12.08.2011
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 13.04.2011 – 14 K 1357/11
1. Zählt der Pikettdienst (Rufdienst) nicht als Arbeitszeit und wird dieser unterbrochen, leistet der im Inland ansässige und in der Schweiz nichtselbstständig tätige Arzt keinen Dienst, der sich über mehrere Tage erstreckt. Der Pikettdienst ist danach nicht als einheitlicher Arbeitseinsatz im Sinne des Nr. II. 1 des Verhandlungsprotokolls zum Änderungsprotokoll zum DBA-Schweiz anzusehen.
2. Infolgedessen sind alle Tage, an denen der Arzt über Mitternacht hinaus seinem Arbeitgeber neben der normalen Arbeit für Pikettdienste zur Verfügung steht, isoliert zu betrachten. Sie bilden keine Einheit und damit nicht nur einen Nichtrückkehrtag i. S. d. Art. 15a Abs. 2 S. 2 DBA-Schweiz.
3. Ein beruflich bedingter Nichtrückkehrtag ist jedoch nicht gegeben, wenn der Arzt über die Tagesgrenze hinaus Rufbereitschaft hat und ihm nach dem Ende des Rufdienstes eine Rückkehr an den inländischen Wohnsitz zumutbar ist. Dies gilt auch dann, wenn der Pikettdienst keine Arbeitszeit ist.
4. Arbeitstage i. S. d. Art. 15a DBA-Schweiz sind die in dem Arbeitsvertrag vereinbarten Tage. Allein der Hinweis auf eine Teilzeitbeschäftigung von 80 % und eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden führt nicht zu einer anteiligen Kürzung der Nichtrückkehrtage, wenn aus den vorgelegten Arbeitsverträgen zu schließen ist, dass sich die berufliche Tätigkeit auf 100 % der Wochenarbeitszeit erhöhen kann und die Arbeitszeit nicht auf einzelne Tage der Woche beschränkt ist, so dass sich der Steuerpflichtige nicht nur an einzelnen Tagen im anderen Staat aufgehalten hat.
5. Das FG ist weder an die Bescheinigung des Schweizer Arbeitgebers über die Nichtrückkehrtage noch an die Würdigung der Schweizer Steuerbehörden gebunden, auch wenn die Folge eine Doppelbesteuerung ist. Ob und inwieweit die nicht im Inland erzielten Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen zugleich in einem ausländischen Staat der Besteuerung unterworfen werden, bleibt für die inländische Steuerpflicht grundsätzlich ohne Bedeutung.
6. Hat die Schweiz eine vom DBA nicht gedeckte Besteuerung vorgenommen, ist dies nicht in der Weise auszugleichen, dass die überhöhte Schweizer Steuer im Inland voll angerechnet wird.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 14. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. April 2011 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richterinnen am Finanzgericht … Ehrenamtliche Richter …
für Recht erkannt:
1. Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom 21. Februar 2011 wird dahin gehend geändert, dass die Einkommensteuer mit 0,– Euro festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte zu 52/100 und der Kläger zu 48/100.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
5. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Der Kläger (Kl) wohnte in den Streitjahren mit seiner Familie in X, Deutschland, sowie in seiner 2007 erworbenen 2,5-Zimmer-Wohnung in Y/Schweiz. Im März 2010 zog er mit der Familie in die Schweiz. Er arbeitet seit Dezember 2006 als Arzt und seit 1. Juni 2007 als stellvertretender Chefarzt für Anästhesie und Schmerzintervention am etwa 40 Kilometer vom früheren Wohnort in Deutschland entfernten QSpital Z, Schweiz, jeweils in Teilzeit und zwar zu 80 % (= 40 Stunden pro Woche). Sein bis zum 31. Mai 2007 geltender Arbeitsvertrag sah vor, dass er Aufgaben nach Weisungen des Leitenden Arztes zu leisten habe und ein überdurchschnittliches Engagement mit einer Woche Freizeit pro Kalenderjahr abgegolten werde. Gemäß seinem Arbeitsvertrag vom 6. April 2007 war er mit Wirkung ab 1. Juni 2007 weiterhin in Teilzeit zu 80 % beschäftigt und fest eingeteilt im Bereich „OPS”. Sein Arbeitspensum konnte sich jedoch bei Vertretungen von Fall zu Fall bis auf 100 % erhöhen. Darüber hinaus war vereinbart eine
„gleichmässige Beteiligung am Rufdienst (Nacht- und Wochenende) mit den Kolleginnen und Kollegen” als „Arbeitszeit”.
Für den Rufdienst erhielt der Kl zusätzlich eine Entschädigung und zwar in Höhe von 820 Schweizer Franken (CHF) pro Tag. Außerdem wurde der Rufdienst und Wochenenddienst mit zwei Wochen Freizeit abgegolten. Zu den Rufdiensten führte sein Arbeitgeber in Bezug auf Aufgaben und Pflichten des Kl in mehreren Schreiben im Wesentlichen Folgendes aus:
„… nimmt regelmäßig am Rufdienst der Anästhesie teil. Dies bedeutet, dass die Arbeitszeit um 17.00 Uhr endet und die Ärzte nach Hause gehen. Der diensthabende Arzt muss jedoch für Notfälle innert 10 (-20) Minuten wieder am Spital verfügbar sein. Für diese Frist dauert die Heim- und Rückfahrt nach X zu lange, so dass Herr A in der Region Z übernachten muss. Von diesen Rufdiensten fallen ca. 62 pro Arzt und Jahr an.”
„… zusätzlich zu den durch den Rufdienst der Klinik für Anästhesie abgedeckten Notfällen gibt es in unserer Klinik am Wochenende Routinetätigkeiten, die regelmäßig anfallen und als normale Dienstzeit zu sehen sind. Es handelt sich um geplante Operationen am Samstagvormittag sowie um regelmäßige Visiten am Sonntag für die neu eingetretenen Patienten. Diese Tätigkeiten werden durch den/die Anästhesiearzt/-ärztin erbracht, der/die auch Rufdienst für die Notfälle hat.”
Der Sachbearbeiter Quellensteuer der Steuerverwaltung Z … teilte dem Kl mit,
die eidg. Steuerverwaltung ist der Auffassung, dass Ihre Tage der Rufbereitschaft als Nichtrückkehrtage zählen, sofern die Rufbereitschaft über die Tagesgrenze hinaus geleistet wurde. Dies würde auch für die Wochenenden gelten, da von einer vertraglichen Verpflichtung selbst auch bei lediglich einer Anordnung durch den Arbeitgeber ausgegangen werden kann. Wir müssen deshalb an einem vollen Besteuerungsrecht der Schweiz festhalten.”
Wegen der Einzelheiten wird auf dieses Schreiben vom 20. Oktober 2009 Bezug genommen (Klage-Akten, S. 58).
Nach dem sich in den Rechtsbehelf(Rb)-Akten befindlichen Gutachten von Prof. Dr. iur. S, Universität P, zum Pikettdienst nach Schweizer Arbeitsgesetz in den Spitälern aus dem Jahr 2005 unterscheidet das Schweizer Recht zwischen Arbeitsbereitschaft (Pikettdienst im Betrieb) und Rufbereitschaft (Pikettdienst außerhalb des Betriebs). Wird der Pikettdienst im Betrieb geleistet, ist die gesamte zur Verfügung gestellte Pikettzeit Arbeitszeit. Ansonsten sind nur jene Zeiten als Arbeitszeiten zu rechnen, in denen der Arbeitnehmer tatsächlich abgerufen wird. In diesem Falle zählt auch die Wegzeit als Arbeitszeit. Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Rufbereitschaft wie die eigentliche Arbeitszeit abgegolten wird oder eine Entschädigung auf andere Weise gewährt wird, können die Parteien schriftlich bestimmen. Die Vergütung erfolgt in der Regel durch Freizeit innerhalb eines angemessenen Zeitraums (Art. 321c Abs. 2 Obligationenrecht (OR), Systematische Sammlung des Bundesrechts (SR) 220, www.admin.ch) oder wird durch zusätzlichen Lohn ausgeglichen (Art. 321c Abs. 3 OR).
Das Schweizer Arbeitsgesetz (ArG, SR 822.11) wird gemäß Art. 27 Abs. 2 Buchst. a ArG ergänzt durch die Verordnungen 1 (ArGV 1, SR 822.111), 2 (ArGV 2, SR 822.112) und 3 (ArGV 3, SR 822.113). Beim Pikettdienst hält sich danach der Arbeitnehmer neben der normalen Arbeitszeit für allfällige Arbeitseinsätze bereit für die Behebung von Störungen, die Hilfeleistung in Notsituationen, für Kontrollgänge oder für ähnliche Sonderereignisse (Art. 14 Abs. 1 ArGV 1). Der Pikettdienst darf direkt im Anschluss an die reguläre Arbeitszeit geleistet werden. Durch Piketteinsätze darf die tägliche Ruhezeit unterbrochen werden, sie muss jedoch im Anschluss an den Piketteinsatz im restlichen Umfang nachgewährt werden (Art. 19 Abs. 3 ArGV 1). Die Zuschläge für Pikettdienste außerhalb des Betriebs müssen vertraglich vereinbart werden oder durch Gesamtarbeitsvertrag geregelt sein, da im ArG insoweit nichts vorgesehen ist (Merkblatt für die Anwendung des Arbeitsgesetzes in Krankenanstalten und Kliniken der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement EVD Staatssekretariat für Wirtschaft SECO vom März 2003, aktualisiert November 2010, http://www.evd.admin.ch). Nach diesem Merkblatt handelt es sich um einen Pikettdienst, wenn sich die Arbeitnehmer für allfällige Arbeitseinsätze bereit halten, aber nicht in der Krankenanstalt bleiben müssen. Darf der Arbeitnehmer die Klinik nicht verlassen, handelt es sich um Bereitschaftsdienst, der vollständig als Arbeitszeit zählt, auch wenn der Arbeitnehmer nicht zu Einsätzen herangezogen wird. Dies entspricht Art. 15b Abs. 1 ArGV 1, nach dem die gesamte zur Verfügung gestellte Zeit Arbeitszeit darstellt, wenn der Pikettdienst im Betrieb geleistet wird (siehe nunmehr Art. 8a ArGV 2). Wird der Pikettdienst außerhalb des Betriebs geleistet, so ist die zur Verfügung gestellte Zeit soweit an die Arbeitszeit anzurechnen, als der Arbeitnehmer tatsächlich zur Arbeit herangezogen wird (Art. 15b Abs. 2 ArGV 1). Dass der Arbeitnehmer die Klinik nicht verlassen darf, geht nach dem o.g. Merkblatt entweder aus einer ausdrücklichen Weisung des Arbeitgebers hervor oder leitet sich indirekt aus der reduzierten Interventionszeit ab (unter 30 Minuten), die es der Pikettdienst leistenden Person objektiv gesehen nicht erlaubt, außerhalb der Klinik Pikettdienst zu leisten. Die ArGV 2 trägt mit Sonderbestimmungen, die auf Kliniken anwendbar sind, dem Umstand Rechnung, dass Kliniken rund um die Uhr betrieben werden und sowohl am Tag als auch in der Nacht inklusive Sonntag die Sicherheit und Gesundheit der Patienten gewährleistet sein müssen, wie z.B. zur Befreiung von der Bewilligungspflicht für Nacht- und Sonntagsarbeit, Möglichkeit zur Verlängerung des Zeitraums der täglichen Arbeit bei Tages- und Abendarbeit und der aufeinanderfolgenden Arbeitstage, von Überzeit am Sonntag, zur Regelung des Pikettdiensts und zur Verkürzung der täglichen Ruhezeit.
Der Kl erfasste seine Arbeitszeit mit dem EDV-System Polypoint (PEP) unter Berücksichtigung der monatlichen Dienstplanung und der erfolgten Korrekturen. Tage, an denen er Rufbereitschaft hatte, kennzeichnete er mit „P”.
Mit Bescheid vom 23. Dezember 2008 setzte der Beklagte (Bekl) nachträglich Vorauszahlungen (Vz) für Einkommensteuer (ESt) 2008 fest. Ebenfalls am 23. Dezember 2008 setzte er quartalsweise Vz für 2009 bezüglich ESt fest. Hiergegen legte der Kl jeweils Einspruch ein.
Mit seiner nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage macht der Kl im Wesentlichen geltend, seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seien von einer Besteuerung im Inland freizustellen. Er arbeite tageweise und habe jeweils einen Tag pro Woche frei. Er sei im Jahr 2008 an mehr als 66 Tagen aufgrund seiner Berufsausübung nicht an seinen inländischen Wohnsitz zurückgekehrt, im Jahr 2009 sei dies an 68 Tagen der Fall gewesen. Auch die Tage der ärztlichen Rufbereitschaft, auch an Samstagen und Sonntagen, seien jeweils als gesonderte Nichtrückkehrtage i.S.d. Art. 15a Abs. 2 S. 2 Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Schweiz anzusehen. Dies ergebe sich aus dem Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg vom 12. Februar 2007 3 K 255/04 (Entscheidungen der FG (EFG) 2008, 666) mit Bezug auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. September 2004 I R 67/03 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH (BFH/NV) 2005, 267). Erst nach Ende seiner regelmäßigen Arbeitstätigkeit beginne die Rufbereitschaft. Er sei arbeitsvertraglich zur ärztlichen Rufbereitschaft (Pikettdienst) i. S. von Art. 15 Abs. 2 Verordnung zum Schweizer Arbeitsgesetz (ArGV) verpflichtet. Das Spital schreibe vor, dass er im Notfall innerhalb von 10 Minuten wieder im Krankenhaus sein müsse. Dies sei von seinem früheren Wohnort in Deutschland aus nicht möglich gewesen. Deshalb habe er eine Zweitwohnung in der Schweiz gekauft. Er sei außerdem bei einer ärztlichen Rufbereitschaft an Samstagen und Sonntagen verpflichtet gewesen, an diesen Tagen zusätzlich einer regulären Arbeitspflicht nachzukommen und zwar für Operationsvorbereitungen und für Sprechstunden (an Sonn- und Feiertagen am Nachmittag). Nach Ende dieser regulären Arbeitstätigkeit in der Klinik, die vom Arbeitgeber als Dienstzeit angesehen werde und nicht Bestandteil der Rufbereitschaft sei, verlasse er das Spital und beginne am jeweiligen Tag die Rufbereitschaft neu. Im Jahr 2008 hätten an allen Wochenenden, an denen er Rufbereitschaft gehabt habe, solche (Anästhesie-)-Sprechstunden am Sonntagnachmittag stattgefunden, so am 17. Februar, 16. März, 13. April, 29. Juni, 20. Juli, 14. September, 19. Oktober, 9. November und 30. November, und für 2009 am 11. Januar, 15. Februar, 15. März, 24. Mai, 19. Juli, 9. August, 27. September, 22. November und 13. Dezember 2009. Im Jahr 2008 habe er an Samstagen auch regulär gearbeitet. Die anästhesiologische Versorgung habe ab 8.30 Uhr stattgefunden, so am 12. April (2 Operationen), 19. Juli (1 Operation), 18. Oktober (1 Operation) und 8. November (1 Operation). Die Operationsvorbereitungen und Sprechstunden habe sein Arbeitgeber jeweils dokumentiert und bestätigt.
Habe er in Deutschland und der Schweiz ESt zu zahlen, da jedes Land an seinem Besteuerungsanspruch festhalte, ohne dass die Schweizer Steuer vollumfänglich angerechnet werde, stelle dies eine unzulässige Doppelbesteuerung dar. Er habe in der Schweiz ESt für 2008 in Höhe von… CHF und 2009 in Höhe von… CHF zu entrichten. Die Schweiz halte an ihrem Besteuerungsrecht fest. Deren rechtliche Beurteilung sei zutreffend. Er halte sich im Falle der Einteilung zur ärztlichen Rufbereitschaft in der Schweiz auf, um innerhalb der gesetzten Frist in der Klinik zu sein. Verbringe er die Rufbereitschaft außerhalb des Spitals, stelle diese keine Arbeitszeit dar. Er sei zwar außerdem verpflichtet, seiner regulären Arbeitspflicht nachzukommen Hierfür halte er sich indes nicht die gesamte Zeit der Rufbereitschaft in der Klinik auf. Mit Ende der regulären arbeitsvertraglichen Tätigkeit beginne jeweils die Rufbereitschaft neu, so dass er aus beruflichen Gründen am Tätigkeitsort verbleibe. Gleichzeitig trete damit mit Ende des (regulären) Tagesdiensts jeweils eine (neue) Nichtrückkehr ein. Aus den genannten Gründen sei es nicht zutreffend, bei einem mehrtägigen Einsatz am Arbeitsort von einem Nichtrückkehrtag zu sprechen.
Im Übrigen arbeite er als Teilzeitkraft nur ganze Arbeitstage und habe demgemäß auch ganze Tage frei. Seine Teilzeitbeschäftigung werde durch entsprechende Freitage hergestellt. Diese ganzen freien Tage würden flexibel nach den Notwendigkeiten des OP-Betriebs gewährt. Damit seien die im DBA erwähnten 60 Nichtrückkehrtage proportional zu kürzen.
Der Kl beantragt,
den geänderten ESt-Bescheid 2008 vom 25. Februar 2010 sowie den ESt-Bescheid 2009 vom 21. Februar 2011 dahin gehend zu ändern, dass die ESt jeweils mit 0.– EUR festgesetzt wird;
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Bekl beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Er macht im Wesentlichen unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung geltend, die Rufbereitschaft beginne schon um 0.00 Uhr und nicht erst nach den während der Rufbereitschaft durchgeführten gewöhnlichen Arbeiten. Die Beendigung eines Arbeitseinsatzes während der Rufbereitschaft führe nicht zu einem weiteren Arbeitsende i.S.d. Art. 15a Abs. 2 S. 2 DBA Schweiz. Im Übrigen zähle die Rufbereitschaft zur Arbeitszeit. Sie werde gesondert vergütet (820 CHF pro Tag und zwei Wochen Freizeitausgleich). Auch die vom Kl genannten Tätigkeiten seien Bestandteil der Rufbereitschaft. Dies ergebe sich aus den vorgelegten Arbeitgeberbescheinigungen. Diese Tätigkeiten übernehme immer der Arzt, der gerade Rufbereitschaft habe.
Nachdem die Berichterstatterin den Kl auf das BFH-Urteil vom 27. August 2008 I R 64/07 (Bundessteuerblatt (BStBl) II 2009, 97) hingewiesen hat, trug er vor, er habe bei ärztlicher Rufbereitschaft (Pikettdienst) an Samstagen und Sonntagen jeweils zugleich auch seiner regulären Arbeitspflicht in der Klinik nachzukommen, wie Operationsvorbereitungen an Samstagen oder Sprechstunden an Sonn- und Feiertagen. Die Kantonale Steuerverwaltung Z … mache ihr volles Besteuerungsrecht geltend. Sein Antrag auf Rückzahlung von in der Schweiz gezahlten Steuern sei abgelehnt worden. Ein Verständigungsverfahren sei eingeleitet worden. Das Bundeszentralamt für Steuern habe mitgeteilt, dass es sich an die Eidgenössische Steuerverwaltung gewandt habe. Ergänzend reichte er eine Bescheinigung der Anästhesie & Schmerzmedizin Q Spital Z vom 23. Juli 2009 mit im Wesentlichen folgendem Inhalt ein:
„Er ist arbeitsvertraglich … verpflichtet, Rufbereitschaftsdienste für alltägliche Notfälle außerhalb der regulären Arbeitszeit zu leisten. … sind an den Wochenenden von den Anästhesieärzten über die Notfallversorgung hinausgehende zusätzliche Tätigkeiten und Leistungen zu erbringen. … anästhesiologische Versorgung hat derjenige Arzt zu übernehmen, der am entsprechenden Wochenende Rufdienst hat. … Nach diesen Eingriffen geht der entsprechende Arzt nach Hause und wird bei Bedarf zu Notfällen gerufen. An Sonntagen bzw. an Feiertagen findet am Nachmittag – für das geplante OP-Programm des folgenden Werktags – eine präoperative Anästhesiesprechstunde statt zwecks Aufklärung, medizinischer Untersuchung und Risikoeinschätzung der für den nächsten Tag neu eingetretenen Patientinnen und Patienten. Diese Leistung bzw. Tätigkeit hat ebenfalls derjenige Arzt zu erbringen, der auch Rufbereitschaft hat. …”
Während des Klageverfahrens reichte der Kl seine ESt-Erklärungen 2008 und 2009 ein. Er legte auch jeweils eine „Einzelaufstellung beruflich bedingte Abwesenheiten” 2008 mit 66 Tagen und für 2009 mit 68 Tagen vor. Er listete jeweils das Datum, den Ort, das Land und den Anlass auf. Anlass war überwiegend „Rufdienst Q”. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einzelaufstellungen 2008 und 2009 Bezug genommen (Klage-Akten, S. 219 f.).
Mit ESt-Bescheid 2008 vom 26. Januar 2010 setzte der Bekl für den Kl eine ESt in Höhe von… EUR fest und rechnete Schweizer Abzugssteuer in Höhe von… EUR an. Er bezog u.a. die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Kl in Höhe von (… EUR ./. … EUR Werbungskosten =)… EUR in die steuerliche Bemessungsgrundlage ein. Die „3-Tagesbereitschaften an den Wochenenden” seien lediglich als ein Nichtrückkehrtag zu zählen. Die Schweizer Quellensteuer sei mit 4,5 % des Bruttolohns angerechnet worden.
Ebenfalls am 26. Januar 2010 setzte der Bekl für den Kl ESt-Vz für 2009 nachträglich in Höhe von… EUR fest.
Nach ergänzenden Anträgen des Kl änderte der Bekl mit ESt-Bescheid 2008 vom 25. Februar 2010 die ESt-Festsetzung des Kl und rechnete Schweizer Abzugssteuer an.
Mit ESt-Bescheid 2009 vom 21. Februar 2011 setzte der Bekl die ESt des Kl in Höhe von… EUR fest und rechnete die Schweizer Abzugssteuer an. Er berücksichtigte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von (… EUR ./. … EUR Werbungskosten =)… EUR.
Der Kl stellte den Antrag, das Verfahren wegen der Einleitung des Verständigungsverfahrens ruhen zu lassen. Der Bekl stimmte nicht zu, da eine Entscheidung im Finanzrechtsstreit einer neuen Behandlung der strittigen Steuern im Billigkeitswege bei übereinstimmender Auffassung beider Staaten im Verständigungsverfahren zur Milderung einer doppelten steuerlichen Belastung nicht entgegen stehe.
Mit Schriftsatz vom 7. April 2011 reichte der Kl u.a. ein:
• seine Lohnausweise 2008 und 2009;
• ein Schreiben der Steuerverwaltung des Finanzdepartements des Kantons Z … vom 4. März 2008, nach dem er in der Schweiz steuerpflichtig sei, da in Deutschland keine Steuerpflicht bestünde;
• ein Schreiben des Eidgenössischen Finanzdepartments (EFD) vom Oktober 2009 mit u.a. folgendem Inhalt:
„…Nach schweizerischer Auffassung ist diese Bestimmung (II. 1 des Verhandlungsprotokolls vom 18. Dezember 1991) so auszulegen, dass die Arbeitsausübung über die Tagesgrenze hinaus nicht zu einem Nichtrückkehrtag … führt, wenn die Person anschließend nach Hause zurückkehrt. Demgegenüber führt das beruflich bedingte Verbleiben am Arbeitsort über die Tagesgrenze hinaus dann zu einem Nichtrückkehrtag, wenn sie außerhalb der Arbeitszeiten erfolgt. Im Fall von Bereitschaftsdiensten ist es oft so, dass der Bereitschaftsdienst selbst nicht als Arbeitszeit gilt. Lediglich die effektiven Einsätze werden dem Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers gutgeschrieben. … In solchen Fällen liegt … keine Arbeitsausübung über die Tagesgrenze hinaus vor, weshalb das Verbleiben im Arbeitsstaat zu einem Nichtrückkehrtag führt. … Im Fall von A bin ich daher auf der Basis der zugesandten Unterlagen der Auffassung, dass seine Tage der Rufbereitschaft als Nichtrückkehrtage zählen, sofern die Rufbereitschaft über die Tagesgrenze hinaus geleistet wurde. Dies gilt vermutlich auch für die Wochenenden, da von einer arbeitsvertraglichen Verpflichtung ausgegangen werden kann. …”
• eine Bescheinigung des Q Spitals Z vom 1. Juli 2010 mit u.a. folgendem Inhalt:
„… ist als stv. Chefarzt … in einem 80%-Pensum angestellt. …arbeiten alle Teilzeitkräfte … jeweils nur ganze Arbeitstage und haben dementsprechend auch ganze Tage frei. Stundenweise Arbeit an einem Tag entsprechend dem jeweiligen Pensum ist dem Arbeitsablauf nicht dienlich und wird deshalb nicht durchgeführt. Herr A hat jedoch keinen festen freien Tag pro Woche, … Dies ist auch in den jeweiligen Jahresdienstplänen festgehalten bzw. aus diesen ersichtlich. Über die Jahresdienstpläne hinaus gibt es … keine Erfassung und damit auch keine Aufzeichnung der konkreten Arbeitszeit bzw. der Einsätze im Rufdienst. Für die Zeiterfassung benutzt Herr A … das EDV-System Polypoint (PEP). … erfasst damit nur die tatsächlich gearbeiteten Tage und … nicht einzelne Stunden. … Bei den im Jahresplan ausgewiesenen Soll- und Istzeiten handelt es sich um virtuelle Zeitwerte, die mit der konkreten Arbeitszeit nicht korrespondieren.”
Die Akten des Verfahrens 11 V 1395/09 wurden beigezogen.
Die mündliche Verhandlung fand am 13. April 2011 statt. Wegen der Einzelheiten wird auf die in den FG-Akten befindliche Niederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise begründet.
1. Der angefochtene ESt-Bescheid 2009 ist rechtswidrig und verletzt den Kl in seinen Rechten. Die ESt 2009 ist mit 0,– EUR festzusetzen, da nach Art. 15a Abs. 2 S. 2 DBA Schweiz die Grenzgängereigenschaft bei in einem Vertragsstaat ansässigen und im anderen Vertragsstaat arbeitenden Personen entfällt, wenn die Person –wie der Kl– bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt (a.). Der Kl, der in Deutschland einen Wohnsitz hatte und infolgedessen gemäß § 1 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) unbeschränkt steuerpflichtig ist, ist nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA Schweiz im Inland ansässig, da er infolge seiner engeren persönlichen Bindungen im Inland noch seinen Lebensmittelpunkt bei der Familie im Inland hatte. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen. Im Streitjahr 2008 unterliegt der Kl als Grenzgänger i.S.d. Art. 15a Abs. 1 und 2 S. 1 DBA Schweiz der inländischen Besteuerung, da er regelmäßig von seinem Arbeitsort in der Schweiz an seinen inländischen Wohnsitz und nicht an mehr als 60 Arbeitstagen nicht an seinen Wohnsitz im Inland zurückgekehrt ist (b.).
a. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Kl im Streitjahr 2009 sind gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 Buchst. d DBA Schweiz als Vergütung für eine in der Schweiz ausgeübte Tätigkeit i.S.d. Art. 15 DBA Schweiz von der Bemessungsgrundlage der deutschen ESt ausgenommen, da sie nach dem DBA Schweiz in der Schweiz besteuert werden können und versteuert worden sind. Sie sind im Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen (§ 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG).
Dem steht Art. 15a DBA Schweiz nicht entgegen. Der Kl ist kein Grenzgänger i.S. dieser Vorschrift, da er an mehr als 60 Tagen aus beruflichen Gründen nicht an seinen inländischen Wohnsitz zurückgekehrt ist (Art. 15a Abs. 2 S. 2 DBA Schweiz). Die Anzahl der Nichtrückkehrtage ergibt sich aus der Auflistung des Kl unter Berücksichtigung des Jahresplans 2009 und der in den Klage-Akten befindlichen Legende zum Dienstplan „Polypoint PEP” zur Erläuterung der verwendeten Symbole sowie den arbeitsvertraglichen Bedingungen und deren tatsächlicher Durchführung. Danach hatte der Kl sowohl während der Nacht als auch an Wochenenden Pikettdienste zu leisten, die sich jeweils unmittelbar an eine Tagesschicht anschlossen und nach deren Ende –erneut in unmittelbarem– Anschluss teilweise eine weitere Tagesschicht folgte. Entgegen der Ansicht des Bekl sind die vom Kl geleisteten Pikettdienste nicht als einheitlicher Arbeitseinsatz i.S.d. Nr. II. 1 des Verhandlungsprotokolls zum Änderungsprotokoll zum DBA Schweiz zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. Dezember 1991 (Verhandlungsprotokoll) anzusehen. Diese Protokollbestimmung läuft zwar darauf hinaus, dass ein mehrtägiger ununterbrochener Arbeitseinsatz nicht zu mehreren, sondern allenfalls zu einem einzigen Nichtrückkehrtag führt (BFH-Urteil vom 27. August 2008 I R 10/07, BStBl II 2009, 94) und bei einem mehrtägigen ununterbrochenen Arbeitseinsatz lediglich auf den letzten Einsatztag abzustellen ist (so BFH-Urteil vom 27. August 2008 I R 64/07, BStBl II 2009, 97 für den Fall, dass ein im Betrieb zu leistender Pikettdienst zur Arbeitszeit zählt). Der Kl hatte indes keinen mehrtägigen ununterbrochenen Arbeitseinsatz zu leisten. Der Senat ist unter Berücksichtigung der Schreiben des Arbeitgebers des Kl, der Einzelaufstellung des Kl über beruflich bedingte Abwesenheiten 2009, dem Jahresplan 2009 sowie dem glaubhaften Vortrag des Kl in der mündlichen Verhandlung überzeugt, dass der Kl während der Pikettdienste nicht an seinem Arbeitsplatz zu sein brauchte, der Pikettdienst außerhalb des Betriebs keine Arbeitszeit darstellt und der Rufdienst auch mit normalem Dienst kombiniert wurde, den der Arbeitgeber vereinbarungsgemäß pauschal mit Freizeit und zusätzlichem Lohn vergütete. Der Kl trug detailliert und in sich schlüssig vor, dass er während seiner ärztlichen Rufbereitschaft an Samstagen, Sonn- und Feiertagen jeweils zugleich seiner regulären Arbeitspflicht in der Klinik nachgekommen ist und Operationsvorbereitungen getroffen, (Anästhesie-)-Sprechstunden und Visiten neu aufgenommener Patienten durchgeführt hat. Diese Tätigkeiten sind als Arbeitszeit anzusehen. Der Pikettdienst wird insoweit unterbrochen. Zählt der Pikettdienst nicht als Arbeitszeit und wird dieser unterbrochen, leistet der Kl keinen Dienst, der sich über mehrere Tage erstreckt. Infolgedessen sind alle Tage, an denen der Kl über Mitternacht hinaus seinem Arbeitgeber neben der normalen Arbeit für allfällige Arbeitseinsätze i.S.d. Art. 14 Abs. 1 ArGV 1 zur Verfügung stand, isoliert zu betrachten. Sie bilden keine Einheit und damit nicht nur einen Nichtrückkehrtrag i.S.d. Art. 15 Abs. 2 S. 2 DBA Schweiz. Eine Rückkehr an den inländischen Wohnsitz war damit dem Kl im Jahr 2009 an mehr als 60 Tagen infolge des Pikettdiensts und der sich jeweils daran anschließenden Tagesschicht bzw. dem Wochenend- und Feiertagsdienst nicht möglich.
b. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Kl im Streitjahr 2008 sind jedoch nicht freizustellen. Insoweit ist der Kl als Grenzgänger i.S.d. Art. 15a Abs. 2 S. 1 DBA Schweiz im Inland steuerpflichtig, da er nicht an mehr als 60 Tagen aus beruflichen Gründen nicht an seinen inländischen Wohnsitz zurückgekehrt ist (Art. 15a Abs. 2 S. 2 DBA Schweiz). Dem steht nicht entgegen, dass er in seiner Einzelaufstellung 66 beruflich bedingte Abwesenheitstage aufgeführt hat. Der Senat zählt unter Berücksichtigung des Jahresplans 2008 und der in den Klage-Akten befindlichen Legende zum Dienstplan „Polypoint PEP” zur Erläuterung der verwendeten Symbole 57 Nichtrückkehrtage (aa.). Die in Art. 15a Abs. 2 DBA Schweiz genannte Anzahl von 60 Tagen ist –entgegen der Ansicht des Kl– nicht infolge seiner Teilzeitbeschäftigung proportional zu kürzen (bb.). Die Schweizer Quellensteuer ist auch nicht vollumfänglich anzurechnen (cc.).
aa. 2008 können nicht alle Tage, an denen der Kl über Mitternacht hinaus in der Schweiz übernachtet und daher aufgelistet hat, als Nichtrückkehrtage i.S.d. Art. 15a Abs. 2 DBA Schweiz gewertet werden. Denn der Kl hatte sowohl während der Nacht als auch an Wochenenden Pikettdienste zu leisten, die sich zwar jeweils unmittelbar an eine Tagesschicht anschlossen, aber nach deren Ende nicht immer –erneut in unmittelbarem– Anschluss eine weitere Tagesschicht folgte. So schloss sich am 6. März, 26. Mai, 20. Juni, 2. Juli, 4. Juli, 30. Juli, 14. August, 4. Dezember, 23. Dezember nach dem Ende des Rufdienstes –also am 7. März, 27. Mai, 21. Juni, 3. Juli, 5. Juli, 31. Juli, 15. August, 5. Dezember, 24. Dezember– keine Tagesschicht an. An diesen Tagen führte der Kl keine Tätigkeiten aus, die als Arbeitszeit erfasst wurden. Damit war ihm an den genannten neun Tagen nach dem Rufdienst eine Rückkehr an den inländischen Wohnsitz zumutbar. Die Folge ist, dass diese neun vom Kl gezählten beruflich bedingten Abwesenheiten nicht als Nichtrückkehrtage i.S.d. Art. 15a Abs. 2 S. 2 DBA Schweiz zu zählen sind und der Kl an weniger als 60 Tagen, nämlich lediglich an (erklärte 66 Nichtrückkehrtagen ./. 9 nicht anzuerkennende Nichtrückkehrtage =) 57 Tagen aus beruflichen Gründen nicht an seinen inländischen Wohnsitz zurückgekehrt ist. Denn in Nr. II. 1 des Verhandlungsprotokolls, eine Bestimmung, die eine verbindliche Vorgabe für die Auslegung des Art. 15a Abs. 2 S. 2 DBA Schweiz enthält (BFH-Urteil vom 16. Mai 2001 I R 100/00, BStBl II 2001, 633; BFH-Urteil vom 27. August 2008 I R 64/07, BStBl II 2009, 97), heißt es, dass die Annahme einer regelmäßigen Rückkehr an den Wohnsitz i.S.d. Art. 15a Abs. 2 S. 1 DBA Schweiz nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass sich die Arbeitsausübung bedingt durch betriebliche Umstände –wie z.B. Krankenhauspersonal mit Bereitschaftsdienst– über mehrere Tage –also über Mitternacht– erstreckt. Infolgedessen liegt ein Nichtrückkehrtrag i.S.d. Art. 15a Abs. 2 S. 2 DBA Schweiz erst vor, wenn der Kl nach Arbeitsende aus beruflichen Gründen in der Schweiz übernachtet hat (BFH-Urteil vom 20. Oktober 2004 I R 31/04, BFH/NV 2005, 840) bzw. im Anschluss an seine Tätigkeit nicht an seinen Wohnort zurückkehrt (vgl. BFH-Urteil vom 27. August 2008 I R 64/07, BStBl II 2009, 97). Hieraus schließt der Senat, dass kein Nichtrückkehrtag i.S.d. Art. 15a Abs. 2 S. 2 DBA Schweiz vorliegt, wenn der Arbeitnehmer –wie der Kl– über die Tagesgrenze hinaus Rufbereitschaft hatte, auch wenn diese keine Arbeitszeit ist, und nach Ende der Rufbereitschaft an seinen inländischen Wohnsitz zurückkehrt. Denn der Kl steht für eine bestimmte Zeit über Mitternacht seinem Arbeitgeber für einen möglichen Arbeitseinsatz zur Verfügung, so dass er wie ein Arbeitnehmer, der über die Tagesgrenze hinaus arbeitet, zu behandeln ist. Nr. II.1 des Verhandlungsprotokolls stellt nämlich klar, dass Krankenhauspersonal eine Sonderbehandlung erfahren soll, bei der die Regelmäßigkeit der Rückkehr abweichend von den tatsächlichen Gegebenheiten bestimmt wird (vgl. BFH-Urteil vom 27. August 2008 I R 64/07, BStBl II 2009, 97). Diese Deutung entspricht zudem dem historischen Hintergrund der Protokollregelung, da nach dem insoweit maßgeblichen Schweizer Arbeitsrecht für Bereitschaftsdienste grundsätzlich Zeitausgleich gewährt wird –so Art. 321c Abs. 2 OR– und die Vertragsstaaten davon ausgegangen sind, dass der Zeitausgleich sich regelmäßig im Ansässigkeitsstaat vollziehe, der Bereitschaftsdienst keinen gesteigerten Bezug des Arbeitnehmers zum Tätigkeitsstaat („Verwurzelung”) nach sich ziehe und damit die Ableistung solcher Dienste nicht die Grenzgängereigenschaft entfallen lassen solle (BFH-Urteil vom 27. August 2008 I R 64/07, BStBl II 2009, 97).
bb. Die Anzahl von 60 Tagen ist –entgegen der Ansicht des Kl– nicht proportional zu kürzen. Nach Nr. II. 4 des Verhandlungsprotokolls ist zwar bei einem Teilzeitbeschäftigen, der nur tageweise im anderen Staat beschäftigt ist, die Anzahl von 60 unschädlichen Tagen durch proportionale Kürzung im Verhältnis der Arbeitstage herabzusetzen. Arbeitstage im Sinne des Art. 15a DBA Schweiz sind indes nach Nr. II. 2 Verhandlungsprotokoll die in dem Arbeitsvertrag vereinbarten Tage. Allein der Hinweis auf eine Teilzeitbeschäftigung von 80 % mit einer 40-stündigen Wochenarbeitszeit führt danach nicht zu einer verhältnismäßigen Kürzung. Entscheidend sind die tatsächlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der betriebsüblichen Arbeitstage sowie der vertraglichen Vereinbarungen. Die Betriebsüblichkeit ist dabei unter Beachtung einer 5-Tage-Woche (Kempermann in Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA Schweiz, Art. 15a Anm. 36) und branchentypischer Besonderheiten zu ermitteln (Brandis in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Bd. V, Art. 15a Schweiz Rn. 48). Der Senat schließt aus den vorgelegten Arbeitsverträgen, nach denen sich die berufliche Tätigkeit des Kl auf 100 % erhöhen kann und die Arbeitszeit nicht auf einzelne Tage beschränkt ist, dass der Kl nicht nur tageweise im anderen Staat –im Streitfall in der Schweiz– gearbeitet hat. Hierzu stimmig ist der Jahresplan 2008. Auch danach hatte der Kl keinen festen freien Tag. Er war grundsätzlich an allen Wochentagen, auch an Samstagen und Sonntagen, und damit an jedem für ein Spital betriebsüblichen Arbeitstag an bis zu fünf Tagen hintereinander, so z.B. vom 11. März bis 17. März, 27. Juni bis 2. Juli, 17. Juli bis 24. Juli, 8. September bis 19. September, 16. Oktober bis 21. Oktober und 5. November bis 11. November, da der Kl am Wochenende auch seiner regulären Arbeit nachgekommen ist, und auch wöchentlich beschäftigt, so z.B. 2. Juni bis 6. Juni, 16. Juni bis 20. Juni, 24. November bis 4. Dezember und 15. Dezember bis 19. Dezember.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Bescheinigung des Schweizer Arbeitgebers mit einem Sichtvermerk der Schweizer Steuerbehörde über mehr als 48 Nichtrückkehrtage. An diese ist das Gericht nicht gebunden (BFH-Beschluss vom 2. April 2008 I B 198/07, Juris; BFH-Beschluss vom 12. April 2006 I B 143/05, Juris; BFH-Urteil vom 15. September 2004 I R 67/03, BFH/NV 2005, 267).
Ebenso wenig ist das Gericht an die rechtliche Würdigung der Schweizer Steuerbehörden gebunden, auch wenn die Folge eine Doppelbesteuerung des Kl ist. Ob und inwieweit die nicht im Inland erzielten Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen zugleich in einem ausländischen Staat der Besteuerung unterworfen werden, bleibt für die inländische Steuerpflicht grundsätzlich ohne Bedeutung (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 10. März 1971 2 BvL 3/68, BStBl II 1973, 431). Es gibt kein allgemeines Verbot des Doppelzugriffs und kein Gebot, eine mehrfache steuerliche Inanspruchnahme durch mehrere Hoheitsträger –so wie im Streitfall der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland– zu vermeiden (BFH-Urteil vom 14. Februar 1975 VI R 210/72, BStBl II 1975, 497; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Anm. 14.8).
cc. Die Schweizer Abzugssteuer ist entgegen der Ansicht des Kl nicht vollumfänglich anzurechnen. Der Bekl hat gemäß Art. 15a Abs. 3 i.V.m. Art. 15a Abs. 1 S. 3 DBA Schweiz zu Recht Schweizer Abzugssteuer i.H.v. 4,5 % des Bruttobetrags der Vergütung angerechnet, da der Kl im Streitjahr Grenzgänger i.S.d. Art. 15a Abs. 2 S. 1 DBA Schweiz war. Hat die Schweiz eine vom DBA nicht gedeckte Besteuerung vorgenommen, ist dies nicht in der Weise auszugleichen, dass die überhöhte Schweizer Steuer im Inland angerechnet wird. Die Schweizer Quellensteuer kann auch nicht bei der Ermittlung der Einkünfte des Kl aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden (BFH-Urteil vom 1. Juli 2009 I R 113/08, BFH/NV 2009, 1992).
2. Die Kosten des Verfahrens sind gemäß § 136 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) verhältnismäßig im Umfang des Obsiegens bzw. Unterliegens zu teilen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen, da die in § 115 FGO genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Die entscheidenden Fragen liegen auf tatsächlichem Gebiet.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
5. Der Kl beantragte, die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären. Dem Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein als einfach zu beurteilen war. Der Kl durfte sich daher eines Rechtskundigen bedienen, um eine erfolgsversprechende Rechtsverfolgung zu erreichen. Der Senat hält hiernach die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig (§ 139 Abs. 3 S. 3 FGO).