Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 12.08.2011

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 25.05.2011 – 7 K 1475/09

    1. Der Verzicht auf das Mehrheitsstimmrecht eines GmbH-Gesellschafters durch Änderung des Gesellschaftsvertrages bewirkt keine freigebige Zuwendung an die Mitgesellschafter, da es an einer substantiellen Vermögensverschiebung fehlt.

    2. Die bloße Wertsteigerung eines GmbH-Anteils aufgrund des Zuwachses der Stimmkraft führt wegen fehlenden Zuflusses von Vermögenssubstanz schenkungsrechtlich nicht zu einer objektiven Bereicherung.

    3. Der Zuwachs der Stimmkraft eines Gesellschaftsanteils folgt aus der Mitgliedschaft selbst und ergibt sich nicht aus einem substantiellen Vermögenstransfer, da das Stimmrecht an den Gesellschaftsteil gebunden und nicht übertragbar ist.

    4. Der Umstand, dass sich der Wert einer GmbH-Beteiligung durch den Stimmrechtsverzicht eines Mitgesellschafters erhöht und insoweit bei rein wirtschaftlicher Betrachtung ein Werte-Transfer stattfindet, ist schenkungssteuerrechtlich unbeachtlich, da die wirtschaftliche Betrachtungsweise auf Verkehrssteuern nicht anwendbar ist.


    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 7. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Mai 2011 durch Präsident des Finanzgerichts … Richter am Finanzgericht …

    für Recht erkannt:

    1. Die geänderten Schenkungsteuerbescheide vom 18. Juni 2009 sowie die ursprünglichen Schenkungsteuerbescheide vom 17. und 18. Dezember 2007 in der Fassung der Bescheide vom 4. Februar 2008 und die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 23. Februar 2009 werden aufgehoben.

    2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    3. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist, ob ein GmbH-Gesellschafter, der im Rahmen einer Änderung des Gesellschaftsvertrages auf sein bisheriges Mehrheitsstimmrecht verzichtet, eine freigebige Zuwendung an die Mitgesellschafter bewirkt, weil deren Geschäftsanteile nunmehr Einfluss auf die Geschäftsführung ermöglichen und dadurch eine Werterhöhung erfahren haben.

    Die Kläger sind Geschwister. Der Vater der Kläger (V) hatte im Jahr 1984 zusammen mit B die V GmbH (V GmbH) mit einem Stammkapital von 500.000 DM gegründet, wobei V 97 v.H. der Geschäftsanteile und B 3 v.H. der Geschäftsanteile hielt. Der Gesellschaftsvertrag wurde im März 1993 geändert und das Stammkapital wurde –bei unverändertem Beteiligungsverhältnis– auf 5.000.000 DM erhöht. Ferner wurde § 13 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages wie folgt gefasst:

    „Abgestimmt wird nach Geschäftsanteilen. Je DM 100 … eines Anteils gewähren eine Stimme. Die von Herrn … (V) gehaltenen Geschäftsanteile gewähren jedoch unabhängig von ihrem Nennbetrag so viele Stimmen, dass die ihm zu Gebote stehenden Stimmen mindestens 51 v.H., die den anderen Gesellschaftern insgesamt zu Gebote stehenden Stimmen höchstens 49 v.H. der Gesamtstimmenzahl ausmachen. Diese Regelung gilt solange, wie Herr … (V) Gesellschafter der Gesellschaft ist.”

    Im Januar 1994 übertrug V den Klägern unentgeltlich jeweils 24 v.H. der Geschäftsanteile an der V GmbH im Nominalwert von jeweils 1.200.000 DM. Die Übertragung der Geschäftsanteile wurde der Schenkungsteuer unterworfen. Bei der Bewertung wurden die Anteile als Anteile ohne Einfluss auf die Geschäftsführung behandelt und entsprechend wurde der nach der Regelbewertung nach R 97 bis 100 ErbStR ermittelte gemeine Wert gemäß R 101 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 8 ErbStR um einen Abschlag von 10 v.H. gekürzt.

    Im Oktober 2000 erwarben die Kläger von den Erben des B jeweils 1 v.H. der Geschäftsanteile der V GmbH hinzu.

    Am 6. Dezember 2000 wurde der Gesellschaftsvertrag der V GmbH neu gefasst. Die Neufassung enthielt keine Regelung mehr in Bezug auf ein Mehrstimmrecht des V. § 9 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages lautet nun:

    „Je volle EURO 500 eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme. …”

    Die Neufassung des Gesellschaftsvertrages erfolgte, um die Voraussetzungen einer bestehenden Betriebsaufspaltung und die personelle Verflechtung zwischen der V GmbH (Betriebsgesellschaft) und der V GmbH u Co KG (Besitz-KG) aufrecht zu erhalten. Entsprechend hat V auf die Kläger am 6. Dezember 2000 auch die Anteile an der V Verwaltungsgesellschaft mbH –der Komplementärin der Besitz-KG– übertragen.

    Im Jahr 2002 übertrug V seine restlichen Geschäftsanteile an der V GmbH unentgeltlich auf die Kläger. Die Übertragung wurde der Schenkungsteuer unterworfen. Bei der Bewertung wurde berücksichtigt, dass die Anteile Einfluss auf die Geschäftsführung ermöglichen.

    Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) vertrat im Anschluss an eine Außenprüfung bei der V GmbH die Auffassung, dass durch die Neufassung des Gesellschaftsvertrages am 6. Dezember 2000 eine schenkungsteuerbare Zuwendung des V an die Kläger bewirkt wurde. V habe faktisch zugunsten seiner Kinder auf sein Mehrstimmrecht verzichtet und die Stimmrechte seien dadurch wieder entsprechend dem Nennkapital verteilt. Folglich seien auf die Kläger Stimmrechte übergegangen, die zuvor nicht vorhanden waren, so dass sich der Wert der Geschäftsanteile entsprechend erhöht habe. Die Wertsteigerung könne mit dem Wert angenommen werden, der bei der (seinerzeitigen) Bewertung der Anteile ohne Einfluss auf die Geschäftsführung (Abschlag von 10 v.H.) abgezogen wurde. Das FA setzte auf der Grundlage der Schenkungsteuererklärungen den Wert der Anteile mit Einfluss auf die Geschäftsführung mit 429,92 v.H. und den Wert der Anteile ohne Einfluss auf die Geschäftsführung mit 386,92 v.H. an. Die maßgebliche Werterhöhung der Anteile ergebe sich aus der Differenz von 43 v.H. und betrage jeweils 650.000 EUR * 43 v.H., somit 279.500 EUR. Entsprechend setzte das FA gegen die Kläger mit Bescheiden vom 17. Dezember 2007 und 18. Dezember 2007 unter Berücksichtigung von Vorerwerben Schenkungsteuer fest. Die Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Mit Bescheiden vom 4. Februar 2008 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.

    Die Kläger erhoben dagegen vor dem Finanzgericht Sprungklage, der das FA nicht zustimmte. Die Sprungklage wurde gemäß § 45 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als außergerichtlicher Rechtsbehelf behandelt. Mit Einspruchsentscheidungen vom 23. Februar 2009 wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen.

    Mit der dagegen erhobenen Klage begehren die Kläger weiterhin die Aufhebung der angefochtenen Schenkungsteuerbescheide. Die Kläger tragen vor: Die Auffassung des FA, dass Stimmrechte als selbständige Wirtschaftsgüter anzusehen und Stimmrechtsabreden Gegenstand einer freigebigen Zuwendung sein könnten, finde weder im Gesetz noch in den Verwaltungsanweisungen eine Rechtfertigung. Bei Stimmrechten handele es sich um keine selbständig bewertbaren Wirtschaftsgüter, sondern um unselbständige Bestandteile des jeweiligen Geschäftsanteils. Das Stimmrecht sei ebenso ein unselbständiger Teil dieses Rechts wie andere (Mit-) Verwaltungsrechte, wie etwa das Auskunfts- und Einsichtsrecht nach § 51a GmbHG. Sogar aus dem Anteil fließende Vermögensrechte seien nicht als selbständige Vermögensgegenstände zu qualifizieren, was sich etwa aus dem Umstand ergebe, dass eine Verselbständigung eines Gewinnausschüttungsanspruchs und damit die Eigenschaft eines eigenständigen Rechtsobjekts erst in dem Zeitpunkt angenommen werden könne, in dem der Gewinnverwendungsbeschluss gefasst sei. Über unselbständige Teile eines Geschäftsanteils könne schon zivilrechtlich nicht eigenständig verfügt werden. Sie könnten deshalb nicht Gegenstand eines isolierten Vermögenstransfers sein, der Voraussetzung einer steuerbaren Schenkung sei. Die Stimmrechtsausstattung eines Anteils könne sich deshalb nur insoweit auf die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage auswirken, als sie die Schenkung eines Anteils betreffe, dessen Stimmrechtsausstattung gegenüber dem gesetzlichen Regelstatut modifiziert sei. Der Wegfall eines Mehrstimmrechts oder die Einräumung eines Mehrstimmrechts könne jedoch isoliert die Annahme einer steuerbaren Schenkung dem Grunde nach nicht tragen.

    Allein der Umstand, dass mittels vom Steuertatbestand losgelöster Rechenalgorithmen (s. R 101 ErbStR) eine Bemessungsgrundlage errechnet werden könne, ersetze nicht das Vorliegen eines Steuertatbestands, nämlich eines Vermögenstransfers im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Es finde bei genauer Betrachtung auch kein Vermögenstransfer statt. Der Verzicht auf ein Mehrstimmrecht habe lediglich das Erlöschen einer besonderen Rechtsposition des betreffenden Gesellschafters (eines gesellschaftsvertraglichen Sonderrechts) zur Folge. Diese spezifische Rechtsposition gehe keineswegs –weder mittelbar, noch unmittelbar– auf den oder die anderen Gesellschafter über. Das in seiner Substanz unveränderte Stimmrecht der anderen Gesellschafter erhalte lediglich aufgrund des Wegfalls des Mehrstimmrechts ein anderes Stimmgewicht; dabei handele es sich jedoch nicht um einen Vermögenstransfer von einem Gesellschafter auf den anderen, sondern lediglich um eine Reflexwirkung des Verzichts auf die anderen Gesellschafter, die ihm jedoch nicht von dem verzichtenden Gesellschafter, sondern von der Gesellschaft selbst zufließt und Ausfluss der bereits vorhandenen Beteiligung ist. Der Klägervertreter weist insoweit hin auf das BFH-Urteil II R 67/93 vom 25. Oktober 1995 (BStBl II 1996, 160 betr. eine verdeckte Einlage durch Zinsverzicht) und trägt vor, für den Verzicht auf ein Mehrstimmrecht könne jedenfalls im Ausgangspunkt nichts anderes gelten als für den Fall der verdeckten Einlage in das Gesellschaftsvermögen.

    Der Klägervertreter ist der Ansicht, dass die Steuerverwaltung auf der Grundlage der (bisherigen) Verwaltungsanweisungen (H 18 ErbStH) in dem vorliegenden Fall keine Schenkung annehmen dürfe. Denn in den Beispielen in H 18 ErbStH gehe es durchgängig darum, dass eine Kapitalgesellschaft für Zwecke eines Vermögenstransfers von den Beteiligten dazu instrumentalisiert werde, das in die Kapitalgesellschaft transferierte Vermögen –vermittelt durch die Kapitalgesellschaft– einem anderen Gesellschafter zuzuordnen. Vorliegend gehe es indessen nicht um einen Vermögenstransfer. Es gehe allein darum, dass auf ein nicht der Vermögenssphäre, sondern der Sphäre der Mitverwaltungsrechte zuzuordnendes Recht einseitig verzichtet werde. Der Klägervertreter weist ferner hin auf das BFH-Urteil II R 28/06 vom 7. November 2007 (BStBl II 2008, 258), aus dessen Veröffentlichung im BStBl sich ergebe, dass die Steuerverwaltung auf die Rechtsprechungslinie eingeschwenkt sei. Entsprechend seien nunmehr auch die Erbschaftsteuer-Richtlinien durch gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 20. Oktober 2010 (BStBl I S. 1207) geändert worden.

    Der Klägervertreter räumt ein, dass der Gesetzgeber den Grundsatz, dass unselbständige Teilrechte eines Gesellschaftsrechts nicht Gegenstand einer Schenkung sein könnten, mit der Regelung des § 7 Abs. 6 ErbStG punktuell durchbrochen habe. Diese Regelung betreffe jedoch ein aus dem Anteil fließendes Vermögensrecht und nicht lediglich ein (Mit-) Verwaltungsrecht. Außerdem habe es der Gesetzgeber für erforderlich gehalten, insoweit –rechtsbegründend– einen eigenständigen Steuertatbestand zu schaffen. Daraus folge im Umkehrschluss, dass die Zuordnung unselbständiger Teilrechte in anderen Fällen die Annahme einer steuerbaren Schenkung nicht begründen könne.

    Die Beurteilung, dass der Wegfall eines Mehrstimmrechts oder die Einräumung eines Mehrstimmrechts isoliert die Annahme einer steuerbaren Schenkung nicht tragen könne, ergebe sich auch aus R 101 Abs. 6 ErbStR.

    Der Klägervertreter weist ferner (hilfsweise) darauf hin, dass es im Streitfall bei dem Verzicht auf das Mehrstimmrecht darum gegangen sei, die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung und die dafür erforderliche personelle Verflechtung zu erhalten, um die steuerlichen Nachteile der Auflösung der Betriebsaufspaltung –Überführung der Anteile an der Betriebskapitalgesellschaft aus dem Sonderbetriebsvermögen II bei der Besitzgesellschaft in das Privatvermögen– zu vermeiden. Es habe nicht in der Absicht des V gelegen, seine Mitgesellschafter zu bereichern.

    Das FA hat die angefochtenen Schenkungsteuerbescheide mit Bescheiden vom 18. Juni 2009 geändert und dabei die Bemessungsgrundlage herabgesetzt (624.000 EUR * 43 v.H. = 268.320 EUR –524.788 DM–; s. FG-Akten Bl. 62).

    Die Kläger beantragen,

    die geänderten Schenkungsteuerbescheide vom 18. Juni 2009 aufzuheben.

    Das FA beantragt,

    die Klagen abzuweisen.

    Das FA trägt vor, die von den Klägern im Jahre 1994 schenkweise erworbenen Geschäftsanteile hätten durch die Änderung der Stimmrechte am 6. Dezember 2000 eine Wertsteigerung erfahren. Das sei unstreitig und werde auch von den Klägern eingeräumt. Ein fremder Dritter hätte nach der Änderung der Stimmrechtsverhältnisse für die jetzt mit Stimmrechten ausgestatteten Geschäftsanteile mehr bezahlen müssen als für die Anteile ohne Einfluss auf die Geschäftsführung. Durch die Zustimmung zur Änderung der Stimmrechtsverhältnisse seien die Gesellschafter auf Kosten des Zuwendenden bereichert worden. Es könne nicht Sinn und Zweck der Schenkungsteuer entsprechen, dass die nachträgliche Ausgestaltung einer Beteiligung mit Stimmrechten und die damit verbundene Werterhöhung ohne schenkungsteuerliche Bedeutung sei.

    Ein Vermögenstransfer sei für die Annahme einer freigebigen Zuwendung nicht erforderlich. So unterliege die Schenkung einer Geldsumme, die zuvor als Darlehen gewährt worden sei, auch ohne Transfer als freigebige Zuwendung der Schenkungsteuer. Dass es sich bei den Stimmrechten um keine selbständigen bewertbaren Wirtschaftsgüter handele, sei dabei nicht ausschlaggebend. Bewertet werde die jeweilige Bereicherung des Gesellschafters nach den steuerrechtlichen Bewertungsvorschriften.

    Die vom Klägervertreter in Bezug genommene Rechtsprechung des BFH beziehe sich auf nicht vergleichbare Sachverhalte. In den angesprochenen Urteilssachverhalten habe es sich um Vorgänge gehandelt, die sich auf das Vermögen der Gesellschaften bezogen und im Vermögen der Gesellschafter auswirkten. Im Streitfall hätten die Beschlüsse zu den Stimmrechtsänderungen keinen Einfluss auf das Vermögen der Gesellschaft. Das Vermögen der Gesellschaft habe sich durch die Beschlussfassung zur Stimmrechtsänderung nicht geändert. Die Stimmrechtsänderung habe allein Auswirkung auf die Vermögenssphäre der einzelnen Gesellschafter.

    Soweit der Klägervertreter auf die Richtlinienregelung ErbStR 101 Abs. 6 hinweise (Bewertung bei nacheinander von derselben Person zugewendeten Anteilen, die zusammengerechnet einen Einfluss auf die Geschäftsführung gewähren), könne seiner Argumentation nicht gefolgt werden. In der Regelung werde auf die im Zeitpunkt der Übertragung inne gehabte wesentliche oder unwesentliche Beteiligung abgestellt. Außerdem seien im Streitfall keine Anteile zugewendet worden. Die Anteile seien vielmehr bereits zu einem früheren Zeitpunkt übertragen worden, damals aber entwertet um die Stimmrechte. Erst jetzt werde in einer zweiten Stufe die Übertragung der kompletten Anteile abgeschlossen. Die Beschlussfassung zur Stimmrechtsänderung habe sich ohne Zuwendung von Geschäftsanteilen auf die vorhandenen Geschäftsanteile werterhöhend ausgewirkt.

    Die Bereicherung sei nach den Grundsätzen des § 11 Abs. 2 BewG i.V.m. R 96 ff ErbStR zu bewerten. Maßgebend sei der Vergleich zwischen der Regelbewertung der Anteile und der Bewertung der Anteile unter Vornahme eines Abschlages wegen fehlendem Einfluss auf die Geschäftsführung.

    Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Behördenakten (Rechtsbehelfsakten, Betriebsprüfungsakten, Schenkungsteuerakten) sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist begründet.

    Das FA hat zu Unrecht angenommen, der Verzicht des V auf sein Mehrheitsstimmrecht im Rahmen der Änderung des Gesellschaftsvertrages der V GmbH am 6. Dezember 2000 habe eine freigebige Zuwendung zugunsten der Kläger bewirkt.

    1. a) Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; vgl. auch § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Erforderlich hierfür ist eine Vermögensverschiebung, d.h. eine Vermögensminderung auf der Seite des Schenkers und eine Vermögensmehrung auf der Seite des Beschenkten (Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 9. Dezember 2009 II R 28/08, BFHE 228, 169, BStBl II 2010, 566, vom 6. März 1985 II R 19/84, BFHE 143, 291, BStBl II 1985, 382, und vom 7. November 2007 II R 28/06, BFHE 218, 414, BStBl II 2008, 258). Der Gegenstand der Schenkung richtet sich nach bürgerlichem Recht (BFH-Urteil vom 25. November 2008 II R 38/06, BFH/NV 2009, 772). Für die Frage, wer an einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG beteiligt ist, kommt es ausschließlich auf die Zivilrechtslage und nicht darauf an, wem nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise Vermögen oder Einkommen zuzurechnen ist (BFH-Urteile vom 29. November 2006 II R 42/05, BFHE 215, 529, BStBl II 2007, 319, und in BFHE 218, 414, BStBl II 2008, 258).

    b) Der Gesetzestatbestand der freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG setzt damit nach der Rechtsprechung des BFH eine substantielle Vermögensverschiebung in der Weise voraus, dass das Vermögen des Zuwendenden in seiner Substanz vermindert und das Vermögen des Bedachten in seiner Substanz vermehrt wird, wobei sich der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, vorher nicht in der derselben Gestalt im Vermögen des Schenkers befunden haben muss. Fehlt es an einer solchen Vermögensübertragung, liegt keine freigebige Zuwendung vor, auch dann nicht, wenn eine Vermögensmehrung bei einer Person eintritt (zur Rechtsprechung des BFH s. Mößlang, KFR F 10 ErbStG § 7, 2/97; Viskorf, FR 2001, 910, DStR 1998, 150). Die (bloße) Wertsteigerung eines im Vermögen bereits vorhandenen Gegenstands oder Rechts führt damit wegen fehlendem Zufluss von (neuer bzw. zusätzlicher) Vermögenssubstanz schenkungsteuerrechtlich nicht zu einer objektiven Bereicherung (str; a.A. Hübner, DStR 2008, 1357; Moench in Moench/Weinmann, ErbStG § 7 Rz. 181a, m.w.N.; Daragan, DStR 1998, 1241; Gottschalk, DStR 2002, 377).

    Das Erfordernis der substantiellen Vermögensverschiebung steht in Einklang mit der steuersystematischen Einordnung der Schenkungsteuer als Verkehrsteuer (so ausdrücklich BFH-Urteile II R 28/08 in BStBl II 2010, 566 unter II.1. und II R 28/06 in BStBl II 2008, 258 unter II.2.b; vgl. dazu z.B. Birnbaum DStR 2011, 252, unter 1. m.w.N.).

    c) Nach diesen Maßstäben liegen im Streitfall keine freigebigen Zuwendungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor.

    aa) Es kann zwar mit den Beteiligten davon ausgegangen werden, dass die Geschäftsanteile der Kläger aufgrund der Änderung des Gesellschaftsvertrages eine Wertsteigerung erfahren haben. Denn der Wegfall des Mehrheitsstimmrechts des V führte dazu, dass die Geschäftsanteile der Kläger in Höhe von jeweils 25 v.H. nunmehr einen größeren Einfluss auf die Geschäftsführung ermöglichten (s. § 13 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags vom 17. September 1985 in der Fassung vom 10. März 1993 sowie die Neuregelung des Gesellschaftsvertrages vom 6. Dezember 2000 durch § 9 Abs. 1 und 3 des Gesellschaftsvertrages – Schenkungsteuerakten Bl. 19, 30, 44–). Geschäftsanteile mit Einfluss auf die Geschäftsführung haben indes einen höheren gemeinen Wert als Anteile ohne Einfluss auf die Geschäftsführung (vgl. R 101 ErbStR 2003).

    bb) Diese (mögliche) Werterhöhung beruhte im Streitfall jedoch nicht auf einer für den Tatbestand der freigebigen Zuwendung erforderlichen substantiellen Vermögensübertragung. Denn der Vermögensbestand des V hat sich durch die Änderung des Gesellschaftsvertrages nicht substantiell vermindert und der Vermögensbestand der Kläger hat sich nicht substantiell vermehrt. V war weiterhin Inhaber eines Geschäftsanteiles in Höhe von 25 v.H. und die Kläger hatten –nach dem Hinzuerwerb von 1 v.H. der Anteile von den Erben des B– ebenfalls weiterhin jeweils 25 v.H. der Anteile. Substantiell haben sich damit der Vermögensbestand des V und der Vermögensbestand der Kläger nicht verändert.

    cc) Die erforderliche substantielle Vermögensübertragung liegt auch nicht in der Änderung der Stimmrechts- und Mehrheitsverhältnisse. Die Außenprüfung ist insoweit zu Unrecht von der Vorstellung ausgegangen, durch die Änderung des Gesellschaftvertrages seien Stimmrechte des V von V auf die Kläger übertragen worden. Unabhängig davon, dass das Stimmrecht ohnehin ein aus der Mitgliedschaft folgendes und nicht abspaltbares Verwaltungsrecht und kein Vermögensrecht darstellt, liegt im Streitfall auch keine (zivil- bzw. gesellschaftsrechtliche) Übertragung von Stimmrechten vor.

    Die Änderung des Gesellschaftsvertrages, die zivilrechtlich nach der auch für die GmbH geltenden Regelung des § 35 BGB die Zustimmung des V erforderte, berührte unmittelbar nur die im Geschäftsanteil des V verkörperte Mitgliedschaft des V und bewirkte eine Verringerung des Stimmgewichtes (Stimmkraft) der dem V entsprechend seinem Geschäftsanteil zustehenden Stimmen. Eine Übertragung von Stimmrechten auf die Kläger fand insoweit nicht statt. Eine solche Übertragung wäre gesellschaftsrechtlich auch nicht möglich. Das Stimmrecht ist ein wesentliches Element der gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaft und als solches an den Geschäftsanteil gebunden (s. Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl., 2009, § 47 Rn 17). Einem Mitgesellschafter kann –ebenso wie einem Nichtgesellschafter– kein Stimmrecht losgelöst vom Geschäftsanteil übertragen werden (sog. Abspaltungsverbot; s. Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl., 2009, § 47 Rn 19).

    Der Umstand, dass die Stimmrechte der Kläger aufgrund des Verzichtes des V auf sein bisheriges Mehrstimmrecht an Bedeutung gewannen und nunmehr (erstmals) die ihnen (eigentlich) zukommende Stimmkraft entfalten konnten, war nur eine reflexartige (indirekte) Folge des Verzichtes des V auf sein Mehrstimmrecht. Der Zuwachs der Stimmkraft folgte aus der Mitgliedschaft selbst und ergab sich nicht aus einem substantiellen Vermögenstransfer zwischen V und den Klägern.

    d) Die Auslegung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, dass die bloße Werterhöhung eines Gegenstandes oder Rechtes, das sich bereits im Vermögen einer Person befindet, den objektiven Tatbestand der freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht erfüllt, weil es insoweit an der erforderlichen substantiellen Bereicherung fehlt, steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) zum Begriff der Schenkung.

    Der BGH hat mit Urteil vom 1. Juli 1987 IVb HR 70/86 (NJW 1987, 2816) zum Begriff der Schenkung im Hinblick auf den Zugewinnausgleich entschieden, dass Schenkung i.S. des § 1347 Abs. 2 BGB nicht anderes als die im BGB auch sonst gemeinte und in den §§ 516 ff geregelte „Vermögensbewegung” sei und eine Zuwendung voraussetzt, „durch die der Schenker die Substanz seines Vermögens vermindert und das Vermögen des Beschenkten entsprechend vermehrt” (s. auch Urteil des OLG Hamm vom 5. Februar 1996 2 U 139/95, NJW-RR 1996, 716, betr. unentgeltliche Wohnungsüberlassung, wonach die „Schenkung … eine Entreicherung des Schenkers voraus(setzt)” und sich „dessen gegenwärtige Vermögenssubstanz … auf Dauer vermindern (muss)”.

    Diese Auslegung wird auch in der zivilrechtlichen Kommentarliteratur vertreten (vgl. Wimmer-Leonhard in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2005, § 516 Rn 17:. „Grundvoraussetzung jeder Schenkung ist … eine vermögensverschiebende Zuwendung seitens des Schenkers an den Beschenkten. Hierunter versteht man die rechtliche Entäußerung eines Vermögensbestandteils durch ein Rechtssubjekt zum Vorteil eines anderen „Vermögensverschiebung” nach Prot II 3) …)”; s. hierzu ferner die Hinweise bei Viskorf, DStR 1998, 150, unter 4.).

    e) Die Beurteilung, dass die bloße Werterhöhung der Geschäftsanteile der Kläger den Tatbestand der freigebigen Zuwendung nicht erfüllt, steht ferner in Einklang mit der Rechtsprechung des BFH zur Behandlung sog. disquotaler Einlagen. Der BFH hat mehrfach entschieden, dass in Fällen, in denen sich der Wert der GmbH-Beteiligung eines Gesellschafters dadurch erhöht, dass ein anderer Gesellschafter Vermögen in die GmbH einbringt, ohne eine dessen Wert entsprechende Gegenleistung zu erhalten, keine freigebige Zuwendung des einbringenden Gesellschafters an den anderen Gesellschafter vorliegt (s. BFH-Urteile II R 28/08 in BStBl II 2010, 566 und II R 67/93 in BStBl II 1996, 160 sowie Urteil vom 19. Juni 1996 II R 83/92, BStBl II 1996, 616). Der BFH hat in diesen Urteilen darauf hingewiesen, dass es wegen der rechtlichen Eigenständigkeit des Gesellschaftsvermögens der GmbH in diesen Fällen an einer zivilrechtlichen Vermögensverschiebung zwischen den Gesellschaftern fehlt. Entsprechend kann auch der Streitfall nicht anders beurteilt werden. Es fehlt ebenfalls an einer zivilrechtlichen Vermögensverschiebung.

    Der Umstand, dass sich der Wert der GmbH-Beteiligungen der Kläger erhöht und sich gleichzeitig der Wert der GmbH-Beteiligung des V vermindert hat und insoweit bei (rein) wirtschaftlicher Betrachtung –unbestreitbar– ein Werte-Transfer stattfand, kann eine andere Beurteilung nicht rechtfertigen. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist nach der Rechtsprechung des BFH eine Verkehrsteuer und die wirtschaftliche Betrachtungsweise ist auf Steuerarten, welche an bürgerlich-rechtliche Vorgänge anknüpfen, nicht oder zumindest nur nach Sachlage des Einzelfalles anwendbar (s. BFH-Urteil II R 28/06 in BStBl II 2008, 258, m.w.N.).

    Die Finanzverwaltung hat sich der BFH-Rechtsprechung zur Behandlung disquotaler Einlagen zwischenzeitlich angeschlossen und die Erbschaftsteuer-Richtlinien durch Erlass vom 20. Oktober 2010 (BStBl I 1207) an die Rechtsprechung des BFH angepasst.

    2. Da bereits der objektive Tatbestand der freigebigen Zuwendung (Entreicherung des Schenkers und Bereicherung des Bedachten) nicht erfüllt ist, braucht nicht entschieden werden, ob –wie die Kläger meinen– auch der subjektive Tatbestand der freigebigen Zuwendung nicht erfüllt ist, weil die Änderung der Stimmrechtsverhältnisse nur deshalb erfolgte, um die Voraussetzungen der vorliegenden Betriebsaufspaltung zu erhalten. Es braucht ferner nicht entschieden werden, ob die Bemessungsgrundlage zutreffend ermittelt wurde.

    3. Die geänderten Schenkungsteuerbescheide vom 18. Juni 2009, die gemäß § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden sind, waren danach aufzuheben (s. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Darüber hinaus waren auch die ursprünglichen Schenkungsteuerbescheide vom 17. und 18. Dezember 2007 in der Fassung der Bescheide vom

    4. Februar 2008, die bei bloßer Aufhebung der Änderungsbescheide wieder aufleben würden (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BStBl II 1973, 231) und die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 23. Februar 2009 aufzuheben. Der Antrag der Kläger war insoweit sachgerecht dahin auszulegen, dass auch die Aufhebung der ursprünglichen Bescheide begehrt wurde.

    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    5. Die Revision wird zugelassen (s. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

    VorschriftenErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 2, BGB § 516 Abs. 1