernteam, den weiteren hinzugekommenen Personen, darunter der Kläger, und der A die F GmbH gegründet mit einem Stammkapital von 25.000 Euro, von dem die Gesellschafter Stammeinlagen in unterschiedlicher Höhe übernahmen, der Kläger übernahm 750 Euro, die A als „Lead Investor” 6.250 Euro (im Einzelnen: Gesellschaftsvertrag § 1.1, Anlageband Fach Schriftsatz Kläger 15.03.2011). Die Gesellschafter hatten ferner ein Aufgeld in die Kapitalrücklage zu entrichten, insgesamt 172.400 Euro. Der Anteil des Aufgeldes der einzelnen Gesellschafter entsprach nicht ihrem Anteil am Stammkapital. Das Kernteam hatte ein unterproportionales, die A ein deutlich überproportionales Aufgeld zu zahlen (im Einzelnen: Gesellschaftsvertrag § 3.1). Das Aufgeld des Klägers betrug 6.450 Euro, das der A 125.000 Euro. Über die Gewinnverteilung war keine besondere Regelung getroffen. Der Kläger zahlte seine Stammeinlage und sein Aufgeld, zusammen 7.200 Euro, am 1. November 2002 an die Gesellschaft (Finanzgerichtsakte - FG-A - 3 K 51/08 Bl. 51). Die Gesellschaft wurde am ... 2002 in das Handelsregister eingetragen.
c)
Mit notariell beurkundetem Gesellschafterbeschluss vom 11. April 2003 wurde unter Erhöhung des Stammkapitals von dem hinzutretenden Gesellschafter Dr. E eine Stammeinlage von 8.800 Euro und ein Aufgeld von 250.000 Euro übernommen.
d)
Anfang 2006 gab es zwischen den Gesellschaftern im Rahmen einer weiteren Finanzierungsrunde Streit, so dass die weitere Expansion scheiterte. Die F GmbH wurde in G GmbH umfirmiert und ist nicht mehr geschäftlich aktiv. Ein Teil der bisherigen Gesellschafter, darunter der Kläger, gründete die H GmbH & Co. KG, die trotz der Namensgleichheit mit der früheren F GmbH keine gesellschaftsrechtliche Verbindung aufweist. Diese führt jetzt die Geschäftsaktivitäten weiter.
e)
Geschäftsführer der F GmbH, jetzt G GmbH ist der Ingenieur, Mitglied des Kernteams und Mitgesellschafter Dr. I. Dieser ist auch an der H GmbH & Co. KG beteiligt und war zunächst bis 2009 auch Geschäftsführer von deren Komplementär-GmbH. Seit ... 2008 ist er Professor für ... an der Hochschule J.
Der Kläger veräußerte seinen Geschäftsanteil an der F GmbH im Juni 2006 an Dr. I ohne sofort fälliges Entgelt, nur gegen Besserungsschein; bis heute ist keine Zahlung erfolgt. Seit 2009 ist der Kläger Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der H GmbH & Co. KG.
3. a)
Der mit der Vorbereitung der Liquidation der A beauftragte Interimsgeschäftsführer Hr. D ging im Rahmen der zu schließenden Aufhebungsverträge im August 2003 davon aus, dass die Beteiligung des Klägers an der F GmbH im Zusammenhang mit dessen Anstellung bei der A stehe und dass dessen Beteiligungskonditionen, namentlich das von diesem zu entrichtende Aufgeld, besser gewesen seien als fremde, nicht beim Lead Investor A beschäftigte Dritte sie erhalten hätten, und gab deswegen dem mit der Lohnbuchführung betrauten Steuerberater der A, der K GmbH Steuerberatungsgesellschaft, die Weisung, beim Kläger in der nächsten Gehaltsabrechnung einen geldwerten Vorteil in Höhe von 8.550 Euro zu berücksichtigen.
b)
Die Gehaltsabrechnung des Klägers für den Monat September 2003, zugleich seine letzte bei der Arbeitgeberin A, enthält neben dem monatlichen Gehalt von 6.350 Euro, einer steuerpflichtigen Abfindung von 9.819 Euro und einer steuerfreien Abfindung von 8.181 Euro einen geldwerten Vorteil von 8.550 Euro; bei einem steuerpflichtigen Bruttolohn von 24.719 Euro wurden dabei 10.994,83 Euro Lohnsteuer und 604,71 Euro Solidaritätszuschlag abgezogen (Einkommensteuerakten - ESt-A - Bl. 23).
II. 1.
Die Einkommensteuererklärungen des Klägers für 2002 und 2003 gingen zeitgleich am 6. Juni 2005 beim beklagten Finanzamt - FA - ein. Der Kläger wurde steuerlich von der L Steuerberatungsgesellschaft mbH betreut, die unter gleicher Anschrift und mit gleichem Geschäftsführer wie die K GmbH tätig ist.
Der Kläger erklärte seinen Bruttoarbeitslohn für 2003 um 8.550 Euro geringer als die Summe aus den Lohnsteuerbescheinigungen der A und seines nachfolgenden Arbeitgebers und erläuterte dies dahingehend, dass im Jahr 2002 die F GmbH gegründet worden sei, woran sich die A als Mehrheitsgesellschafterin und er selbst mit einem Anteil von 3 % beteiligt habe. Er habe seinen Anteil zu vergünstigten Konditionen erhalten. In der Geschäftsführung der A habe man unterstellt, dass die Vergünstigung aufgrund der Zugehörigkeit des Klägers zur A gewährt worden sei, und deswegen gegen den Willen des Klägers eine Versteuerung des Unterschiedsbetrages als geldwerten Vorteil vorgenommen. Der Kläger erklärte jedoch ausdrücklich, dass die Vergünstigung in keinerlei Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bei der A stehe, dieselbe Vergünstigung sei nämlich auch weiteren Mitgesellschaftern gewährt worden, welche zu keinem Zeitpunkt in einem Angestelltenverhältnis oder in sonstiger Geschäftsbeziehung mit der A gestanden hätten (ESt-A Bl. 24).
2.
Das FA legte im Einkommensteuerbescheid 2003 vom 17. Januar 2006 jedoch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einschließlich der 8.550 Euro zugrunde entsprechend der Lohnsteuerbescheinigungen des Arbeitgebers und führte zur Begründung aus, das Nichtvorliegen eines geldwerten Vorteils sei nicht nachgewiesen worden (EStA Bl. 58).
3.
a)
Mit Schreiben der L GmbH, unterschrieben von der Steuerberaterin M, vom 17. Februar 2006 legte der Kläger Einspruch ein. Unter Vorlage einer Kopie eines Auszugs des Gesellschaftsvertrages der F GmbH wurde nachfolgend ausgeführt, der Anteil des Klägers am Stammkapital habe genau 3 % betragen. Ein gleicher Anteil am Aufgeld hätte 5.172 Euro betragen, der Kläger habe jedoch 6.450 Euro Aufgeld zahlen müssen. Die Ausführungen in der Anlage zur Einkommensteuererklärung, der Kläger habe seinen Anteil zu vergünstigten Konditionen erhalten, könne daher nicht mehr aufrechterhalten werden. Im Übrigen liege eine reine Bargründung vor. Es sei daher auch ausgeschlossen, dass dem Kläger etwa anteilige stille Reserven von einem Mitgesellschafter eingebrachtem, unterbewertetem Betriebsvermögen zugeflossen sein könnten.
b)
Mit Schreiben vom 30. Januar 2007 forderte das FA den Kläger auf mitzuteilen, wie der geldwerte Vorteil von 8.550 Euro ermittelt wurde.
c)
Mit Schreiben des Klägervertreters vom 21. Februar 2007 verwies der Kläger auf seine vorherigen Ausführungen. Zwar habe die A ein verhältnismäßig höheres Aufgeld als er selbst gezahlt, jedoch z. B. Dr. I ein niedrigeres. Da das Aufgeld des Klägers noch immer etwas über dem Durchschnitt gelegen habe, habe er nicht von der hohen Einzahlung der A profitiert.
d)
Mit Schreiben vom 23. Februar 2007 und nachfolgenden Erinnerungsschreiben forderte das FA den Kläger auf, einen von der A ausgestellten Nachweis vorzulegen, der Aufschluss darüber gebe, wofür der geldwerte Vorteil berechnet worden und wie er ermittelt worden sei.
e)
Der Kläger legte nachfolgend den chronologischen Ablauf aus seiner Sicht nochmals dar (Rechtsbehelfsakten - Rb-A - Bd. 1 Bl. 26). Ferner legte er mehrere Schreiben vor, so
ein Schreiben des Geschäftsführers der F GmbH Dr. I vom 26. Mai 2006, in dem dieser ausführt, die Beteiligungsaufgelder hätten sich nach dem Zeitpunkt der Involvierung in das Projekt gerichtet und es habe keine bevorzugte Behandlung des Klägers aufgrund seines Arbeitsverhältnisses mit der A gegeben (Rb-A Bd. 1 Bl. 33),
ein Schreiben des vormaligen Geschäftsführers der A Dr. C vom 14. August 2007, mit dem dieser darlegt, dass zu seiner Zeit als Geschäftsführer eine Besteuerung eines geldwerten Vorteils bewusst nicht erfolgt sei, weil ein solcher Vorteil schon aufgrund des zeitlichen Ablaufs nicht vorgelegen haben könne; ein Vorteil durch die Stellung des Klägers bei der A liege nicht vor; was seinen Nachfolger zu einer anderen Handhabung bewogen habe, wisse er nicht (Rb-A Bd. 1 Bl. 32),
ein Schreiben des späteren Geschäftsführers der A Hr. D von 9. Januar 2008, worin dieser angibt, der Kläger habe beim Erwerb von Anteilen bessere Konditionen erhalten als fremde Dritte sie erhalten hätten, dieser Vorteil habe sich aus dem Angestelltenverhältnis zum maßgeblichen Gesellschafter A ergeben; weitere Details könne er aus dem Gedächtnis nicht angeben, Frau M vom Steuerbüro habe aber entsprechend gebucht; die Unterlagen würden von der Behörde für Wirtschaft und Arbeit verwahrt (Rb-A Bd. 1 Bl. 39).
f)
Mit Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2008 wies das FA den Einspruch im dem hier verfahrensgegenständlichen Streitpunkt als unbegründet zurück (in einem anderen Punkt wurde einvernehmlich teilweise stattgegeben). Der Kläger sei gemäß § 90 Abs. 1 AO zur Mitwirkung verpflichtet. Eine Ermittlung des geldwerten Vorteils habe er trotz mehrfacher Aufforderung nicht vorgelegt, auch habe er keinen Nachweis erbracht, wofür der geldwerte Vorteil gewährt worden sei. Dies hätte sich aus der Lohnbuchhaltung der A ergeben. Zwar ergebe sich aus der Vorlage des Gründungsvertrages der F, dass sich kein Vorteil aus dem Verhältnis der Aufgelder ergebe. Der Kläger habe aber nicht nachgewiesen, dass der in seiner Gehaltsabrechnung September 2003 ausgewiesene geldwerte Vorteil aus einer anderen Vorteilsgewährung der A resultiere. Es sei auch in Betracht zu ziehen, dass es sich um Anteile an einer anderen Gesellschaft handeln könnte. Das FA habe die vom Arbeitgeber auf der Lohnsteuerkarte bescheinigten Besteuerungsmerkmale bei der Veranlagung zugrunde zu legen. Von der Lohnsteuerkarte abweichende Besteuerungsmerkmale habe der Kläger anhand geeigneter Belege nachzuweisen. Das Nichtvorliegen eines geldwerten Vorteils in Höhe von 8.550 Euro habe der Kläger aber nicht nachgewiesen.
III.
1.
Hiergegen erhob der Kläger am 12. März 2008 Klage (3 K 51/08, Vorprozess) mit dem Ziel, den angesetzten geldwerten Vorteil aufzuheben. Er verwies auf die oben II.3.e genannten Schreiben sowie auf eine Bestätigung des Liquidators, dass dort Lohnbuchhaltungsunterlagen nicht vorlägen, und bezog sich auf das Zeugnis Hr. D. Das FA verwies auf seine Einspruchsbegründung.
2. a)
Der Berichterstatter wies mit Verfügung vom 3. März 2009 u. a. auf folgende Gesichtspunkte hin:
Die Lohnsteuerbescheinigung habe für die Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers keine Bindungswirkung.
Die Feststellungslast für Einnahmen liege beim FA, die Klage habe daher bereits dann Erfolg, wenn der geldwerte Vorteil nicht nachweisbar bleibe.
Der Zufluss sei ggf. 2002, nicht 2003 gewesen (Gesellschaftsvertrag vom 28. Oktober 2002, Überweisung von Stammeinlage und Aufgeld am 1. November 2002, Eintragung in das Handelsregister am 27. Dezember 2002).
Steuerabzugsbeträge könnten im Rahmen der Erhebung nur abgezogen werden, wenn die Einnahmen, für die der Steuerabzug erfolgt ist, in die Veranlagung einzubeziehen sind. Dies könnte, falls kein geldwerter Vorteil vorliege, dazu führen, dass die auf den geldwerten Vorteil entfallende Lohnsteuer nicht abzuziehen sei. Dies könne jedoch offen bleiben, weil Gegenstand des Rechtsstreits nur die Festsetzung sei.
b)
Mit Verfügung vom 17. März 2009 beraumte der Berichterstatter einen Erörterungs- und Beweisaufnahmetermin (§ 79 Abs. 3 FGO) auf den 8. Mai 2009 an und ordnete die Ladung der Zeugen M (Steuerberaterin), Hr. D (späterer Geschäftsführer A), Dr. I (Geschäftsführer F) und Dr. C (vormaliger Geschäftsführer A) an.
c)
Der Berichterstatter telefonierte am 25. März 2009 mit dem Steuerberater N, Geschäftsführer der K GmbH, wegen der Aussagegenehmigung für die dort vormals angestellte Zeugin M. In diesem Zusammenhang teilte der Steuerberater N mit, man wolle den Vertreter des FA nochmals wegen einer außergerichtlichen Einigung ansprechen. Die anstehende Beweisaufnahme erscheine in Anbetracht des streitigen Betrages etwas überdimensioniert.
3.
a)
Mit Schriftsatz vom 22. April 2009, eingegangen am 27. April 2009, äußerte sich das FA auf die richterlichen Hinweise vom 3. März 2009 dahingehend, dass nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage zur einvernehmlichen Erledigung des Rechtsstreits ohne Präjudiz Folgendes vorgeschlagen werde:
„Der Beklagte wird dem Klagebegehren abhelfen und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2003 vom 17.01.2006 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 11.02.2008 dahingehend ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein geldwerter Vorteil i. H. v. 8.550 Euro nicht weiter berücksichtigt wird.” Die Anrechnung der hierauf vom Arbeitgeber, der Fa. A GmbH, nach § 39b EStG einbehaltenen Lohnsteuer entfiele hierdurch gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, der Abrechnungsteil des Bescheides vom 11.02.2008 wird entsprechend geändert.
Der Beklagte verzichtet auf den Ansatz eines entsprechenden geldwerten Vorteils im Veranlagungsjahr 2002.
Die Beteiligten verständigen sich hinsichtlich der Kosten entsprechend der „B Regel”, wonach der Beklagte die Gerichtskosten trägt und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden.
Bei Annahme des Einigungsvorschlages durch den Kläger würde der Erörterungstermin vom 08.05.2009 entfallen. Anhand der Lohnbuchführungsunterlagen des Arbeitgebers wäre noch nachzuvollziehen, in welcher Höhe für den geldwerten Vorteil seinerzeit Lohnsteuer abgezogen worden sei (FG-A 3 K 51/08 Bl. 142).
Der Schriftsatz wurde am 28. April 2009 an den Klägervertreter gefaxt.
b)
Hierauf faxte der Klägervertreter, ein Steuerberater, am 30. April 2009 handschriftlich an das Gericht:
„Hiermit wird bestätigt, dass Herr O mit dem Vorschlag einverstanden ist.” (FG-A 3 K 51/08 Bl. 144)
c)
Auf Nachfrage des Gerichts erklärte der Kläger mit Schriftsatz vom 30. April 2009, per Fax eingegangen am 5. Mai 2009, mit Bezug auf die getroffene Einigung den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
d)
Mit Verfügung vom 5. Mai 2009 wurde der Erörterungstermin 8. Mai 2009 aufgehoben; die Zeugen wurden abgeladen.
e)
Mit Schriftsatz vom 5. Mai 2009, eingegangen am 7. Mai 2009, schloss sich das FA der Erledigungserklärung an und bat den Klägervertreter zugleich, anhand der Lohnbuchführungsunterlagen der A dem FA die Höhe des maßgeblichen Lohnsteuerabzugs mitzuteilen (FG-A 3 K 51/08 Bl. 161).
IV. 1.
Mit Einkommensteuerbescheid 2003 vom 19. Februar 2010 änderte das FA den Bescheid vom 17. Januar 2006 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2008. Der Bruttoarbeitslohn bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und das zu versteuernde Einkommen wurden um 8.550 Euro niedriger angesetzt, wodurch die festgesetzte Einkommensteuer um 4.103 Euro und der festgesetzte Solidaritätszuschlag um 225,67 Euro geringer wurden. Zugleich wurde im Abrechnungsteil des Bescheids ein niedrigerer Steuerabzug vom Lohn berücksichtigt, und zwar bei der Einkommensteuer um 4.153 Euro und beim Solidaritätszuschlag um 228,41 Euro. Im Ergebnis ergab sich bei der Einkommensteuer eine Nachzahlung von 50 Euro und beim Solidaritätszuschlag eine Nachzahlung von 2,74 Euro (Rb-A Bd. 2 Bl.2).
In der Begründung zum Bescheid führte das FA aus, der Änderungsbescheid ergehe entsprechend der Einigung im Rechtsstreit 3 K 51/08. Zur Änderung der Anrechnungsverfügung sei das FA nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung jedenfalls aufgrund § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO befugt, denn für die Anrechnung sei die Änderung der Festsetzung eine nachträglich eingetretene Tatsache. Nachdem der geldwerte Vorteil nicht mehr der Besteuerung unterworfen werde, sei die davon einbehaltene Lohnsteuer gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht mehr anzurechnen. Dies ergebe sich sowohl unter dem Gesichtspunkt der materiellen Steuergerechtigkeit als auch aus dem Sinn vom § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Der Widerruf der ursprünglichen Anrechnungsverfügung sei durch das öffentliche Interesse an der materiell richtigen Besteuerung des Steuerpflichtigen geboten.
Da der Kläger der wiederholten Bitte des FA, die Höhe des Anteils des auf den geldwerten Vorteils entfallenden Lohnsteuerabzugs darzulegen, nicht nachgekommen sei, sei dieser Anteil geschätzt worden (Rb-A Bd. 2 Bl. 7).
2.
Mit Schreiben vom 10. März 2010 legte der Kläger Einspruch ein gegen die Kürzung des Steuerabzugs (LSt 4.153 Euro, SolZ 228,41 Euro). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - sei § 36 Abs. 2 EStG ein Ausfluss der Steuergerechtigkeit. Dem Kläger seien keine Einkünfte zugeflossen, jedoch Lohnsteuer einbehalten und vom Arbeitgeber an die Finanzkasse abgeführt worden.
3.
Mit Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2010, abgesandt am 20. Juli 2010, wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Die Rechtsprechung des BFH sei so zu verstehen, dass gerade dann, wenn gar kein Zufluss erfolgt sei, auch keine Anrechnung der Lohnsteuer erfolge (Korrespondenzprinzip). Der Abführende (also der Arbeitgeber) habe in solchen Fällen einen Erstattungsanspruch gegen das FA und der Arbeitnehmer zivilrechtlich einen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber. Im Übrigen sprächen gerade Erwägungen der materiellen Steuergerechtigkeit gegen eine Anrechnung: Der vergünstigte Erwerb von Gesellschaftsanteilen sei ersichtlich im Vorjahr (2002) erfolgt, habe dort aber aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr steuererhöhend berücksichtigt werden können.
V.
Mit Schriftsatz vom 23. August 2010, per Fax eingegangen am selben Tage, erhob der Kläger die vorliegende Klage gegen die Abrechnung im Einkommensteuerbescheid 2003 vom 19. Februar 2010.
Der Kläger vertieft sein Vorbringen aus der Einspruchsbegründung unter Darlegung seines Verständnisses der Rechtsprechung des BFH zur Anrechnung. Bei der einvernehmlichen Regelung sei das Entfallen der Anrechnung nur nach Maßgabe von § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG vereinbart worden, d. h. nur, wenn sich dies aus der Anwendung dieser Regelung ergebe. Im Verfahren 3 K 51/08 (Vorprozess) sei aber geklärt worden, dass gerade kein geldwerter Vorteil vorhanden war, auch nicht in 2002. In diesem Fall habe es nach der Rechtsprechung des BFH bei der Anrechnung zu verbleiben.
Der Kläger habe an dem Projekt, das Gegenstand des Geschäfts der F gewesen sei, bereits mitgearbeitet, bevor die A als Investor dazugekommen sei; bereits dies belege, dass seine Beteiligung an der Gesellschaft nicht aufgrund seiner Angestelltentätigkeit bei A erfolgt sei. Dr. I habe den Kläger als betriebswirtschaftlichen Berater ausgewählt, weil dieser sonst niemanden gekannt habe.
Die Aufgelder seien danach bemessen worden, zu welchem Zeitpunkt die einzelnen Personen dem Projekt beigetreten seien. Das Kernteam habe mithin die geringsten Aufgelder bezahlt, die später hinzugekommenen Investoren höhere, da das Projekt zum Zeitpunkt ihres Hinzutretens ja auch schon weiter entwickelt gewesen sei; die genaue Höhe der Aufgelder sei letztlich Ausfluss einer Art betriebswirtschaftlichen Bewertung des Projekts zum Zeitpunkt des Hinzukommens der jeweiligen Personen gewesen. Die Höhe des Aufgeldes des Klägers und der anderen zeitgleich hinzugekommenen Personen sei letztlich von Dr. I bestimmt worden. Der Kläger habe das Angebot der Beteiligung so dann annehmen oder ablehnen können.
Bei Erhalt der Gehaltsabrechnung September 2003 habe der Kläger gegenüber dem Geschäftsführer D der Berücksichtigung eines geldwerten Vorteils widersprochen, dieser habe ihn jedoch darauf verwiesen, sich mit dem Finanzamt darüber auseinanderzusetzen. Der Kläger habe bereits genug Unannehmlichkeiten mit der kurzfristigen Auflösung und Abfindung seines Arbeitsverhältnisses und deswegen keine Motivation mehr gehabt, sich mit der A und Herrn D auch noch über den geldwerten Vorteil zu streiten. Deswegen habe er das damals so hingenommen und zivilrechtliche Schritte gegen den Arbeitgeber nicht erwogen.
Der Kläger beantragt,
die Anrechnungsverfügung im Bescheid vom 19. Februar 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2010 dahingehend zu ändern, dass weitere 4.153,00 Euro durch Lohnabzug erhobene Einkommensteuer und weitere 228,41 Euro durch Lohnabzug erhobener Solidaritätszuschlag angerechnet werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA bezieht sich auf seine Einspruchsentscheidung und weist ergänzend darauf hin, dass gerade dann, wenn überhaupt kein geldwerter Vorteil vorliege, auch keine Anrechnung erfolge.
VI.
Das Gericht hat gemäß § 79 Abs. 3 FGO Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen M, D, Prof. Dr. I und Dr. C. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 12. Mai 2011 (FG-A 3K 135/10 Bl. 81-88) Bezug genommen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Folgende Akten lagen vor:
Einkommensteuerakten (ohne Bandbezeichnung, angelegt 2005, beinhaltend 2002 und 2003), Rechtsbehelfsakten Band 1 und 2.
Gründe
B.
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Zwar wäre der Klage ohne Berücksichtigung der getroffenen Vereinbarung in vollem Umfang stattzugeben (nachfolgend I.), weil ein geldwerter Vorteil - auch 2002 - nicht vorlag (I.1.) und nach der Rechtsprechung des BFH zur Lohnsteueranrechnung dies aus Gründen der materiellen Gerechtigkeit zur Anrechnung geführt hätte (I.2.). Der Anrechnung steht dem Grunde nach jedoch die wirksame Vereinbarung im Vorprozess 3 K 51/08 entgegen (nachfolgend II.). Lediglich die Höhe der auf den angeblichen geldwerten Vorteil entfallenden, nicht abzuziehenden Lohnsteuer berechnet der Senat anders als das FA, was in Höhe der Differenz zu einer Stattgabe führt (III.).
I.
Zwar war das FA grundsätzlich befugt, aufgrund der Änderung der festgesetzten Einkommensteuer die Lohnsteueranrechnung an die Änderung der Festsetzung anzupassen, wobei offen bleiben kann, ob man hier argumentativ eine auflösende Bedingung der ursprünglichen Anrechnungsverfügung sieht (BFH Urteil vom 9.Dezember 2008, VII R 43/07, BStBl II 2009, 344, Juris Rn. 16) oder eine nachträglich eingetretene Tatsache i. S. v. § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO (BFH a. a. O. Juris Rn. 22).
1.
Der Senat ist jedoch davon überzeugt, dass ein geldwerter Vorteil nicht vorlag und dass die Beteiligungsmöglichkeit an der F dem Kläger nicht wegen dessen Angestelltenverhältnis bei der A eingeräumt wurde.
a)
aa)
Der Zeuge Prof. Dr. I als derjenige, der die Aufgelder verhandelt hat, hat dargelegt, dass entscheidend war, wie weit das Projekt jeweils schon gediehen war. Je später die einzelnen Beteiligten hinzugetreten waren, desto weitreichendere Vorarbeiten waren schon geleistet worden und desto relativ höher war dementsprechend das zu zahlende Aufgeld. Dies erscheint plausibel.
bb)
Demgegenüber musste der Zeuge D, der die Berücksichtigung des geldwerten Vorteils veranlasst hatte, einräumen, dass er die unterschiedlich hohen Aufgelder erst im Nachhinein beurteilt hatte, nämlich nicht bei Gründung der F, sondern im Zusammenhang mit den Aufhebungsverträgen der A, ferner, dass zwischen der Beteiligung insbesondere des Klägers und von Dr. E, die der Zeuge als hinsichtlich des Aufgeldes auffallend unterschiedlich empfunden hatte, eine zeitliche Lücke bestand. Er konnte ferner nicht erläutern, wie die Höhe des geldwerten Vorteils berechnet worden sei. Schließlich hat der Zeuge D angegeben, ihm sei geraten worden, im Zweifel lieber einen geldwerten Vorteil anzusetzen, um das sonst bestehende Risiko zu vermeiden, vom Liquidator später selbst persönlich in Anspruch genommen zu werden. Diese Aussage zur Motivation deckt sich mit Beobachtungen des Zeugen Dr. C. Bei einem solchen Hintergrund erweist sich die Annahme des Zeugen D, es habe ein geldwerter Vorteil vorgelegen, als eine bloße Vermutung und Vorsichtsmaßnahme zur Abwehr von Regressansprüchen, der gegen die plausible Aussage des Zeugen Prof. Dr. I kaum Gewicht beizumessen ist.
cc)
Danach war die Bemessung der Aufgelder letztlich das Ergebnis einer betriebswirtschaftlichen Bewertung und damit keine Begünstigung des Klägers; dieser hat im Vergleich zu den anderen Gesellschaftern bei der Bemessung des Aufgeldes keine Vorzugsbedingungen erhalten.
dd)
Andere Vorteilszuwendungen, etwa auf andere Weise als durch die Beteiligungsbedingungen bei der F oder gar bei anderen Gesellschaften, stehen nach den übereinstimmenden Aussagen aller Zeugen nicht im Raum.
b)
Die Zeugen Dr. C und Prof. Dr. I haben übereinstimmend ausgeführt, dass sich der Kläger und Prof. Dr. I von verschiedenen Veranstaltungen kannten, die im Rahmen des Netzwerks, an dem auch die A beteiligt war, stattfanden. Der Zeuge Prof. Dr. I hat weiter angegeben, die Beteiligung sei dem Kläger eingeräumt worden quasi als Gegenleistung für seine zunächst unentgeltlichen Beratungsleistungen. Dieser habe, wie auch weitere zu dem Projekt hinzugekommene Personen, zunächst v. a. abends, d. h. neben der Arbeit für seine Vollzeitstelle bei der A, an der Erarbeitung der Projektskizze und dann des Businessplans mitgewirkt. Am Anfang seien keine Umsätze erzielt worden, so dass man sich eine entgeltliche betriebswirtschaftliche Beratung gar nicht hätte leisten können.
Auch dies erscheint plausibel. Hingegen wäre nicht nachvollziehbar, warum die Mitgründungsgesellschafter der F dem Kläger, nur weil dieser auch kaufmännischer Leiter eines der Investoren war, Vorzugsbedingungen hätten einräumen sollen. Die A hat die Beteiligung des Klägers weder überhaupt noch zu bestimmten Bedingungen gefordert. Der Zeuge Dr. C hat vielmehr bekundet, er habe namens der A deren Aufgeld verhandelt und vom Aufsichtsrat der A genehmigen lassen. Das Aufgeld der übrigen Gesellschafter, sowohl der Gründungsgesellschafter wie auch der später hinzugekommenen, hätten diese untereinander bzw. in Verhandlungen mit der F festgelegt; es sei nicht Sache des Investors A gewesen, über das Aufgeld der übrigen Gesellschafter zu entscheiden.
2.
Nach der Rechtsprechung des BFH hat die Anrechnung von Lohnsteuer, die für einen tatsächlich nicht gegebenen Lohnbestandteil, mithin fälschlich abgezogen wurde, aus Gründen der materiellen Gerechtigkeit zu erfolgen.
a)
Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben, soweit dieser von einem inländischen Arbeitgeber gezahlt wird. Der Arbeitgeber ist u.a. zur Abführung der Lohnsteuer verpflichtet (§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Er handelt hierbei aber für Rechnung des Arbeitnehmers, der Schuldner der Lohnsteuer ist (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG). Die auf diese Weise erhobene Steuer wird bei der Veranlagung des Arbeitnehmers auf dessen Einkommensteuer angerechnet (§ 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG).
Die Anrechnung der Steuerabzugsbeträge (Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer) gehört, auch wenn sie technisch mit der Steuerfestsetzung in einem Bescheid verbunden ist, nicht mehr zum Steuerfestsetzungs-, sondern zum Steuererhebungsverfahren. Sie erfolgt durch gesonderte Verwaltungsakte (Anrechnungsverfügung oder Abrechnungsbescheid), die in ihrer rechtlichen Beurteilung vom Steuerbescheid zu trennen sind und die auch hinsichtlich der Bestandskraft, Rücknahme und Änderbarkeit anderen Vorschriften als die Steuerbescheide unterliegen (vgl. BFH Urteil vom 16. Oktober 1986, VII R 159/83, BFHE 148, 4, 6, BStBl II 1987, 405 m. w. N.). § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG stellt aber eine inhaltliche Verknüpfung zwischen Steuerfestsetzungs- und Steuererhebungsverfahren her, indem die im Wege des Steuerabzugs erhobene Einkommensteuer nur angerechnet wird „soweit sie auf die bei der Veranlagung erfassten Einkünfte entfällt”. Daraus folgt, dass der Grundsatz der Anrechenbarkeit der tatsächlich einbehaltenen Lohnsteuer, die sich gemäß § 41b Abs. 1 Nr. 3 EStG aus der Lohnsteuerkarte (Lohnsteuerbescheinigung) ergibt, nicht uneingeschränkt gilt. Die verfahrensrechtliche Unterscheidung zwischen Steuerfestsetzungs- und Steuererhebungsverfahren und die Bestandskraft des Steuerbescheides führen somit nicht dazu, dass die Anrechnung der Steuerabzugsbeträge völlig ohne Bindung an das Veranlagungsverfahren zu erfolgen hätte.
b)
Zu den Grenzen lässt sich in der Rechtsprechung des BFH eine Tendenz feststellen:
aa)
Dem Urteil vom 10. Januar 1995 lag ein Fall zugrunde, in dem die Besteuerungsgrundlagen geschätzt und die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit daher nur teilweise erfasst wurden. Der BFH lehnte die vollständige Lohnsteueranrechnung ab und führte aus, aus dem Wortlaut des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG („soweit sie ... entfällt”) folge, dass die im Wege des Steuerabzugs erhobene Einkommensteuer nur in der Höhe angerechnet werden könne, in der die zugehörigen, mit dem Steuerabzug belasteten Einkünfte ihrem Umfang nach bei der Veranlagung tatsächlich erfasst worden seien. Steuerabzüge, die auf Einkunftsteile entfallen, die bei der Veranlagung nicht erfasst worden seien, seien von der Anrechnung ausgeschlossen. Die einbehaltene Lohnsteuer könne nur insoweit angerechnet werden, als sie mit den bei der Veranlagung angesetzten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Höhe nach korrespondiere. Der Vorschrift des § 36 EStG liege nämlich der Rechtsgedanke zugrunde, dass eine Steueranrechnung, mit der eine doppelte Besteuerung bestimmter Einkünfte/Einnahmen vermieden werden solle, aus Gründen der Steuergerechtigkeit insoweit dann nicht geboten sei, wenn und soweit die bereits mit Steuern belasteten Einnahmen bei der Einkommensteuerveranlagung nicht erfasst worden seien. Die Nichtanrechnung entspreche mangels Erfassung des entsprechenden Teils des Arbeitslohns sowohl der materiellen Rechtslage als auch der steuerlichen Gerechtigkeit (BFH Urteil vom 10. Januar 1995, VII R 41/94, BFH/NV 1995, 779, Juris Rn. 11, 14, 17).
bb)
In einer Nichtzulassungsbeschwerdesache ging es um den Fall, dass der frühere Arbeitgeber des Klägers Lohnsteuer angemeldet hatte, obwohl es zu der der Anmeldung zugrunde liegenden Zahlung einer dem Kläger wegen Verlustes seines Arbeitsplatzes zustehenden Abfindung an diesen nicht gekommen war. Mit Beschluss vom 15. November 1999 entschied der BFH, dass dann, wenn der Arbeitgeber zu Unrecht Lohnsteuer anmelde und abführe, obwohl sie nicht zu erheben sei, dem Arbeitgeber ein Erstattungsanspruch zustehe und eine Anrechnung der abgeführten Lohnsteuer zugunsten des Arbeitnehmers nicht stattfinde. Dies bedürfe nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, sondern sei nach der Systematik des Gesetzes eindeutig.
Melde der Arbeitgeber zu Unrecht Lohnsteuer an und führe sie ab, obwohl sie nicht zu erheben sei, so stehe ihm nach § 37 Abs. 2 AO ein Erstattungsanspruch zu (neben dem für eine Anrechnung der abgeführten Lohnsteuer zugunsten des Arbeitnehmers kein Raum sei). Denn nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO habe derjenige, auf dessen Rechnung eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt worden sei, einen solchen Erstattungsanspruch. Lohnsteuer werde vom Arbeitgeber, obgleich der Arbeitnehmer nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG dieselbe schulde, nicht etwa gemäß § 48 Abs. 1 AO als Drittem für Rechnung des Arbeitnehmers an das FA geleistet, sondern zur Erfüllung der den Arbeitgeber selbst treffenden Steuerentrichtungspflicht auf eigene Rechnung (BFH Beschluss vom 15. November 1999, VII B 155/99, BFH/NV 2000, 546, Juris Rn. 5).
Die Sachverhaltskonstellation dieser Entscheidung entspricht zwar am ehesten der des hier zu entscheidenden Falles. Die Erwägungen des BFH werden jedoch durch die nachfolgenden Entscheidungen erheblich relativiert.
cc)
In dem Fall des Urteils vom 23. Mai 2000 lag zugrunde, dass der Arbeitnehmer (Schifffahrtskaufmann) in der Mitte des Jahres arbeitsbedingt aus Deutschland weggezogen und danach nur mit ausländischem Wohnsitz und nur noch im Ausland für seinen Arbeitgeber tätig war, dieser jedoch weiterhin und damit zu Unrecht deutsche Lohnsteuer einbehielt. Mangels unbeschränkter wie beschränkter Steuerpflicht blieben die auf die Zeit nach dem Wegzug entfallenden Einkünfte bei der Veranlagung unberücksichtigt. Der BFH ordnete gleichwohl den vollen Lohnsteuerabzug an und führte aus, es entspreche der steuerlichen Gerechtigkeit, die zu Unrecht einbehaltenen Steuerabzugsbeträge bei der Einkommensteuerveranlagung auf die Einkommensteuerschuld des Klägers anzurechnen, damit die im Ergebnis nicht geschuldete Lohnsteuer bzw. Einkommensteuer erstattet werden könne. Denn ebenso wie mit der Anrechnungsvorschrift des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG eine doppelte Besteuerung bestimmter Einkünfte vermieden werden solle, sei ihre Anwendung auch geboten, um den unrechtmäßigen Steuerabzug von im Inland nicht der Einkommensteuer unterliegenden Einkünften rückgängig zu machen.
Das Urteil vom 10. Januar 1995 sei im Schrifttum auf Kritik gestoßen, einer umfassenden Auseinandersetzung bedürfe es jedoch nicht, da der Sachverhalt erheblich abweiche. Die vorausgegangenen Entscheidungen des Senats hätten Fälle betroffen, in denen die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aufgrund von Schätzungen, die aus formalen Gründen (Festsetzungsverjährung, Verböserungsverbot) nicht mehr berichtigt werden konnten, bei der Veranlagung zu niedrig angesetzt worden waren. Wenn der Senat für diese Sachverhaltsgestaltungen die Anrechnung desjenigen Anteils der einbehaltenen Lohnsteuer, der auf die Einkunftsteile entfiel, die bei der Veranlagung --zu Unrecht-- nicht erfasst worden waren, abgelehnt habe, so sei dies, wie im Urteil vom 10. Januar 1995 am Ende ausgeführt, jedenfalls auch geschehen, um ein der materiellen Rechtslage und der steuerlichen Gerechtigkeit entsprechendes Ergebnis zu erzielen. Denn die volle Anrechnung der insgesamt einbehaltenen Lohnsteuer hätte mangels vollständiger Erfassung der tatsächlich erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Steuerbescheid zu einem steuerlich nicht gerechtfertigten Vorteil für den veranlagten Arbeitnehmer geführt.
Hier jedoch gebiete aber gerade der Gesichtspunkt der materiellen Gerechtigkeit die Anrechnung auch der nach Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht einbehaltenen Lohnsteuer auf die Einkommensteuerschuld, da der entsprechende Arbeitslohn mangels inländischer Steuerpflicht des Klägers nicht der deutschen Einkommensteuer unterlegen habe und die Lohnsteuer somit zu Unrecht einbehalten worden sei. Das FA habe im Gegensatz zu der ursprünglichen Steuerfestsetzung in den Schätzungsfällen bei der Veranlagung die volle Höhe des im gesamten Kalenderjahr erzielten Arbeitslohnes des Klägers gekannt. Wenn es sodann nach Prüfung der Rechtslage den nach Beendigung der Steuerpflicht erzielten Teil der Einkünfte bei der Steuerfestsetzung bewusst außer Ansatz gelassen habe, so könne doch davon ausgegangen werden, dass es diesen Lohnanteil bei der Veranlagung berücksichtigt („erfasst”) habe, auch wenn sich dies mangels Steuerpflicht insoweit nicht ausgewirkt habe. Die Anrechnung der entsprechenden Steuerabzugsbeträge sei somit hier auch mit dem Wortlaut des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG vereinbar (BFH Urteil vom 23. Mai 2000, VII R 3/00, BStBl II 2000, 581, Juris Rn. 12, 13, 17, 18).
dd)
Im Urteil vom 29. November 2000 ging es um einen Fall, in dem der Kläger im Ausland eingesetzt und die Einkünfte insoweit nach dem entsprechenden DBA freigestellt waren. Anlässlich einer Lohnsteueraußenprüfung zahlte der Arbeitgeber gleichwohl auf Druck des FA Lohnsteuer nach, ohne diese beim Kläger zurückzufordern. Der BFH behandelte die zu Unrecht nachträglich abgeführte Lohnsteuer als Arbeitslohn und führte zur Begründung aus, dass die Anrechnung eines vom Arbeitgeber abgeführten Lohnsteuerbetrags nicht davon abhänge, ob die Lohnsteuer tatsächlich geschuldet wurde und der Arbeitgeber zur Abführung verpflichtet war. Sie finde vielmehr auch dann statt, wenn die der Lohnsteuer unterworfenen Einkünfte in Wahrheit nicht sachlich steuerpflichtig waren und die Lohnsteuer deshalb zu Unrecht abgeführt worden ist. Diese Sachbehandlung stimme wertungsmäßig mit der Regelung in § 37 Abs. 2 Satz 1 AO überein, nach der ein Anspruch auf Rückzahlung eines zu Unrecht geleisteten Betrages demjenigen zustehe, für dessen Rechnung die betreffende Leistung erfolgt sei. Denn auch dann, wenn der Arbeitgeber eine nicht geschuldete Lohnsteuer abführe, leiste er sowohl aus seiner eigenen Sicht als auch aus derjenigen der Finanzbehörde für Rechnung des Arbeitnehmers; die Zahlung stelle sich also in dieser Situation für den Leistenden wie für den Empfänger als Leistung des Arbeitnehmers dar (BFH Urteil vom 29. November 2000, I R 102/99, BStBl II 2001, 195, Juris Rn. 13).
Auf eine mögliche Abweichung zum Beschluss vom 15. November 1999 (oben bb), wonach der Erstattungsanspruch dem Arbeitgeber zustehe, ging der BFH nicht ein.
ee)
Mit Urteil vom 19. Dezember 2000 entschied der BFH einen Fall, in dem der Kläger zunächst bei seinem Vater und nach dessen Tod vermeintlich bei einer Erbengemeinschaft, der er selbst mit angehörte, angestellt war. Auch nach dem Tod des Vaters wurde von dem von ihm erzielten „Arbeitslohn” Lohnsteuer einbehalten. Der Gewinn der Erbengemeinschaft als Mitunternehmerschaft wurde einheitlich und gesondert, ohne Berücksichtigung des „Arbeitslohns” als Sonderbetriebseinnahme des Klägers, bestandskräftig festgestellt. In der Einkommensteuerveranlagung des Klägers blieb der „Arbeitslohn” außen vor, weil Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht vorlagen und die gewerblichen Einkünfte aus der Mitunternehmerschaft bereits bestandskräftig festgestellt waren. Der BFH verweigerte die Anrechnung der Lohnsteuer unter Verweis auf die materielle Rechtslage und die steuerliche Gerechtigkeit. Da die tatsächlichen, mit dem Steuerabzug korrespondierenden Einkünfte bei der Veranlagung nicht erfasst worden seien, solle auch die Lohnsteueranrechnung unterbleiben. Es sei eine möglichst zutreffende Gesamtbelastung des Steuerpflichtigen herzustellen (BFH Urteil vom 19. Dezember 2000, VII R 69/99, BStBl II 2001, 353. Juris Rn. 11, 15).
ff)
Mit Beschluss vom 17. Mai 2001 bekräftigte der BFH, dass eine nicht geschuldete und deshalb zu Unrecht an das FA abgeführte Lohnsteuer auf die Einkommensteuer des Arbeitnehmers anzurechnen sei (wie Urteil vom 29. November 2000 oben dd, abweichend vom Beschluss vom 15. November 1999 oben bb) (BFH Beschluss vom 17. Mai 2001, X B 69/00, BFH/NV 1521, Juris Rn. 5).
gg)
Im Urteil vom 9. Dezember 2008 ging es um einen Fall, in dem Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in der Steuererklärung nur teilweise enthalten waren, die Festsetzung nach Aufdeckung durch die Betriebsprüfung aber wegen Festsetzungsverjährung nicht mehr hochgesetzt werden konnte, der Abrechnungsbescheid jedoch noch änderbar war. Der BFH versagte die Lohnsteueranrechnung, soweit die Einkünfte in der Festsetzung unberücksichtigt blieben, unter Verweis auf die Steuergerechtigkeit und die möglichst zutreffende Gesamtbelastung des Steuerpflichtigen. Könne die Festsetzung nur aus formalen Gründen, z. B. Festsetzungsverjährung, nicht mehr in der materiell-rechtlich gebotenen Weise geändert werden, seien entsprechende Steuerabzüge von der Anrechnung ausgeschlossen (BFH Urteil vom 9. Dezember 2008, VII R 43/07, BStBl II 2009, 344, Juris Rn. 20).
hh)
Dem Urteil vom 17. Juni 2009 lag der Fall zugrunde, dass der klagende GmbH-Geschäftsführer der Gesellschaft „wegen vorübergehenden Liquiditätsschwierigkeiten” in deren Interesse sein Gehalt stundete, diese jedoch dann in Insolvenz fiel, so dass es nie zu einem Zufluss kam. Die GmbH hatte jedoch weiter Lohnsteuer abgeführt. Der BFH wertete die zu Unrecht abgeführte Lohnsteuer als Arbeitslohn des Klägers und führte aus: Werde die Lohnsteuer auf die Einkommensteuer des Arbeitnehmers angerechnet, so führe trotz fehlender Gehaltszahlung die Lohnsteuer selbst in voller Höhe zu einem Vorteil i. S. v. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Die Anrechnung habe aber zu erfolgen, denn die in § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG vorgesehene Anrechnung hänge nicht davon ab, ob die Lohnsteuer tatsächlich geschuldet wurde und der Arbeitgeber zur Abführung verpflichtet war. Vielmehr stehe ein etwaiger Erstattungsanspruch in aller Regel auch dann dem Arbeitnehmer und nicht dem Arbeitgeber zu, wenn die Lohnsteuer zu Unrecht einbehalten und abgeführt worden sei (ständige Rechtsprechung). Dem entspreche §37 Abs. 2 Satz 1 AO, wonach demjenigen ein Anspruch auf Rückzahlung eines zu Unrecht geleisteten Betrags zustehe, für dessen Rechnung die betreffende Leistung erfolgt sei. Denn auch dann, wenn der Arbeitgeber eine nicht geschuldete Lohnsteuer abführe, leiste er sowohl aus seiner eigenen Sicht als auch aus derjenigen der Finanzbehörde für Rechnung des Arbeitnehmers; die Zahlung stelle sich also in dieser Situation für den Leistenden wie für den Empfänger als Leistung des Arbeitnehmers dar. Deshalb sei die nicht geschuldete und mithin zu Unrecht an das Finanzamt abgeführte Lohnsteuer nur auf die Einkommensteuer des Arbeitnehmers anzurechnen, nicht aber, wie vom FA vertreten, dem Arbeitgeber zu erstatten. Soweit der Senat in einem Urteil vom 24. November 1961 (VI 88/61 U) eine andere Auffassung vertreten habe, halte er daran jedenfalls für den Fall, dass der Lohnsteuerabzug gemäß § 41c Abs. 3 EStG nach Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung nicht mehr geändert werden könne, nicht länger fest (BFH Urteil vom 17. Juni 2009, VI R 46/07, BStBl II 2010, 72, Juris Rn. 19, 23).
ii)
Dem Nichtzulassungsbeschluss vom 3. August 2010 lag erneut ein Schätzungsfall (wie Urteil vom 10. Januar 1995, oben aa) zugrunde, bei dem wiederum die Anrechnung verweigert wurde (BFH Beschluss vom 3. August 2010, VII B 70/10, BFH/NV 2010, 2274, Juris).
jj)
Im Urteil vom 20. Oktober 2010 ging es um die Anrechnung von Kapitalertragsteuer. Darin führt der BFH aus: Der BFH habe die in § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG getroffene Regelung stets „wirtschaftlich” verstanden. So sei nach seiner Rechtsprechung einerseits eine Abzugsteuer nicht insgesamt, sondern nur anteilig anzurechnen, wenn sie sich auf nicht vollständig bei der Veranlagung erfasste Einkünfte beziehe; das lasse sich aus dem Wortlaut der Regelung, der nur von einer Erfassung bei den „bei der Veranlagung erfassten Einkünften” spreche, zumindest nicht unmittelbar ableiten (Verweis auf die Kritik von Gosch in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 36 Rn. 10). Andererseits werde über den Normtext hinaus eine Anrechnung von Lohnsteuer in Fällen befürwortet, in denen kein steuerpflichtiger Arbeitslohn zugeflossen und dennoch Lohnsteuer abgeführt worden sei (auch hier Verweis auf die Kritik von Gosch, ebenda). In allen diesen Fällen sei vor allem auf die „materielle Steuergerechtigkeit” verwiesen worden, in deren Interesse die Abzugsteuer stets, aber auch nur in dem sachlich gebotenen Umfang zur Anrechnung zuzulassen sei (BFH Urteil vom 20. Oktober 2010, I R 54/09, BFH/NV 2011, 641, Juris Rn. 31).
c)
Im Ergebnis ist der BFH von der ursprünglich eher formalen Betrachtungsweise (Korrespondenzprinzip) immer weiter abgerückt und bejaht im Ergebnis eine an der materiellen Gerechtigkeit orientierte Sichtweise. Es soll durch den Lohnsteuerabzug und die Lohnsteueranrechnung im Endeffekt weder zu einer Doppelbelastung oder materiell nicht vorgesehenen Belastung noch zu einem Ausfall der eigentlich materiell vorgesehenen Steuerbelastung kommen. Ferner ist die Tendenz zu sehen, dass auch die Abführung einer gar nicht geschuldeten und daher zu Unrecht abgeführten Lohnsteuer zu einer Anrechnung beim Arbeitnehmer, nicht zu einem Erstattungsanspruch des Arbeitgebers führt.
Auch wenn dieses Ergebnis in Anbetracht des Wortlauts und der Systematik von §36 Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht unbedenklich erscheint und auch verfahrenstechnisch bisweilen schwierig zu handhaben ist, da im Rahmen der Anrechnungsentscheidung dann materielle Fragen, ggf. auch aus anderen Jahren, geklärt werden müssen, wie gerade der hiesige Fall zeigt, folgt der Senat dieser Auffassung.
Da (vgl. oben B.I.1.) ein geldwerter Vorteil (auch in 2002) nicht vorlag, würde die Ablehnung der Lohnsteueranrechnung zu einer materiell nicht gewollten Steuerbelastung des Klägers führen. Die Lohnsteuer wäre daher gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG anzurechnen.
II.
Der Anrechnung steht jedoch die im Vorprozess geschlossene Vereinbarung entgegen.
1.
Die Auslegung (entsprechend §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont) dieser Vereinbarung (oben A.III.3.a) ergibt, dass eine Anrechnung definitiv nicht erfolgen sollte. Soweit es darin heißt, die Anrechnung „entfiele hierdurch gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG”, ist damit nicht, wie der Kläger meint, das Entfallen nur angeordnet, falls es sich aus § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG ergibt (und damit letzten Endes doch nicht, vgl. vorstehend B.I.2 c).
a)
Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung insgesamt. Denn es heißt weiter ”... der Abrechnungsteil wird entsprechend geändert”. Wäre die Anrechnung nur nach Maßgabe des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG zu ändern gewesen, wäre der Anrechnungsteil nicht unbedingt, sondern nur „ggf.” zu ändern gewesen.
b)
Dasselbe ergibt sich ferner aus der Systematik der Vereinbarung. Denn wenn die Änderung der Anrechnungsverfügung nur nach Maßgabe des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG erfolgen sollte, wäre die Vereinbarung insoweit nur eine Wiederholung des Gesetzestextes und daher überflüssig. Es ist aber näherliegend, dass der Satz über Anrechnung und Abrechnungsteil einen Regelungsgehalt hatte.
c)
Vor allem ergibt sich die vorgenannte Auslegung der Vereinbarung aus ihrem Sinn und Zweck. Aus dem Gesamtzusammenhang, insbesondere dem chronologischen Ablauf, der zu der Vereinbarung geführt hat, folgt die Motivation beider Beteiligter, den Rechtsstreit abschließend und endgültig beizulegen. Wäre die Bestimmung über die Änderung der Anrechnung nur nach Maßgabe des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG gemeint gewesen, hätte dies gerade neue schwierige Rechtsfragen aufgeworfen (vorstehend B.I.2.) und die ungeklärten tatsächlichen Fragen weiter klärungsbedürftig gehalten (vorstehend B.I.1.). Ein solches Verständnis einer Vereinbarung zur einvernehmlichen Erledigung eines Rechtsstreits liegt fern.
Der Hinweis auf § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG ist daher nur als Begründungselement, als Erwähnung der Motivation für die Regelung, aber nicht als Einschränkung „nur” nach Maßgabe zu verstehen.
2.
Die Vereinbarung ist auch wirksam und für die Beteiligten bindend.
a)
Bezüglich materieller Steueransprüche hat der BFH in ständiger Rechtsprechung Beschränkungen für die Möglichkeit der Beteiligten, sich zu vergleichen, entwickelt.
Er lässt insoweit keine Vergleiche über Rechtsfolgen, sondern nur tatsächliche Verständigungen zu. Insbesondere in Schätzungssachen ist eine tatsächliche Verständigung über schwierig zu ermittelnde tatsächliche Umstände zulässig und bindend. Eine tatsächliche Verständigung ist eine einvernehmliche Festlegung auf den maßgeblichen Besteuerungssachverhalt. Sie ist nicht einseitig widerrufbar. Die Bindungswirkung setzt voraus, dass sie sich auf Sachverhaltsfragen, nicht auf Rechtsfragen, bezieht, der Sachverhalt die Vergangenheit betrifft und die Sachverhaltsermittlung erschwert ist. Eine tatsächliche Verständigung ist auch während eines Rechtsbehelfs- oder Klageverfahrens zulässig. Die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung entfällt, wenn sie zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt. Die Anfechtungsvorschriften der §§ 119, 123 BGB sind entsprechend anwendbar (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteil vom 11. Dezember 1984, VIII R 131/76, BStBl II 1985, 354, Juris; vom 6. Februar 1991, IR 13/86, BStBl II 1991, 673, Juris; vom 3. April 2008, IV R 54/04, BStBl II 2008, 742, Juris; vom 8. Oktober 2008, I R 63/07, BStBl II 2009, 121, Juris; vom 1. September 2009, VIII R 78/06, BFH/NV 2010, 593, Juris).
b)
Würden diese Grundsätze hier Anwendung finden, dann wäre die Vereinbarung unwirksam, weil es sich nicht um eine Festlegung auf einen Sachverhalt, sondern um die Vereinbarung von Rechtsfolgen handelt.
aa)
Dem Wortlaut nach werden nur Rechtsfolgen, keine Sachverhalte vereinbart.
bb)
Aber auch mittelbar, etwa als unausgesprochene Voraussetzung, werden keine tatsächlichen Umstände festgelegt.
aaa)
Der Vereinbarung lässt sich wohl noch entnehmen, dass 2003 kein geldwerter Vorteil vorlag. Dies ist letztlich jedoch keine Tatsache, sondern unter Berücksichtigung des vorangegangenen Hinweises des Berichterstatters, dass ein Zufluss 2002 erfolgt wäre (vgl. oben A.III.2.a), einer rechtlichen Beurteilung dahingehend geschuldet, dass der fragliche Lebenssachverhalt, der einen geldwerten Vorteil hätte ergeben können, bereits im Dezember 2002 abgeschlossen war und ein Zufluss (§ 11 EStG) daher wenn, dann schon in 2002, nicht in 2003 erfolgt ist.
bbb)
Eine Einigung über das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts (in 2002) liegt nicht vor. Die Formulierung, dass der Beklagte auf den Ansatz eines geldwerten Vorteils in 2002 verzichtet, lässt erkennen, dass der Beklagte von einem einen solchen Vorteil begründenden Sachverhalt in 2002 weiter ausging, denn es kann nur auf etwas „verzichtet” werden, was tatsächlich besteht. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger das Bestehen eines solchen Sachverhalts durch die Vereinbarung aber einräumen wollte, ergeben sich ebenfalls weder aus dem Wortlaut noch aus dem Gesamtzusammenhang der Vereinbarung.
Eine tatsächliche Klärung ist durch die Vereinbarung gerade nicht erfolgt, wie auch der weitere Streit im diesem Verfahren zeigt, bei dem der Kläger davon ausging, es habe - auch in 2002 - kein Sachverhalt vorgelegen, der einen geldwerten Vorteil begründet haben könnte, das FA jedoch zunächst von einem solchen Sachverhalt in 2002 ausging.
c)
Die einschränkenden Grundsätze, die der BFH entwickelt hat, gelten jedoch nur für das Steuerfestsetzungsverfahren, nicht für das Steuererhebungsverfahren und die Vollstreckung. Hier können die Beteiligten grundsätzlich Vergleiche schließen.
aa)
Auch im Steuerverfahren ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag grundsätzlich zulässig (vgl. § 78 Nr. 3 AO). Es existiert kein allgemeines Vertragsformverbot (ausführlich Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, vor § 118 AO Rn. 16, 18). Es besteht allenfalls ein besonderes Vertragsformverbot für Steuerfestsetzungen und gesonderte Feststellungen aufgrund §§ 155 Abs. 1, 179 Abs. 1, 184 Abs. 1 AO. Davon unberührt bleiben aber Vereinbarungen, die im Vorfeld von Steuerfestsetzungen/gesonderten Feststellungen oder im Nachhinein im Verfahren zur Durchsetzung des Steueranspruchs getroffen werden (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, vor §118 Rn. 17). So ist namentlich die Zulässigkeit von Vergleichen über die Verfahrenskosten anerkannt (vgl. FG Bremen, Beschluss vom 15. November 1999, 299166Ko2, EFG 2000, 95, Juris Rn. 21).
bb)
Die in der Rechtsprechung entwickelten Beschränkungen, wonach Vereinbarungen über den Steueranspruch unzulässig sind, so dass ein Streit um einen Steueranspruch nicht im Wege des gerichtlichen Vergleichs beendet werden kann, leiten sich auch nicht aus einer grundsätzlichen Ablehnung öffentlich-rechtlicher Verträge auf dem Gebiet des Steuerrechts her, sondern aus dem - in § 85 AO auch einfachgesetzlich normierten - Verfassungsgrundsatz der Gesetz- und Gleichmäßigkeit der Besteuerung (BFH Urteil vom 5. Oktober 1990, III R 19/88, BStBl II 1991, 45, Juris Rn. 16; BFH Urteil vom 11. Dezember 1984, VIII R 131/76, BStBl II 1985, 354, Juris Rn. 31). Ob diese restriktive Anwendung von § 78 Nr. 3 AO mit dem durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geprägten heutigen Verfassungsverständnis und der Auffassung von einer modernen Steuerverwaltung noch vereinbar ist, erscheint nicht unzweifelhaft. In anderen Verwaltungsbereichen werden die seit 1977 geltenden Regelungen über öffentlich-rechtliche Verträge als Ausdruck rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens (Art. 20 Abs. 3 GG) angesehen, die in besonderem Maße geeignet sind, Rechtsfrieden herzustellen und eine Akzeptanz der Regelungsinhalte zu erreichen (zu damit verbundenen Änderungen des anwaltlichen Gebührenrechts, auch im Finanzprozess, vgl. FG Hamburg Beschluss vom 14. Februar 2011, 3 KO 197/10, StE 2011, 327, Juris Rn. 21 und 26). Dabei dürfen solche Verträge gleichwohl nicht gegen die Verfassungsprinzipien vom Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes verstoßen. Inwieweit hier eine grundsätzliche Neugewichtung angemessen sein könnte, mag jedoch dahinstehen.
cc)
Denn jedenfalls bei Anrechnungsverfügungen und Abrechnungsbescheiden geht es nicht um den Kernbereich der Steuerfestsetzung. Vielmehr geht es darum, ob der Steuerschuldner wirksam gezahlt hat, ob der Anspruch durch Aufrechnung erloschen ist oder durch Anrechnung von Vorauszahlungen oder Steuerabzugsbeträgen, um Erlöschen durch Zahlungsverjährung, Vollstreckung oder Verrechnung. In Klageverfahren um Abrechnungsbescheide werden typischerweise alte Bankkontoauszüge beigebracht, Verwendungszwecke von Banküberweisungen interpretiert, geprüft, ob solche dem Empfänger auch übermittelt wurden, geprüft, ob Verrechnungsmitteilungen (rechtlich Aufrechnungserklärungen) der Finanzkasse dem Steuerschuldner zugegangen sind und ob die Aufrechnungslage bestand - dazu sind oft umfangreiche alte Kontoauszüge der Finanzkasse beizuziehen und nachzuvollziehen -, geprüft, welche Forderungen von einem Pfändungsbeschluss umfasst wurden und ähnliches. Hinzu treten Fragen der Steueranrechnung. Es handelt sich insgesamt um eher formale Fragen des Zahlungsverkehrs und der Abrechnung. Es ist nicht ersichtlich, warum bei der Regelung solcher Fragen aufgrund des Verfassungsgrundsatzes der Gesetz- und Gleichmäßigkeit der Besteuerung keine öffentlich-rechtlichen Verträge (Vergleiche) möglich sein sollten.
d) aa)
Auch wenn Vergleiche hier mithin zulässig sind, dürfen solche jedoch gleichwohl nicht gegen das Gesetz verstoßen. Eine gesetzesabweichende vertragliche Vereinbarung ist unzulässig. Vergleiche unterliegen, genauso wie tatsächliche Verständigungen (vgl. Seer in Tipke/Kruse, vor § 118 AO Rn. 30), einer Evidenzkontrolle aus der ex-ante-Perspektive der Beteiligten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Wenn Vergleiche, an diesem Maßstab gemessen, zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würden, wären sie entsprechend § 134 BGB nichtig.
bb)
Die Vereinbarung zwischen Kläger und FA im Vorprozess über das Entfallen der Anrechnung der Lohnsteuer war jedoch nicht evident falsch. Zum Zeitpunkt des Abschlusses war tatsächlich unklar, ob (in 2002) ein Sachverhalt vorlag oder nicht, der zu einem geldwerten Vorteil geführt hätte. Die Beteiligten wollten gerade die - in Relation zur betragsmäßigen Auswirkung den Beteiligten überdimensioniert erscheinende - Beweiserhebung über diese Frage durch die Verständigung überflüssig machen.
aaa)
Hätte 2002 ein geldwerter Vorteil vorgelegen, so hätte die Anrechnung auf jeden Fall unterbleiben müssen, nach dem traditionellen Korrespondenzprinzip, weil 2003 keine entsprechenden Einkünfte in die Veranlagung einbezogen wurden, und nach der neueren, auf die materielle Gerechtigkeit abstellende Rechtsprechung des BFH, weil nach der Vereinbarung der eigentlich zu versteuernde geldwerte Vorteil fälschlich in keine Veranlagung einbezogen worden wäre, so dass eine Anrechnung im Ergebnis zu einem gesetzlich nicht gewollten Ausfall der Besteuerung geführt hätte.
bbb)
Hätte - wie inzwischen geklärt - auch 2002 kein geldwerter Vorteil vorgelegen, so hätte zumindest nach dem traditionellen Korrespondenzprinzip, das vom BFH jedenfalls in seiner Entscheidung vom 15. November 1999 (oben B.I.2.b.bb) noch vertreten wurde, die Anrechnung ebenfalls unterbleiben müssen. Wie dargestellt, war die Rechtsprechung des BFH nachfolgend schwankend und in einer Entwicklung begriffen. Erstmals ausdrücklich von seiner älteren Rechtsprechung distanziert hat sich der BFH mit seinem Urteil vom 17. Juni 2009 (oben B.I.2.b.hh), also nach der Vereinbarung vom 22./30. April 2009.
Somit war das Entfallen der Anrechnung aufgrund der tatsächlichen Erkenntnisse und dem Stand der Rechtsprechung im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung keineswegs offensichtlich unzutreffend, sondern auf jeden Fall vertretbar.
III.
Bei der Berechnung der anzurechnenden bzw. nicht anzurechnenden Lohnsteuer gelangt der Senat jedoch zu einem geringfügig abweichenden Ergebnis, so dass die Klage im Ergebnis gleichwohl teilweise Erfolg hat.
1.
a)
Es ist bisher ungeklärt,
ob allein der konkrete Lohnzahlungszeitraum (hier September 2003) zu berücksichtigen ist oder das gesamte Jahr (Summe aller Lohnsteuerbescheinigungen),
ob die durchschnittliche Belastung oder die Grenzbelastung zu berücksichtigen ist, d. h. ob die in die Veranlagung einbezogenen Einkünfte in Relation zu setzen sind zu den gesamten dem Lohnsteuerabzug unterworfenen Einkünften und der entsprechende (prozentuale) Anteil der (tatsächlich) abgeführten Lohnsteuer anzurechnen ist, oder ob zu bestimmen ist, welche Lohnsteuer auf die einbezogenen Einkünfte (hypothetisch) entfiele, sowie
ob ggf. die tatsächlich vom Arbeitgeber abgezogenen Beträge entscheidend sind, auch wenn dieser sich geirrt oder verrechnet hat oder diese sonst nicht richtig waren, oder ob es auf die Beträge ankommt, die bei richtiger Berechnung durch den Arbeitgeber sich ergeben hätten.
b)
aa)
Bei Abstellen auf den Lohnzahlungszeitraum September 2003 und prozentualer Berechnung ergäbe sich Folgendes:
In der Gehaltsabrechnung September 2003 wurden bei einem steuerpflichtigen Bruttolohn von 24.719 Euro 10.994,83 Euro Lohnsteuer und 604,71 Euro Solidaritätszuschlag abgezogen. Der geldwerte Vorteil von 8.550 Euro entspricht 34,59 % des steuerpflichtigen Bruttolohns, so dass auf ihn nicht anzurechnende 3.803 Euro Lohnsteuer und 209,17 Euro Solidaritätszuschlag entfallen (monatliche Lohnsteuerdurchschnittsbelastung: 44,5 %).
bb)
Bei Abstellen auf den Lohnzahlungszeitraum September 2003 und hypothetischer Berechnung ergeben sich folgende Beträge:
Einzubeziehen 24.719 Euro ./. 8.550 Euro = 16.169 Euro. Darauf entfielen, berechnet mit dem Abgabenrechner des Bundesministeriums der Finanzen www.abgabenrechner.de/index.jsp mit den Parametern laut Lohnsteuerkarte (Geburtsjahr 1966, Steuerklasse 1, keine Kinderfreibeträge, kein Kirchensteuerabzug, sozialversicherungspflichtig, keine Freibeträge) 6.895,33 Euro LSt und 379,24 Euro SolZ. Nicht anzurechnen wären damit 10.994,83 Euro ./. 6.895,33 Euro = 4.099,50 Euro LSt und 604,71 Euro ./. 379,24 Euro = 225,47 Euro SolZS (monatliche Lohnsteuergrenzbelastung: 47,9 %).
cc)
Bei Abstellen auf das gesamte Jahr ergibt sich aus der Lohnsteuerbescheinigung der A für Januar bis September, der Bescheinigung des nachfolgenden Arbeitgebers für Oktober bis Dezember und der besonderen Lohnsteuerbescheinigung eines weiteren Arbeitgebers für die Zeit Januar bis September mit Steuerklasse 6 (ESt-Akte Bl. 21-23) in der Summe ein voll besteuerter Bruttoarbeitslohn von 89.925 Euro, hierauf LSt 30.057,90 Euro und SolZ 1.653,05 Euro (jährliche Lohnsteuerdurchschnittsbelastung der laufenden Bezüge: 33,4 %), ferner ermäßigt besteuerte Entschädigungen von 9.819,00 Euro, hierauf LSt 4.715,00 Euro und SolZ 259,32 Euro, insgesamt Bruttoarbeitslohn 99.744 Euro, hierauf LSt 34.772,60 Euro und SolZ 1.912,37Euro (gesamte jährliche Lohnsteuerdurchschnittsbelastung: 34,9%).
aaa)
Setzt man den geldwerten Vorteil von 8.550 Euro nur in Bezug zu dem voll versteuerten Bruttoarbeitslohn, da er in diesem enthalten ist, so macht er von diesem 9,51% aus, so dass auf ihn nicht anzurechnende 2.858,51Euro LSt (33,4 %) und 157,21 Euro SolZ entfallen.
bbb)
Setzt man den geldwerten Vorteil in Bezug auf den gesamten Bruttoarbeitslohn, so macht er von diesem 8,57 % aus, so dass auf ihn 2.980,01 Euro LSt (34,9 %) und 163,89 Euro SolZ entfallen.
dd) aaa)
Bei Abstellen auf das gesamte Jahr und hypothetischer Berechnung wären einzubeziehen 99.744 Euro ./. 8.550 Euro = 91.194 Euro. Darauf entfielen, berechnet wie bei oben bb), 32.878,00 Euro LSt und 1.808,29 Euro SolZ. Nicht anzurechnen wären damit 34.772,60 Euro ./. 32.878,00 Euro = 1.894,60 Euro LSt (22,2 %) und 1.912,37 Euro ./. 1.808,29Euro = 104,08 Euro SolZ.
bbb)
Der Grenzsteuersatz ergäbe sich für das ganze Jahr eigentlich zu 48,4 % (auf 99.744 Euro Jahresbruttolohn wären 37.016 Euro LSt zu zahlen, auf 91.194 Euro Jahresbruttolohn wären 32.878 Euro LSt zu zahlen, auf die Differenz von 8.550 Euro entfielen somit 4.138 Euro LSt). Im konkreten Fall ist bei jährlicher hypothetischer Berechnung die Auswirkung aber deswegen nur so niedrig (22,2 %), weil die Bruttolöhne des nachfolgenden Arbeitgebers für Oktober bis Dezember und die der zweiten Lohnsteuerkarte nur sehr niedrig besteuert wurden (29,6% bzw. 24,7 %)
c)
Das FA hat hingegen - ohne weitere Erläuterung des Rechenweges - 4.153 Euro Lohnsteuer (48,6 %) und 228,41 Euro Solidaritätszuschlag nicht mehr angerechnet.
d)
Der BFH hat in seinem Urteil vom 10. Januar 1995 (oben B.1.2.b.aa) wohl eine hypothetische jährliche Berechnung vorgenommen, allerdings ohne dies zu begründen oder die Berechnungsmethode überhaupt zu thematisieren (BFH Urteil vom 10. Januar 1995, VII R 41/94, BFH/NV 1995, 779, Juris Rn.11).
2.
Der Senat ist zunächst der Auffassung, dass es auf die (anteilige) tatsächlich abgeführte Lohnsteuer, nicht auf die hypothetische Lohnsteuer ankommt.
a)
Dafür spricht zum einen der Wortlaut von § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG „die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer, soweit sie auf die bei der Veranlagung erfassten Einkünfte … entfällt”, was auf die tatsächlich abgezogene Lohnsteuer hinweist, anderenfalls hätte es heißen müssen „…, soweit sie bei Steuerabzug allein von den bei der Veranlagung erfassten Einkünften zu erheben gewesen wäre”.
b)
Zum anderen kann die tatsächlich vom Arbeitgeber von einem bestimmten steuerpflichtigen Bruttobetrag abgezogene Lohnsteuer rechtlich nicht aufgespalten werden in auf verschiedene Gehaltsbestandteile entfallende Teile, etwa im Sinne eines ersten Bestandteils (geringere Progression) und eines weiteren zusätzlichen Bestandteils (höhere Progression, Grenzbelastung). Denn die Lohnsteuer wird für jeden Lohnzahlungszeitraum einheitlich bemessen (§ 38a Abs. 2 und 3 EStG). Betriebswirtschaftlich mögen Grenzsteuersatzüberlegungen sehr sinnvoll sein; rechtlich sind sie nicht begründet. Durch Bestimmung der hypothetischen Lohnsteuer auf den einbezogenen Teil würde aber genau dies eintreten: Der Arbeitgeber hat Lohnsteuer abgezogen, wodurch ein tatsächlicher Durchschnittssatz automatisch entstanden ist. Die hypothetische Lohnsteuer auf den in die Veranlagung lediglich einbezogenen Teil hätte jedoch die niedrigere Progression eines ersten Teils, die nicht anzurechnende Lohnsteuer auf den in die Veranlagung nicht einbezogenen Teil wäre damit im Umkehreffekt der höheren Progression eines letzten Teils unterworfen.
c)
Daraus folgt auch, dass es auf die vom Arbeitgeber tatsächlich abgezogene Lohnsteuer ankommt, nicht - sollten dem Arbeitgeber Berechnungsfehler oder Irrtümer unterlaufen sein - auf die, die hätte abgezogen werden müssen.
3.
Der Senat ist ferner der Auffassung, dass es auf den einzelnen Lohnzahlungszeitraum (§ 39b Abs. 2 und 5 EStG) ankommt, weil die Lohnsteuer vom Arbeitgeber für jeden Lohnzahlungszeitraum berechnet und abgezogen werden muss (§ 38a Abs. 3 und § 39b Abs. 2 EStG). Nur so ist die Bestimmung der anteiligen Lohnsteuer auf bestimmte einzubeziehende bzw. nicht einzubeziehende Gehaltsbestandteile klar und eindeutig möglich.
4.
In Höhe der Differenz zwischen der zutreffenden prozentualen Berechnung im Lohnzahlungszeitraum September 2003 (oben B.III.1.b.aa) und den vom Finanzamt berücksichtigten Beträgen (oben B.III.1.c) ist die Klage somit begründet.
Im Ergebnis folgt aus der Herausnahme des geldwerten Vorteils aus den Einkünften und gleichzeitiger Herausnahme der darauf entfallenden Lohnsteuer aus der Anrechnung nicht, wie das FA meint, eine Nachzahlung für Einkommensteuer von 50 Euro und für Solidaritätszuschlag von 2,74 Euro, insgesamt 52,74 Euro, sondern stattdessen eine Erstattung für Einkommensteuer von 300 Euro und für Solidaritätszuschlag von 16,50 Euro, insgesamt 316,50 Euro.
IV.
1.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 und § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Im Sinne der letztgenannten Vorschrift ist das FA nur zu einem geringen Teil unterlegen, denn das Obsiegen des Klägers ist sowohl relativ (8,4 %) als auch absolut (369,24 Euro) geringfügig und betraf nur einen von ihm selbst nicht vorgebrachten Nebenpunkt.
2.
Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO).
Klärungswürdig erscheinen insbesondere folgende Fragen:
Möglichkeit von Vergleichen im Steuererhebungsverfahren
Steueranrechnung bei vollkommen fehlendem Zufluss
Methode für die Berechnung der Höhe bei Anrechnung nur zum Teil
3.
Der Senat entscheidet durch Gerichtsbescheid, weil dies angemessen ist (§ 90a Abs. 1 FGO). Die tatsächlichen Fragen sind geklärt, von einer mündlichen Verhandlung ist für die offenen Rechtsfragen keine weitere Erhellung zu erwarten.