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  • 15.06.2011

    Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 12.05.2010 – 2 K 2304/08

    Für Zeiträume, für die ein polnischer Arbeitnehmer dem polnischen Recht über soziale Sicherheit unterliegt, besteht, auch wenn zeitweise eine Beschäftigung im Inland stattfand, kein Anspruch auf Kindergeld. Die vorrangigen Regelungen Polens werden durch das Gemeinschaftsrecht als maßgeblich für den Anspruch auf Familienleistungen für die Klägerin bestimmt. Auf eine unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 EStG kommt es nicht an.


    Tatbestand

    Streitig ist, ob der aus Polen stammenden Klägerin wegen ihres Aufenthaltes im Inland als Erntehelferin Kindergeld für zwei ihrer in Polen lebenden Kinder zusteht.

    Die am 30. Mai 1987 geborene Klägerin ist polnische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Polen. Sie ist verheiratet, ihr Ehemann wohnt ebenfalls in Polen. Für ihre am 15. April 1988 (Ka.), 1. Oktober 1989 (K) und 25. Juli 1995 (A) geborenen Kinder beantragte sie am 29. Oktober 2007 Kindergeld. Sie gab hierzu an, vom 12. April 2006 bis 4. Juli 2006 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden bei der S GdbR in D (als Erntehelferin) beschäftigt gewesen zu sein. Der Arbeitgeber bestätigte die Vorlage einer Bescheinigung E 101 seitens der Klägerin für den Zeitraum. Gemäß einer besonderen Lohnsteuerbescheinigung 2006 erzielte die Klägerin einen Bruttoarbeitslohn von 5002,40 € bei einer einbehaltenen Lohnsteuer von 138,49 €. Weiterhin legte sie für ein Kind (Ka.) eine Bescheinigung E 402 vor.

    Die Beklagte fragte nach, ob für die drei Kinder von einer anderen Stelle Kindergeld gezahlt werde, beziehungsweise warum eventuell kein Antrag hierzu gestellt worden sei. Für den Fall, dass über den genannten Zeitraum hinaus Kindergeld beantragt werde, seien für das Kind K, welches im Oktober 2006 sein 18. Lebensjahr vollendet habe, Erklärungen zu den Einkünften und Bezügen sowie eine Bescheinigung 402 beizufügen.

    Mit Bescheid vom 10. Juni 2008 wurde der Antrag auf Kindergeld abgelehnt. Zur Begründung trug die Beklagte vor, während der Zeit der Beschäftigung in 2006 habe keine Versicherungspflicht zur Bundesagentur für Arbeit bestanden, da die Klägerin laut E 101 weiterhin den polnischen Rechtsvorschriften unterlegen habe. Nach Artikel 13 bis 17 VO (EWG) 1408/71 bestehe daher kein deutscher Kindergeldanspruch.

    Mit ihrem Einspruch hiergegen trug die Klägerin vor, anzuwenden sei die Verordnung (EWG) 1408/71. In Anwendung dieser Verordnung bestimme der Artikel 13 ausgehend davon, welcher Mitgliedstaat Beschäftigungsland sei, die danach maßgeblichen Rechtsvorschriften. Die in Deutschland tätige Klägerin habe nach Artikel 73 VO 1408/71 für ihre in Polen wohnenden Kinder Anspruch auf Familienleistungen nach §§ 62 ff EStG. Eine etwaige Sozialversicherungspflicht sei nicht Tatbestandsmerkmal dieser Vorschriften. Die Sozialversicherungspflicht werde allein zur Bestimmung des Beschäftigungslandes im Rahmen der Einordnung der maßgeblichen Rechtsvorschriften herangezogen. Die Frage der Sozialversicherungspflicht sei jedoch lediglich das Ergebnis der Kollisionsregelung in Artikel 13 ff. VO (EWG) 1408/71. Im Streitfall gehe es jedoch nicht gemäß dieser Vorschrift um die Frage, in welchem Land eine Sozialversicherungspflicht bestehen müsse. Das Beschäftigungsland und damit die Frage, welche mitgliedstaatlichen Vorschriften Anwendung finden, seien bereits bei der Frage geklärt worden, dass die Vorschriften des Landes für die begehrten Leistungen maßgeblich seien. Gemäß der alten Rechtsprechung des EuGH hätten einzelne Finanzgerichte maßgeblichen auf die Frage abgestellt, in welchem Mitgliedstaat ein Kläger einer Sozialversicherungspflicht unterlegen habe. Dies sei bezüglich der Prüfung eines Kindergeldanspruches unmaßgeblich. Nach dem Urteil des EuGH vom 20. Mai 2008 (C-352/06) führe die Bestimmung des Beschäftigungsstaates nicht dazu, dass trotz Vorliegens der mitgliedstaatlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Kindergeldes dieses nicht gewährt werde. Diese Betrachtung verstoße gegen den EG-Vertrag und die erlassenen Verfügungen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Einspruchsbegründung und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen werde auf die Schriftsätze vom 21. Juni 2008 (Blatt 30 bis 36 der Kindergeldakte) und 8. August 2008 (Blatt 74 bis 79 der Kindergeldakte) verwiesen.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 13. August 2008 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung trug die Beklagte vor, ob deutsches Kindergeldrecht anwendbar sei, bestimme sich im Verhältnis zur anderen Staaten der EU nach den Regelungen der Verordnung (EWG) 1408/71 (VO) beziehungsweise der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung (EWG) 574/72 (DVO). Zweck der VO sei es, Überschneidungen nationaler Rechtsvorschriften zu verhindern. Weise ein Antragsteller Anknüpfungspunkte und Beziehungen zu mehreren EU-Staaten auf, regele sich nach den Kollisionsnormen des II. Titels der VO, welches nationale Recht Anwendung finde. Artikel 13 bis Artikel 17a VO bestimmten unter Verdrängung aller Kollisionsnormen nationalen Ursprungs, dass nur das Sozialrecht eines einzigen Staates auf den Betroffenen anwendbar sei. Nach der Ausnahmevereinbarung des Artikel 17 VO habe sich für sie aufgrund der vorliegenden Bescheinigung E 101 die Regelung eines anderen EU Mitgliedstaates ergeben. Hinsichtlich des Kindergeldes habe sie daher den Regelungen des anderen Mitgliedstaates unterlegen. Zur Bundesagentur für Arbeit habe danach kein Versicherungspflichtverhältnis vorgelegen.

    Mit ihrer Klage hiergegen trägt die Klägerin vor, die seitens der Gerichte der Verordnung (EWG) 1408/71 beigemessene Ausschlusswirkung im Sinne einer verbindlichen Rechtsnormbestimmung habe diese nicht. In einem „Grundfall”, ein Deutscher beantrage Kindergeld, würde die Beklagte die Vorschriften der §§ 62 ff. EStG zur Prüfung heranziehen. Bei einer in einem anderen Mitgliedstaat der Sozialversicherungspflicht unterliegenden Person werde zu Unrecht eine von der Verordnung getroffene Rechtswahl unterstellt. Die Orientierung daran, wo die Sozialversicherungspflicht bestehe, sei nach dem EuGH nunmehr für gemeinschaftsrechtswidrig erklärt worden. Die Verordnung bezwecke nicht den Ausschluss einzelner maßgeblicher mitgliedstaatlicher Vorschriften. Die andere Auffassung beruhe auf der früheren Rechtsprechung des EuGH. Dieser sei zur Sicherung der Freizügigkeit zu dem Ergebnis gekommen, dass Beschäftigungsland grundsätzlich der Mitgliedstaat sei, in welchem der Verleiher beziehungsweise entsendende Arbeitgeber seinen Sitz habe. Nach der Rechtsprechung und der Auffassung der Beklagten folge daher das Recht der Sozialleistung Kindergeld dem Recht des Staates, in dem die Sozialversicherungspflicht bestehe. Im Streitfall sei nach der VO Beschäftigungsland unstreitig Deutschland, die Klägerin sei bei einem deutschen Arbeitgeber beschäftigt gewesen. Der EuGH habe im so genannten Bosmann-Urteil entschieden, dass für die Beantwortung der Frage, nach welchem Recht sich die Gewährung von Kindergeld richte, gerade nicht die Qualifizierung des Landes nach Artikel 13ff maßgeblich sei. Hierzu sei auf die Ausführungen des EuGH zu verweisen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten der Klagebegründung und der von ihr angeführten Rechtsprechung wird auf den Schriftsatz vom 18. September 2008 verwiesen (Blatt 22 bis 30 der Prozessakte).

    Weiterhin verweist die Klägerin auf die Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf vom 31. Juli 2008 (15 K 4375/07 Kg).

    Mit Schriftsatz vom 21. September 2009 (Blatt 54 bis 56 der Prozessakten) trägt die Klägerin noch vor, da sie in 2006 gemäß § 1 Absatz 3 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen sei, bestehe für den gesamten Veranlagungszeitraum ein Anspruch auf Kindergeld für ihre beiden Kinder.

    Die Klägerin beantragt,

    unter Aufhebung des Bescheids vom 10. Juni 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13. August 2008 die Beklagte zu verpflichten, für die Klägerin Kindergeld für die Kinder K und A in Höhe von insgesamt 3696 € für das Jahr 2006 festzusetzen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie trägt vor, die Klägerin sei während ihrer Beschäftigung in Deutschland weiterhin den Rechtsvorschriften des Herkunftslandes unterlegen gewesen (Artikel 13 ff. der Verordnung (EWG) 1408/71). Ein Anspruch auf deutsches Kindergeld bestehe in diesen Fällen nicht. Die Verordnung sei vorrangig vor dem Einkommensteuergesetz anzuwenden. Zur Anwendung der EuGH Rechtsprechung sei festzustellen, ob zeitlich parallel Anspruch auf polnische Familienleistungen bestanden habe. Gemäß der hierzu erstellten Bescheinigung E 411 sei klargestellt, dass die Klägerin von Januar 2006 bis Dezember 2006 in Polen eine berufliche Tätigkeit ausgeübt und vom 1. Januar 2006 bis 31. August 2006 Familienleistungen gezogen habe. Ab September 2006 habe wegen Überschreitens der Einkommensgrenze kein Anspruch mehr auf die Leistungen bestanden. Da die Klägerin auch vom 12. April bis 4. Juli 2006 Leistungen in Polen bezogen habe, komme eine Festsetzung von deutschem Kindergeld, auch als Differenz- beziehungsweise Unterschiedszahlung nicht in Betracht (§ 65 Absatz 1 EStG). Auf die Bescheinigung E 411 sowohl der Klägerin wie auch ihres Ehemannes werde verwiesen (Blatt 76 bis 90 der Prozessakten).

    Hierauf erwidert die Klägerin, ein Anspruch in Polen auf Familienleistungen führe nicht zu einem vollständigen Ausschluss gemäß § 65 EStG. § 65 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG komme nicht zur Anwendung. In welchem Umfange Leistungen eines Mitgliedstaates, in dem der Anspruchsberechtigte und seine Familie wohnten, für dasselbe Kind auf das deutsche Kindergeld anzurechnen seien, habe sich ausschließlich nach den Kollisionsregeln des Gemeinschaftsrechts zu richten. Hiervon werde § 65 Absatz 2 EStG verdrängt. Das Finanzgericht Münster (11 K 998/06) habe entsprechend Kindergeld zugesprochen. Es stelle eine Diskriminierung nach Gemeinschaftsrecht da, wenn ein EU-Ausländer, der einem deutschen Arbeitnehmer in jeglicher Hinsicht gleichstehe, ein Anspruch in gesetzlicher Höhe beziehungsweise der Differenz versagt werde, nur weil ihm in einem anderen Mitgliedstaat möglicherweise weitere Leistungen zufließen würden.

    Gründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Nach den durch die Artikel 13ff der VO (EWG) 1408/71 und dem Anhang I der Verordnung aufgestellten Grundsätzen unterliegt die Klägerin für die Frage der Gewährung von Kindergeld bzw. mit dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen in Polen im Zeitraum ihrer Beschäftigung im Inland den Rechtsvorschriften Polens als Mitgliedstaat der EU. Dies schließt einen Anspruch im Inland grundsätzlich aus.

    Dies gilt für den Zeitraum vor dem 12. April 2006 und nach dem 4.Juli 2006 entfällt ein Anspruch auf deutsches Kindergeld, da für die Klägerin in diesen Zeiten kein rechtlicher oder tatsächlicher Bezug zu Deutschland durch eine hier bestehende Beschäftigung oder hiesigen Aufenthalt bestand.

    Nach den in den Urteilen des Finanzgerichts Düsseldorf (Urteile vom 22. Dezember 2008, 10 K 404/08 Kg, EFG 2009, 497, vom 16. März 2010, 10 K 1829/09 Kg, juris-Dokument, vom 16. April 2010, 3 K 1401/09 Kg, juris-Dokument) aufgestellten Grundsätzen, die auf den Streitfall zu übertragen sind, besteht für die Klägerin für Zeiten der inländischen Beschäftigung kein Anspruch auf deutsches Kindergeld in gesetzlicher Höhe oder in Höhe eines Differenzbetrages zwischen der Höhe des Kindergeldes in Deutschland und Polen.

    U.a. das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 16. April 2010 (a.a.O.) führt aus, dass für den seiner Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt die VO (EWG) 1408/71 anwendbar sei. Wie auch im vorliegen Streitfall für die Klägerin handelte es sich bei dem dortigen Kläger um einen Arbeitnehmer im Sinne des Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Buchstabe a VO (EWG) 1408/71, da beide im streitigen Zeitraum den polnischen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit unterlegen haben, da sie dort (die Klägerin in 2006) sozialversichert gewesen sind. Dies ergab sich im Streitfall aus der hierzu vorgelegten Bescheinigung E 101. Überdies ist die Klägerin gemäß der von der Beklagten vorgelegten Bescheinigung E 411 im gesamten Streitjahr in Polen nichtselbständig tätig gewesen.

    Daneben ist die Klägerin während des streitigen Zeitraums teilweise in einem anderen Mitgliedstaat, nämlich Deutschland nichtselbständig tätig gewesen. Insoweit handelte es sich bei ihr um eine innerhalb der Gemeinschaft zugewanderte Arbeitnehmerin. Ein so genannter reiner Inlandsachverhalt, also ein Sachverhalt ohne grenzüberschreitendes Merkmal, ist folglich nicht gegeben gewesen.

    Die Urteile des Finanzgerichts Düsseldorf gehen davon aus, dass mit der Regelung in Anhang I Teil I D (in der Fassung der VO (EWG) 1408/71 vom 13. April 2005) beziehungsweise Teil I E (in der geänderten Fassung vom 20. November 2006) keine Einschränkung des allgemeinen persönlichen Anwendungsbereichs der VO (EWG) 1408/71 verbunden ist, sondern lediglich eine Einschränkung ihres persönlichen Anwendungsbereichs hinsichtlich der Familienleistungen. Zwar „verdrängt” die Definition in Anhang I Teil I E die Definition in Artikel 1 Buchstabe a VO (EWG) 1408/71, jedoch nicht mit Wirkung für die Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften (vergleiche die Überschrift des Titels II), sondern nur für die Bestimmung des Personenkreises, der Anspruch auf Familienleistungen hat. Auch nach dem Einleitungssatz des Anhangs I Teil I D oder E gilt die Definition ausdrücklich nur „für die Gewährung der Familienleistungen gemäß Titel III Kapitel 7 der Verordnung”. Die Regelung in Anhang I Teil I D oder E soll inhaltlich nicht über die Anwendbarkeit eines gesamten Sozialversicherungssystems eines Mitgliedstaates, das heißt über den gesamten sachlichen Anwendungsbereich der VO (EWG) 1408/71 im Sinne ihres Artikel 4 entscheiden, sondern nur über den persönlichen Anwendungsbereich hinsichtlich der Leistungsart „Familienleistung” im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h VO (EWG) 1408/71. Damit ist die Frage, welche Rechtsvorschriften nach den Artikel 13ff VO (EWG) 1408/71 anzuwenden sind, das heißt in die Zuständigkeit welchen Mitgliedstaates der Sachverhalt fällt, vorrangig zu prüfen. Von diesen Grundsätzen geht das erkennende Gericht ebenfalls aus.

    In den von den Urteilen des Finanzgerichts Düsseldorf entschiedenen so genannten „Entsendefällen” kamen die Entscheidungsgründe zu dem Ergebnis, dass die nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer gemäß Artikel 14 Nummer 1 Buchstabe a VO (EWG) 1408/71 den Rechtsvorschriften Polens über soziale Sicherheit und damit nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h VO (EWG) 1408/71 auch den polnischen Vorschriften über Familienleistungen, zu denen das Kindergeld beziehungsweise eine vergleichbare ausländische Leistung gehört, unterliegen. Nach Artikel 14 Nummer 1 Buchstabe a VO (EWG) 1408/71, der eine von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a VO (EWG) 1408/71 abweichende Regelung trifft, unterliegt eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaates von einem Unternehmen, dem sie gewöhnlich angehört, im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt wird und die von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsandt wird, weiter den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaates, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit 12 Monate nicht überschreitet, und sie nicht eine andere Person ablöst, für welche die Entsendezeit abgelaufen ist.

    Im Streitfall gilt abweichend von den zitierten Entscheidungen eine andere Vorschrift, welche zu dem Ergebnis führt, dass die Rechtsvorschriften Polens anzuwenden sind. So unterliegt eine Person nach Artikel 14 Nummer 2 Buchstabe b i) VO (EWG) 1408/71 den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet sie wohnt, wenn sie ihre Tätigkeit zum Teil im Gebiet dieses Staates ausübt oder wenn sie für mehrere Unternehmen oder mehrere Arbeitgeber tätig ist, die ihren Sitz oder Wohnsitz im Gebiet verschiedener Mitgliedstaaten haben.

    Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Die Klägerin mit Wohnsitz in Polen war sowohl in Polen ausweislich der hierzu vorgelegten Bescheinigung tätig wie auch für 2 1/2 Monate in Deutschland. Damit war sie für verschiedene Unternehmen oder Arbeitgeber tätig, die ihren Sitz oder Wohnsitz im Gebiet verschiedener Mitgliedstaaten hatten. Bis zum Eintritt der für polnische Arbeitnehmer uneingeschränkt geltenden Freizügigkeit innerhalb der EU ab dem Jahr 2011 war die Klägerin sowohl als Erntehelferin wie auch mit einer weiterhin in Polen bestehenden Beschäftigung in den polnischen Sozialversicherungssystemen abgesichert. Damit wurden die vorrangigen Regelungen Polens durch das Gemeinschaftsrecht als maßgeblich für den Anspruch auf Familienleistungen für die Klägerin bestimmt.

    Wie das Finanzgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 22. Dezember 2008 ausführt, bestünde auch bei einem inländischen Lohnverhältnis gemäß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a VO (EWG) 1408/71 kein Anspruch der Klägerin auf Kindergeld nach deutschen Rechtsvorschriften. Deutsches Kindergeld wäre dann nicht zu leisten, weil nach Anhang I Teil I E ein Arbeitnehmer nur dann Anspruch auf von einem deutschen Träger zu gewährende Familienleistungen hat, wenn er für den Fall der Arbeitslosigkeit im Inland pflichtversichert ist. Diese Voraussetzung liegt bei der Klägerin nicht vor.

    Auch die von der Klägerin angeführten Grundsätze des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Mai 2008 (C-352/06, Bosmann, DStRE 2009, 1251) stehen dem vorgenannten Ergebnis nicht entgegen. Der EuGH hat entschieden, dass dem Wohnsitzstaat, auch wenn der das Kindergeld beanspruchende Arbeitnehmer nach der VO (EWG) 1408/71 nicht dessen Rechtsvorschriften unterliegt, nicht die Befugnis abgesprochen werden kann, den in seinem Gebiet wohnhaften Personen Familienbeihilfen zu gewähren. Dies sollte durch die Verordnung nicht verhindert werden. Ob nach deutschem Recht für diesen Fall ein Anspruch besteht, hat der EuGH der Prüfung der nationalen Gerichte überlassen.

    Danach ist nach dem Wortlaut der §§ 62ff EStG nicht erkennbar, dass deutsches Kindergeldrecht anwendbar ist, wenn nach dem Wortlaut der VO (EWG) 1408/71 die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates Anwendung finden. Ein Anwendungsbefehl zu Gunsten des nationalen Rechts wäre aber zu erwarten, weil die VO (EWG) 1408/71 als überstaatliches Recht den nationalen Rechtsvorschriften vorgeht und deren Anwendungsbereich begrenzt (so die zitierten Urteile des Finanzgerichts Düsseldorf).

    Die Anwendung des deutschen Kindergeldrechts könnte nach der Rechtsprechung möglicherweise dann in Frage kommen, wenn nach der VO (EWG) 1408/71 die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats Anwendung finden, diese aber eine Familienleistung für das Kind nicht vorsehen. Zwar haben vereinzelt Gerichte in einem derartigen Fall eine Familienleistung zugesprochen (Urteil des Finanzgerichtes Niedersachsen vom 24. Januar 2008, 1 K 83/07, EFG 2008, 1570 und Urteil des Finanzgerichts Köln vom 25. September 2008, 10 K 4830/05, juris-Dokument), im Streitfall kommt es jedoch hierauf nicht an, da für die hier betroffenen beiden Kinder der Klägerin in Polen vom 1. Januar 2006 bis 31. August 2006 Kindergeld geleistet wurde.

    Für Zeiträume ab September 2006 wurde zwar gemäß der vorgelegten Bescheinigung E 411 keine dem deutschen Kindergeld vergleichbare polnische Familienleistungen mehr an die Klägerin oder ihren Ehemann geleistet, für diesen Zeitraum unterlag sie allerdings, wie sich aus den nachfolgenden Grundsätzen ergibt, auch nicht mehr den Regelungen der VO (EWG) 1408/71 wegen eines grenzüberschreitenden Sachverhaltes.

    So bestand weder für die Zeiträume vor noch nach der nichtselbständigen Beschäftigung vom 12. April 2006 bis 4. Juli 2006 im Inland für die Klägerin ein Anspruch auf deutsches Kindergeld. In diesen Zeiträumen unterlag die Klägerin unzweifelhaft nur polnischen Rechtsvorschriften. So scheitert für Zeiträume, in denen die Klägerin keiner Tätigkeit in Deutschland nachging, der Kindergeldanspruch daran, dass die Klägerin während dieser Zeiten als Arbeitnehmerin in einem anderen Mitgliedstaat der EU als Deutschland tätig gewesen ist (in Polen). Damit gilt nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a) VO (EWG) 1408/71 das Recht des Beschäftigungsstaates (gemäß den dargestellten Gründen). In diesem Zusammenhang kommt es auf eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht (insbesondere) nach § 1 Absatz 3 EStG nicht an (so auch Finanzgericht Düsseldorf mit Urteil vom 16. März 2010 - 10 K 1829/09 Kg, juris-Dokument).

    Auch wenn die Klägerin in den genannten Zeiträumen überhaupt nicht tätig gewesen sein sollte (auch nicht in Polen), und deswegen nicht die genannte Verordnung sondern nur inländisches deutsches Recht zur Anwendung kommt, besteht kein Kindergeldanspruch. Ausgehend von dieser Sachverhaltsvariante zählt sie nicht zu den Kindergeldberechtigten im Sinne des § 62 Absatz 1 EStG. Nach dieser Vorschrift hat Anspruch auf Kindergeld, wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nach § 1 Absatz 2 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder nach § 1 Absatz 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird.

    Im Streitfall hat die Klägerin nichts dazu vorgetragen, dass sie außerhalb des Beschäftigungszeitraums sich in Deutschland aufgehalten oder ihren Wohnsitz gehabt hätte. § 1 Absatz 2 EStG erfüllt sie nicht, da sie in keinem Dienstverhältnis zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts gestanden hat.

    Auch eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Absatz 3 EStG Verbindung mit § 62 Absatz 1 Nummer 2 EStG löst keine Ansprüche aus. Eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Absatz 3 EStG kann nur für die Zeiträume eine Kindergeldberechtigung begründen, in denen der Steuerpflichtige die für die fiktive Einkommensteuerpflicht nach § 1 Absatz 3 EStG erforderlichen inländischen Einkünfte im Sinne des § 49 EStG erzielt. Die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht entsteht nämlich nach § 1 Absatz 3 Satz 1 2. Absatz EStG nur soweit inländischen Einkünfte im Sinne des § 49 EStG vorliegen. Der Konjunktion „soweit” hat nicht nur konditionale Bedeutung („sofern”), sondern beinhaltet auch ein zeitliches Moment mit der Folge, dass die Einkünfte im Sinne des § 49 EStG den Beginn und das Ende der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 1 Absatz 3 EStG markieren. Diese Sichtweise korrespondiert mit der Rechtsprechung des BFH zum Kinderfreibetrag, wonach bei einer nur für einen Teil des Kalenderjahres bestehenden unbeschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 1 Absatz 1 Satz 1 EStG der Kinderfreibetrag nur für diejenigen Monate zu berücksichtigen ist, in denen die unbeschränkte Steuerpflicht bestanden hat (BFH Urteil vom 14. Oktober 2003 -VIII R 111/01, BFH/NV 2004, 331). Die Rechtslage beim Kindergeld ist die gleiche. Beide Rechtsinstitute sollen alternativ die kinderbedingten finanziellen Belastungen von der Besteuerung freistellen, wobei sowohl für das Kindergeld (§ 66 Absatz 1 EStG) wie auch für den Kinderfreibetrag (§ 32 Absatz 6 Satz 1, 5 EStG) das Monatsprinzip gilt, das heißt Kinderfreibetrag oder Kindergeld werden nur für die Monate gewährt, in denen die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dieses Monatsprinzip gebietet es, die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Absatz 3 EStG, auch wenn sie sich steuerlich (möglicherweise) in einem Jahres-Einkommensteuerbescheid niederschlägt, unter zeitlichen Gesichtspunkten zu begrenzen und exakt ihren Beginn und ihr Ende festzustellen (zum Ganzen das hier zitierte Urteil des FG Düsseldorf vom 16. März 2010 (a.a.O.).

    Auf den Streitfall sind die oben genannten Grundsätze zu übertragen, da auch die Klägerin weder während Zeiten fehlender Beschäftigung im Inland Einkünfte im Inland erzielt hat noch sich hier nachgewiesenermaßen aufgehalten oder einen Wohnsitz innegehabt hat.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Absatz 1 FGO.

    VorschriftenEStG § 62 Abs. 1, EStG § 1