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  • 19.08.2011

    Finanzgericht des Saarlandes: Urteil vom 26.01.2011 – 1 K 1160/07

    1. Nach dem Eintritt des Versicherungsfalls weiter geleistete Versicherungsbeiträge des (früheren) Arbeitgebers zur Lebens- und Invaliditätsversicherung des (ehemaligen) Arbeitnehmers sind kein steuerpflichtiger Arbeitslohn, wenn die weiteren Zahlungen nach Eintritt des Versicherungsfalls die rechtliche bzw. wirtschaftliche Position des Arbeitnehmers gegenüber dem Versicherer objektiv nicht verbessern und der Arbeitnehmer hierdurch also keinen geldwerten Vorteil erlangt.

    2. Hiervon ist auszugehen, wenn der ehemalige Arbeitgeber dem damaligen Arbeitnehmer eine Berufsunfähigkeitsrente zugesagt, hierzu einen durch eine Rückdeckungsversicherung gesicherten Versicherungsvertrag mit einem Versicherer abgeschlossen, die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag beim Ausscheiden des Arbeitnehmers an diesen abgetreten hat, der Arbeitnehmer nach dem Versicherungsvertrag bei Eintritt des Versicherungsfalls beitragsfrei zu stellen war, der Versicherer jedoch den Eintritt des Versicherungsfalls zunächst bestritten, nach jahrelangem Rechtsstreit aber letztendlich doch anerkannt hat, und wenn der ehemalige Arbeitgeber die Versicherungsprämien nur zur Vermeidung von Rechtsnachteilen für den Arbeitnehmer vorsorglich weiter entrichtet hat.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes durch den Richter am Finanzgericht … als Vorsitzender, den Richter am Finanzgericht …, die Richterin am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2011

    für Recht erkannt:

    Unter Änderung des Bescheids für 1991 über Einkommensteuer vom 22. September 1995 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juni 2001 wird die Einkommensteuer für 1991 ohne Berücksichtigung von Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Form von Beitragszahlungen für Versicherungen (XX.XXX DM) festgesetzt.

    Dem Beklagten wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO aufgegeben, die Steuer zu errechnen.

    Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in derselben Höhe Sicherheit leistet.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Der Rechtsstreit betrifft die Berücksichtigung von Beitragszahlungen, welche die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers auf eine an diesen abgetretene Lebensversicherung leistete, als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

    Der Kläger erzielte als Geschäftsführer der im Jahr 1999 in Konkurs gefallenen C GmbH bis zum 30. November 1990 Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit. Er hatte seinen Wohnsitz bis zum September 1991 im Inland und verzog danach ins Ausland – zunächst nach D und später E.

    Im Rahmen der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses trat die Arbeitgeberin dem Kläger die Ansprüche aus einem Rückdeckungsversicherungsvertrag ab. Dieser war von der Arbeitgeberin mit der F Lebensversicherung AG abgeschlossen worden und sah zu Gunsten des Klägers für den Fall seiner Berufsunfähigkeit eine Beitragsfreistellung sowie eine Berufsunfähigkeitsrente vor. Gleichzeitig verpflichtete sich die Arbeitgeberin, die Versicherungsbeiträge bis zum Eintritt des Versicherungsfalls jährlich im Voraus in Höhe von XX.XXX DM weiter zu entrichten. Diesen Sachverhalt teilte die Arbeitgeberin dem Beklagten mit und zeigte an, dass hierfür kein Lohnsteuerabzug vorgenommen worden sei.

    Im April 1991 teilte der Kläger seiner ehemaligen Arbeitgeberin mit, dass er seit Februar 1991 berufsunfähig sei und machte ihr gegenüber seine Ansprüche auf Berufsunfähigkeitsrente geltend. Gleichzeitig machte er gegenüber der F Lebensversicherung AG seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag geltend. Das Versicherungsunternehmen lehnte die Ansprüche im April 1992 ab. Zur Vermeidung von Rechtsnachteilen für den Kläger entrichtete die GmbH die Versicherungsbeiträge für den Kläger vorsorglich weiter. In einem Rechtsstreit vor dem Landgericht in G gegen das Versicherungsunternehmen erstritt der Kläger im Mai 2000 ein für ihn günstiges Teilurteil, in welchem das beklagte Unternehmen zur Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente ab Februar 1991 verurteilt wurde. Da mit dem Urteil der Eintritt des Versicherungsfall ab Februar 1991 festgestellt war und damit die vertraglich vereinbarte Beitragsfreistellung feststand, wurden die von der ehemaligen Arbeitgeberin geleisteten Versicherungsbeiträge an die Konkursmasse zurückerstattet. Der Zivilrechtsstreit wurde endgültig durch einen Prozessvergleich vor dem Oberlandesgericht in G beendet, in welchem dem Kläger die volle Berufsunfähigkeitsrente zugesprochen wurde.

    Der Beklagte betrachtete insbesondere die im Jahr 1991 von der ehemaligen Arbeitgeberin geleisteten Versicherungsbeiträge als dem Kläger zugeflossene nachträgliche Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Am 26. Mai 1994 erließ der Beklagte einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid (ESt, Bl. 84), mit dem er den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid für 1991 vom 25. Oktober 1993 änderte. Gegen diesen hatte der Kläger am 16. November 1993 bereits Einspruch eingelegt. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens erließ der Beklagte zuletzt am 22. September 1995 einen weiteren Änderungsbescheid, mit welchem dem Einspruch in einem anderen als dem hier streitigen Punkt teilweise abgeholfen wurde. Schließlich wies der Beklagte den Einspruch des Klägers mit der Einspruchsentscheidung vom 19. Juni 2001 als unbegründet zurück. Die nach Auffassung des Beklagten auf den entsprechenden Versicherungsbeitrag für das Jahr 1992 entfallende Lohnsteuer machte der Beklagte durch einen Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid gegenüber dem Kläger geltend, der den Gegenstand der unter dem Geschäftszeichen 1 K 1159/07 geführten Klage bildet.

    Am 12. Juli 2001 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

    Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, die Berufsunfähigkeitsversicherung sei gegenüber der GmbH ab 1991 beitragsfrei gestellt worden, so dass beim Kläger ab diesem Jahr kein steuerpflichtiger Zufluss vorgelegen habe. Der Kläger habe durch die vorsorgliche Beitragszahlung im Streitjahr keine Bereicherung erfahren. Denn die Zahlung der Versicherungsbeiträge hätten dem Kläger keine weitergehenden Ansprüche vermittelt, als er ohnehin bereits gehabt habe. Insbesondere seien durch die weiteren Beitragszahlungen keine weiteren Anwartschaften versicherungsrechtlicher Art aufgebaut worden. Dies folge aus der Entscheidung des Landgerichts in G und dem nachfolgend vor dem Oberlandesgericht in G geschlossenen Prozessvergleich. Dem Kläger sei jedenfalls im Streitjahr kein Arbeitslohn zugeflossen. Selbst wenn man aber davon ausgehe, so seien die Beitragsrückzahlungen infolge der Prozessbeendigung als Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung im Streitjahr zu berücksichtigen.

    Der Kläger beantragt,

    unter Änderung des Bescheids für 1991 über Einkommensteuer vom 22. September 1995 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juni 2001 die Einkommensteuer für 1991 ohne Berücksichtigung von Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Form von Beitragszahlungen für Versicherungen (XX.XXX DM) festzusetzen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage als unbegründet abzuweisen.

    Zur Begründung verweist der Beklagte auf seine Einspruchsentscheidung und führt ergänzend im Wesentlichen aus, aufgrund des Abtretungsvertrags sei der Kläger unmittelbar anspruchsberechtigt gewesen. Daher seien die von der Arbeitgeberin gezahlten Versicherungsbeiträge als Arbeitslohn anzusehen, welcher dem Kläger im Zeitpunkt der Zahlung an das Versicherungsunternehmen zugeflossen sei. Die nachträgliche Rückzahlung wirke nicht auf das Streitjahr zurück, sondern führe im Jahr der Rückzahlung zu negativen Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit. Eine steuerliche Rückwirkung liege nicht vor, da die Vorschriften über den Zu- und Abfluss vorrangig seien.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Behördenakten (drei Bände) sowie auf die Verfahrensakte des Klageverfahrens 1 K 1159/07 verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    1. Die zulässige Klage ist begründet.

    Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Denn der Beklagte hat zu Unrecht die von der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers geleisteten Versicherungsbeiträge (XX.XXX DM) als Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit behandelt.

    Bei den von der GmbH für den Kläger gezahlten Beiträgen zur Rückdeckungsversicherung handelt es sich nicht um steuerpflichtigen Arbeitslohn aus einem früheren Dienstverhältnis (§ 19 EStG i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 LStDV), da dem Kläger hierdurch kein Vorteil zugewendet wurde, so dass er insoweit keine durch das Arbeitsverhältnis veranlasste Einnahmen im Sinn von § 8 Abs. 1 EStG erzielte.

    Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG alle „Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden”, und zwar gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Leistung besteht oder nicht (§ 19 Abs. 2 EStG).

    Dazu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BFH jeder mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumte geldwerte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Dabei genügt die tatsächliche Veranlassung der Einnahmen durch das Dienstverhältnis (vgl. BFH vom 4. Mai 2006 VI R 17/03, BStBl II 2006, 830).

    Einnahmen aus einem früheren Dienstverhältnis bilden auch Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, und zwar auch Ausgaben des Arbeitgebers zur Zukunftssicherung des Arbeitnehmers, das heißt Ausgaben, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesem nahestehende Personen für den Fall der Invalidität (vgl. §§ 172 ff. VVG) oder des Todes (vgl. §§ 150 ff. VVG) abzusichern (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 LStDV).

    1.2.1 Im Streitfall galt dies jedoch nur in der Zeit nach Abschluss des Abtretungsvertrags bis zum Eintritt des Versicherungsfalls. Bis dahin war deshalb für die von der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers geleisteten Versicherungsbeiträge grundsätzlich die Lohnsteuer nach §§ 38 ff. EStG anzumelden und an das zuständige Betriebsstättenfinanzamt – den Beklagten – abzuführen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BFH hängt die Arbeitslohnqualität von Zukunftssicherungsleistungen, bei denen die Leistung des Arbeitgebers an einen Dritten (Versicherer) erfolgt, davon ab, ob sich der Vorgang – wirtschaftlich betrachtet – so darstellt, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mittel zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer sie zum Zweck seiner Zukunftssicherung verwendet hat. Davon ist auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer gegen die Versorgungseinrichtung, an die der Arbeitgeber die Beiträge geleistet hat, ein unmittelbarer und unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Leistung zusteht (siehe zum Beispiel BFH vom 7. Mai 2009 VI R 8/07, BStBl II 2010, 194 mit weiteren Nachweisen der BFH-Rechtsprechung).

    Zwar handelte es sich ursprünglich um eine sogenannte Rückdeckungsversicherung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Arbeitgeber selbst dem Arbeitnehmer eine Versorgung zusagt, wobei nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber den Anspruch gegen den Versicherer auf Leistung (an den Arbeitnehmer) hat. Die Verpflichtung des Arbeitgebers wird – wie im Streitfall – durch Abschluss einer Lebensversicherung rückgedeckt (siehe hierzu Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, „Zukunftssicherung von Arbeitnehmern”, Rz. 100). Anders als bei einer Direktversicherung stellen die Beiträge zu einer Rückdeckungsversicherung grundsätzlich keinen steuerpflichtigen geldwerten Vorteil dar (siehe dazu Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, „Zukunftssicherung von Arbeitnehmern”, Rz. 55 ff. und 101 ff.).

    Nach der ursprünglichen Vertragsgestaltung hatte der Kläger demzufolge keinen unentziehbaren Rechtsanspruch – wie ihn die BFH-Rechtsprechung voraussetzt –, sondern erwarb diesen erst aufgrund der anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im November 1990 vorgenommenen Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag (siehe in diesem Zusammenhang zur lohnsteuerrechtlichen Betrachtung des § 44 Abs. 1 Satz 1 VVG BFH vom 11. Dezember 2008 VI R 9/05, BStBl II 2009, 385). Den insoweit bestehenden Anspruch auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente hat denn auch der Kläger in eigenem Namen und für eigene Rechnung gegenüber den F Versicherungen letztlich erfolgreich geltend gemacht.

    Demzufolge stellten die von der ehemaligen Arbeitgeberin geleisteten Versicherungsbeiträge nach Abschluss des Abtretungsvertrags bis zum Eintritt des Versicherungsfalls steuerpflichtigen Arbeitslohn dar.

    1.2.2 Demgegenüber bildete der im Streitfall maßgebliche Versicherungsbeitrag, der nach Eintritt des Versicherungsfalls gezahlt worden war, keine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit mehr, weil dem Kläger hierdurch kein geldwerter Vorteil mehr zugewandt wurde.

    Nach dem vorgelegten Versicherungsvertrag mit den F Versicherungen entfiel die Verpflichtung zur Prämienzahlung für die Versicherung, wenn der Versicherte – der Kläger – vollständig oder teilweise berufsunfähig würde (FG, Bl. 11). Dieser Versicherungsfall ist im Februar 1991 eingetreten, wie letztlich aufgrund des Prozessvergleichs vor dem Oberlandesgericht in G unstreitig feststeht (Rbh, Bl. 60 f.). Demzufolge bestand im Verhältnis zu dem Versicherungsunternehmen ab diesem Zeitpunkt keine Leistungspflicht mehr, und die Arbeitgeberin erlangte durch die gleichwohl erfolgte Beitragszahlung einen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB gegen den Versicherer, den dieser erfüllte.

    Dass dabei die Beitragszahlung, die nach dem Eintritt des Versicherungsfalls geleistet wurde, tatsächlich durch das zu jenem Zeitpunkt bereits beendete Dienstverhältnis veranlasst war, steht außer Zweifel. Sie stellten daher auf der Ebene der Arbeitgeberin unzweifelhaft Betriebsausgaben (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 4 EStG) dar.

    Jedoch begründete die Beitragsleistung für den Kläger keinen unmittelbaren lohnsteuerrechtlich relevanten geldwerten Vorteil, da sie dessen Rechtsposition als Begünstigter aus dem Versicherungsvertrag nicht verbesserte und auch tatsächlich keine wirtschaftliche Verbesserung mit sich brachte. Die Arbeitgeberin handelte zwar bei ex-ante-Betrachtung wirtschaftlich vernünftig, denn nachdem der Versicherer das Vorliegen des Versicherungsfalls verneint und die Leistung der Berufsunfähigkeitsrente abgelehnt hatte, war unsicher, ob der Kläger einen Anspruch hatte oder nicht. Eine möglicherweise zu Unrecht verweigerte Beitragszahlung hätte die Folgen des § 38 VVG nach sich gezogen, unter Umständen also den Verlust des Versicherungsanspruchs (§ 38 Abs. 2 VVG). Für die Frage der Zuwendung eines lohnsteuerpflichtigen Vorteils kommt es hierauf jedoch nicht an. Denn maßgeblich kann nur sein, ob die Beitragszahlung tatsächlich die rechtliche oder wirtschaftliche Position des Klägers verbesserte. Dies ist jedoch – wie dargelegt – gerade nicht der Fall. Dass dieser Umstand – der durch den Eintritt des Versicherungsfalls begründete Anspruch des Klägers auf die Berufsunfähigkeitsrente – erst erheblich später nach einem mehrjährigen Zivilprozess feststand, rechtfertigt es nicht, für die lohnsteuerrechtliche Beurteilung der Zahlung von der ex-ante-Betrachtung auszugehen.

    Die Umstände des Streitfalls sind daher nicht vergleichbar mit den Fällen des überzahlten, insbesondere des versehentlich überwiesenen Lohns (vgl. dazu BFH vom 4. Mai 2006 VI R 17/03, BStBl II 2006, 830). Denn in diesen Fällen verbessert sich die Vermögenslage des Arbeitnehmers tatsächlich, da er über die entsprechenden Beträge wirtschaftlich verfügen kann; sein Vermögen wird – ungeachtet des fehlenden Anspruchs – tatsächlich vermehrt (mag auch bei zivilrechtlicher Betrachtung gleichzeitig ein Kondiktionsanspruch des Arbeitgebers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB entstehen, der das Vermögen des Arbeitnehmers belastet). Deshalb ist auch der überzahlte Lohn grundsätzlich lohnsteuerpflichtig (§ 38 Abs. 2 Satz 2 EStG).

    Da es im Streitfall bereits an der Zuwendung bzw. Erlangung eines geldwerten Vorteils auf Seiten des Klägers fehlt, kommt es auf die Fragen der Veranlassung aus dem Dienstverhältnis sowie des Zuflusses (§ 11 Abs. 1 EStG) nicht an.

    2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    3. Der Senat hat die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. FGO zur Rechtsfortbildung zugelassen.

    In der Rechtsprechung des BFH sind die Fragen der lohnsteuerrechtlichen Behandlung von Versicherungsbeiträgen des Arbeitgebers zugunsten seiner Arbeitnehmer (vgl. BFH vom 7. Mai 2009 VI R 8/07, BStBl II 2010, 194 mit weiteren Nachweisen der BFH-Rechtsprechung) sowie der Steuerpflicht bei überzahltem Lohn (vgl. BFH vom 4. Mai 2006 VI R 17/03, BStBl II 2006, 830) geklärt. Die hierzu in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze bedürfen jedoch der Weiterentwicklung zur Auslegung der §§ 19, 38 ff. EStG, § 2 LStDV für die Fälle wie dem vorliegenden (siehe zu diesen Voraussetzungen Ruban in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, § 115 Rz. 42 mit weiteren Nachweisen), in dem die Versicherungsbeiträge des Arbeitgebers zur Lebens- und Invaliditätsversicherung des (ehemaligen) Arbeitnehmers zwar grundsätzlich als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu betrachten sind, die weitere Zahlung nach Eintritt des Versicherungsfalls die rechtliche bzw. wirtschaftliche Position gegenüber dem Versicherer objektiv jedoch nicht verbessert, er hierdurch also keinen geldwerten Vorteil erlangt. Der Senat geht davon aus, dass ein allgemeines Interesse an dieser klärungsbedürftigen und klärungsfähigen Rechtsfrage besteht.

    VorschriftenEStG § 8 Abs. 1, EStG § 11 Abs. 1, EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, EStG § 19 Abs. 2, LStDV § 2 Abs. 1 S. 1, LStDV § 2 Abs. 2 Nr. 2