26.07.2011
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 14.06.2011 – 6 K 2287/09
Die Abnahme von Klärschlamm und die Ausbringung auf eigenbewirtschaftete Felder durch den Landwirt erfolgt im Rahmen der landwirtschaftlichen Urproduktion. Die aufgrund der Abnahme des Klärschlamms erzielten Umsätze unterliegen demgemäß der Besteuerung nach § 24 UStG.
Tatbestand
Streitig ist, ob die im Rahmen des Transportes und der Verwertung von Klärschlamm erzielten Umsätze des Klägers nach § 24 Umsatzsteuergesetz (UStG) oder mit dem Regelsteuersatz zu besteuern sind.
Der Kläger betreibt einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb i.S. des § 13 Einkommensteuergesetz (EStG). Seinen Gewinn ermittelt er gemäß § 4 Abs. 1 EStG. Bis zum Veranlagungszeitraum 2004 wurden die im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes erzielten Umsätze der Durchschnittssatzbesteuerung gemäß § 24 Umsatzsteuergesetz (UStG) unterworfen.
Mit Schreiben vom 18.12.2008 hat das Finanzamt für die Jahre 2005, 2006 und 2007 Umsatzsteuererklärungen mit der Begründung angefordert, dass der Kläger u.a. Umsätze aus der Abnahme von Klärschlamm erzielt habe, die nicht unter die Durchschnittsatzbesteuerung des § 24 UStG fallen würden, sondern mit dem Regelsteuersatz des § 12 Abs. 1 UStG zu versteuern seien. Für die Veranlagungszeiträume 2006 und 2007 hat der Kläger am 10.03.2009 Umsatzsteuererklärungen abgegeben. Darin wurden die an die Firma A Bau GmbH, einen Autobahn-Bauunternehmer, erbrachten Dienstleistungen i.H.v. 9.010.- € (2006) und 11.829,- € (2007) dem Regelsteuersatz von 16 bzw. 19 % unterworfen. Hierbei handelt es sich um Entgelte für Klärschlammabfuhren.
Für das Jahr 2005 hat der Kläger angegeben, dass keine mit dem Regelsteuersatz von 16% zu versteuernde Umsätze getätigt worden seien. Die Umsätze aus Klärschlammabfuhren seien dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zuzuordnen, da der Klärschlamm als Dünger ausschließlich auf selbstbewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht worden sei.
Mit Schreiben vom 27.04.2009 meldete der Kläger Einnahmen aus Klärschlammtransporten für die Verbandsgemeinde D, die bisher weder einkommensteuerlich noch umsatzsteuerlich erfasst waren, nach (vgl. Schreiben vom 27.04.2009, USt-Akte, Vorhefter Bl. 9).
Am 07.04.2009 fand beim Kläger eine Umsatzsteuersonderprüfung statt (vgl. Bericht vom 30.04.2009, USt-Akte, Bl. 2 ff). Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass es sich bei den Klärschlammabfuhren um Maschinenleistungen an einen Nichtlandwirt handele. Diese Leistungen würden nicht der landwirtschaftlichen Urproduktion dienen und würden damit nicht unter die Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung fallen. Der Prüfer unterwarf die entsprechenden Umsätze aus den Klärschlammabfuhren für die Verbandsgemeinde D wie folgt der Regelbesteuerung (Angaben in €):
brutto | netto | USt | |
2005 | 9.632,01 | 8.303,46 | 1.328,55 (16 %) |
2006 | 13.988,08 | 12.058,69 | 1.929,39 (16 %) |
2007 | 5.111,24 | 4.295,16 | 816,08 (19 %) |
Die Vorsteuern wurden im Einvernehmen mit dem Kläger jeweils mit 5 % geschätzt.
Das Finanzamt schloss sich der Auffassung des Prüfers an und erließ am 22.05.2009 einen erstmaligen Umsatzsteuerbescheid 2005 sowie ebenfalls am 22.05.2009 geänderte Umsatzsteuerbescheide 2006 und 20007.
Hiergegen erhob der Kläger am 25.05.2009 Einspruch, mit dem er einwandte, dass er den Klärschlamm zwar beim Abwasserwerk abhole, diesen aber zu seinen eigenen landwirtschaftlichen Flächen transportiere und dort ausbringe. Es handele sich mithin ausschließlich um eigenbetriebliche Transporte von Düngerersatz, die unter die Vorschrift des § 24 UStG fallen würden.
Mit Entscheidung vom 26.08.2009 wies der Beklagte den Einspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, § 24 UStG setze voraus, dass eine landwirtschaftliche Dienstleistung erbracht worden sei. An dieser Voraussetzung fehle es. Als landwirtschaftliche Dienstleistung würden gemäß Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) Dienstleistungen gelten, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte oder der normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen Betriebes erbracht werden und die normalerweise zur landwirtschaftlichen Erzeugung beitragen und zwar insbesondere die in Anhang VII aufgeführten Dienstleistungen. Die Abnahme von Klärschlamm gehöre nicht zu den in Anhang VII genannten Dienstleistungen.
Durch die Klärschlammabnahme von der Verbandsgemeinde D, der der Klärschlammaufbringungsvertrag vom 14.02.1995 (vgl. USt-Akte, 2007, Bl. 26 ff sowie Rahmenvereinbarung zwischen der Verbandsgemeinde D und der MBR Agrar-Service D GmbH vom 17.02.1993 bzw. 30.06.1998, USt-Akte, 2007, Bl. 29 ff) zugrunde liege, erbringe der Kläger eine sonstige Leistung, für die auch das Entgelt entrichtet werde. Leistungsempfänger sei die Verbandsgemeinde D, also ein Nichtlandwirt. Soweit Dienstleistungen an einen Nichtlandwirt erbracht würden, sei nach der Rechtsprechung des BFH die Regelbesteuerung anzuwenden (Urteil vom 23.01.1992, BStBl. II 1992, 651 und vom 03.12.1998, V R 48/98, BStBl. 1999, 150). Ob der Klärschlamm auf eigenen Flächen ausgebracht werde und damit als Dünger der landwirtschaftlichen Produktion diene, sei unerheblich.
Hiergegen erhob der Kläger am 29.09.2009 Klage, zu deren Begründung er Folgendes vorträgt:
Die streitigen Umsatzsteuerbescheide seien rechtswidrig. Den angegriffenen Steuerfestsetzungen würden Transportleistungen im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes des Klägers zu Grunde liegen, da das Abholen und Ausbringen des Klärschlamms ausschließlich der landwirtschaftlichen Urproduktion des Betriebes des Klägers dienen würde. Der Kläger hole den Klärschlamm beim Abwasserwerk der Verbandgemeinde D ab und transportiere ihn zu seinen eigenbetrieblich genutzten land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken. Dort werde der Klärschlamm als Düngerersatz ausgebracht. Damit handele es sich ausschließlich um eigenbetriebliche Transporte von Naturdünger, für die die Sondervorschrift des § 24 UStG gelten würde.
Des Weiteren sei festzustellen, dass die in Rede stehenden Klärschlammtransporte von den umliegenden Finanzämtern unterschiedlich behandelt würden. Mit dem Klageverfahren solle daher auch eine einheitliche Handhabung durch die Finanzämter erreicht werden.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2007, jeweils vom 22.05.2009, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.08.2009 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer unter Wegfall der Besteuerungsgrundlage für die streitigen Klärschlammtransporte und des anteilig gewährten Vorsteuerabzugs jeweils um folgende Beträge niedriger festgesetzt wird:
899,87 € für das Kalenderjahr 2005
1.286,39 € für das Kalenderjahr 2006 und
311,40 € für das Kalenderjahr 2007
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
Gründe
Der Klage ist begründet.
Bei den streitigen Entgelten für Klärschlammtransporte handelt es sich um Umsätze im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes des Klägers. Sie unterliegen der Besteuerung nach § 24 UStG.
§ 24 UStG gilt für „die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführten Umsätze”.
Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gilt u.a. die Landwirtschaft, § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG. Land- und Forstwirtschaft ist die planmäßige Nutzung des Bodens und die Verwertung der gewonnenen Erzeugnisse (BFH-Urteil vom 12.01.1989, V R 129/84, BStBl. II 1989, 432).
Treten Zweifel auf, ob und inwieweit ein landwirtschaftlicher Betrieb vorliegt, so ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nach den Grundsätzen zu entscheiden, die auch für die Einkommensteuer und Gewerbesteuer maßgebend sind. Die Möglichkeit, im Umsatzsteuerrecht ertragsteuerrechtliche Grundsätze zu übernehmen, beruht vor allem darauf, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 24 Abs. 2 UStG denen des § 13 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 EStG weitestgehend entsprechen (BFH-Urteil vom 12.01.1989, V R 129/84, a.a.O. m.w.N.).
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass § 24 UStG nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 8/1779, S. 49) auf Art. 25 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG vom 17.05.1977 (6. EG-RL, ab 01.01.2007 Art. 295 ff Richtlinie 2006/112/EG vom 28.11.2006 – Mehrwertsteuersystem-Richtlinie, MwStSystRL) beruht und deshalb richtlinienkonform auszulegen ist (BFH-Urteil vom 22.09.2005, V R 28/03, BStBl. II 2006, 280). Gemäß Art. 25 Abs. 1 6. EG-RL können die Mitgliedstaaten auf landwirtschaftliche Erzeuger, ...,als Ausgleich für die Belastung durch die Mehrwertsteuer, die auf die von den Pauschallandwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen gezahlt wird, eine Pauschalregelung nach diesem Artikel anwenden. Landwirtschaftlicher Erzeuger ist derjenige, der eine der in Anhang A zur 6. EG-RL (entspricht Anhang VII zur MwStSystRL) aufgeführten Tätigkeiten, u.a. den Ackerbau, ausübt. Dass der Kläger landwirtschaftlicher Erzeuger i.S. Art. 25 Abs. 1 6. EG-RL ist, ist unstreitig.
Art. 25 Abs. 2 5. Gedankenstrich definiert des Weiteren das Tatbestandsmerkmal „landwirtschaftliche Dienstleistungen”. Darunter fallen die in Anhang B zur 6. EG-RL aufgeführten Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen Betriebes vorgenommen werden. Gemäß Anhang B (Liste der landwirtschaftlichen Dienstleistungen) zur 6. EG-RL gelten als landwirtschaftliche Dienstleistungen solche Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, insbesondere (u.a.) Arbeiten des Anbaus.
Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei der Ausbringung von Klärschlamm als Dünger auf die Ackerflächen um „Arbeiten des Anbaus” und damit um eine Dienstleistung, die zur landwirtschaftlichen Produktion gehört. Da vor dem Ausbringen des Klärschlamms dieser notwendig beim Klärwerk abgeholt und zu den Feldern transportiert werden muss, wird nach Auffassung des Senats auch diese – vorbereitende – Maßnahme im Rahmen der landwirtschaftlichen Produktion erbracht (ebenso z.B. Stefan Heins, HLBS-Report 2009, 10 ff, 12; vgl. auch Prof. Dr. Kanzler, Kommentar zum Urteil des Bundesfinanzhofs vom 08.11.2007, IV R 24/05, BFH/NV 2008, 444).
Zwar handelt es sich bei Art. 25 6. EG.-RL um eine Sonderregelung, die – als Ausnahme vom Grundsatz der Regelbesteuerung – restriktiv auszulegen ist. Allein die formale Eigenschaft als landwirtschaftlicher Erzeuger reicht für die Anwendung der Sonderregelung nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass sämtliche Voraussetzungen des Art. 25 6. EG-RL erfüllt sind (vgl. EuGH-Urteil vom 15.07.2004, C-321/04, Slg. 2004, S. I-07101). Dies ist nach Auffassung des erkennenden Senats im Streitfall gegeben.
Der Kläger holt den Klärschlamm mit eigenen betrieblichen Fahrzeugen beim Klärwerk ab und transportiert ihn zu eigenbewirtschafteten Feldern, um den Klärschlamm als Dünger zu nutzen. Damit steht die Verwendung des Klärschlamms als Dünger und damit die Verwendung im Rahmen des Ackeranbaus im Vordergrund. Die – zugleich bewirkte Abfallentsorgung – ist in diesen Fällen nachrangig. Der Senat sieht sich hier auch in Übereinstimmung mit der Auffassung des Bundesfinanzhofs, der im Urteil vom 08.11.2007, IV R 24/05, BFH/NV 2008, 444; FR 2008, 633, unter Hinweis auf Meinungen in der Literatur Folgendes ausführte:
„Holt ein Landwirt (verwertbaren) Abfall gegen Entgelt der Verursacher ab und verwendet er ihn im eigenen Betrieb zur Düngung, so ist dies Bestandteil der land- und forstwirtschaftlichen Urproduktion. Die Erträge stehen in einem objektiven, wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Land- und Forstwirtschaft (vgl. R 135 Abs. 4 Satz 2 EStR 1996; Gmach in Herrmann/Heuer/Raupach, § 13 EStG Rz 166; Leingärtner/Stalbold, Besteuerung der Landwirte, Kap. 5, Rz 36; Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, A Rz 356; Engel, Die Information über Steuer und Wirtschaft 1995, 742; Märkle, Deutsches Steuerrecht 1998, 1369, 1372)”.
Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführter Umsatz” unter Zugrundelegung der europarechtlichen Regelung, führt nach Auffassung des Senats zu dem Ergebnis, dass auf die vorliegend streitigen Umsätze die Vorschrift des § 24 UStG Anwendung findet.
Der Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung statt zu geben.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 155, 151 Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.