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  • 02.03.2011

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 15.12.2010 – 10 K 2061/05 E

    1) Fallen bei Veräußerung von Kapitalbeteiligungen im Privatvermögen nur geringe Einnahmen an, die zur Hälfte gem. § 3 Nr. 40 Buchst. c) EStG steuerfrei sind, greift das Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG für einen Veräußerungsverlust ein.

    2) Das Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG ist verfassungsgemäß.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat der 10. Senat in der Besetzung: Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richter … ehrenamtliche Richterin … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 15.12.2010 für Recht erkannt:

    Tatbestand:

    Streitig ist die Anwendung des § 3c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf den Verlust aus der Veräußerung von GmbH-Anteilen zu einem Kaufpreis von EUR 2.000.

    Die Kläger wurden für das Streitjahr 2002 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

    Die Klägerin gründete am 24.1.2001 die am 9.4.2001 unter der Nr. HRB 14784 im Handelsregister des Amtsgerichts A-Stadt eingetragene XXXX Vermögensberatung GmbH (im Folgenden: GmbH), übernahm das gesamte Stammkapital von EUR 25.000,– und zahlte es vollständig ein. Gegenstand der GmbH, die im Herbst 2002 ihren Geschäftsbetrieb einstellte, war die Vermittlung von Immobilien und Leasing-Verträgen.

    Mit notariellen Kauf- und Abtretungsvertrag vom 27.12.2002 (Urkundenrolle Nr. 594/2002 des Notars Nnnn in A-Stadt) teilte die Klägerin ihren Geschäftsanteil von EUR 25.000,– in zwei Geschäftsanteile von jeweils EUR 12.500,– und veräußerte anschließend mit dinglicher Wirkung zum 31.12.2002 die geteilten Geschäftsanteile für jeweils EUR 1000,– an 2 Erwerber.

    In der Einkommensteuererklärung für 2002 machten die Kläger einen Verlust der Klägerin aus der Veräußerung ihrer GmbH-Anteile in Höhe von EUR 23.000,– gemäß § 17 EStG geltend, den sie unter Ansatz von EUR 25.000,– Anschaffungskosten und EUR 2.000,– Veräußerungserlösen ermittelten.

    Der Beklagte berücksichtigte mit Einkommensteuerbescheid vom 27.2.2004 unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens lediglich einen Verlust von EUR 11.500,–. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

    Mit der Klage begehren die Kläger weiterhin, den Verlust aus der Veräußerung der GmbH-Beteiligungen in voller Höhe von EUR 23.000 zum Abzug zuzulassen.

    Sie vertreten die Auffassung, der hälftige Abzug des Verlustes auf Grund von § 3c Abs. 2 EStG verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). § 3 Nr. 40 EStG stelle keine echte Steuerbefreiung dar, da die hälftige Steuerbefreiung nur die körperschaftsteuerliche Vorbelastung der Beteiligungserträge kompensieren solle. Der eingeschränkte Ausgabenabzug sei insoweit nicht folgerichtig, verstoße gegen das Nettoprinzip und führe bei lediglich geringen Einnahmen wegen des „Fallbeileffektes” zu einer Verletzung der vertikalen Steuergerechtigkeit und zu einer Übermaßbesteuerung. Die Erhöhung des Einkommens vor Steuern dürfe das Nachsteuereinkommen nicht verringern. Insoweit sei bei verfassungskonformer Auslegung der Veräußerungsverlust in voller Höhe zu berücksichtigen.

    Der Beklagte hat am 19.10.2005 nach im Zuge einer Lohnsteueraußenprüfung festgestellter und nacherklärter (Gehalts-)Zahlungen der GmbH an die Klägerin, die in Höhe von EUR 4.920,– eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen, einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2002 erlassen, der gemäß § 68 Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens geworden ist.

    Die Kläger beantragen,

    unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2002 vom 19.10.2005 den Verlust aus der Veräußerung der Geschäftsanteile an der GmbH mit dem vollen Betrag von EUR 23.000,– bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb in Ansatz zu bringen,

    hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen,

    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er meint, der Verlust aus der Veräußerung der GmbH-Anteile sei zutreffend nur zur Hälfte angesetzt worden. Nach § 3 Nr. 40 EStG sei die Hälfte des Veräußerungspreises i.S.d. § 17 Abs. 2 EStG steuerfrei. Insoweit seien gemäß § 3c Abs. 2 EStG auch die Anschaffungskosten nur zur Hälfte anzusetzen. An der Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften bestünden keine Zweifel.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Steuerakten Bezug genommen.

    Gründe:

    Die Klage ist unbegründet.

    Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2002 vom 19.10.2005 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

    Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass auf den von der Klägerin im Streitjahr realisierten Veräußerungsverlust im Sinne von § 17 Abs. 1, 2 EStG in Höhe von EUR 23.000,– das Halbeinkünfteverfahren im Sinne von §§ 3 Nr. 40, 3c Absatz 2 EStG anzuwenden ist mit der Folge, dass der Verlust steuerlich nur zur Hälfte berücksichtigungsfähig ist.

    Nach § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 EStG in der für 2002 geltenden Fassung gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer – wie im Streitfall die Klägerin – innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 vom Hundert beteiligt war. Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG).

    1. Im Streitfall beträgt der Veräußerungspreis der Anteile insgesamt EUR 2.000,–; er ist lediglich in Höhe von EUR 1.000,– steuerpflichtig. Denn nach § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG in der für 2002 geltenden Fassung ist der „Veräußerungspreis” im Sinne des § 17 Abs. 2 EStG zur Hälfte steuerfrei. Diese Vorschrift betrifft Veräußerungen von Kapitalbeteiligungen, welche wie hier Privatvermögen sind.

    2. Die Anschaffungskosten der veräußerten Anteile betragen insgesamt EUR 25.000,–; sie sind lediglich in Höhe von EUR 12.500,– abzuziehen.

    Nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG in der für 2002 geltenden Fassung dürfen Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die mit den dem § 3 Nr. 40 zugrunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zur Hälfte abgezogen werden. Entsprechendes gilt, wenn bei der Ermittlung der Einkünfte der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am Betriebsvermögen oder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der an deren Stelle tretende Wert mindernd zu berücksichtigen sind.

    Dieses Halbabzugsverbot greift hier hinsichtlich der Anschaffungskosten der Anteile an der GmbH ein, da sie mit dem nach § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG zur Hälfte steuerfreien Veräußerungspreis im Sinne von § 17 Abs. 2 EStG in Zusammenhang stehen.

    Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den BFH-Urteilen vom 25.06.2009 IX R 42/08, BFHE 225, 445, BStBl II 2010, 220 und vom 14.07.2009 IX R 8/09, BFH/NV 2010, 399 sowie dem BFH-Beschluss vom 18.03.2010 IX B 227/09, BFHE 229, 177, BStBl II 2010, 627.

    In diesen Entscheidungen hat der BFH streng nach dem Wortlaut des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG lediglich entschieden, dass das Halbabzugsverbot zumindest dann nicht anzuwenden sei, wenn dem Steuerpflichtigen keine nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfreien Einnahmen, z.B. offene oder verdeckte Gewinnausschüttungen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, Einnahmen aus der Veräußerung von Anteilen an Körperschaften, ein Veräußerungspreis oder Aufgabegewinn i. S. des § 16 Abs. 2, 3 EStG, soweit ein solcher Betrag auf die Veräußerung oder Aufgabe von Anteilen an Kapitalgesellschaften entfalle, zuflössen. Fielen keine Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen an, komme eine hälftige Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 EStG nicht in Betracht. Folgerichtig trete die nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG maßgebende Bedingung dafür, entsprechende Aufwendungen nur zur Hälfte zu berücksichtigen, nicht ein. Denn in diesem Fall fehle – wie dies § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG schon dem Wortlaut nach für die hälftige Kürzung verlange – der wirtschaftliche Zusammenhang mit lediglich zur Hälfte anzusetzenden Einnahmen. Mangels Zuflusses von Einnahmen komme § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nicht zur Anwendung; mithin sei der Erwerbsaufwand in vollem Umfang abziehbar. Dies entspreche dem Gesetzeszweck des Halbabzugsverbots, eine Doppelbegünstigung auszuschließen.

    Ein solcher Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Denn anders als in den vom BFH entschiedenen Fällen hat die Klägerin vorliegend in Gestalt der Veräußerungspreise von insgesamt EUR 2.000,– dem § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG unterfallende Einnahmen erhalten. Mit dem Zufluss dieser zur Hälfte steuerfreien Einnahmen ist das Halbabzugsverbot auf die Anschaffungskosten i. S. des § 3c Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz EStG anzuwenden (ebenso selbst bei geringfügigen Einnahmen: Bron/Seidel, DStZ 2009, 859, 862; Intemann, GStB 2009, 348, 349 f.; Kaufmann/Stolte, FR 2009, 1121, 1125; Korn, DStR 2009, 2509, 2512; vgl. Naujok, BB 2009, 2128). Eine sog. Bagatellgrenze enthält das Gesetz nicht (vgl. Kaufmann/Stolte, FR 2009, 1121, 1125). Nach dem Wortlaut des § 3c Abs. 2 EStG ist zudem keine verhältnismäßige Aufteilung möglich (vgl. Bron/Seidel, DStZ 2009, 859, 862 f.).

    Der Senat verkennt nicht, dass ein Veräußerungspreis in Höhe von EUR 2.000 die ursprünglichen Anschaffungskosten unterschreitet. Jedoch schließt allein der Umstand, dass die Klägerin aus der Veräußerung einen Verlust erlitten hat, die Anwendung des § 3c Abs. 2 EStG nicht aus. Denn nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG kommt es korrespondierend mit § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG allein darauf an, ob Einnahmen anfallen, nicht hingegen darauf, ob die damit in wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Aufwendungen die Einnahmen unter- oder überschreiten. Denn das Gesetz stellt in § 3 Nr. 40 Buchstabe c EStG die Hälfte des Veräußerungspreises (= Einnahmen) und nicht etwa einen etwaigen Gewinn steuerfrei und zieht umgekehrt in § 3c Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz EStG die mit den Einnahmen in wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Aufwendungen ebenfalls nur zur Hälfte ab.

    3. Die Anwendung des in § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG geregelten Halbabzugsverbot verstößt bei den hier zu beurteilenden Einnahmen i.S. des § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG nicht gegen die Verfassung.

    Anders als bei mit laufenden Einnahmen i.S. § 3 Nr. 40 Buchst. d bis i EStG zusammenhängenden Ausgaben wird das objektive Nettoprinzip nichtverletzt, soweit es um Veräußerungsvorgänge i.S. von § 3 Nr. 40 Buchst. a bis c, j EStG geht. Bei diesen Veräußerungsvorgängen ist der in § 3c Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz EStG vorgeschriebene nur hälftige Abzug der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vor dem Hintergrund des Halbeinkünfteverfahrens und auch des Nettoprinzips folgerichtig. Wird der Veräußerungspreis, der im Regelfall die erzielten Wertsteigerungen widerspiegelt, nur zur Hälfte steuerrechtlich berücksichtigt, kann ihm auch nur die Hälfte der korrespondierenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten gegenübergestellt werden (ebenso BFH-Urteile vom 27.10.2005 IX R 15/05, BStBl II 2006, 171, vom 19.6.2007 VIII R 69/05, BStBl II 2008, 551 sowie BFH-Beschlüsse vom 5.2.2009 VIII B 59/08, DStRE 2009, 641 und vom 18.3.2010 IX B 227/09, BFH/NV 2010, 1021).

    Dass sich die bei erzielten Wertsteigerungen für den Steuerpflichtigen günstige Regelung in Verlustfällen, z.B. wenn wie hier der Veräußerungspreis unter den Anschaffungs- oder Herstellungskosten liegt, ungünstig auswirkt, ist auf Grund der unter dem Gesichtspunkt der Vereinfachung bestehenden Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis des Gesetzgebers nicht zu beanstanden. Auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgebotes des Art. 3 GG ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen.

    Schließlich verstößt die nur hälftige Berücksichtigung des von der Klägerin erlittenen Verlustes nicht gegen die verfassungsrechtlich gebotene Einkommensbesteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit. Verfassungsrechtlich ist der Gesetzgeber nicht gehalten, Verluste, die aus der Veräußerung einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung resultieren, steuerlich in vollem Umfang zu berücksichtigen. Die Erstreckung des Halbeinkünfteverfahrens auch auf Veräußerungserlöse und damit einhergehend die nur hälftige Berücksichtigung der damit zusammenhängenden Aufwendungen rechtfertigt sich vor diesem Hintergrund aus der Grundentscheidung des Gesetzgebers, Gewinne aus Anteilsveräußerungen im Rahmen einer typisierenden Betrachtung in gleicher Weise wie Gewinnausschüttungen zu besteuern (vgl. Urteile des FG Rheinland-Pfalz vom 23.07.2008, 2 K 2628/06, EFG 2008, 1602; des FG Düsseldorf vom 9.7.2010 1 K 337/07 E, EFG 2010, 1676).

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der FGO.

    Auf den Antrag zu 2 war angesichts der Kostenentscheidung nicht mehr einzugehen.

    Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen. Ob § 3c Abs. 2 EStG in den Fällen des § 17 Abs. 1 EStG anwendbar ist, wenn es bei Zahlung eines Veräußerungspreises zu einem Veräußerungsverlust kommt, ist – worauf der BFH in seinem Beschluss in BFHE 229, 117, BStBl II 2010, 627 ausdrücklich hinweist – höchstrichterlich bisher nicht entschieden.

    VorschriftenEStG § 3 Nr 40 Buchst. c), EStG § 3c Abs 2