Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 28.06.2011

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 18.06.2010 – 14 K 920/08 G

    Einem steuerlich beratenen Steuerpflichtigen ist grob schuldhaftes Verhaltes des steuerlichen Beraters am nachträglichen Bekanntwerden steuermindernder Tatsachen zuzurechen, wenn der Berater einen Steuerbescheid bestandskräftig werden lässt und erst anschließend Beweismittel vorlegt, die zu einer niedrigeren Steuer führen.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat der 14. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtliche Richterin … ehrenamtlicher Richter … ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 18. Juni 2010 für Recht erkannt:

    Tatbestand

    Streitig ist, ob einem steuerlich beratenen Steuerpflichtigen grobes Verschulden im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zuzurechnen ist, wenn sein steuerlicher Berater Gewerbesteuermessbescheide bestandskräftig werden lässt und erst danach Tatsachen vorträgt und Beweismittel vorlegt, die zu einer niedrigeren Festsetzung der Messbeträge führen könnten.

    Der Kläger betrieb bis zum Kalenderjahr 1999 eine Werbeagentur. Dieses Gewerbe meldete er zum 1. Januar 2000 bei der Stadt O ab. Seitdem übt er eine selbstständige, nach seiner Darstellung beratende bzw. künstlerische Tätigkeit aus.

    In dem Kalenderjahr 2004 führte der Beklagte bei dem Kläger eine Betriebsprüfung durch, die unter anderem die Gewerbesteuer für die Kalenderjahre 1999 bis 2001 umfasste. Der Prüfer gelangte zu der Auffassung, dass die in diesen Jahren selbstständig ausgeübte Tätigkeit des Klägers nach der Verkehrsauffassung als einheitlich anzusehen sei. Eine Trennung der aufgrund der Tätigkeit erzielten Einkünfte sei nicht möglich. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht über die Betriebsprüfung vom 30. März 2004 verwiesen.

    Der Beklagte schloss sich der Auffassung des Prüfers an und erließ auf Grundlage der Feststellungen der Betriebsprüfung Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 1999 bis 2001. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger gegen diese Festsetzungen Klage, die beim Finanzgericht Münster unter dem Aktenzeichen 14 K 5248/05 G erfasst wurde.

    Auch für die Kalenderjahre 2002 bis 2004 (Streitjahre) gab der Kläger keine Gewerbesteuererklärungen ab. Gleichwohl setzte der Beklagte für die Streitjahre mit Bescheiden, die dem Prozessbevollmächtigten zu 1. des Klägers unter dem 3. Februar 2006 bekannt gegeben worden sind, Gewerbesteuermessbeträge fest. Hierbei legte er als Gewerbeerträge die Gewinne zugrunde, die der Kläger in den beim Beklagten am 15. Juli 2005 eingegangenen Gewinnermittlungen gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) angegeben hatte.

    Am 29. September 2006 beantragte der Kläger beim Beklagten zunächst, die Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre vom 3. Februar 2006 auszusetzen. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 9. Oktober 2006 ab. Ein danach bei Gericht gestellter Antrag hatte ebenfalls keinen Erfolg (Beschluss des Senats vom 18. Mai 2007 im Verfahren 14 V 4723/06 G).

    Mit Schreiben vom 29. September 2006 hatte der Kläger zudem beim Beklagten beantragt, die Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre vom 3. Februar 2006 gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 AO auf jeweils 0 EUR herabzusetzen. Er begründete diesen Antrag damit, dass für die Kalenderjahre 1999 bis 2001 bei dem Finanzgericht Münster unter dem Aktenzeichen 14 K 5248/05 G ein Klageverfahren anhängig sei, in dem es um die grundsätzliche Frage gehe, ob seine Tätigkeit als gewerblich oder als freiberuflich zu qualifizieren sei.

    Am 11. Oktober 2006 legte der Kläger gegen die Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre vom 3. Februar 2006 Einspruch ein und verwies zur Begründung auf das zu diesem Zeitpunkt anhängige Verfahren 14 K 5248/05 G.

    Mit Schreiben vom 13. Oktober 2006 übersandte der Kläger in dem Verfahren 14 K 5248/05 G eine Klagebegründung, der er unter anderem einen Mitarbeitervertrag vom 29. Dezember 2000, Schulungsprogramme aus den Jahren 2000 und 2001 sowie mehrere Rechnungen über Konzepterstellungen beifügte.

    Mit Bescheid vom 25. Oktober 2006 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers vom 29. September 2006 auf Herabsetzung der Gewerbesteuermessbeträge auf 0 EUR ab.

    Außerdem wies er mit Schreiben vom 25. Oktober 2006 darauf hin, dass der gegen die Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre gerichtete Einspruch des Klägers vom 11. Oktober 2006 verspätet eingegangen sei. Daraufhin nahm der Kläger seinen Einspruch vom 11. Oktober 2006 am 26. Oktober 2006 zurück.

    Am 31. Oktober 2006 legte der Kläger gegen den Bescheid des Beklagten vom 25. Oktober 2006 Einspruch ein.

    Mit Schriftsatz vom 29. August 2007 übersandte der Kläger in dem Verfahren 14 K 5258/05 G eine weitere ausführliche Klagebegründung, in der er unter anderem zu seiner Ausbildung und zu seinen verschiedenen Tätigkeiten eine Vielzahl von Umständen schilderte.

    In einem am 5. September 2007 vor dem damaligen Berichterstatter des Senats in dem Verfahren 14 K 5248/05 G durchgeführten Erörterungstermin verständigten sich die Beteiligten zur unstreitigen Erledigung des Rechtsstreits darüber, dass verschiedene – konkret benannte – Beratungs- und Vermittlungstätigkeiten des Klägers als gewerblich zu qualifizieren waren. Darüber hinaus sei ein Anteil von 20 v. H. der Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer einer GmbH als gewerblich zu qualifizieren. Nach der Zusage des Beklagten, entsprechend geänderte Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 1999 bis 2001 zu erlassen, erklärten die Beteiligten in dem Verfahren 14 K 5248/05 G den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

    Mit Schreiben vom 19. Oktober 2007 und 22. Februar 2008 konkretisierte der Kläger das Einspruchsbegehren, indem er ausführte, die Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre seien gemäß §§ 172ff. AO, insbesondere wegen des Vorliegens neuer Tatsachen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO dahingehend zu ändern, dass in den Bescheiden die im Erörterungstermin vom 5. September 2007 im Verfahren 14 K 5248/05 G getroffene tatsächliche Verständigung in entsprechender Weise auch für die Streitjahre übernommen werde.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 6. März 2008 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers vom 31. Oktober 2006 gegen den Ablehnungsbescheid vom 25. Oktober 2006 als unbegründet zurück.

    Der Kläger hat daraufhin mit einem am 14. März 2008 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 12. März 2008 die vorliegende Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

    Er meint, die Ablehnung seines Änderungsantrags durch den Beklagten sei rechtswidrig. Die Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre seien wegen des nachträglichen Bekanntwerdens von neuen Tatsachen und Beweismitteln gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern.

    Zwar stelle die im Erörterungstermin am 5. September 2007 im Verfahren 14 K 5284/05 G getroffene tatsächliche Verständigung keine neue Tatsache im Sinne dieser Vorschrift dar. Jedoch habe er – der Kläger – in dem Verfahren 14 K 5284/05 G, insbesondere in Zusammenhang mit seinem Schriftsatz vom 29. August 2007 umfangreiche Nachweise zu seiner künstlerischen Tätigkeit und Ausbildung sowie seiner Mitgliedschaft beim Bund Deutscher Grafik-Designer, z. B. Zeugnisse, Bescheinigungen, Fotografien, vorgelegt. Des Weiteren seien im Erörterungstermin am 5. September 2007 umfangreiche Nachweise, insbesondere Arbeitsproben, Originalbilder, Zeichnungen, Drehbücher, Mappen, Aktionsbücher im Original vorgelegt und erörtert worden. Zudem habe er – der Kläger – seinen künstlerischen Werdegang und seine Tätigkeiten eingehend dargelegt.

    Dieser Sachvortrag einschließlich der Urkundsvorlagen und der Nachweise der künstlerischen Tätigkeit stellten neue Tatsachen und Beweismittel im Sinne des § 173 AO dar, von denen der Beklagte im Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Bescheide hätte Kenntnis haben können.

    Bei ihm sei im Jahr 2004 eine Betriebsprüfung durchgeführt worden, die sich auf die Jahre 1999 bis 2001 bezogen habe. Der Prüfer habe sich geweigert bzw. aus rechtlichen Gründen keine Notwendigkeit gesehen, die von ihm – dem Kläger – angebotenen und vorhandenen Nachweise zu sichten. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die im Verfahren 14 K 5284/05 G vorgelegten Nachweise nicht nur die Jahre 1999 bis 2001, sondern auch die Streitjahre betroffen hätten.

    Angesichts dessen sei ihm – dem Kläger – kein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der Tatsachen und Beweismittel anzulasten, da er diese dem Beklagten rechtzeitig angeboten habe. Er sei jedoch nicht verpflichtet gewesen, diese dem Beklagten aufzudrängen.

    Für die Beurteilung, ob ihn – den Kläger – grobes Verschulden treffe, komme es nicht auf die allgemeine Frage an, ob die Nichteinlegung eines Einspruchs gegen die unter dem 3. Februar 2006 bekanntgegebenen Gewerbesteuermessbescheide grob fahrlässig gewesen sei. Maßgeblich sei vielmehr, dass kein grobes Verschulden hinsichtlich des nachträglichen Bekanntwerdens der Tatsachen oder Beweismittel vorliegen dürfe. Nur hierauf stelle der klare Wortlaut des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ab. Durch diese Voraussetzung solle der Steuerpflichtige angehalten werden, die in seinem Verantwortungsbereich liegenden, steuerlich erheblichen Tatsachen rechtzeitig vorzubringen. Ein Steuerpflichtiger, der seiner Verpflichtung zur rechtzeitigen Mitwirkung grob fahrlässig nicht nachkomme, müsse es hinnehmen, wenn eine erst nachträglich bekannt gewordene Tatsache unberücksichtigt bleibe.

    Weder ihn – den Kläger – noch seinen Steuerberater, den Prozessbevollmächtigten zu 1., treffe ein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der hier in Rede stehenden Tatsachen. Seine Tätigkeit sei in den letzten zehn Jahren identisch gewesen. Bereits im Zuge der Betriebsprüfung für die Kalenderjahre 1999 bis 2001 seien umfangreiche Arbeitsproben und Unterlagen – auch für die Streitjahre – angeboten worden. Der Betriebsprüfer habe eine Einsichtnahme jedoch abgelehnt, da nach seiner Rechtsauffassung eine Trennung zwischen der künstlerischen und der gewerblichen Tätigkeiten nicht möglich gewesen sei. Hätte er – der Kläger – Einspruch gegen die Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre eingelegt, wäre die Entscheidung bis zum Abschluss des finanzgerichtlichen Verfahrens betreffend die Vorjahre 14 K 5284/05 G aller Wahrscheinlichkeit nach ausgesetzt worden. Aufgrund der Weigerung des Beklagten, die angebotenen Tatsachen und Beweismittel zur Kenntnis zu nehmen, hätte auch eine weitere Einspruchsbegründung keinen Sinn gehabt.

    Auch die Nichtabgabe von Gewerbesteuererklärungen für die Streitjahre bedeute für ihn keine – auch keine leicht fahrlässige – Pflichtverletzung. Er sei nämlich nicht zur Abgabe derartiger Steuererklärung verpflichtet gewesen. Insofern unterscheide sich der Streitfall von den Sachverhalten, die der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), z. B. den Urteilen vom 16. September 2004 (IV R 62/02, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 207, 269, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2005, 75); vom 4. Februar 1993 (III R 78/91, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 1993, 641) und vom 25. November 1983 (VI R 8/82, BFHE 140, 18, BStBl. II 1984, 256), zugrunde gelegen haben.

    Die Rücknahme des verspätetet eingelegten Einspruchs vom 11. Oktober 2006 sei konsequent gewesen, zumal auch die Frist für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelaufen gewesen sei. Folgerichtig habe er – der Kläger – dann einen Antrag auf Änderung der Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge gestellt.

    Jedenfalls lasse der Verstoß des Beklagten gegen dessen Mitwirkungspflichten seine – des Klägers – geringe Nachlässigkeit in den Hintergrund treten.

    Die in dem im Verfahren 14 K 5284/05 G nach Erlass der hier in Rede stehenden Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre vom 3. Februar 2006 bekannt gewordenen Tatsachen und Beweismittel seien auch rechtserheblich. Der Beklagte hätte – wie sich aus der in diesem Termin getroffenen tatsächlichen Verständigung sowie den mehrfachen Äußerungen der Sachbearbeiter des Beklagten ergebe – bei Kenntnis der Tatsachen und Beweismittel anders entschieden.

    Im Übrigen habe der Beklagte die Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO erlassen, obwohl sein diesbezügliches Ermessen aufgrund der Umstände des Streitfalls auf Null reduziert gewesen sei. Der Beklagte habe nämlich in Kenntnis des anhängigen Klageverfahrens 14 K 5284/05 G am 3. Februar 2006 die Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre ohne Vorbehalt der Nachprüfung erlassen, obwohl die in dem Klageverfahren streitige Frage auch für die Streitjahre entscheidungserheblich gewesen sei. Demnach müsse sich der Beklagte so behandeln lassen, als stünden die Gewerbesteuermessbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Jedenfalls sei es dem Beklagten auch aufgrund des im Steuerrecht geltenden Vertrauensschutzes und den Grundsätzen der Billigkeit verwehrt, eine Abänderung der Bescheide zu versagen, zumal der Betriebsprüfer des Beklagten seine Ermittlungspflichten verletzt habe.

    Der Kläger beantragt sinngemäß,

    unter Aufhebung des Bescheids vom 25. Oktober 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 6. März 2008 den Beklagten zu verpflichten, Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2002 bis 2004 nach Maßgabe der Ausführungen in dem Schreiben vom 19. Oktober 2007 zu erlassen,

    hilfsweise,

    die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er ist der Auffassung, er habe den Änderungsantrag des Klägers zu Recht abgelehnt, weil die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht erfüllt seien.

    Die rechtliche Würdigung der Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren und die damit verbundene steuerrechtliche Qualifikation der in diesem Zusammenhang erzielten Einkünfte sei keine Tatsache im Sinne dieser Vorschrift. Eine Tatsache sei vielmehr der Umstand der Erzielung von Einkünften in den Streitjahren.

    Selbst wenn nachträglich bekannt gewordene steuermindernde Tatsachen vorlägen, scheide eine Änderung der hier in Rede stehenden Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO jedenfalls deshalb aus, weil den Kläger ein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden dieser Tatsachen träfe. Der Kläger habe nämlich pflichtwidrig keine Gewerbesteuererklärungen für die Streitjahre abgegeben, so dass er – der Beklagte – die Besteuerungsgrundlagen geschätzt habe. Da der Kläger die Schätzungsbescheide habe bestandskräftig werden lassen, müsse er auch die Nachteile tragen, die sich hierdurch ergäben. Auf eine Verletzung seiner – des Beklagten – Ermittlungspflicht könne sich der Kläger in diesem Zusammenhang nicht berufen.

    Zudem habe sich das Verfahren 14 K 5284/05 G auf die Jahre 1999 bis 2001 bezogen. Es sei durchaus möglich, dass sich die (teilweise) freiberufliche Tätigkeit des Klägers in den Jahren 1999 bis 2001 in den Streitjahren verändert habe.

    Der Kläger und der Beklagte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens, die beigezogenen Gerichtsakten der Verfahren 14 K 5248/05 G und 14 V 4723/06 G sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.

    Die Klage ist nicht begründet.

    Der Bescheid vom 25. Oktober 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 6. März 2008 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

    Der Beklagte hat zu Recht den Antrag des Klägers auf Änderung der (bestandskräftigen) Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre vom 3. Februar 2006 abgelehnt, weil die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift nicht erfüllt sind.

    Die Tatbestandsmerkmale der §§ 184 Abs. 1 Satz 3, 164 Abs. 2 Satz 1 AO liegen nicht vor.

    Nach diesen Vorschriften kann die Festsetzung eines Steuermessbetrags geändert werden, solange diese unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht.

    Im Streitfall fehlt es an einer Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der Beklagte hat den Gewerbesteuermessbescheiden für die Streitjahre vom 3. Februar 2006 keine entsprechenden Nebenbestimmungen gemäß §§ 184 Abs. 1 Satz 3, 164 Abs. 1 Satz 1, 120 Abs. 1 AO beigefügt.

    Der Senat kann offen lassen, ob der Beklagte in fehlerhafter Ausübung seines Ermessens die Gewerbesteuermessbeträge für die Streitjahre nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt hat und ob das diesbezügliche Ermessen des Beklagten aufgrund der Umstände des Streitfalls sogar auf Null reduziert war, denn die vorbehaltlosen Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre vom 3. Februar 2006 sind bestandskräftig geworden.

    Zudem kann an dieser Stelle dahinstehen, ob der Beklagte – wie der Kläger meint – seine Ermittlungspflichten verletzt hat. Selbst wenn dies zutreffend wäre, hätte dies – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht zur Folge, dass die Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre vom 3. Februar 2006 so zu behandeln wären, als wenn sie unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen wären. Die Festsetzung eines Steuermessbetrags steht nur dann unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, wenn die Behörde der Festsetzung ausdrücklich eine derartige Nebenbestimmung beifügt oder der Vorbehalt kraft Gesetzes besteht. Die Verletzung von Ermittlungspflichten einer Finanzbehörde könnte dagegen nur einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen, der unter Umständen dem Erlass eines Änderungsbescheids entgegenstehen könnte (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentar, § 173 AO Tz. 62ff.; Rüsken in Klein, AO, Kommentar, 10. Auflage 2009, § 173 Rdnr. 80ff. jeweils mit weiteren Nachweisen).

    Zudem scheidet eine Änderung der Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre vom 3. Februar 2006 gemäß §§ 184 Abs. 1 Satz 3, 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d, 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aus.

    Nach diesen Vorschriften sind Steuermessbescheide zu ändern, soweit Tatsachen und Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einem geringeren Steuermessbetrag führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

    Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller oder imaterieller Art (BFH, Urteil vom 4. Februar 1993 III R 78/91, BFH/NV 1993, 641). Keine Tatsachen in diesem Sinne sind Schlussfolgerungen aller Art, insbesondere juristische Subsumtionen.

    Tatsachen oder Beweismittel werden nachträglich bekannt, wenn sie nach dem Zeitpunkt, in dem die Willensbildung über die Festsetzung eines Steuermessbetrags abgeschlossen ist, bekannt werden. Maßgeblich ist die Kenntnis der Finanzbehörde. Bekannt ist der Finanzbehörde grundsätzlich das, was sich aus dem Inhalt der von ihr geführten Akten ergibt, ohne dass es auf die individuelle Kenntnis des Bearbeiters ankommt (vgl. BFH, Urteil vom 19. März 2009 IV R 84/06, BFH/NV 2009, 1394 mit weiteren Nachweisen).

    Nachträglich bekannt gewordene Tatsachen und Beweismittel gestatten eine Berichtigung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aber nur dann, wenn die Finanzbehörde bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsachen oder Beweismittel schon bei der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer anderen Steuer gelangt wäre (BFH, Beschluss vom 23. November 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl. II 1988, 180).

    Grobes Verschulden im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (BFH, Urteil vom 22. Mai 2006 VI R 17/05, BFHE 214, 154, BStBl. II 2006, 806). Ein grobes Verschulden kann nicht nur vorliegen, wenn der Steuerpflichtige seine Erklärungspflicht schlecht erfüllt, indem er unzutreffende oder unvollständige Erklärungen abgibt. Grobes Verschulden ist insbesondere auch dann zu bejahen, wenn der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht überhaupt nicht nachkommt (BFH, Urteil vom 16. September 2004 IV R 62/02, BFHE 207, 269, BStBl. II 2005, 75). Das Verschulden eines steuerlichen Beraters ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen (BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 641; Rüsken in Klein, AO, Kommentar, 10. Auflage 2009, § 173 AO Rdnr. 125).

    Bei der Prüfung der Frage, ob den Steuerpflichtigen oder seinen Berater ein grobes Verschulden daran trifft, dass dem Finanzamt neue Tatsachen im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO erst nachträglich bekannt werden, ist auch der Zeitraum einzubeziehen, in dem ein Bescheid noch anfechtbar ist, d.h. die Bestandskraft des Bescheides noch nicht eingetreten ist (BFH-Urteil in BFHE 214, 154, BStBl. II 2006, 806; BFH, Urteil vom 25. November 1983 VI R 8/82, BFHE 140, 18, BStBl. II 1984, 256). Dementsprechend ist ein grobes Verschulden hinsichtlich einer nachträglich bekannt gewordenen Tatsache anzunehmen, wenn ein steuerlich beratener Steuerpflichtiger es versäumt, den Sachverhalt der Finanzbehörde noch im Rahmen eines Einspruchsverfahrens zu unterbreiten (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 1394; BFH, Beschluss vom 10. Dezember 1997 VIII B 17/97, BFH/NV 1998, 1063; BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 641; Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 16. Juni 2004 2 K 457/03, Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 414; Rüsken in Klein, AO, Kommentar, 10. Auflage 2009, § 173 Rdnr. 131; differenzierend: BFH, Urteil vom 5. November 1985 VIII R 258/82, BFH/NV 1986, 443; andere Auffassung: von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Kommentar, § 173 AO Rdnr. 291; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentar, § 173 AO Tz. 76b, 80 unter Hinweis darauf, dass die Einlegung eines Einspruchs nicht zu den Mitwirkungspflichten eines Steuerpflichtigen gehört; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO/FGO, Kommentar, § 173 AO Rdnr. 54; Koenig in Pahlke, AO, Kommentar, 2. Auflage § 173 Rdnr. 112; Frotscher in Schwarz, AO, Kommentar, § 173 Rdnr. 81 jeweils mit weiteren Nachweisen). Die Frage, ob auch die unterlassene Einlegung eines Einspruchs ein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden steuermindernder Tatsachen begründet, kann sich jedoch nur dann stellen, wenn das erste, den zu ändernden Steuerbescheid auslösende Fehlverhalten des Steuerpflichtigen nicht grob verschuldet war (BFH-Urteil in BFHE 207, 269, BStBl. II 2005, 75).

    Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Voraussetzungen für eine Änderung gemäß §§ 184 Abs. 1 Satz 3, 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d, 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht erfüllt.

    Selbst wenn der Senat zugunsten des Klägers unterstellte, dass dem Beklagten in dem finanzgerichtlichen Klageverfahren 14 K 5284/05 G, insbesondere in den Schriftsätzen vom 13. Oktober 2006 und 29. August 2007 sowie in dem Erörterungstermin am 5. September 2007, erstmals auch für die Streitjahre relevante Tatsachen und Beweismittel bekannt geworden wären, die rechtserheblich wären, d.h. bei Kenntnis im Zeitpunkt des Erlasses der Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre vom 3. Februar 2006 zu einer Festsetzung von niedrigeren Gewerbesteuermessbeträgen geführt hätten, wäre eine Änderung dieser Bescheide ausgeschlossen, da den Kläger grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der Tatsachen und Beweismittel trifft.

    Zum einen hat der Kläger entgegen seiner Verpflichtung gemäß §§ 149, 150 AO in Verbindung mit § 14a des Gewerbesteuergesetzes keine Gewerbesteuererklärungen abgegeben, obwohl er nach eigenem Vorbringen in diesem Klageverfahren durch seine Tätigkeit in den Streitjahren teilweise gewerbliche Einkünfte erzielt hat.

    Zum anderen trifft den Prozessbevollmächtigten zu 1. des Klägers, der auch dessen steuerlicher Berater in den Streitjahren war, ein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der für den Kläger günstigen Umstände. Das Verschulden seines steuerlichen Beraters ist dem Kläger zuzurechnen.

    Der Prozessbevollmächtigte zu 1. des Klägers hat gegen die ihm gegenüber bekanntgegebenen Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre vom 3. Februar 2006 keinen fristgerechten Einspruch eingelegt und nicht innerhalb der Einspruchsfrist die nach seiner Auffassung entscheidungserheblichen Tatsachen vorgetragen und Beweismittel vorgelegt. Der Einspruch vom 11. Oktober 2006, der im Übrigen bereits am 26. Oktober 2006 wieder zurückgenommen wurde, wurde erst nach Ablauf der einmonatigen Einspruchsfrist, mithin verspätet, eingelegt.

    Dieses Verhalten war grob schuldhaft. Der Prozessbevollmächtigte zu 1. des Klägers hätte die Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre vom 3. Februar 2006 nicht bestandskräftig werden lassen dürfen. Zum einen hat der Beklagte in diesen Bescheiden die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 Abs. 1 AO geschätzt, da der Kläger zuvor keine Gewerbesteuererklärungen für die Streitjahre eingereicht hatte. Allein deshalb hätte sich dem Prozessbevollmächtigten zu 1. des Klägers im Zeitpunkt des Erhalts der Bescheide aufdrängen müssen, dass deren Rechtmäßigkeit aus seiner Sicht ernstlich zweifelhaft und somit die Einlegung eines Einspruchs geboten war. Zum anderen hatte der Prozessbevollmächtigte zu 1. des Klägers Kenntnis von den Umständen, die gegen das Vorliegen einer in vollem Umfang als gewerblich einzuordnenden Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren sprechen. Er hätte diese Umstände bereits in einem gegen die Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre vom 3. Februar 2006 gerichteten Einspruchsverfahren und nicht erst in dem die Vorjahre betreffenden finanzgerichtlichen im Verfahren 14 K 5248/05 G vortragen und nachweisen müssen.

    In diesem Zusammenhang kann der Senat offen lassen, ob sich – wie der Kläger behauptet – der Betriebsprüfer des Beklagten bei der am 25. Februar 2004 begonnenen Betriebsprüfung tatsächlich – und wenn ja zu Unrecht – geweigert hat, die von dem Kläger angebotenen Tatsachen und Beweismittel hinsichtlich seiner Tätigkeit zur Kenntnis zu nehmen. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Betriebsprüfung die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2001 und nicht die zeitlich nachfolgenden Streitjahre betraf. Darüber hinaus darf ein Steuerpflichtiger nach Auffassung des Senats, die Weigerung eines Betriebsprüfers, bestimmte Tatsachen und Beweismittel zur Kenntnis nehmen zu wollen, nicht auf sich beruhen lassen. Es ist für ihn vielmehr geboten, die im Anschluss an eine derartige Betriebsprüfung erlassenen Bescheide anzufechten, um dann in dem Einspruchsverfahren erneut die Tatsachen vorzutragen und Beweismittel vorzulegen, zumal die Einsprüche aufgrund der Organisation der Finanzämter grundsätzlich nicht von den Betriebsprüfern, sondern von anderen Amtsträgern, nämlich den Sachbearbeitern der Rechtsbehelfsstellen abschließend bearbeitet werden.

    Die Notwendigkeit, Einspruch einzulegen, bestand im Streitfall gerade deshalb, weil im Zeitpunkt des Erlasses der Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre vom 3. Februar 2006 bereits im Anschluss an ein erfolgloses Einspruchsverfahren gegen die Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 1999 bis 2001 ein Klageverfahren (14 K 5284/05 G) anhängig war, dessen Gegenstand gerade die steuerrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Klägers in diesen Jahren war. In einer derartigen Verfahrenssituation muss ein Steuerberater, wenn – wie der Kläger vorträgt – sich die Verhältnisse nicht wesentlich geändert haben, verhindern, dass Bescheide für die Folgejahre bestandskräftig werden.

    Der Kläger hat keinen Anspruch auf Änderung der Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre vom 3. Februar 2006 nach dem Grundsatz von Treu und Glauben bzw. aufgrund einer zu seinen Gunsten bestehenden Vertrauensschutzposition. Der Senat kann offen lassen, ob und gegebenenfalls unter welchen konkreten Voraussetzungen ein Steuerpflichtiger überhaupt einen Anspruch auf Änderung eines

    Steuermessbescheids nach dem Grundsatz von Treu und Glauben haben kann. Ein derartiger Anspruch bestünde jedoch allenfalls nur dann, wenn die Finanzbehörde durch ein Verhalten zu erkennen gegeben hätte, sie werde den Bescheid zu Gunsten des Steuerpflichtigen auch ohne Einlegung eines Einspruchs ändern. Hieran fehlt es im Streitfall. Der Beklagte hat gegenüber dem Kläger sich nicht in einer Weise verhalten, dass dieser meinen durfte, der Beklagte werde die Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre vom 3. Februar 2006 zu seinen – des Klägers – Gunsten ändern. Insbesondere bezog sich die von dem Beklagten im Rahmen der tatsächlichen Verständigung im Erörterungstermin am 5. September 2007 im Verfahren 14 K 5284/05 G abgegebene Zusicherung nur auf die Änderung der Gewerbesteuermessbescheide für die damaligen Streitjahre 1999 bis 2001.

    Im Übrigen kann sich der Kläger in dem vorliegenden Klageverfahren nicht mit Erfolg auf das Vorliegen etwaiger Billigkeitsgründe berufen. Der Antrag des Klägers, die Gewerbesteuermessbeträge für die Streitjahre gemäß §§ 184 Abs. 1 Satz 3, 163 Abs. 1 AO aus Billigkeitsgründen niedrigeren festzusetzen, ist in einem selbstständigen Verfahren zu prüfen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Der Senat lässt die Revision nicht zu. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

    VorschriftenAO § 173 Abs 1 Nr 2