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  • 15.06.2011

    Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 21.02.2011 – 5 K 1505/10

    Nach der geänderten BFH-Rechtsprechung sind Schuldzinsen auch dann als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen, wenn die Kapitalgesellschaft vor dem Veranlagungszeitraum 1999 aufgelöst worden ist. Das nach der geänderten Rechtsprechung zu beachtende Halbeinkünfteverfahren war im Jahr 2000 noch nicht in Kraft getreten, im Jahr 2001 noch nicht anzuwenden und in den Jahren 2002 und 2004 bis 2007 nicht einschlägig, weil die Einkünfte der GmbH vorliegend nicht nach dem Halbeinkünfteverfahren, sondern ausschließlich nach dem bis 2001 maßgeblichen Anrechnungsverfahren ermittelt wurden.


    Tatbestand

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in den Streitjahren 2002 und 2004 bis 2007 geltend machen kann.

    In der Einkommensteuererklärung für 2002 vom 13. April 2004 erklärten die Kläger in der Anlage GSE nachträgliche Betriebsausgaben des Klägers in Höhe von -17.208,20 €, die sie als Auflösungsverlust gemäß § 17 EStG berücksichtigt wissen wollten (EStA, Fach 2002, Bl. 6). Diese setzten sich gemäß der Aufstellung der Kläger aus der IKK-Haftung in Höhe von 2.760,68 €, aus Schuldzinsen in Höhe von 9.278,45 € und aus verschiedenen Rechtsanwaltshonoraren zusammen (EStA, Fach 2002, Bl. 7). Daneben erklärte der Kläger einen Werbungskostenüberschuss bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von -1.618,- € (EStA, Fach 2002, Bl. 13). Die Klägerin erklärte Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 27.782,- €.

    In der Einkommensteuererklärung für 2004 vom 10. März 2006 erklärten die Kläger in der Anlage GSE nachträgliche Betriebsausgaben des Klägers in Höhe von -11.959,- €, die sie als Auflösungsverlust gemäß § 17 EStG berücksichtigt wissen wollten (EStA, Fach 2004, Bl. 6). Diese setzten sich gemäß der Aufstellung der Kläger aus der IKK-Haftung in Höhe von 2.760,68 € und aus Schuldzinsen in Höhe von 9.198,72 € zusammen (EStA, Fach 2004, Bl. 8). Die Klägerin erklärte Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 22.130,- € und aus einer Beteiligung in Höhe von 16.841,- €. Des Weiteren erklärte der Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von -5.488,- € (EStA, Fach 2004, Bl. 12).

    In der Einkommensteuererklärung für 2005 vom 9. Februar 2007 erklärten die Kläger in der Anlage GSE nachträgliche Betriebsausgaben des Klägers in Höhe von -9.087,- €, die sie als Auflösungsverlust gemäß § 17 EStG berücksichtigt wissen wollten (EStA, Fach 2005, Bl. 7). Diese ergaben sich gemäß der Aufstellung der Kläger aus Schuldzinsen in Höhe von -9.087,51 € (EStA, Fach 2002, Bl. 8). Die Klägerin erklärte Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 28.686,- €. Des Weiteren erklärte der Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 89,- € (EStA, Fach 2005, Bl. 12).

    In der Einkommensteuererklärung für 2006 vom 13. Februar 2008 erklärten die Kläger in der Anlage GSE nachträgliche Betriebsausgaben des Klägers in Höhe von -8.850,- €, die sie als Auflösungsverlust gemäß § 17 EStG berücksichtigt wissen wollten (EStA, Fach 2006, Bl. 97). Diese ergaben sich gemäß der Aufstellung der Kläger aus Schuldzinsen in Höhe von -8.850,81 € (EStA, Fach 2006, Bl. 10). In der Anlage N machte der Kläger nachträgliche Werbungskosten in Höhe von 2.761,- € geltend (EStA, Fach 2006, Bl. 12 Rs. und 16). Die Klägerin erklärte Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 37.011,- € (EStA, Fach 2006, Bl. 11). Des Weiteren erklärte der Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 4.051,- € (EStA, Fach 2006, Bl. 17).

    In der Einkommensteuererklärung für 2007 vom 21. November 2008 machte der Kläger in der Anlage N nachträgliche Werbungskosten in Höhe von 2.761,- € geltend (EStA, Fach 2006, Bl. 10 Rs. und 12). Die Klägerin erklärte Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 22.006,- € (EStA, Fach 2007, Bl. 9). Des Weiteren erklärte der Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 4.489,- € (EStA, Fach 2006, Bl. 17).

    Wegen der Vorgeschichte zu den vom Kläger geltend gemachten nachträglichen Werbungskosten wird im Übrigen auf den Tatbestand in dem Verfahren 5 K 1509/10 – dort unter I. – verwiesen.

    Mit Darlehensvertrag vom 6. Juli 2001 mit der Vertragsnummer ...705 wurde das unter der Vertragsnummer ...900 zwischen dem Kläger und der Volksbank X am 9. Januar 1998 abgeschlossene Darlehen über 250.000,- DM bei einem Zinssatz von 7,0 % auf 265.000,- DM erhöht. Aus der Anlage zum Darlehensvertrag ergab sich, dass das Darlehen ...900 abgelöst wurde und zugleich der Finanzierung des Vergleichsbetrages von 30.000,- DM für den Konkursverwalter B diente. Ausweislich des Zwischenberichts des Insolvenzverwalters vom 31. Mai 2001 sollten mit dem Betrag des Klägers in Höhe von 30.000,- DM sämtliche Forderungen des Konkursverwalters gegen den Kläger und die Klägerin im Wege des Vergleichs bei gleichzeitigem Forderungsverzicht des Konkursverwalters beglichen werden (Konkursakte, Bl. 350). Nach dem Zwischenbericht des Konkursverwalters vom 21. November 2001 erklärte er sich ungeachtet des fehlenden Beschlusses der Gläubigerversammlung schließlich bereit, auf der Basis der Zahlung eines Betrages in Höhe von 35.000,- DM sämtliche Ansprüche der Gemeinschuldnerin - der GmbH - gegen die Kläger als erledigt zu betrachten (Konkursakte, Bl. 372).

    Nach den von den Klägern vorgelegten Kontoauszügen der Volksbank X entrichtete der Kläger in den Jahren 2002 und 2004 bis 2007 Schuldzinsen in Höhe von 9.375,38 € (2002), von 9.174,72 € (2004), von 9.063,51 € (2005), von 8.944,33 € (2006) und von 8.826,81 € (2007) sowie Abschlussgebühren in Höhe von jährlich jeweils 24,- € für das Darlehen ...705.

    Mit Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 9. Oktober 2008 setzte der Beklagte die von der Klägerin erklärten Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 27.782,- € an, berücksichtigte beim Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von -1.618,- € und setzte Einkommensteuer in Höhe von 814,- € fest (EStA, Fach 2002, Bl. 15). In den Erläuterungen führte der Beklagte aus, dass „die nochmals geltend gemachten Kosten nach § 17 EStG nicht berücksichtigt werden können, da diese in den Verlustfeststellungen der Vorjahre enthalten sind bzw. nicht anerkannt werden können. Hierzu verweise ich auf die ergangenen Einspruchsentscheidungen.”

    Mit Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 16. Oktober 2008 setzte der Beklagte die von der Klägerin erklärten Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie aus ihrer Beteiligung in Höhe von insgesamt 38.971,- € an, berücksichtigte den vom Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erklärten Werbungskostenüberschuss in Höhe von -5.488,- € und setzte Einkommensteuer in Höhe von 1.169,- € fest (EStA, Fach 2004, Bl. 17).

    Mit Einkommensteuerbescheiden für 2005 und 2006 jeweils vom 17. Oktober 2008 setzte der Beklagte die von der Klägerin erklärten Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 28.686,- € (2005) und von 37.011,- € (2006) an, berücksichtigte die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 89,- € (2005) und von 4.051,- € (2006) und setzte Einkommensteuer in Höhe von 911,- € (2005) und von 3.675,- € (2006) fest (EStA, Fach 2005, Bl. 15 und Fach 2006, Bl. 21).

    Mit Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 22. Dezember 2008 setzte der Beklagte die von der Klägerin erklärten Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 22.006,- € an, berücksichtigte die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 4.489,- € und setzte Einkommensteuer in Höhe von 562,- € fest (EStA, Fach 2007, Bl. 19).

    Die Einsprüche blieben ohne Erfolg. Mit Einspruchsentscheidung vom 23. März 2010 wies der Beklagte die Einsprüche der Kläger als unbegründet zurück (Rb-Akte, Fach „ESt 2007”, Bl. 10 ff.). Auf die Einspruchsentscheidung wird verwiesen.

    Mit ihren Klagen machen die Kläger im Wesentlichen dasselbe wie in dem Verfahren 5 K 1509/10 geltend. Die vom Kläger an die IKK geleisteten Zahlungen seien als nachträgliche Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen. Bei den von ihm in den Jahren 2002 und 2004 bis 2007 gezahlten Schuldzinsen handele es sich entsprechend der geänderten Rechtsprechung des BFH durch die Urteile vom 16. März 2010 (VIII R 20/08 und VIII R 36/07) um nachträgliche Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen. Daher seien die Schuldzinsen in Höhe von 9.399,38 € (2002), von 9.198,72 € (2004), von 9.087,51 (2005), von 8.968,33 € (2006) und von 8.850,81 € (2007) bei den Einkünften aus Kapitalvermögen als nachträgliche Werbungskosten abzugsfähig.

    Die Kläger beantragen sinngemäß,

    die geänderten Einkommensteuerbescheide für 2002 und 2004 vom 9. Dezember 2010, die Einkommensteuerbescheide für 2005 und 2006 vom 17. Oktober 2008 und für 2007 vom 22. Dezember 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. März 2010 dahin gehend zu ändern, dass bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in den Veranlagungsjahren 2002 und 2004 bis 2007 nachträgliche Werbungskosten in Höhe von jeweils 2.760,68 € und bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nachträgliche Werbungskosten in Höhe von 9.399,38 € im Jahr 2002, in Höhe von 9.198,72 € im Jahr 2004, in Höhe von 9.087,51 € im Jahr 2005, in Höhe von 8.968,33 € im Jahr 2006 und in Höhe von 8.850,81 € im Jahr 2007 angesetzt werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte tritt den Klagen entgegen und macht im Wesentlichen dasselbe wie in dem Verfahren 5 K 1509/10 geltend. Anzumerken sei, dass die vorliegend geltend gemachten Schuldzinsen – soweit sie auf den Darlehenserhöhungsbetrag von 30.000,- DM entfielen – in keinem Fall zum Werbungskostenabzug berechtigten, da ihr Verwendungszweck gemäß der Anlage zum Darlehensvertrag vom 6. Juli 2001 als „Vergleichsbetrag für den Konkursverwalter Dr. B” bezeichnet worden sei. Dies habe schon dem Grunde nach nichts mit den hier streitigen nachträglichen Werbungskosten des Klägers bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen zu tun.

    Mit gemäß § 172 Abs. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheiden für 2002 und 2004 vom 9. Dezember 2010 änderte der Beklagte die Vorläufigkeitsvermerke (PA, Bl. 51 f.).

    In der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2010 haben die Kläger ihr Klagebegehren auf die nachträglichen Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen beschränkt. Die Beteiligten haben für die Zukunft auf mündliche Verhandlung verzichtet.

    Mit Beschluss vom 18. Februar 2011 hat der Senat die Verfahren 5 K 1505/10 und 5 K 1474/10 bis 5 K 1477/10 gemäß § 73 Abs. 1 S. 1 FGO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden, wobei das Verfahren 5 K 1505/10 führt.

    Das Gericht hat die Finanzgerichtsakten 5 K 1065/02, 5 K 1066/02, 5 K 1069/02, 5 K 1509/10, 5 K 1503/10 sowie die Konkursakte N .../95 beim Amtsgericht A beigezogen.

    Gründe

    Die Klage hat teilweise Erfolg. Die geänderten Einkommensteuerbescheide für 2002 und für 2004 und die Einkommensteuerbescheide für 2005 bis 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO), soweit der Beklagte die nachträglich entstandenen Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen in Höhe von 8.335,37 € (2002), von 8.157,42 € (2004), von 8.058,80 € (2005), von 7.953,10 € (2006) und von 7.848,89 € (2007) nicht berücksichtigt hat. Im Übrigen sind sie nicht rechtswidrig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat die Zahlungen des Klägers an die IKK aus seiner Inanspruchnahme als Bürge in den Streitjahren 2002 und 2004 bis 2007 zu Recht nicht als nachträgliche Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt (hierzu unter I.). Von den von den Klägern geltend gemachten Schuldzinsen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen hat der Beklagte die oben aufgeführten Beträge in den Streitjahren 2002 und 2004 bis 2007 bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen als nachträgliche Werbungskosten berücksichtigen müssen (hierzu unter II.).

    I. Die Zahlungen des Klägers an die IKK aus seiner Inanspruchnahme als Bürge sind auch in den Streitjahren 2002 und 2004 bis 2007 nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen gewesen. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe in dem Verfahren 5 K 1509/10 unter Ziff. I. verwiesen.

    II. Soweit sich die Klage gegen die in den Jahren 2002 und 2004 bis 2007 bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen nicht berücksichtigten Schuldzinsen als Werbungskosten richtet, hat die Klage teilweise Erfolg.

    1. Hinsichtlich der Voraussetzungen die nach der geänderten Rechtsprechung des BFH für die Berücksichtigung nachträglicher Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen vorliegen müssen, wird auf Ziff. II. 1. und 2. der Entscheidungsgründe des Urteils in dem Verfahren 5 K 1509/10 verwiesen.

    2. a) Unter Zugrundelegung der geänderten Rechtsprechung des BFH hat der Beklagte von den von den Klägern in den Streitjahren insgesamt geltend gemachten Schuldzinsen folgende Beträge zu Unrecht nicht berücksichtigt:

    Streitjahre:Geltend gemachte Schuldzinsen insgesamt:Zu Unrecht nicht berücksichtigte Schuldzinsen:
    20029.399,38 €8.335,37 €
    20049.198,72 €8.157,42 €
    20059.087,51 €8.058,80 €
    20068.968,33 €7.953,10 €
    20078.850,81 €7.848,89 €
    Bei dem Darlehen ...... über 265.000,- DM hat der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass mit dem Teilbetrag in Höhe von 30.000,- DM gemäß der Anlage zum Darlehensvertrag vom 6. Juli 2001 der mit dem Konkursverwalter ausgehandelte Vergleichsbetrag über 30.000,- DM beglichen werden sollte. Dieser hatte jedoch nichts mit den nachträglichen Anschaffungskosten des Klägers aus seiner Bürgschaftsinanspruchnahme durch die Volksbank X zu tun, sondern diente letztlich allein der vergleichsweisen Befriedigung aller der GmbH als Gemeinschuldnerin gegen die Kläger aus dem Konkurs zustehenden Forderungen. Mithin kann es sich – wie im Vorjahr 2001 - von vornherein nur bei den auf den Differenzbetrag in Höhe von 235.000,- DM von dem Kläger an die Volksbank X in den Jahren 2002 und 2004 bis 2007 zu zahlenden Zinsen, d. h. in Höhe von 88,68 % (= 235.000,- DM x 100/265.000,- DM) um nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gehandelt haben.

    Anhaltspunkte dafür, dass in den Streitjahren 2002 und 2004 bis 2007 die ursprüngliche Veranlassung durch die Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen durch ein nachträgliches Ereignis überlagert worden bzw. ein durch andere Einkünfte begründeter neuer Veranlassungsgrund eingetreten ist, sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

    b) Die in den Streitjahren 2002 und 2004 bis 2007 berücksichtigungsfähigen Schuldzinsen sind auch nicht nach dem nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gemäß § 3c Abs. 2 S. 1 EStG zu beachtenden Halbeinkünfteverfahren zur Hälfte, sondern, soweit sie in Höhe von jeweils 88,68 % auf die nachträglichen Anschaffungskosten aus der Bürgschaftsinanspruchnahme entfielen, in voller Höhe als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anzusetzen gewesen.

    aa) Gemäß § 52 Abs. 8a EStG ist § 3c Abs. 2 EStG erstmals auf Aufwendungen anzuwenden, die mit Erträgen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, auf die § 3 Nr. 40 EStG erstmals anzuwenden ist. Gemäß § 52 Abs. 4a Nr. 1 EStG ist § 3 Nr. 40 EStG erstmals für Gewinnausschüttungen anzuwenden, auf die bei der ausschüttenden Körperschaft der nach Artikel 3 des Gesetzes vom 23. Oktober 2000 (BGBl I S. 1433) aufgehobene Vierte Teil des Körperschaftsteuergesetzes nicht mehr anzuwenden ist; für die übrigen in § 3 Nr. 40 genannten Erträge im Sinne des § 20 gilt Entsprechendes.

    Nach § 34 Abs. 10a Nr. 1 KStG sind die Vorschriften des Vierten Teils des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. April 1999 (BGBl I S. 817), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 14. Juli 2000 (BGBl I S. 1034) geändert worden ist, letztmalig für Gewinnausschüttungen anzuwenden, die auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr beruhen, und die in dem ersten Wirtschaftsjahr erfolgen, das in dem Veranlagungszeitraum endet, für den das Körperschaftsteuergesetz in der Fassung des Artikels 3 des Gesetzes vom 23. Oktober 2000 (BGBl I S. 1433) erstmals anzuwenden ist.

    bb) Nach dem Wortlaut des § 52 Abs. 8a EStG ist § 3c Abs. 2 S. 1 EStG hiernach erstmals auf Aufwendungen anzuwenden, die mit Erträgen in wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, auf die das Halbeinkünfteverfahren „erstmals” anzuwenden ist. Das sind die von einer Kapitalgesellschaft im Veranlagungsjahr 2002 an die Gesellschafter ausgeschütteten Erträge der Anteilseigner, soweit sie nach dem Halbeinkünfteverfahren ermittelt worden sind. Nach der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 8a EStG ist die Anwendung des § 3c Abs. 2 S. 1 EStG für die von einer Kapitalgesellschaft nach dem sog. Anrechnungsverfahren ermittelten und an die Anteilseigner ausgeschütteten Erträge der Kapitalgesellschaft ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang führt der BFH in seinem Urteil vom 27. März 2007 aus, dass § 52 Abs. 8a EStG, der intertemporales Steuerrecht regelt, für den Abzug von Aufwendungen eine trennscharfe und eine praktisch umsetzungsfähige Grenzlinie zwischen dem alten Anrechnungsverfahren einerseits und dem neuen Halbeinkünfteverfahren andererseits zieht. Dieser Zweck gebietet es, Aufwendungen eindeutig entweder dem alten oder dem neuen Recht zuzuordnen (BFH-Urteil vom 27. März 2007, VIII R 23/06, BFH/NV 2007, 1842).

    Im Streitfall beziehen sich die nachträglichen Werbungskosten des Klägers nicht auf Erträge, auf die das Halbeinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40 EStG anzuwenden ist, sondern ausschließlich auf Erträge, die noch nach dem körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahren ermittelt wurden. Daher sind die nachträglichen Schuldzinsen des Klägers, soweit sie auf seine nachträglichen Anschaffungskosten aus seiner Bürgschaftsinanspruchnahme entfallen sind, nicht nur zur Hälfte, sondern in voller Höhe als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abzugsfähig gewesen.

    c) Im Streitfall konnte der Kläger die nachträglichen Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen schließlich auch nicht durch die Verwertung zurückbehaltener Wirtschaftsgüter der GmbH begleichen. Der Konkurs der GmbH und das Gutachten des Sequesters vom 18. April 1995 zeigen, dass die GmbH keine Wirtschaftsgüter mehr hatte, die sie verwerten konnte.

    Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 S. 1 FGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 155, 151 Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Nachdem die Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 FGO auf mündliche Verhandlung verzichtet haben, hat der Senat ohne mündliche Verhandlung entschieden.

    Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen aus den in dem Verfahren 5 K 1509/10 dargelegten Gründen vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO).

    VorschriftenEStG § 20 Abs. 1 Nr. 1, EStG § 3c Abs. 2 S. 1, EStG 3 Nr. 40