26.01.2011
Finanzgericht München: Urteil vom 09.11.2010 – 6 K 2523/08
1. Verkauft ein Versicherungsvermittler seine Provisionsforderungen gegenüber der Versicherung im Rahmen unechter Factoringverträge mit einer Laufzeit von 36 Monaten, sind die erlangten Kreditmittel, die in keinem Zusammenhang mit einem konkreten laufenden Geschäftsvorfall und damit zur freien Verfügung stehen, als Dauerschulden gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG 1991 dem Gewerbekapital hinzuzurechnen. Eine Verknüpfung zwischen Factoring und finanziertem Grundgeschäft lässt sich weder daraus ableiten, dass sich die erlangte Factoringausschüttung aus der Höhe und der Summe der angekauften Provisionsansprüche berechnet, noch daraus, dass die künftigen Provisionforderungen zur Sicherung der Factoringschulden und erfüllungshalber abgetreten werden.
2. Das gilt ebenso für den Stornorückbehalt des Versicherungsvermittlers gegenüber den für das Unternehmen tätigen Vermittlern, der nach 36 Monaten fällig wird und bis dahin uneingeschränkt der Verstärkung des Betriebskapitals dient.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In der Streitsache
hat der 6. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung […] auf Grund mündlicher Verhandlung vom 9. November 2010
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Streitig ist, ob Kreditmittel aus unechten Provisions-Factoringverträgen und ein Stornorückbehalt gegenüber Mitarbeitern als Dauerschulden zu behandeln sind.
Die Klägerin betrieb im Streitjahr die Vermittlung von Versicherungen aller Art. Sie arbeitete im Streitjahr mit der X GmbH (nachfolgend: X) und der Y Provisions-Factoring-GmbH (nachfolgend: P) zusammen. Grundlage dieser Zusammenarbeit war insbesondere die Rahmenvereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen X, P und der Klägerin.
Die Klägerin bot als Vertriebsgesellschaft über ihre Vermittler ihren Versicherungskunden Versicherungsprodukte der X an. Für die erfolgreiche Vermittlung stand der Klägerin eine Vergütung zu, die in der Regel auf die Beitragsraten der ersten drei Versicherungsjahre (in 36 Monatsraten) von der X zahlbar war. Diese Vergütungen wurden von der Klägerin zum Teil als Provisionen an die Vermittler weitergegeben.
Zur Vorfinanzierung ihrer Vergütung verkaufte die Klägerin ihre Provisionsforderung an P. Dabei wurden die gesamten Provisionen – sowohl der den Vermittlern zustehende Teil sowie der der Klägerin verbleibende Teil – vorfinanziert. Deshalb schlossen auch die Vermittler der Klägerin und P Provisions-Factoring-Rahmenverträge ab. Auf der Basis dieser Rahmenverträge wurden dann sog. Einzelkaufverträge über konkrete Vergütungsansprüche, die nach bestimmten Kriterien (z. B. Vertragsbeginn, Versicherungsprodukt, Land) zusammengefasst waren, zwischen P und der Klägerin und Sammelkaufverträge, die mehrere Vermittler mit sämtlichen Provisionsansprüchen betreffen, zwischen den Vermittlern und P abgeschlossen. Dabei wurde für jeden Vergütungsanspruch das zugrunde liegende Vermittlungsgeschäft mit dem Kunden dokumentiert. Den Kaufpreis berechnete P nach einem von ihr erstellten sog. Ausschüttungstableau. Unter Einbehalt eines Sicherheitsabschlags von max. 30 % (im Streitjahr 24,5 %) wurde dann der Kaufpreis – auch soweit die Provisionen der Vermittler vorfinanziert wurden – an die Klägerin weitergeleitet. Die Klägerin trat demgegenüber alle künftigen Provisionsansprüche aus den dem Factoringvertrag zugrunde liegenden Vermittlungsgeschäften an die P ab. Ebenso übertrugen die Vermittler ihre Provisionsansprüche gegenüber der Klägerin auf P. Vertragsgemäß trug die Klägerin das Bonitätsrisiko. Die Klägerin haftete zusätzlich für den rechtlichen Bestand der Provisionsforderungen und für den fristgerechten Zahlungseingang der Provisionen bei P. Bis zur vollständigen Tilgung der Darlehen wurden von P monatliche Factoringabrechnungen erstellt, die auch die zugrundeliegenden Grundgeschäfte erkennen lassen. In der Bilanz zum 31.12.1996 passivierte die Klägerin aufgrund von Factoringverträgen betreffend eigene Provisionsansprüche Verbindlichkeiten in Höhe von 400.914 DM.
Die auf die Vermittler entfallenden und durch das vorgenannte Factoringverfahren vorfinanzierten Provisionen unterlagen entsprechend den Provisionsbestimmungen der Klägerin einer sog. Stornohaftung, deren regelmäßige Dauer im streitgegenständlichen Jahr im Lebensversicherungsbereich bei 36 Monaten lag. Um diese Stornohaftung abzusichern, wurde den Vermittlern deren Anteil an der Abschlussprovision nicht in voller Höhe ausbezahlt, sondern durchschnittlich 20 % des Provisionsanspruchs als nicht zu verzinsende sog. Stornoreserve einbehalten. Bei einer Stornoreserve von insgesamt 10.000 DM und einer Stornoquote von weniger als 10 % wurde die Stornoreserve solange ausgesetzt, wie die vorgenannten Bedingungen weiterhin erfüllt waren. Die so gebildetete Stornoreserve hatte das Ziel, dass die Provisionskonten der Vermittler im Falle von Vertragsstornierungen sowie der hiermit verbundenen Rückbelastung der Abschlussprovision nicht negativ würden. In der Bilanz zum 31.12.1996 passivierte die Klägerin aufgrund von Factoringverträgen ihrer Vermittler eine Verbindlichkeit „Stornorückbehalt gegenüber Mitarbeitern” in Höhe von 280.625,53 DM. Die Verbindlichkeiten hatten eine Laufzeit von grundsätzlich drei Jahren.
Die Klägerin behandelte die Kreditmittel aus diesen Factoringverträgen zunächst teilweise als Dauerschulden und erklärte in der Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr Dauerschulden in Höhe von 400.914 DM und die Factoringgebühren in Höhe von 362.253 DM als Dauerschuldzinsen. Das FA erließ den Gewerbesteuermessbescheid 1997 gemäß der Erklärung der Klägerin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Im Bescheid auf den 1. Januar 1997 über den Einheitswert des Betriebsvermögens wurden die Beträge von 400.914 DM und 280.625,53 DM als Schuldposten berücksichtigt.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung beantragte die Klägerin nunmehr, die Verbindlichkeiten aus den Factoringgeschäften mit P sowie die Factoringzinsen nicht mehr bei der Gewerbesteuer zuzurechnen, da es sich um Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs handele.
Das FA folgte dieser Auffassung im nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1997 nicht. Nach telefonischem Verböserungshinweis erhöhte das FA in seiner Einspruchsentscheidung den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1997. Neben der Hinzurechnung der Verbindlichkeiten gegenüber P setzte das FA dabei auch die Stornorückbehalte gegenüber den Mitarbeitern in Höhe von 280.625,53 DM als Dauerschulden an. Zur Begründung führte es aus, dass es sich bei den Factoringgebühren nicht um Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs handele. Die Fremdmittel würden allgemein zur Abdeckung der Aufwendungen des Betriebs (Kosten der Geschäftsleitung, Schulungskosten, Löhne, Verwaltungskosten) eingesetzt und stünden nicht im Zusammenhang mit einzelnen Geschäftsvorfällen. Die Mittel dienten der allgemeinen Verstärkung des Betriebskapitals. Ebenso seien die Stornorückbehalte gegenüber den Mitarbeitern als Dauerschulden anzusehen.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, dass die Verträge zwischen ihr und P als unechte Factoringverträge zu qualifizieren seien. Die im Rahmen dieser unechten Factoringgeschäfte gewährten Kredite seien aber nicht als Dauerschulden zu bewerten. Bei Durchführung eines Versicherungsvertrages ohne Vertragsstorno bestehe eine präzise tatsächliche, rechtliche und wirtschaftliche Verknüpfung zwischen Factoring und finanziertem Grundgeschäft. Der der Klägerin zur Verfügung gestellte Darlehensbetrag entspreche der Höhe und Summe nach den monatlichen Provisionsansprüchen aus dem Grundgeschäft. Die Tilgung erfolge durch eben diese Provisionsansprüche. Es bestehe somit eine enge Verknüpfung, auch weil der monatliche Provisionsbetrag wegen der Abtretung direkt an P abgeführt werde. So habe der Bundesfinanzhof (BFH) Verbindlichkeiten dem laufenden Geschäftsverkehr zugerechnet, wenn sie der Vorfinanzierung von entstandenen Forderungen dienten (Hinweis auf die Urteile vom 17. März 1959 I 171/58 U, BStBl III 1960, 49; vom 24. Januar 1990 I R 54/86, BFH/NV 1991, 406 und vom 30. Juli 1997 I R 55/96, BStBl II 1997, 824).
Bei Versicherungsvermittlungsgesellschaften sei der wesentliche Anteil der betrieblichen Aufwendungen (Personalkosten für die Vorstände, Gehälter für die Mitarbeiter der Marketingabteilung, Schulung der Außendienstmitarbeiter, Provisionsvorschüsse der Mitarbeiter, die kein Factoring erhalten oder zur Vorfinanzierung des Factoring) vertriebsbezogen.
Allgemeine verwaltungsbezogene Aufwendungen der Klägerin (Mietaufwendungen, laufender Bürobedarf, Buchführungs- und Beratungskosten) würden dagegen aus regelmäßig wiederkehrenden Bestandsprovisionen finanziert. Die Klägerin legte dazu eine Gegenüberstellung ihrer vertriebs- und verwaltungsbezogenen Aufwendungen vor. Danach fielen im Streitjahr Ausgaben in Höhe von ca. 4,4 Mio. DM an, von denen die Klägerin ca. 2,7 Mio. als vertriebsbezogen und ca. 1.7 Mio. als verwaltungsbezogen bezeichnete (Factoringausschüttungen 1997: 3.865.822,84 DM). Bei der Klägerin bestehe der Aufwand, der zu den Erlösen führe, nicht in der Beschaffung von Wirtschaftsgütern sondern in den für ein Dienstleistungsunternehmen typischen Aufwendungen zum Betreiben ihres Geschäftsbetriebes „Vermittlung von Versicherungsleistungen”. Wirtschaftlich seien diese Aufwendungen genauso zur Erzielung von Erlösen wichtig und notwendig, wie der Aufwand für einen zu veräußernden Vermögensgegenstand. Die Factoringgeschäfte seien deshalb wie die Kredite zur Beschaffung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens zu behandeln.
Die Klägerin beantragt,
den mit Einspruchsentscheidung festgesetzten Gewerbesteuermessbetrag dergestalt abzuändern, dass bei der Berechnung die Dauerschuldzinsen aus den Factoringgeschäften nicht angesetzt werden und ferner beim Steuermessbetrag nach dem Gewerbekapital keine Dauerschulden hinzugerechnet werden.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Klageerwiderung wird im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, dass auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgelegten Aufschlüsselung von verwaltungs- und betriebsbezogenen Kosten eine konkrete Zuordnung einer einzelnen Factoringausschüttung zu den aufgelaufenen Kosten eines bestimmten Versicherungsvertrages nicht möglich sei. Ohne Factoring würden die Provisionszahlungen nur ratierlich fließen und der Klägerin stünde entsprechende Liquidität nur aufgrund anderweitiger Kreditaufnahme zur Verfügung.
Auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.
II.
Die Klage ist unbegründet. Das FA hat zu Recht die Factoringverbindlichkeiten und den „Stornorückbehalt Mitarbeiter” als Dauerschulden (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz – GewStG –) gewertet.
1. Nach § 8 Nr. 1 GewStG werden zur Berechnung des Gewerbeertrages dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die Hälfte der bei seiner Ermittlung abgezogenen Zinsen für Schulden wieder hinzugerechnet, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen. Dementsprechend sind nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG zur Berechnung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des gewerblichen Betriebes die bei seiner Ermittlung abgezogenen Verbindlichkeiten zur Hälfte wieder hinzuzurechnen, die den Schuldzinsen i.S.d. § 8 Nr. 1 GewStG entsprechen, soweit sie den Betrag von 50.000,– DM übersteigen.
Unter welchen Voraussetzungen eine Schuld im Sinne dieser Vorschrift als sog. Dauerschuld das Betriebskapital des Steuerpflichtigen nicht nur vorübergehend verstärkt, ist gesetzlich nicht geregelt. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zieht zur Bestimmung von Dauerschulden, ausgehend von den konkreten wirtschaftlichen Verhältnissen des betroffenen Geschäftsbetriebs, den Charakter der jeweiligen Schuld (BFH-Urteil vom 13. Dezember 2006 VIII R 51/04, BStBl II 2008, 137 m.w.N.) und die Laufzeit der Schuld heran (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1986 I R 293/82, BStBl II 1987, 446; vgl. weitere Nachweise bei Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 7. Auflage, § 8 Nr. 1a Rn. 50).
Dient ein Kredit der Beschaffung des eigentlichen Dauerbetriebskapitals, das dem Betrieb nach seiner Eigenart, seiner besonderen Anlage und seiner Gestaltung ständig zur Verfügung stehen muss, so handelt es sich im Zweifel um eine Dauerschuld im Sinne des § 8 Nr. 1 GewStG (BFH-Urteil vom 18. April 1991 IV R 6/90, BStBl II 1991, 584). Dies sind vor allem Kredite mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr (BFH-Urteil vom 15. Mai 2008 IV R 77/05, BStBl II 2008, 767). Sie sind dann Dauerschulden bereits aufgrund ihrer Laufzeit (BFH-Urteil vom 31. Mai 2005 I R 73/03, BStBl II 2006, 134).
Den Gegensatz zu Dauerschulden i.S.d. § 8 Nr. 1 GewStG bilden die sog. laufenden Verbindlichkeiten. Dies sind Verbindlichkeiten, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr eines Unternehmens anfallen und nachweisbar in wirtschaftlichem Zusammenhang mit laufenden Geschäftsvorfällen stehen, soweit sie in der nach Art des Geschäftsvorfalls üblichen Frist getilgt werden (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Urteil vom 31. Mai 2005, I R 73/03, a.a.O.; BFH-Urteil vom 19. September 2002, X R 68/00, BFH/NV 2003, 891). Laufende Verbindlichkeiten sind auch bei einer Laufzeit von mehr als einem Jahr keine Dauerschulden im Sinne des § 8 Nr. 1 GewStG. Dabei handelt es sich insbesondere um solche Verbindlichkeiten, die ein Unternehmen zur Finanzierung der Anschaffungsoder Herstellungskosten eines bestimmten Wirtschaftsguts des Umlaufvermögens eingeht und die aus dem bei der Veräußerung dieses Wirtschaftsguts erzielten Erlös zu tilgen sind (BFH-Urteile vom 7. August 1990 VIII R 40/87, BStBl II 1990, 1077 und vom 18. April 1991 IV R 6/90, BStBl II 1991, 584). Ihnen gleichgestellt werden Verbindlichkeiten zur Finanzierung von Gegenständen, die einen Grenzfall zwischen Anlage- und Umlaufvermögen darstellen und deren Anschaffung bzw. Herstellung zu den immer wiederkehrenden, den Gegenstand des Unternehmens ausmachenden üblichen Geschäftsvorfällen gehört (BFH-Urteil vom 9. April 1981 IV R 24/78, BStBl II 1981, 481). Demgegenüber fällt ein für längere Zeit aufgenommener Kredit nicht allein schon deswegen in den laufenden Geschäftsgang, weil der Gegenwert zur Finanzierung laufender Geschäfte bzw. zur eigenen Kreditgewährung verwendet wird (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1986 IV R 185/83, BStBl II 1987, 443).
2. Nach diesen Grundsätzen sind im Streitfall die Kreditverbindlichkeiten aus dem Provisions-Factoring sowie durch den „Stornorückbehalt Mitarbeiter” als Dauerschulden im Sinne des § 8 Nr. 1 GewStG hinzuzurechnen. Die Frage der Zurechnung von Dauerschuldzinsen zum Gewerbeertrag hat im Streitfall dagegen keine steuerliche Auswirkung, da der Steuermessbetrag nach dem Gewerbeertrag mit Null DM festgesetzt wurde.
a) Der Verkauf der Provisionsforderungen an P ist als unechtes Factoring ein Darlehensvertrag, da das Bonitätsrisiko hinsichtlich der abgetretenen Forderungen bei der Klägerin verbleibt (vgl. BFH-Urteil vom 5. Mai 1999 XI R 6/98, BStBl II 1999, 735 zur Forfaitierung von künftigen Mietforderungen). Die Zahlung des „Kaufpreises” durch P stellt eine bloße Vorfinanzierung der Provisionsforderungen dar, deren Abtretung zur Sicherung des Kredits und zugleich erfüllungshalber erfolgt ist (vgl. Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 68. Auflage, § 398 Rz. 40). Davon gehen auch die Beteiligten aus.
Die Schulden der Klägerin gegenüber P aus den Factoringausschüttungen sind nicht als Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs zu beurteilen.
Die Klägerin konnte über die gewährten Kreditmittel frei verfügen und verwandte die Beträge zur Bezahlung ihrer laufenden Ausgaben wie z.B. den vertriebsbezogenen Aufwendungen sowie zur Vorfinanzierung der Provisionsausschüttungen an ihre Vermittler. Insoweit fehlt eine enge wirtschaftliche oder rechtliche Verknüpfung zwischen den Krediten und den einzelnen Geschäften (Versicherungsvermittlungen). So wurde weder eine entsprechende Regelung in den vorliegenden Factoringverträgen getroffen, wonach sich ein konkreter Zusammenhang mit einzelnen Geschäftsvorfällen ergibt, noch ist ein tatsächlicher wirtschaftlicher Zusammenhang mit bestimmten Aufwendungen zu erkennen, wie z.B. in den vom BFH entschiedenen Fällen, in denen die Erlöse eines kreditfinanzierten Geschäfts zur Abdeckung des Kredits verwendet werden. Die Gelder standen vielmehr dem Betrieb allgemein und ohne Beschränkungen zur Verfügung. Aus den vertraglichen Beziehungen zum Provisions-Factoring sind keine Kriterien erkennbar, wonach die Factoringausschüttungen für bestimmte vertriebsbezogene Aufwendungen im Zusammenhang mit konkreten Vermittlungsgeschäften verwendet wurden oder zu verwenden waren. Dies gilt auch, soweit die Mittel dazu verwendet wurden, die Factoringausschüttungen der P an die Vermittler der Klägerin vorzufinanzieren. Es fehlt ein konkreter rechtlicher oder tatsächlich wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen laufenden Geschäften und den Factoringausschüttungen. Auch eine regelmäßige tatsächliche Verwendung eines bestimmten Kredits für bestimmte Aufwendungen wird aus der gewählten Gestaltung bzw. Vorgehensweise nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin vorträgt, die Factoringausschüttungen würden für ihre vertriebsbezogenen Kosten eingesetzt, ist zwar eine Verwendung im (allgemeinen) Geschäftsbetrieb der Klägerin, jedoch keine konkrete Zuordnung zu den einzelnen Versicherungsverträgen gegeben. Zur Abgrenzung der Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs und der allgemeinen Geschäftskredite, die als Dauerschuld zu qualifizieren sind, wenn ihre Laufzeit zwölf Monate übersteigt, kann nach Auffassung des Senats auf einen konkreten Zusammenhang zwischen Kredit und zu finanzierendem Geschäftsvorfall nicht verzichtet werden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 31. Mai 2005 I R 73/03, BStBl II 2006, 134, vom 11. Dezember 1986 IV R 185/83, BStBl II 1987, 443 und vom 7. August 1990 VIII R 30/89, BStBl II 1990, 1081 sowie Köster in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 8 Nr. 1 Anm. 72, 112, 164).
Der erforderliche Zusammenhang mit den laufenden Geschäftsvorfällen kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht durch die Abtretung der Provisionsansprüche mit den Provisionen zugrunde liegenden Grundgeschäften hergestellt werden. Die Abtretung diente insoweit der Berechnung der Kredithöhe sowie der Sicherung der Kredite. Die Sicherung eines Kredites ist aber für die Frage, ob ihm der Charakter einer Dauerschuld zukommt, unerheblich. Auch soweit die Provisionen bei Fälligkeit zur Tilgung der Kredite und zur Zinsleistung verwandt wurden, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn für den Charakter einer Schuld ist es ohne Bedeutung, wie die Schuld abgewickelt wird und ob die Abwicklung aus Mitteln des laufenden Geschäftsbetriebs erfolgt (vgl. BFH-Urteile vom 11. Dezember 1986 IV R 185/83, BStBl II 1987, 443 und vom 19. August 1998 XI R 9/97, BStBl II 1999, 33).
Auch der Einwand der Klägerin, dass Verbindlichkeiten dem laufenden Geschäftsverkehr zuzurechnen seien, soweit sie dazu dienten, Provisionsvorschüsse an die Vermittler zu leisten (mit Hinweis auf die BFH-Urteile vom 17. März 1959 I 171/58 U, BStBl III 1960, 49, vom 24. Januar 1990 I R 54/86, BFH/NV 1991, 406 und vom 30. Juli 1997 I R 55/96, BStBl II 1997, 824), führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn in den von der Klägerin zitierten Fällen war – anders als im Streitfall – eine genaue Zuordnung und Verknüpfung zwischen den laufenden finanzierten Geschäften und den Krediten gegeben (Finanzierung von Waren bzw. Leasinggegenständen in den Urteilen vom 17. März 1959 und vom 24. Januar 1990). Soweit sich die Klägerin darauf beruft, eine präzise tatsächliche, rechtliche und wirtschaftliche Verknüpfung zwischen Factoring und finanziertem Grundgeschäft sei deshalb gegeben, weil die Factoringausschüttung sich aus der Höhe und Summe der von P angekauften Provisionsansprüche ergebe, lässt sich die Zuordnung eines Kredites zu einem bestimmten Geschäft nicht begründen. Denn das finanzierte Grundgeschäft ist zwar die Berechnungsgrundlage für die Höhe der Factoringausschüttung; eine konkrete Verknüpfung ergibt sich daraus jedoch nicht, denn die Klägerin kann über die Kredite frei verfügen und ist nicht gebunden, die Ausschüttungen zur Finanzierung der Provisionen zu verwenden (im Gegensatz zum Urteil des BFH vom 30. Juli 1997, I R 55/96, BStBl II 1997, 824 über Vorauszahlungen/Anzahlungen der Versicherungsnehmer auf die zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringenden Versicherungsprämien, die auf dem Konto gesammelt und für den konkreten Versicherungsvertrag verwandt wurden und ebenso wie im BFH-Urteil vom 7. August 1990 VIII R 30/89, BStBl II 1990,1081 bei freier Verfügbarkeit von Kreditmitteln).
Der Einwand der Klägerin, gegen die Wertung als Dauerschulden spreche, dass die Verbindlichkeiten in der nach Art des Geschäftsvorfalls üblichen Frist getilgt wurden (mit Hinweis auf BFH-Urteil vom 7. August 1990 VIII R 30/89, BStBl II 1990, 1081), kann nicht zum Erfolg führen. Es handelt sich um die Forderung der Klägerin (Provisionsansprüche gegenüber der X), die innerhalb der üblichen Frist von 36 Monaten erfüllt und diese Erlöse dann zur Tilgung der allgemeinen Geschäftskredite verwandt werden. Auf die zur Sicherheit abgetretenen Ansprüche kommt es aber nicht an.
Für den Fall, dass – wie im Streitfall – ein unmittelbarer wirtschaftlicher oder rechtlicher Zusammenhang zwischen der Kreditaufnahme (Factoringausschüttung) und bestimmten einzelnen Aktivgeschäften nicht gegeben ist, kommt der Kreditlaufzeit von mehr als zwölf Monaten besondere Bedeutung zu (vgl. BFH-Urteil vom 19. August 1998 XI R 9/97, BStBl II 1999, 33). Die Factoringschulden mit einer Laufzeit von 36 Monaten sind als Dauerschulden zu bewerten.
Dafür spricht auch, dass durch die Rahmenvereinbarung zum Provisionsfactoring der Klägerin von P durch die dauernden Geschäftsbeziehungen und das immer wiederkehrende Factoringverfahren ständig Mittel zur Verfügung stehen sollen. Die Factoringausschüttungen haben den Charakter eines allgemeinen Geschäftskredites zur nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1986 IV R 185/83, BStBl II 1987, 443).
b) Stornorückbehalt Mitarbeiter
Auch der sog. „Stornorückbehalt Mitarbeiter” ist den Dauerschulden hinzuzurechnen. Die Mittel verstärken während der 36-monatigen Garantiezeit die Betriebsmittel und gehören nicht zum laufenden Geschäftsverkehr.
Soweit die Provisionsansprüche der Vermittler durch das Provisionsfactoring vorfinanziert werden, wird ein Teil der Vermittlerprovision für den Fall der Stornierung des Versicherungsvertrages als sog. Stornorückbehalt von der Klägerin nicht ausbezahlt. Die von der Klägerin für die Vermittler unterhaltenen Provisionsrückbehalte bis zum Ablauf der Stornohaftungszeit sind Fremdmittel der Klägerin. Diese Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber den Vermittlern stehen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit bestimmten zuordenbaren Geschäftsvorfällen, die sich bereits ereignet haben. Zwar ist Berechnungsgrundlage für den Stornorückbehalt der vermittelte Versicherungsvertrag, allerdings ergibt sich hieraus lediglich die Höhe des „Stornorückbehalts” des jeweiligen Vermittlers, welcher zudem nur bis zu einer bestimmten absoluten Höhe auf dem Provisionskonto vorzuhalten ist. Die Klägerin ist jedoch nicht verpflichtet, den Rückbehalt auf diesem Konto vorzuhalten; vielmehr kann die Klägerin bis zur Fälligkeit über die Gelder frei verfügen. Für entscheidend hält der Senat, dass der Stornorückbehalt mit gewisser Wahrscheinlichkeit in der Zukunft entstehende Forderungen der Klägerin absichern soll, indem die Möglichkeit der Aufrechnung geschaffen wird. Ziel des Stornorückbehalts ist es damit, die Mittel langfristig und sicher im Betrieb zu halten. Der Charakter der Schuld wird hierdurch maßgeblich geprägt. Damit dient der Stornorückbehalt der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals, da er nicht innerhalb von 12 Monaten, sondern in 36 Monaten getilgt wird (Urteil des FG Hamburg vom 24. Oktober 1985 II 168/83, EFG 1986, 397).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.
4. Die Zulassung der Revision erfolgt gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Zwar handelt es sich bei der Zurechnung von Dauerschulden zum Gewerbekapital um auslaufendes Recht, doch hat die nämliche Frage der Zurechnung von Dauerschuldzinsen aus unechtem Provisions-Factoring zum Gewerbeertrag weiterhin Bedeutung.