26.01.2011
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 17.11.2010 – 4 K 1775/10 Erb
- Die Rechtsschutzgarantie des Artikel 19 Abs. 4 GG schließt auch die Befugnis des dem deutschen Erbschaftsteuerrecht unterworfenen ausländischen Pflichtigen ein, sich in seiner Muttersprache mit einem Rechtsschutzbegehren an das zuständige inländische Finanzgericht zu wenden.
- Durch eine in englischer Sprache abgefasste Klageschrift, die das Finanzgericht durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in die deutsche Sprache hat übersetzen lassen, wird wirksam Klage erhoben.
- Hat das Finanzgericht den Kläger nicht aufgefordert, von sich aus innerhalb einer bestimmten Frist eine Übersetzung der Klageschrift vorzulegen, ist ihm für den Fall, dass die Übersetzung der Klageschrift in die deutsche Sprache erst nach Ablauf der Klagefrist erstellt wird, von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
- Ein Einspruch kann auch vor der Bekanntgabe des Verwaltungsakts wirksam erhoben werden, wenn der Steuerpflichtige mit der Möglichkeit einer bereits bewirkten ordnungsgemäßen Bekanntgabe (hier: gegenüber seinen früheren Bevollmächtigten) rechnen musste (vgl. BFH-Rspr.).
- Die Steuervergünstigung aufgrund der Behaltensregelung für Betriebsvermögen entfällt auch dann rückwirkend, wenn der Steuerpflichtige auf dessen Veräußerung durch einen Miterben nach der Erbauseinandersetzung keinen Einfluss nehmen konnte.
Tatbestand
Der Kläger, der im Jahre 1960 in Deutschland geboren wurde, ist australischer Staatsbürger. Nach seinen eigenen Angaben versteht er die deutsche Sprache weder in Schrift noch in Wort.
Der Kläger ist der Neffe des Erblassers A, der am..... April 2006 verstarb. Der Erblasser wurde von dem Kläger und seinem Bruder B ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts X vom 29. Januar 2007 zu je ½ beerbt. Zum Nachlass gehörte neben Wald- und Forstbesitz und Kapitalvermögen das Grundstück ......-straße…in X, auf dem der Erblasser bis zu seinem Tode eine Gaststätte betrieb.
Der Kläger beauftragte die Rechtsanwälte und Steuerberater M aus Y mit seiner erbrechtlichen Vertretung. Er schloss mit den Rechtsanwälten M unter dem 19. Oktober 2006 / 5. Oktober 2006 einen Beratungsvertrag ab, der die rechtliche Beratung in der Erbangelegenheit A beinhaltete. Hierzu waren die Rechtsanwälte unter anderem beauftragt, Ermittlungen in der Erbschaftsangelegenheit zu betreiben, Informationen über die rechtliche Situation anzustellen und sämtliche Nachlasswerte zu ermitteln. Außerdem sollte der Bevollmächtigte einen Vorschlag über die gesetzlichen Möglichkeiten ausarbeiten, wie die Gaststätte betrieben und erhalten werden könnte. Außerdem schloss der Kläger mit seinen Bevollmächtigten unter dem gleichen Datum für seine Vertretung eine Honorarvereinbarung ab (remuneration agreement), die eine Vergütung der Leistungen der Rechtsanwälte nach Stundensätzen von 150 bis 200 EUR je Stunde vorsah. Wegen der weiteren Einzelheiten des Beratungsvertrages und der Honorarvereinbarung wird auf die zu den Gerichtsakten in englischer Sprache eingereichten Ablichtungen vom 5. Oktober 2006 / 19. Oktober 2006 (Blatt 28 R – 33 der Gerichtsakten) Bezug genommen.
Außerdem unterzeichnete der Kläger unter dem 8. Mai 2007 für die Rechtsanwälte M eine Vertretungsvollmacht, mit der diese berechtigt waren, ihn in steuerlichen Angelegenheiten vor dem Finanzamt zu vertreten. Diese Vollmacht übersandten die Rechtsanwälte M im Mai 2007 dem Beklagten.
Die Erbschaftsteuererklärung wurde dem Beklagten zusammen mit der Anlage Betriebsvermögen (Vermögensaufstellung zur Ermittlung des Werts des Betriebsvermögens) am 5. April 2007 eingereicht. Die Erbengemeinschaft beauftragte den Sachverständigen D mit der Anfertigung eines Verkehrswertgutachtens für das Gaststättengrundstück in X, ...-straße .... In dem Gutachten vom 31. Mai 2007 gelangte der Sachverständige für das erwähnte Grundstück zu einem Verkehrswert von 170.000 EUR. Unter dem 28. Juni 2007 teilte das Finanzamt U dem Beklagten die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes für das Grundstück.....-straße…in X unter Übernahme des Wertansatzes gemäß dem Verkehrswertgutachten des Sachverständigen D mit 170.000 EUR mit und stellte außerdem fest, dass das Grundstück als Betriebsgrundstück zu dem Gewerbebetrieb Gaststätte gehört.
Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 28. Juni 2007, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) erging, die Erbschaftsteuer auf 2.556 EUR fest. Den reinen Nachlass ermittelte er hierbei mit 215.553 EUR, wovon auf den Kläger 107.776 EUR entfielen. Bei der Ermittlung des Reinnachlasses zog der Beklagte Schulden lediglich in Höhe von 724 EUR (Steuerschulden Einkommensteuer) und den Pauschbetrag ( § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes –ErbStG-) in Höhe von 10.300 EUR ab. Außerdem gewährte er dem Kläger und dem Miterben B für das Grundstück Gaststätte eine Steuerbegünstigung gemäß § 13 a ErbStG in Höhe von jeweils 76.097 EUR. In der Anlage 2 zum Erbschaftsteuerbescheid wies der Beklagte den Kläger auf die Behaltensregelung für Betriebsvermögen nach § 13 a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG gesondert hin; hierauf wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
Der Beklagte hob den Vorbehalt der Nachprüfung im Erbschaftsteuerbescheid vom 28. Juni 2007 mit Bescheid vom 6. Juli 2007 auf.
Mit notariell beurkundetem Erbauseinandersetzungsvertrag vom 8. Mai 2008 setzte sich der Kläger mit dem Miterben B auseinander. In dem Vertrag vereinbarten die Miterben unter anderem, dass das Gaststättengrundstück B zu Alleineigentum zugewiesen wurde, ferner die Forst- und Waldgrundstücke Flur ..., Flurstücke ..., ...., .... und ..... Die noch valutierten und auf dem Grundstück gesicherten Darlehensverbindlichkeiten übernahm B persönlich und dinglich (Valuta: 26.248,01 EUR). Unter Verrechnung von Verbindlichkeiten, die B aus seinem Vermögen gezahlt hatte (31.866,23 EUR), und unter Anrechnung von bereits an den Kläger ausgekehrten 29.171,84 EUR verpflichtete sich B, an den Kläger einen restlichen Zahlbetrag in Höhe von 30.162,35 EUR als Ausgleich zu zahlen. Außerdem verpflichtete sich B zur vollständigen Entlastung des Klägers, die Verbindlichkeit des Erblassers aus dem notariell beurkundetem Vertrag vom 3. März 1977 in Höhe von 8.691,96 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 912,66 EUR an die Mutter des Klägers zu zahlen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Erbauseinandersetzungsvertrages wird auf die in den Steuerakten abgeheftete beglaubigte Ablichtung der notariellen Urkunde des Notars vom 08. Mai 2008 (Urkunden –Nr. ..../2008) nebst Anlage Bezug genommen.
Später veräußerte der Miterbe B das Betriebsgrundstück samt Inventar mit notariell beurkundetem Vertrag vom 13. März 2009 an einen dritten Erwerber. Nachdem der Beklagte von der Veräußerung des Grundstückes erfahren hatte, änderte er (auch) gegenüber dem Kläger den Erbschaftsteuerbescheid gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO durch Bescheid vom 27. April 2009 und setzte die Erbschaftsteuer auf 16.558 EUR herauf. Im Änderungsbescheid ließ er eine Steuerbegünstigung gemäß § 13 a ErbStG wegen der Veräußerung des Betriebsgrundstückes unberücksichtigt.
Der Beklagte adressierte den Änderungsbescheid vom 27. April 2009 an die Rechtsanwälte M in Y als Empfangsbevollmächtigte des Klägers. Die Rechtsanwälte M sandten den Bescheid vom 27. April 2009 am 30. April 2009 dem Beklagten wieder zurück und teilten hierbei mit, dass das Mandatsverhältnis zum Kläger seit April 2008 nicht mehr bestehe. Daraufhin übersandte der Beklagte dem Kläger persönlich an seine Anschrift in Australien unter dem 18. Juni 2009 eine Ausfertigung des Änderungsbescheides und forderte ihn im Abrechnungsteil auf, 14.002 EUR Erbschaftsteuer zu entrichten. Der Beklagte fügte dem Bescheid vom 18. Juni 2009 außerdem eine (ordnungsgemäße) Rechtsbehelfsbelehrung und die Anlage 1 zum Erbschaftsteuerbescheid bei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Bescheids vom 18. Juni 2009 wird auf die in den Steuerakten abgeheftete Aktenausfertigung Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 1. Juni 2009, das am 5. Juni 2009 beim Beklagten einging, wandte sich der Kläger in englischer Sprache unter seiner Steuernummer gegen den Bescheid vom 27. April 2009. Seinem Schreiben fügte er in Ablichtung die bisher erhaltenen Erbschaftsteuerbescheide des Beklagten und den Erbauseinandersetzungsvertrag vom 8. Mai 2008 nebst Anlagen in Ablichtung bei.
Der Beklagte bat den Kläger mit Schreiben vom 8. September 2009, auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, eine Übersetzung seines Schreibens vom 1. Juni 2009 in deutscher Sprache vorzulegen. Außerdem forderte er ihn mit Schreiben vom 12. Februar 2010 auf, Nachweise für die geltend gemachten Abwicklungskosten in Höhe von 23.000 EUR durch schriftliche Unterlagen in deutscher Sprache vorzulegen. Der Aufforderung kam der Kläger nicht nach.
Mit Einspruchsentscheidung vom 13. April 2010 verwarf der Beklagte den Einspruch als unzulässig: Der Einspruch sei verspätet eingegangen. Die Bekanntgabe an die Rechtsanwälte M in Y sei ordnungsgemäß gewesen, weil der Widerruf der Empfangsvollmacht für die Bevollmächtigten dem Beklagten erst am 30. April 2009 bekannt geworden sei. Der erst am 5. Juni 2009 eingegangene Einspruch gegen den Änderungsbescheid vom 27. April 2009 sei somit verfristet. Gründe für eine Wiedereinsetzung nach § 110 AO seien nicht erkennbar. Die Einspruchsentscheidung wurde dem Kläger an seine im Rubrum bezeichnete Anschrift mit einfachem Brief bekannt gegeben.
Der Kläger hat mit einem am 25. Mai 2010 bei Gericht eingegangenen, in englischer Sprache verfassten Schreiben, Klage erhoben. Dem Klageschriftsatz fügte er den Schriftverkehr mit dem Notar betreffend die Erbauseinandersetzung, den Erbauseinandersetzungsvertrag vom 8. Mai 2008 nebst Anlagen, den Erbschein des Amtsgerichts X vom 29. Januar 2007, die Korrespondenz und den Beratungsvertrag einschließlich der allgemeinen Geschäftsbedingungen mit den Rechtsanwälten M, die Rechnungen der Rechtsanwälte F aus ......, Australien, die Rechnungen der Rechtsanwälte M vom 28. November 2006, 28. Februar 2007, 30. April 2007, 31. Mai 2007, 31. August 2007 und 30. November 2007, sowie das Verkehrswertgutachten des Grundstückes .....-straße .. in X von D vom 31. Mai 2007 in Ablichtung bei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Anlagen zum Klageschriftsatz wird auf Bl. 3-72 der Gerichtsakten Bezug genommen.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Senats hat unter dem 5. Juli 2010 eine Übersetzung der Klageschrift aus der englischen Sprache verfasst, die dem Beklagten anschließend übermittelt worden ist.
Der Kläger macht geltend: Er habe den im Erbschaftsteuerbescheid angegebenen Nachlasswert von 107.776 EUR nicht erhalten. Er habe erhebliche Schulden und laufend weitere Renovierungsaufwendungen, die ohne seine Zustimmung veranlasst worden seien, tragen müssen. In der Erbauseinandersetzung mit dem Miterben B habe er seinen hälftigen Anteil an den Miterben veräußert und habe hierfür lediglich den Betrag in Höhe von 30.162,95 EUR + 2.672,25 EUR erhalten. Für die rechtliche Beratung zur Sicherung und Erforschung des Nachlasses seien ihm Anwaltskosten von mehr als 23.000 EUR entstanden. Der Miterbe B sei auch nicht kooperativ gewesen und habe ohne seine Zustimmung kostenträchtige Maßnahmen an dem Nachlassgrundstück.....-straße... in X vorgenommen. Die Veräußerung des Gaststättengrundstücks sei die alleinige Entscheidung des Miterben B gewesen, nachdem die Erbengemeinschaft sich auseinandergesetzt habe. Diese Entscheidung habe er nicht beeinflussen können.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Erbschaftsteueränderungsbescheide vom 27. April 2009/ 18. Juni 2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13. April 2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Zur Begründung führt er aus: Der in englischer Sprache eingelegte Einspruch sei zu Recht als unzulässig verworfen worden, weil er verspätet eingegangen sei. Außerdem sei die von ihm angeforderte Übersetzung nicht eingereicht worden. Die Frist für eine Wiedereinsetzung sei somit abgelaufen. Im Übrigen habe der Kläger auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen er die Rechtsbehelfsfrist unverschuldet versäumt habe. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der fehlenden Anhörung und dem Versäumnis der Rechtsbehelfsfrist sei jedenfalls nicht zu erkennen.
Das Gericht hat die Rechtsanwälte M in Y gebeten, ihm unmittelbar Ablichtung ihrer Honorarrechnung an den Kläger vom 5. Juli 2007 über 3.688,13 EUR zuzuleiten. Auf die Antwort der Rechtsanwälte M, die dem Beklagten bekannt gegeben worden ist, wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
Außerdem hat der Berichterstatter des Gerichts den Sachverständigen D fernmündlich gebeten mitzuteilen, ob und ggf. welche Kosten er für die Anfertigung des Gutachtens über den Verkehrswert des Grundstückes ......-straße…in X vom 31. Mai 2007 in Rechnung gestellt habe. Auf den über das Telefongespräch am 06. August 2010 gefertigten Aktenvermerk, der den Beteiligten zugeleitet worden ist, wird Bezug genommen.
Der Senat hat mit Gerichtsbescheid vom 11. August 2010, dem Beklagten am 13. August 2010 zugestellt, der Klage teilweise stattgegeben. Der Beklagte hat hiergegen am 09. September 2010 mündliche Verhandlung beantragt und trägt weiter vor:
Die unterbliebene Anhörung vor Erlass des Änderungsbescheides vom 27. April 2009 sei für die Versäumung der Einspruchsfrist nicht kausal gewesen. Der Kläger, dem seine früheren Bevollmächtigten eine Kopie des Bescheids vom 27. April 2009 übersandt haben müssten, habe diesem Bescheid die Gründe für die Änderung entnehmen können. Ihm sei es daher möglich gewesen, rechtzeitig innerhalb der Einspruchsfrist Einspruch einzulegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 12.11.2010 Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zulässig.
Der Kläger hat wirksam Klage erhoben. Zwar hat er sich mit Schreiben vom 17. Mai 2010 an das Gericht lediglich in englischer Sprache gegen die Entscheidungen des Beklagten vom 27. April 2009/ 18. Juni 2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13. April 2010 gewandt. Nach herrschender Auffassung ist ein fremdsprachiger Schriftsatz wegen des Grundsatzes der deutschen Gerichtssprache gemäß § 52 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit § 184 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) unbeachtlich und deshalb nicht fristwahrend (Gräber/Koch, FGO, Kommentar, 7. Auflage § 52 Tz. 30 m.w.N.). Gleichwohl ist im Streitfall die Klage wirksam erhoben, weil das Gericht inzwischen von Amts wegen die in englischer Sprache abgefasste Klageschrift durch die der englischen Sprache hinreichend mächtige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle am 5. Juli 2010 in die deutsche Sprache hat übersetzen lassen (§ 190 Satz 1 GVG). Wegen des Grundsatzes der Gewährung effektiven Rechtsschutzes, der sich aus Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) ergibt, hielt es der Senat im Streitfall von Amts wegen für geboten, eine Übersetzung durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vornehmen zu lassen. Artikel 19 Abs. 4 GG gewährt nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte in Deutschland anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes. Ein dem deutschen Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrecht unterworfener ausländischer Steuerpflichtiger ( § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG ), wie der in Australien lebende Kläger, hat einen substantiellen Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle der Entscheidung der Finanzverwaltung in seiner Erbschaftsteuersache. Das schließt auch die Befugnis des dem deutschen Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuersteuerrecht unterworfenen ausländischen Pflichtigen ein, sich in seiner Muttersprache mit einem Rechtsschutzbegehren an das zuständige inländische Finanzgericht zu wenden. Der Rechtsschutzgarantie des Artikel 19 Abs. 4 GG kommt die Aufgabe zu, jeden Akt der Verwaltung, der in Rechte des Steuerbürgers eingreift, vollständig der richterlichen Prüfung zu unterstellen und damit irreparable Entscheidungen, wie sie bei Eintritt einer Bestandskraft der angefochtenen Entscheidungen des Beklagten anzunehmen wären, soweit als möglich auszuschließen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 8. April 2010 – 1 BvR 2709/09 – Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 2010, 2268 [2269] m.w.N. der Rechtsprechung). Dadurch, dass der Senat von Amts wegen die Übersetzung der Klageschrift in die deutsche Sprache veranlasst hat, ist auch der Zweck der Regelung im Gerichtsverfassungsgesetz über die Gerichtssprache, nämlich die Verständigung in deutscher Sprache sicherzustellen, erfüllt. Es bedeutete nämlich einen nicht gerechtfertigten Formalismus, trotz bereits vorliegender Übersetzung diese noch vom Kläger persönlich zu verlangen (vgl. Landessozialgericht Bremen, Beschluss vom 08.12.1999 L 3 V 68/97 veröffentlicht in der Juris-Datenbank mit weiteren Nachweisen).
Die Klagefrist von einem Monat nach § 47 Abs. 1 FGO ist gewahrt. Die Klagefrist begann mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung vom 13. April 2010 an den Kläger. Bei dem vom Beklagten gewählten Verfahren der Übermittlung durch die Post durch einfachen Brief galt die Einspruchsentscheidung wegen der Übermittlung nach Australien einen Monat nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (§ 122 Abs. 2 Nr. 2 AO), mithin im Streitfall also am 13. Mai 2010. Die bei Gericht am 25. Mai 2010 eingegangene Klageschrift hat somit die Klagefrist des § 47 Abs. 1 FGO gewahrt.
Der Umstand, dass die Übersetzung der Klageschrift in die deutsche Sprache nicht innerhalb der laufenden Klagefrist bis zum 13. Juni 2010 vorgelegt worden ist, macht die Klage nicht unzulässig. Da der Senat den Kläger nicht aufgefordert hat, von sich aus innerhalb einer bestimmten Frist eine Übersetzung der Klageschrift vorzulegen, ist ihm von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 FGO). Bei dem im Ausland lebenden und der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtigen Kläger ist wegen der anzunehmenden Unkenntnis des deutschen Prozessrechts davon auszugehen, dass die Fristversäumnis (wegen der unterbliebenen Vorlage einer Übersetzung der Klageschrift innerhalb der Klagefrist) unverschuldet gewesen ist.
Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.
Die Erbschaftsteueränderungsbescheide vom 27. April 2009/ 18. Juni 2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13. April 2010 sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, als der Beklagte eine höhere Erbschaftsteuer als 12.223.- EUR festgesetzt hat. Im Übrigen sind die angefochtenen Änderungsbescheide rechtmäßig.
Einer sachlichen Überprüfung der Erbschaftsteueränderungsbescheide vom 27. April 2009/ 18. Juni 2009 steht nicht etwa eine Bestandskraft dieser Bescheide entgegen. Im Streitfall braucht der Senat allerdings nicht die Frage zu entscheiden, ob der den früheren Bevollmächtigten des Klägers bekannt gegebene Änderungsbescheid vom 27. April 2009 unanfechtbar geworden ist, weil der Kläger hiergegen – wie der Beklagte meint – nicht mehr rechtzeitig Einspruch eingelegt hat. Jedenfalls ist der –abgesehen vom Abrechnungsteil – sachlich identische Änderungsbescheid vom 18. Juni 2009, der dem Kläger persönlich bekanntgegeben worden ist, rechtzeitig angefochten worden. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen, die mit dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung erörtert worden sind: Der Bescheid vom 18. Juni 2009 ist wirksam geworden. Gemäß § 124 Abs.1 AO ist für die Wirksamkeit eines Steuerbescheides die Bekanntgabe notwendige Voraussetzung. Hierbei muss die Bekanntgabe vom Willen der den Steuerbescheid erlassenden Behörde getragen werden. Der Bekanntgabewille muss von einem Bediensteten (Amtsträger) i.S. des § 7 AO gebildet werden, der nach seiner Stellung zum Erlass eines Verwaltungsakts befugt ist. Ein Bekanntgabewille fehlt allerdings, wenn die Übersendung eines Schriftstücks nicht zu dem Zweck erfolgt, die an eine Bekanntgabe geknüpften Rechtsfolgen herbeizuführen, sondern etwa nur der Information des Empfängers über den Inhalt eines bei den Akten befindlichen Schriftstücks dienen soll ( BFH, Urteil vom 4.10.1989 V R 39/84 BFH/NV 1990, 409 ). Der zuständige Beamte des Beklagten hatte den Willen, dem Kläger den Erbschaftsteueränderungsbescheid persönlich bekanntzugeben, nachdem die früheren Bevollmächtigten des Klägers den ihnen zugegangenen Bescheid vom 27. April 2009 wieder an den Beklagten zurückgesandt haben. Dieser Bekanntgabewille ergibt sich aus den aus der Steuerakte ersichtlichen Umständen der weiteren Bearbeitung des Falles. Der Bearbeiter vermerkte zunächst in der „Sollaufhebung” unter dem 26.05.2009, „der Bescheid sei an Vertreter zugestellt worden. Die Zustellvollmacht sei inzwischen nicht mehr gültig”. Anschließend versah er den Änderungsbescheid mit dem Datum „18. Juni 2009”, adressierte diesen an die im Rubrum bezeichnete Anschrift des Klägers in Australien, versah den Bescheid mit einer Rechtsbehelfsbelehrung, fügte eine geänderte Zahlungsaufforderung und einem neuen Fälligkeitstermin zum 20. Juli 2009 bei und versah den Bescheid – wie bisher – mit den Anlagen. In der den Vorgang begleitenden „Verfügung zum Erbschaftsteuerbescheid” heißt es u.a. unter Ziff. 1.1., das Ergebnis sei bekanntzugeben. Ziff. 2.2. und 2.3. der Verfügung hat der Bearbeiter ausgefüllt und handschriftlich die beiden Daten „9.06.2009 und 17.06.2009” eingetragen. Ziff. 2.3. betrifft den Vorgang ” Steuerbescheid datiert und zur Post aufgegeben”, was er tatsächlich ausweislich der in den Akten befindlichen Ausfertigung des Änderungsbescheids auch vorgenommen hat. Diese Art der Bearbeitung des Steuerfalles und der Übermittlung des Änderungsbescheids an den Kläger persönlich lässt nach der Überzeugung des Senats zweifelsfrei erkennen, dass die Übersendung zum Zwecke der Bekanntgabe erfolgt ist. Ein anderes Verständnis hält der Senat nicht für zutreffend. Der bekannt gegebene Bescheid enthielt nämlich keinen Hinweis darauf, der Kläger erhalte den Bescheid lediglich zum Zwecke der Information, weil der Bescheid bereits seinen früheren Bevollmächtigten ordnungsgemäß bekannt gegeben worden sei. Ein Begleitschreiben dieses Inhalts ist dem Bescheid auch nicht beigefügt gewesen. Die Annahme, der Beklagte habe einen Steuerbescheid bekanntgeben wollen, folgt weiter aus der Überschrift „Bescheid über Erbschaftsteuer” des dem Kläger übersandten Bescheids. Schließlich ist die dem Kläger übersandte Bescheidausfertigung mit einer auf die Besonderheiten der Auslandszustellung abgestellten Fassung der Rechtsmittelbelehrung (§ 122 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) versehen gewesen. Mit einer derartigen Belehrung hat der Beklagte zu erkennen gegeben, dass sich an die Übersendung der Fotokopien Rechtsfolgen knüpfen sollten (vgl. BFH, Urteil vom 22.10.1986 I R 254/83, BFH/NV 1988, 11, unter 4.d). Der Kläger hat gegen den Änderungsbescheid vom 18. Juni 2009 auch rechtzeitig Einspruch eingelegt. Zwar hat sich sein Schreiben vom 01. Juni 2009, das am 05. Juni 2009 beim Beklagten eingegangen ist, nicht ausdrücklich gegen den Änderungsbescheid vom 18. Juni 2009 gerichtet, der ihm zu dieser Zeit noch nicht bekanntgegeben worden ist. Das ist jedoch unschädlich, weil sein Schreiben insoweit auszulegen ist. Allerdings kann ein Einspruch im allgemeinen noch nicht erhoben werden, wenn der Verwaltungsakt der Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen noch nicht bekannt gegeben worden ist (BFH, Urteil vom 13.12.1973 I R 143/73 BFHE 112, 107 =HFR 1974, 351; BFH, Urteil vom 08.04.1983 VI R 209/79 BFHE 138, 154= BStBl II 1983, 551). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Dem Fall einer Bekanntgabe müssen nach dem § 355 AO zugrunde liegenden Zweck, wirksamen Rechtschutz zu ermöglichen, solche Fälle gleichgestellt werden, in denen zwar der Steuerbescheid ihm noch nicht persönlich bekannt gegeben wurde, der Steuerpflichtige aber mit der Möglichkeit einer bereits bewirkten ordnungsgemäßen Bekanntgabe rechnen musste (BFH, Urteil vom 28.03.1984 I R 83/81 juris- Dokument). So liegen die Dinge im Streitfall. Der Kläger musste damit rechnen, dass der Beklagte den geänderten Erbschaftsteuerbescheid vom 27. April 2009 ordnungsgemäß seinen früheren Bevollmächtigten bekannt gegeben hatte, weil die Bevollmächtigung der Rechtsanwälte M seinerzeit dem Beklagten mitgeteilt worden war, was er aus der Vollmachterteilung vom 8. Mai 2007, die in deutscher und englischer Sprache abgefasst war, wusste. Da er den Beklagten in der Folgezeit nicht über die Beendigung des Mandats informiert hat, musste er von einer weiter bestehenden ordnungsgemäßen Bevollmächtigung ausgehen. Erlässt der Beklagte unter diesen Umständen den Änderungsbescheid nunmehr auch gegenüber dem Kläger persönlich – wie dies der Beklagte im Streitfall veranlasst hat –, erstreckt sich ein bereits erhobener Einspruch bei verständiger Würdigung der Rechtschutzinteressen des Steuerpflichtigen auch auf den später bekannt gegebenen Bescheid. Es bedeutete eine leere Förmelei, vom Steuerpflichtigen unter diesen Umständen die Wiederholung eines Einspruchs gegen einen inhaltlich identischen Steuerbescheid zu verlangen, der aus seiner Sicht bereits der Finanzverwaltung vorliegt. Für den Beklagten konnte es deshalb bei verständiger Würdigung und bei der gebotenen rechtsschutzgewährenden Auslegung nicht zweifelhaft sein, dass der Kläger den Einspruch vom 5. Juni 2009 auch gegen den ihm persönlich bekannt gegebenen sachlich identischen Erbschaftsteueränderungsbescheid gerichtet hat. Der Beklagte ist in der Folgezeit offenbar auch selbst davon ausgegangen, dass sich der Einspruch des Klägers vom 5. Juni 2009 auf den Änderungsbescheid vom 18. Juni 2009 erstreckt. Ohne diese Überlegung würde nämlich sein Schreiben vom 08. September 2009 keinen Sinn ergeben, mit dem er den Kläger unter Erwähnung des „geänderten Erbschaftsteuerbescheids vom 18. Juni 2009” aufgefordert hat, sein Einspruchsschreiben in die deutsche Sprache übersetzen zu lassen und diese Übersetzung zu übersenden.
Entgegen der Auffassung des Beklagten führt schließlich der Umstand, dass das Einspruchsschreiben des Klägers in englischer Sprache verfasst worden ist, nicht zur Unbeachtlichkeit seines Einspruchs. Das ergibt sich aus § 87 Abs. 2 Satz 1 AO. Hiernach ist es grundsätzlich unschädlich, wenn bei einer Finanzbehörde Anträge oder Eingaben in fremder Sprache gestellt oder sonstige Urkunden vorgelegt werden. Die Finanzbehörde kann jedoch in begründeten Fällen die Vorlage einer beglaubigten oder von einem öffentlich bestellten oder beeidigten Dolmetscher oder Übersetzer angefertigten Übersetzung verlangen. Dieses Verlangen steht allerdings im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Wegen der Regelung im Anwendungserlass zur Abgabenordnung ( AEAO ) Nr. 1 zu § 87 AO hat die Finanzverwaltung ihr Ermessen allerdings dahingehend ausgeübt, dass bei Eingaben in fremder Sprache die Finanzbehörde zunächst prüfen soll, ob eine zur Bearbeitung ausreichende Übersetzung durch eigene Bedienstete oder im Wege der Amtshilfe ohne Schwierigkeiten beschafft werden kann. Hierbei sind Übersetzungen nur im Rahmen des Notwendigen, nicht aus Prinzip anzufordern. Hierauf hat die Finanzverwaltung in Nordrhein-Westfalen reagiert. Um bei der täglichen Arbeit die Verfahrensabläufe zu vereinfachen und abzukürzen, werden die vorhandenen Fremdsprachenkenntnisse der Beschäftigten der Steuerverwaltung genutzt. So können die Bediensteten beispielsweise im Zuständigkeitsbereich der Oberfinanzdirektion Münster, die eine vereinfachte Übersetzung von ausländischen Schriftstücken benötigen, direkt oder telefonisch oder per Mail Kontakt mit dem Fortbildungsreferat der Oberfinanzdirektion aufnehmen; dort wird ihnen ein entsprechender Kollege bzw. Kollegin mit den erforderlichen Fremdsprachenkenntnissen benannt (vgl. Kurzinformation der Oberfinanzdirektion <OFD> Münster zum internationalen Steuerrecht vom 15. Dezember 2006 Nr. 009/2006).
Schließlich zeigen die Regelungen in § 87 Abs. 4 AO, dass eine Eingabe in fremder Sprache auch zur Fristwahrung nicht unbeachtlich ist. Für die Fristwahrung kommt es auf den Zeitpunkt des Eingangs des fremdsprachigen Schriftstücks an, wenn auf Verlangen der Finanzbehörde innerhalb einer von dieser gesetzten und angemessenen Frist eine Übersetzung vorgelegt wird. Anderenfalls ist der spätere Zeitpunkt des Eingangs der Übersetzung maßgeblich. Allerdings ist auf diese Rechtsfolge bei der Fristsetzung unabdingbar hinzuweisen, wie sich aus § 87 Abs. 4 letzter Satz AO ergibt. Unterbleibt dieser zwingende Hinweis wie im Streitfall tritt der Fristablauf nicht ein (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 87 AO Rz. 4).
Der Erbschaftsteueränderungsbescheid vom 27. April 2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung ist insoweit rechtswidrig, als steuermindernd nicht die inzwischen nachgewiesenen Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt worden sind. Zu Gunsten des Klägers sind Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 und § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG in Höhe von insgesamt 25.545,68 EUR noch zu berücksichtigen. Mit Rücksicht darauf, dass eine Einzelberücksichtigung von Nachlassverbindlichkeiten erfolgt, ist der vom Beklagten in Ansatz gebrachte Pauschbetrag zur Hälfte, also in Höhe von 5.150 EUR beim Kläger außer Ansatz zu lassen. Die Höhe der Nachlassverbindlichkeiten, gegen deren Ansatz der Beklagte in der mündlichen Verhandlung Einwendungen nicht erhoben hat, ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Überlegungen:
1. Zunächst sind als Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG die Verbindlichkeiten des Erblassers gegenüber der Mutter des Klägers aus dem notariell beurkundetem Vertrag vom 3. März 1977 anzusetzen. Diese Verbindlichkeiten betragen einschließlich Zinsen ausweislich des notariell beurkundeten Auseinandersetzungsvertrages vom 8. Mai 2008 9.604,62 EUR und sind vom Miterben B im Rahmen der Erbauseinandersetzung gezahlt worden. Zu Gunsten des Klägers ist die Hälfte dieser Verbindlichkeiten anzusetzen, mithin also 4.802,31 EUR.
2. Die in Rechnung gestellten Honorarkosten der Rechtsanwälte M, die der Kläger durch Vorlage der Honorarrechnungen der Rechtsanwälte im Klageverfahren im Einzelnen nachgewiesen hat (Blatt 28 bis 42 und Blatt 93 der Gerichtsakten), sind als Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abzugsfähig. Zu den berücksichtigungsfähigen Kosten nach dieser Bestimmung zählen u. a. die Kosten der Erbauseinandersetzung, ferner die Kosten für die Übertragung der Nachlassgegenstände, insbesondere von Grundbesitz auf die Miterben, entstandene Notariatskosten und Gerichtskosten, und schließlich die Aufwendungen für die anwaltliche Beratung und außergerichtliche und gerichtliche Vertretung der Miterben bei der Erbauseinandersetzung (BFH, Urteil vom 9. Dezember 2009 II R 37/08 BStBl II 2010, 489). Der Kläger hat durch Vorlage des Beratungsvertrages mit den Rechtsanwälten M vom 5. Oktober/19. Oktober 2006 im Einzelnen nachgewiesen, dass die Rechtsanwälte mit seiner anwaltlichen Beratung und außergerichtlichen Vertretung bei einer Erbauseinandersetzung beauftragt worden sind. Dementsprechend sind sämtliche vorgelegten Rechnungen der Rechtsanwälte M in Höhe von 22.207,51 EUR Beratungsleistungen, die unmittelbar mit dem Anfall der Erbschaft und der Erbauseinandersetzung im Zusammenhang gestanden haben. Dies gilt gleichermaßen für die Rechnung der eingeschalteten Rechtsanwälte F aus...... (Australien), die dem Kläger unter dem 13. Dezember 2006 für Prüfung und Entwurf von Schreiben der Rechtsanwälte M eine Beratungsgebühr in Höhe von 805,75 AUS $ (= 478,69 EUR bei einem Umrechnungskurs mit Datum vom 13. Dezember 2006 in Höhe von 1,6823) in Rechnung gestellt haben. Eine weitere Honorarrechnung der Rechtsanwälte F vom 23. Oktober 2006 über 898,70 AUS $ kann nicht berücksichtigt werden; sie ist dem Gericht nicht bekannt, weil der Kläger sie nicht eingereicht hat. Insgesamt sind dem Kläger als Nachlassverbindlichkeiten Honorarkosten für die anwaltliche Beratung in Höhe von 22.686,47 EUR entstanden.
Weitere Nachlassverbindlichkeiten sind dadurch angefallen, dass das Amtsgericht X der Erbengemeinschaft einen Erbschein erteilt hat. Hierfür sind bei einem Wert von 185.214,61 EUR gemäß §§ 107 KostO, 32 KostO und wegen der Gebühren für die erforderlichen eidesstattlichen Versicherungen (§ 49 KostO) Kosten in Höhe von insgesamt 2 x 342 EUR entstanden. Zu den weiteren abzugsfähigen Kosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG zählen auch die Aufwendungen für die Bewertung der im Nachlass befindlichen Grundstücke durch einen Sachverständigen (vgl. BFH, Urteil vom 9. Dezember 2009 II R 37/08 a. a. O.). Im Streitfall ist von der Erbengemeinschaft die Bewertung des Grundstückes.....-straße…in X in Auftrag gegen worden. Die Kosten für das Verkehrswertgutachten, das D unter dem 31. Mai 2007 erstellt hat, belaufen sich laut Mitteilung des Sachverständigen an den Senat vom 06. August 2010 auf 595.- EUR.
Die hierdurch entstandenen Kosten betragen insgesamt 1.279 EUR. Davon sind dem Kläger die Hälfte zuzurechnen, mithin 639,50 EUR.
Außerdem sind die Kosten für die Erstellung der Erbschaftsteuererklärung abziehbare Kosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG (vgl. BFH, Urteil vom 9. Dezember 2009 a. a. O.). Hierfür hat Steuerberater S ausweislich seiner Rechnung vom 25. Oktober 2007 der Erbengemeinschaft insgesamt 1.134,80 EUR in Rechnung gestellt, von der auf den Kläger die Hälfte, mithin 567,40 EUR entfallen.
Als weitere Kosten sind zwangsläufig Kosten der Bestattung des Erblassers entstanden. Die Kosten einer angemessenen Bestattung des Erblassers sind von den Erben zu tragen ( § 1968 BGB ). Der Senat schätzt die entstandenen Beerdigungskosten einschließlich der Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal und derjenigen für die übliche Grabpflege bei vorsichtiger Annahme auf mindestens 4.000 EUR, von denen die Hälfte auf den Kläger entfallen, mithin also 2.000 EUR.
Es sind mithin folgende Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen:
Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG
laut Notarvertrag vom 3. März 1977 4.802,31 EUR
Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG
Anwaltshonorare 22.686,47 EUR
Erbauseinandersetzung, Erbschein, Wertgutachten zu ½ 639,50 EUR
Erstellung Erbschaftsteuererklärung 567,40 EUR
Beerdigungskosten ½ von 4.000 EUR 2.000.- EUR
30.695,68 EUR
abzüglich Pauschbetrag § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG zu ½ 5.150,00 EUR
Nachlassverbindlichkeiten insgesamt 25.545,68 EUR
Im Übrigen ist der Erbschaftsteueränderungsbescheid vom 27. April 2009 rechtmäßig. Insbesondere hat der Beklagte zu Recht den Standpunkt vertreten, dass durch die Veräußerung des Grundstückes der Nachversteuerungstatbestand des § 13 a Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 ErbStG erfüllt ist, weshalb dem Kläger die ursprünglich gewährten Vergünstigungen des § 13 a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG nicht länger gewährt werden konnten. Nach § 13 a Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 ErbStG fallen der Freibetrag nach Abs. 1 der Vorschrift und der verminderte Wertansatz nach deren Abs. 2 mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb u. a. den Gewerbebetrieb veräußert. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt, weil der Miterbe B bereits mit notariell beurkundetem Vertrag vom 13. März 2009 das Betriebsgrundstück.....-straße…in X samt Inventar veräußert hat. Somit ist die ursprünglich gewährte Steuervergünstigung wegen der Übernahme des Betriebsvermögens durch die Erbengemeinschaft durch die Veräußerung der Gaststätte entfallen, weil die Erwerber nicht mindestens fünf Jahre nach dem Erwerb den Gewerbebetrieb behalten haben. Es ist unerheblich, ob der Kläger an der Veräußerung des Gaststättengrundstücks mitgewirkt hat oder hierauf überhaupt einen Einfluss hatte. Denn im ursprünglichen Erbschaftsteuerbescheid vom 28. Juni 2007 (Steuerfestsetzung in Höhe von 2.556 EUR) hat der Beklagte ihm die Steuervergünstigung nach § 13 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ErbStG gewährt. Diese Steuervergünstigung durfte er nur dann „behalten”, wenn das Betriebsgrundstück mindestens fünf Jahre entweder im Eigentum der Erbengemeinschaft oder im Eigentum des Miterben, dem das Grundstück im Rahmen der Erbauseinandersetzung übertragen worden ist, verblieb (vgl. Richtlinie 67 Abs. 2 Satz 3 zu § 13 a ErbStG < ErbStR 2003> ).
Soweit der Kläger weiter geltend gemacht hat, ihm seien nach dem Tod des Erblassers für die Renovierung des Betriebsgrundstückes.....-straße... in X anteilig erhebliche Kosten entstanden, ist dies für die Erbschaftsbesteuerung unerheblich. Die Erbschaftsteuer ist bei Erwerben von Todes wegen wie im Streitfall mit dem Tod des Erblassers entstanden (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Aufwendungen auf die Nachlassgegenstände, die nach diesem Zeitpunkt entstanden sind, bleiben bei der Ermittlung des Nachlasswertes daher unberücksichtigt.
Es ergibt sich mithin folgende Steuerberechnung:
Wert des Nachlasses bisher laut Beklagten 107.776,00 EUR
abzüglich Nachlassverbindlichkeiten laut Finanzgericht 25.545,68 EUR
Reinnachlass 82.230,32 EUR
abzüglich Freibetrag gemäß § 16 Abs. 1 ErbStG 10.300,00 EUR
steuerpflichtiger Erwerb 71.930,32 EUR
abgerundet 71.900,00 EUR
Steuersatz 17 % (wie bisher) 12.223,00 EUR
Die bereits abgerechnete und vom Kläger gezahlte Erbschaftsteuer in Höhe von 2.556 EUR ist nicht Gegenstand des Klageverfahrens und wäre von dem Beklagten in einem gesonderten Abrechnungsbescheid zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO und berücksichtigt das Maß des Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO nicht vorliegen.