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  • 15.06.2011

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 16.03.2011 – 2 K 1833/10

    1. Hat eine landwirtschaftlich tätige Kapitalgesellschaft zuerst in einem Schreiben an das FA und dann auch noch als Erläuterung zu der mit der Körperschaftsteuererklärung eingereichten Bilanz mitgeteilt, sie werde für das Streitjahr erstmals die Billigkeitsregelung nach R 14 Abs. 2 S. 3 EStR 2007 in Anspruch nehmen und auf die Aktivierung ihres Feldinventars verzichten, wurde das Feldinventar dementsprechend in der Bilanz mit 0 Euro angesetzt und hat das FA die Körperschaftssteuer durch einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid erklärungsgemäß veranlagt, so ist davon auszugehen, dass sich der Vorbehalt der Nachprüfung nur auf den Körperschaftsteuerbescheid bezieht und dass das FA zugleich auch konkludent eine (positive) Billigkeitsentscheidung über den Antrag auf Nichtaktivierung des Feldinventars getroffen hat.

    2. Der Annahme eines gleichzeitigen, mit der Körperschaftsteuerfestsetzung verbundenen Billigkeitserlasses im Sinne von § 163 AO steht auch nicht entgegen, dass die Gewährung einer solchen Billigkeitsmaßnahme sich nicht ausdrücklich aus dem Körperschaftsteuerbescheid ersehen lässt und dass das FA sich möglicherweise nicht im Klaren darüber gewesen ist, eine solche Billigkeitsmaßnahme zu gewähren.

    3. Eine Billigkeitsentscheidung kann nicht unter den Vorbehalt der Nachprüfung gesetzt werden, da mit der Billigkeitsmaßnahme die Steuer erlischt.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 2. Senat unter Mitwirkung von … und … sowie der ehrenamtlichen Richter … und … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 16. März 2011 für Recht erkannt:

    1. Der Körperschaftsteuerbescheid für 2007 vom 24. November 2009 sowie die Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2010 werden dahingehend abgeändert, dass Feldinventar im Wert von EUR 223.538,63 nicht berücksichtigt wird. Die Berechnung wird dem Beklagten übertragen.

    2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    3. Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

    4. Die Revision wird zugelassen.

    5. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin ihr Feldinventar aktivieren muss.

    Die Klägerin betreibt die Erzeugung und Vermarktung von landwirtschaftlichen Produkten aller Art, insbesondere von Getreide und Kartoffeln, sowie aller damit in Zusammenhang stehender Aktivitäten.

    Mit Bescheid vom 13. Februar 2008 (verbunden mit dem Bescheid zur Körperschaftsteuer 2006) setzte der Beklagte die Körperschaftsteuervorauszahlungen für 2007 auf EUR 18.778 fest, wogegen die Klägerin sich mit Schreiben vom 28. März 2008 wie folgt wandte:

    „hiermit teilen wir im Auftrag unseres o.g. Mandanten mit, dass eine Anpassung der Steuervorauszahlung nicht sachgerecht ist. Ab dem Veranlagungszeitraum 2007 nimmt unser Mandant die steuerliche Billigkeitsregelung gem. R 14 Abs. 2 Satz 3 EStR i.V.m. R 34 Satz 2 KStR in Anspruch und verzichtet bei der Einkommensermittlung auf die Bilanzierung des Feldinventars. Die Voraussetzungen hierfür liegen vor. Dies wird zu einer Ergebnisminderung von rd. 220 TEUR führen. Der verbleibende Gewinn ist vollständig durch die bestehenden Verlustvorträge abgedeckt.”

    Eine Änderung des festgesetzten Vorauszahlungsbetrages für 2007 nahm der Beklagte nicht vor.

    Bis zum streitgegenständlichen Jahr bilanzierte die Klägerin ihr Feldinventar, wobei das Geschäftsjahr vom 1. Januar bis 31. Dezember jeden Jahres läuft. In der Bilanz zum 31. Dezember 2007, die sie mit der Körperschaftsteuererklärung für 2007 am 17. Dezember 2008 einreichte, setzte die Klägerin den Wert des Feldinventars mit EUR 0 an und vermerkte Folgendes:

    „Im Berichtsjahr wird erstmalig gemäß R 131 Abs. 2 EStR vom Wahlrecht der Nichtaktivierung des Feldinventars Gebrauch gemacht. Das Feldinventar ist ausgebucht worden. Der nach durchschnittlichen Standardherstellungskosten des Bundesministeriums für Landwirtschaft bewertete Bestand zum Bilanzstichtag beträgt EUR 223.538,63.”

    Der Beklagte folgte den Angaben zur Körperschaftsteuerfestsetzung u.a. auf Grundlage der eingereichten Bilanz und setzte die Körperschaftsteuer mit Bescheid vom 11. März 2009 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. In diesem Bescheid setzte er außerdem die Vorauszahlungen für die Kalenderjahre 2008 bis 2010 fest. Die Erläuterungen des Bescheides befassen sich mit der Festsetzung der Vorauszahlung für 2008.

    In der Zeit vom 9. Februar 2009 bis zum 18. August 2009 führte das Finanzamt für den Beklagten eine Betriebsprüfung bei der Klägerin durch. Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass das Feldinventar zu bilanzieren sei, weil ein Landwirt aufgrund der Bilanzstetigkeit an eine einmal erfolgte Bilanzierung des Feldinventars gebunden sei. Der Beklagte folgte dieser Feststellung und änderte die Körperschaftsteuerfestsetzung für 2007 mit Bescheid vom 24. November 2009 dementsprechend, ohne dass der Bescheid Ausführungen zur Billigkeitsregelung enthält, und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, den der Beklagte, nachdem das Verfahren zunächst wegen eines Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof ausgesetzt war, mit Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2010 als unbegründet zurückwies, weil der Klägerin das Wahlrecht nicht mehr zustehe.

    Die Klägerin trägt vor, dass die Entscheidung des Landwirts, sein Feldinventar nicht zu bilanzieren, eine Billigkeitsmaßnahme der Finanzverwaltung sei. Indem sie bereits mit Schreiben vom 28. März 2008 im Rahmen der Körperschaftsteuervorauszahlungen für 2007 die Billigkeitsentscheidung beantragt habe, habe sie den Bescheid vom 11. März 2009 nicht anders verstehen können, als dass der Beklagte darin eine solche Billigkeitsentscheidung getroffen habe. Hieran sei der Beklagte gebunden, da der Vorbehalt der Nachprüfung sich nicht hierauf beziehen könne.

    Aber auch ansonsten habe sie einen Anspruch auf eine positive Entscheidung. Sie habe mit der Bilanz für 2007 erstmals von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gelte dies nicht nur für den Fall, dass von der Nichtbilanzierung zur Bilanzierung übergegangen werde, sondern auch umgekehrt.

    Die Klägerin beantragt,

    den Körperschaftsteuerbescheid für 2007 vom 24. November 2009 sowie die Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2010 dahingehend abzuändern, dass Feldinventar im Wert von EUR 223.538,63 nicht berücksichtigt wird,

    hilfsweise

    den Beklagten zu verpflichten, die von der Klägerin begehrte Billigkeitsregelung zum Nichtansatz des Feldinventars in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2007 zu gewähren.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte trägt vor, dass er im Bescheid vom 11. März 2009 nicht über die Anwendung der Billigkeitsregelung zum Feldinventar entschieden habe, da es bis dahin am erforderlichen Antrag gefehlt habe. Der entsprechende Vermerk in der Bilanz könne nicht als Antrag gewertet werden.

    Im Übrigen könne die Klägerin das Wahlrecht nicht erneut ausüben, da sie es bereits dahin ausgeübt habe, das Feldinventar zu bilanzieren. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, soweit hier ein Senat etwas Anderes geäußert habe, finde dies keine Anwendung, da es sich um ein orbiter dictum handele.

    Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze, die dem Gericht übersandten Steuerakten sowie das Protokoll vom 16. März 2011 Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist begründet.

    I.

    Die von der Klägerin gestellten (Haupt- und Hilfs-)Anträge sind dahingehend auszulegen, dass sie sich im Wege einer Klagehäufung gemäß § 43 FGO sowohl gegen die Steuerfestsetzung als auch gegen die Ablehnung einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO i.V.m. R 14 Abs. 2 Satz 3 EStR wendet. Die Entscheidung über eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden (§ 163 Satz 3 AO). Die Entscheidung über einen Billigkeitsantrag ist zwar Gegenstand eines besonderen Verwaltungsverfahrens, von einer Verbindung beider Verfahren im Wege einer objektiven Klagehäufung ist jedoch auszugehen, wenn der Kläger im Einspruchs- und im Klageverfahren ausdrücklich auch einen Anspruch auf eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen geltend gemacht und das Finanzamt darüber entschieden hat (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. März 2010, BFH/NV 2010, 1157). Im vorliegenden Fall wendet sich die Klägerin sowohl gegen die Steuerfestsetzung, weil dem Beklagten keine Änderung des Bescheides vom 11. März 2009 nach § 164 AO möglich sei, als auch – hilfsweise – dagegen, dass der Antrag auf Billigkeitsentscheidung rechtswidrig abgelehnt worden sei.

    II.

    1. Der Beklagte konnte den Bescheid vom 11. März 2009 nicht nach § 164 AO ändern, soweit er die Nichtbilanzierung des Feldinventars rückgängig gemacht hat.

    Nach der Richtlinie 14 Abs. 2 Satz 3 und 4 EStR ab 2006 kann bei landwirtschaftlichen Betrieben mit jährlicher Fruchtfolge von einer Aktivierung des Feldinventars und der stehenden Ernte aus Billigkeitsgründen abgesehen werden. Hierin sieht die Rechtsprechung seit dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 6. April 2000 (IV R 38/99, BFHE 191, 527, BStBl II 2000, 422) eine Billigkeitsentscheidung.

    Trifft das Finanzamt aufgrund eines Antrages die Billigkeitsentscheidung gemäß § 163 AO, so liegt darin ein Grundlagenbescheid hinsichtlich der Steuerfestsetzung (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16. März 2004, VIII R 33/02, BFHE 205, 270, BStBl II 2004, 927). Zwar handelt es sich bei der Steuerfestsetzung und der Entscheidung über die Billigkeit um zwei getrennte Verfahren, die aber äußerlich – wie hier zumindest auch aus Sicht des Beklagten im Bescheid vom 24. November 2009 – verbunden sein können (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16. März 2004, a.a.O., m.w.N.).

    Der Bescheid vom 11. März 2009 enthält auch eine Entscheidung zur Billigkeitsregelung nach der Richtlinie 14 Abs. 2 Satz 3 und 4 EStR ab 2006. Bei der Auslegung des Inhalts eines Verwaltungsaktes kommt es nicht darauf an, was die Finanzbehörde aussagen wollte, sondern auf das, was der Empfänger zulässigerweise aufgrund der Umstände als materiellen Gehalt unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen durfte (Klein, AO-Kommentar, 10. Auflage, § 119, Rdnr. 5 m.w.N.). Hier durfte die Klägerin den Bescheid vom 11. März 2009 – auch im Zusammenhang mit ihrem Schreiben vom 28. März 2008 – dahingehend verstehen, dass der Beklagte auch über die Billigkeitsregelung zur Bilanzierung des Feldinventars entschieden hat. Der Annahme eines Billigkeitserlasses im Sinne von § 163 AO, die gleichzeitig mit der Körperschaftsteuerfestsetzung vom 11. März 2009 gewährt worden ist, steht im Streitfall nicht entgegen, dass die Gewährung einer solchen Billigkeitsmaßnahme im Streitfall sich nicht ausdrücklich aus dem Körperschaftsteuerbescheid ersehen lässt. Es steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte sich möglicherweise nicht im Klaren darüber gewesen ist, eine solche Billigkeitsmaßnahme zu gewähren (Urteil des Finanzgerichts Münster vom 31. Mai 2001, 6 K 5014/98, EFG 2001, 1342 und des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. Juni 2007, 6 K 5364/03, zitiert nach juris). Eine Billigkeitsmaßnahme erfordert zwar eine Begründung, die bei einer Verbindung beider Entscheidungen zumindest in den Erläuterungen des Steuerfestsetzungsbescheides zum Ausdruck kommen sollte, es kann aber auch ausreichen, wenn im Wege der Auslegung die Feststellung möglich ist, im welchem Umfang von der Steuerfestsetzung abgewichen wurde (Tipke/Kruse, AO-Kommentar, § 163 Rdnr. 25). Eine solche Auslegung ergibt hier, dass nur dann, wenn der Beklagte eine solche Billigkeitsentscheidung getroffen hat, sich die Höhe der festgesetzten Steuer ergibt. Bei der Berücksichtigung des Feldinventars hätte sich ein höherer Steuerbetrag ergeben. Aus Sicht der Klägerin lag daher zum einen eine Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung vor und zum anderen eine Entscheidung über die Billigkeitsregelung. Zwar muss die Finanzverwaltung im Regelfall einer Entscheidung nach § 163 AO Ermessen ausüben, dessen Grundlagen dem Steuerpflichtigen bekannt zu geben sind. Bei der Billigkeitsregelung aufgrund der Richtlinie 14 Abs. 2 Satz 3 und 4 EStR besteht aber die Besonderheit, dass das Ermessen der Finanzverwaltung auf Null reduziert ist, wenn der Antrag aus dem genannten Personenkreis stammt und das Wahlrecht erstmals in Richtung auf die Nichtbilanzierung geltend gemacht wird. Dass eine solche Begründung in diesen Fällen nicht zwingend erforderlich ist, sieht offenbar auch der Beklagte so. Dieser hat aus seiner Sicht zumindest mit Bescheid vom 24. November 2009 über den Antrag auf Billigkeitsregelung entschieden und ihn abgelehnt, ohne dass er diese Entscheidung begründet hat oder sonst ausdrückliche Erläuterungen ersichtlich sind.

    Eine Billigkeitsentscheidung kann nicht unter den Vorbehalt der Nachprüfung gesetzt werden (Klein, a.a.O., § 163, Rdnr. 111), da mit der Billigkeitsmaßnahme die Steuer erlischt (Tipke/Kruse, a.a.O., Rdnr. 26). Der Vorbehalt der Nachprüfung konnte daher nur die Steuerfestsetzung betreffen, für die wiederum die Billigkeitsentscheidung ein Grundlagenbescheid ist, so dass § 164 AO dem Beklagten wegen der Bilanzierung der Feldfrüchte keine Änderungsmöglichkeit einräumt.

    2. Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass bei Bescheidung des Hilfsantrages die Klage wegen der aktuellen Rechtsprechung (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. März 2010, IV R 23/07, BFHE 228, 526, BFH/NV 2010, 1157 und Urteil des Finanzgerichts Münster vom 1. Juli 2010, 6 K 2727/09, EFG 2010, 1873, nicht rechtskräftig) wohl unbegründet gewesen wäre.

    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO und diejenige über die notwendigen Kosten des Vorverfahrens auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

    Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 FGO wegen der Frage einer konkludenten Entscheidung über einen Antrag nach § 163 AO verbunden mit der Steuerfestsetzung zuzulassen.

    VorschriftenKStG § 8 Abs. 1, EStG § 5 Abs. 1, AO § 163, AO § 164, BGB § 133