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  • 09.03.2011

    Finanzgericht des Saarlandes: Urteil vom 22.07.2008 – 2 K 1074/08

    Ein mit seiner Familie in Polen lebender und von seinem polnischem Arbeitgeber nach Deutschland entsendeter, im Inland nicht länger als zwölf Monate beschäftigter polnischer Staatsangehöriger, der in Polen sozialversichert ist, hat gem. Art. 14 Abs. 1 Buchst. a Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 keinen Anspruch auf Kindergeld in Deutschland.


    Urteil

    Im Namen des Volkes

    In dem Rechtsstreit

    hat der 2. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes in Saarbrücken durch den Vizepräsidenten des Finanzgerichts Dr. Peter Bilsdorfer als Berichterstatter am 22. Juli 2008

    für Recht erkannt:

    Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

    Tatbestand

    Der Kläger, ein Staatsangehöriger des Landes E, ist der Vater der am 19. September 2006 geborenen Tochter C (KiG, Bl. 1). Er streitet mit der Beklagten um die Berechtigung zum Erhalt von Kindergeld für den Zeitraum November 2006 bis Oktober 2007.

    Der Kläger war im streitigen Zeitraum bei einem Arbeitgeber aus E beschäftigt, der ihn zur Arbeit nach Deutschland entsandte (KiG, Bl. 4, 8). Berufsbedingt hielt sich der Kläger im Inland vom 1. November 2006 bis 31. Oktober 2007 auf. Währenddessen war er im Land E sozialversichert (KiG, Bl. 8).

    Am 21. November 2007 stellte der Kläger einen Antrag auf Kindergeld (KiG, Bl. 1), den die Beklagte mit Bescheid vom 3. Januar 2008 unter Hinweis auf die Kindergeldberechtigung des Klägers in E zurückwies (KiG, Bl. 15). Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 16. Januar 2008 Einspruch ein (KiG, Bl. 17). Den Einspruch wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2008 als unbegründet zurück (KiG, Bl. 18).

    Am 25. Februar 2008 hat der Kläger Klage gegen die Familienkasse D erhoben (Bl. 1). Mit Schriftsatz vom 28. März 2008 (Bl. 27) hat der Kläger die Angabe der Beklagten (nunmehr: Familienkasse Saarbrücken) geändert. Er hat angegeben, infolge eines Büroversehens seines Bevollmächtigten sei das Passivrubrum eines anderen Verfahrens verwandt worden (Bl. 37).

    Der Kläger beantragt sinngemäß (Bl. 28),

    ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Januar 2008 in Form der Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2008 Kindergeld für seine Tochter C für den Zeitraum November 2006 bis Oktober 2007 zu bewilligen.

    Der Kläger macht geltend, das Kindergeld stehe ihm zu, weil die Voraussetzungen des § 62 EStG erfüllt seien. Der Anspruch sei auch nicht nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen, da ein etwaiger vergleichbarer Anspruch in E nach der VO (EWG) 574/72 ruhen würde.

    Die Beklagte beantragt (Bl. 61),

    die Klage als unbegründet abzuweisen.

    Er verweist auf die Regelung des Art. 14 Ziff. 1a VO (EWG) 1408/71. Danach gelte im Streitfall wegen der Entsendung des Klägers nicht das Beschäftigungslandprinzip.

    Beide Beteiligte haben sich mit der Entscheidung durch den Berichterstatter (§ 79a Abs. 3, 4 FGO) einverstanden erklärt (Bl. 3, 63).

    Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Akten der Beklagten Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig, da dem Kläger hinsichtlich der Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) zu gewähren war. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger besitzt keinen Anspruch auf Zahlung von Kindergeld.

    1. Rechtsgrundlagen

    Nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. a VO (EWG) 1408/71 gilt grundsätzlich folgendes: Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaates abhängig beschäftigt ist, unterliegt – unabhängig vom Wohnsitz und dem Betriebssitz des Arbeitgebers – den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates (hier also den Kindergeld-Regelungen Deutschlands). Es ist unerheblich, ob es sich dabei um ein befristetes oder unbefristetes Beschäftigungsverhältnis handelt.

    Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH handelt es sich bei Titel II der VO (EWG) 1408/71, zu dem Art. 13 gehört, um ein vollständiges und einheitliches System von Kollisionsnormen, das Arbeitnehmer, die innerhalb der Gemeinschaft grenzüberschreitend tätig werden, dem System der sozialen Sicherheit nur eines Mitgliedstaats unterwerfen soll, um die Kumulierung anwendbarer nationaler Rechtsvorschriften und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, zu vermeiden (vgl. Urteile vom 3. Mai 1990 C-2/89, Kits van Heijningen, Slg. 1990, I-1755; vom 13. März 1997 C-131/95, Huijbrechts, Slg. 1997, I-1409, und vom 11. Juni 1998 C-275/96, Kuusijärvi, Slg. 1998, I-3419). Der europäische Verordnungsgeber hat sich für den Grundsatz entschieden, dass eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staats unterliegt, und zwar auch, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat wohnt. Nach Art. 73 VO (EWG) 1408/71 hat der Arbeitnehmer für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften seines Beschäftigungsstaats, als ob die Familienangehörigen im Gebiet dieses Staats wohnten. Nur durch den Anschluss des Arbeitnehmers an ein einziges System der sozialen Sicherheit kann der Zweck der Verordnung erreicht werden, das anwendbare System für den Arbeitnehmer vorhersehbar zu machen und somit ihm gegenüber Rechtssicherheit zu gewähren (EuGH-Urteil vom 10. Februar 2000 C-202/97, Fitzwilliam Executive Search Ltd., Slg. 2000, I-883).

    Von diesem Grundsatz der Bindung des Arbeitnehmers an das Sozialsystem seines Beschäftigungsstaats lässt die VO (EWG) 1408/71 nur wenige, ausdrücklich angeordnete Ausnahmen zu. Für eine kurzfristige Beschäftigung des Arbeitnehmers in einem anderen Mitgliedstaat befindet sich eine Ausnahmeregelung in Art. 14 Abs. 1 Buchst. a VO (EWG) 1408/71. Danach unterliegt eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats von einem Unternehmen, dem sie gewöhnlich angehört, abhängig beschäftigt wird und die von diesem Unternehmen in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsandt wird, weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet. Eine Entsendung wird nach der Rechtsprechung des EuGH aber nur dann angenommen, wenn der Arbeitnehmer während seiner kurzfristigen Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat noch eine arbeitsrechtliche Bindung zu dem Unternehmen mit Betriebsstätte im ersten Mitgliedstaat hat und diesem Unternehmen untersteht (EuGH-Urteile vom 5. Dezember 1967 C-19/67, van der Vecht, Slg. 1967, 462, und vom 17. Dezember 1970 C-35/70, Manpower, Slg. 1970, 1251; s.a. BFH vom 31. März 2008 III B 132/07, juris).

    2. Anwendung im Streitfall

    Dementsprechend war der Kläger, der in E (und nicht im Inland) sozialversichert war und im Inland nicht länger als zwölf Monate beschäftigt war, im Inland nicht kindergeldberechtigt. Folglich war die Klage als unbegründet abzuweisen.

    3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach § 135 Abs. 1 FGO der Kläger.

    Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter (§ 79a Abs. 3, 4 FGO).

    VorschriftenEStG 2002 § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, EWGV 1408/71 Art. 14 Abs. 1 Buchst. a, EWGV 1408/71 Art. 73, EWGV 1408/71 Art. 13, EStG 2002 § 62 Abs. 1