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  • 26.01.2011

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 02.11.2010 – 6 K 2138/08 K

    - Kommunale Kindergärten dienen ganz oder zumindest weit überwiegend der Ausübung öffentlicher Gewalt und stehen nicht in marktwirtschaftlichen Wettbewerb zu dem Angebot der freien Träger, so dass eine Behandlung als Betrieb gewerblicher Art ausscheidet.


    - Es fehlt auch an einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit, da diese Einrichtungen vorrangig der Schließung der durch das Angebot der freien Träger nicht gedeckten Bedarfslücken und nicht der Erzielung von Einnahmen dienen.


    - Auf die umsatzsteuerliche Abgrenzung zwischen hoheitlicher und unternehmerischer Tätigkeit kommt es nicht an, weil eine ausschließlich auf die formalrechtliche Ausgestaltung der Leistungsbeziehung abstellende Betrachtungsweise dem Ertragsteuerrecht fremd ist.


    Tatbestand

    Die Klägerin ist eine kreisfreie Kommune. Sie unterhält als Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe eigene Kindertagesstätten (Kindergärten). Die Mehrzahl der Kindergärten im Stadtgebiet werden von freien Trägern der Jugendhilfe (Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, frei gemeinnützigen Trägern) betrieben. Vereinzelt bieten auch gewerbliche Unternehmen die Kindertagesbetreuung an. Die Nutzungsverhältnisse kommunaler Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen sind nicht einheitlich geregelt. Der Besuch der kommunalen Kindergärten kann aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses (vgl. z.B. § 2 Abs. 4 der kommunalen Benutzungsordnung der Stadt Köln vom 20.10.2008) oder auf privatrechtlicher Grundlage (vgl. die privatrechtliche Benutzungsordnung der Stadt Bielefeld für Kindertageseinrichtungen in Trägerschaft der Stadt vom 5.05.2008) erfolgen. Die Klägerin hat keine Benutzungsordnung für ihre Kindertageseinrichtungen erlassen. Für die Aufnahme der Kinder findet ein Mustervertrag Anwendung, der privatrechtlich ausgestaltet ist.

    Für den Besuch der kommunalen oder von freien Trägern der Jugendhilfe betriebenen Kindertagesstätten hatten die Eltern im Streitjahr (2005) nach § 90 Sozialgesetzbuch - Achtes Buch -- SGB VIII -- in Verbindung mit § 17 des im Streitjahr noch anwendbaren Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder vom 29.10.1991, GV.NW 1991, 380 (GTK NW) entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gestaffelte öffentlich-rechtliche Beiträge zu den Jahresbetriebskosten zu entrichten, wobei die Beitragspflicht ab dem zweiten Kind entfiel. Die Elternbeiträge wurden von der Klägerin durch Verwaltungsakt festgesetzt und in den kommunalen Haushalt eingestellt. Mit der zum 1.08. 2006 in Kraft getretenen Neufassung des § 17 GTK NW, der insoweit dem seit dem 1.08.2008 geltenden § 23 des Gesetzes zur frühen Bildung und Förderung von Kindern (Kinderbildungsgesetz– Viertes Gesetz zur Ausführung des SGB VIII – vom 30.10.2007 (GV.NW 2007, 462) –KiBiz– entspricht, wurde das Elternbeitragsrecht kommunalisiert. Seither entscheiden in Nordrhein-Westfalen die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe in eigener Zuständigkeit über die Beitragspflicht im Rahmen des kommunalen Satzungsrechts. Eine Verpflichtung zur Erhebung von Elternbeiträgen besteht nicht mehr. Seit „Jahr A” erhebt die von der Klägerin für die Betreuung von Kindern über 3 Jahre bis zum Eintritt in die Schule insoweit keine Beiträge mehr (vgl. Anlage zur Satzung ”...”).

    Erstmals mit Schreiben vom 25.10.2007 vertrat der Beklagte die Auffassung, dass es sich bei den von der Klägerin unterhaltenen Kindergärten um einen Betrieb gewerblicher Art handelt. Nachdem er die Klägerin erfolglos zur Abgabe von Steuererklärungen für das Streitjahr (2005) aufgefordert hatte, setzte er unter Ansatz eines geschätzten Steuerbilanzgewinns von 5.000 EUR die Körperschaftsteuer für das Streitjahr auf 291 EUR fest.

    Gegen diesen Schätzungsbescheid hat die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage erhoben. Sie hält daran fest, dass sie als Betreiberin von Kindergärten keine wirtschaftliche Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausübe, die die Annahme eines Betriebs gewerblicher Art im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. § 4 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) rechtfertigen könnte. Zudem sei die Schätzung eines Gewinns von 5.000 EUR offensichtlich willkürlich. Ausweislich der kameralistischen Jahresrechnung habe sie im Streitjahr im Bereich der Kindertagesstätten eine Unterdeckung von rd. „X” Mio. Euro erwirtschaftet. Dies mache zugleich deutlich, dass eine Besteuerungsnotwendigkeit nach § 4 Abs. 1 KStG aus Gründen der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen nicht bestehen könne.

    Die Klägerin beantragt,

    den Körperschaftsteuerbescheid 2005 vom 10.12.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.05.2008 aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen, hilfsweise Zulassung der Revision

    Zur Begründung verweist der Beklagte im wesentlichen auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung:

    Die Klägerin habe durch die Unterhaltung der Kindergärten einen Betrieb gewerblicher Art begründet. Sie habe hiermit eine nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausgeübt und ausweislich der eingereichten kameralistischen Jahresrechnung 2005 Elternbeiträge und Verpflegungsentgelte von mehr als „Y” Mio EUR vereinnahmt.

    Auch wenn die Elternbeiträge durch Verwaltungsakt festgesetzt und unmittelbar an die Kommune entrichtet würden, stellten sie ein Entgelt und damit auch eine Einnahme für die Betreuung der Kinder in den Tageseinrichtungen dar. Dass die Beiträge nicht an die jeweilige Einrichtung gezahlt würden, könne den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Beitrag und der in Anspruch genommenen „Betreuungsleistung” nicht aufheben. Die Beitragspflicht entstehe für die Inanspruchnahme der Dienstleistung. Werde das Kind nicht in einer Kindertagesstätte untergebracht, seien auch keine Beiträge zu entrichten. Dies gelte umso mehr, als die Klägerin als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 17 Abs.1 Satz 1 GTK NW zur Erhebung von Elternbeiträgen nicht verpflichtet sei. Mache sie von dieser Möglichkeit jedoch Gebrauch, so stünden die hierdurch erzielten Einnahmen im ursächlichen Zusammenhang mit den durch den Betrieb der Kindertageseinrichtungen erbrachten Leistungen. Allein die Höhe der Einnahmen von rund „Y”Mio. im Streitjahr indiziere das Vorliegen einer Einrichtung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG (Hinweis auf R 6 Abs. 4 Satz 2 KStR 2004). Die Voraussetzungen für die Annahme eines Betriebes gewerblicher Art seien damit erfüllt.

    Die Klägerin übe insoweit auch keine hoheitliche Tätigkeit aus. Nach der Rechtsprechung sei eine Ausübung öffentlicher Gewalt ausgeschlossen, wenn sich die Körperschaft durch ihre Einrichtungen in den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr einschalte und eine Tätigkeit entfalte, die sich ihrem Inhalt nach von der Tätigkeit eines privaten gewerblichen Unternehmens nicht wesentlich unterscheide (Hinweis auf BFH-Urteil vom 25.01.2005, I R 63/03, BStBl II 2005, 501). Zwar bestehe nach § 24 Abs. 1 SGV VIII ein Rechtsanspruch des Kindes auf einen Platz in einer Tageseinrichtung ab Vollendung des dritten Lebensjahres bis zum Schuleintritt. Dieser Anspruch richte sich auch gegen die Klägerin als dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§ 11 Abs. 1 GTK NW). Die Kommunen seien jedoch in ihrer Entscheidung, ob sie diese Aufgabe durch eine eigene Einrichtung oder andere Anbieter durchführen lassen, frei. Insoweit bestehe unter anderem ein Wettbewerb zu den vergleichbaren Angeboten der Wohlfahrtsverbände. Dies gelte umso mehr, als nach § 4 Abs. 1 SGB VIII die Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach dem Gedanken der Subsidiarität zur Zusammenarbeit mit der freien Jugendhilfe verpflichtet seien. § 4 Abs. 2 SGB VIII formuliere einen Vorrang der freien vor der öffentlichen Jugendhilfe. Soweit anerkannte Träger der freien Jugendhilfe geeignete Einrichtungen betreiben oder rechtzeitig schaffen können, solle die öffentliche Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen. Eine Errichtungs- und Betriebsverpflichtung begründe § 11 Abs. 3 GTK NW für die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe nur in den Fällen, in denen die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe hierzu nicht in der Lage seien. Schon wegen dieses gesetzlich statuierten Vorrangs der Träger der freien Jugendhilfe sei die tatsächliche Durchführung der Versorgung mit Plätzen in Tageseinrichtungen der öffentlichen Hand nicht eigentümlich und vorbehalten.

    Entscheidend sei zudem, dass die Klägerin mit dem Betrieb ihrer Kindergärten den Bereich der unternehmerischen Berufs- und Gewerbeausübung tangiere. Der Beklagtenvertreter hat hierzu in der mündlichen Verhandlung einen Internet-Ausdruck (www.”G”.de) über das Angebot der „G” GmbH & Co KG vorgelegt, die in „E-Stadt” zwei Kindergärten betreibt, um zu belegen, dass eine zumindest potentielle Wettbewerbsbeeinträchtigung gewerblicher Unternehmer nicht ausgeschlossen werden könne.

    Da die Klägerin mit dem Einkommen ihres Betriebs gewerblicher Art „Kindergärten/Kindertagesstätten” nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig und ihrer Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung für das Streitjahr nach § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 25 Abs. 3 EStG trotz Aufforderung nicht nachgekommen sei, hätten die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege ermittelt werden müssen. Eine den steuerlichen Vorschriften entsprechende Gewinnermittlung (§ 60 Abs. 4 EStDV) habe die Klägerin bis heute nicht eingereicht. Der vorgelegte Auszug aus der kameralistischen Jahresrechnung 2005 habe der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen schon deshalb nicht zugrunde gelegt werden können, weil es sich hierbei um keine den steuerlichen Vorschriften entsprechende Gewinnermittlung handele. Der vollständige Ansatz aller Betriebseinnahmen und die zutreffende Zuordnung der damit im Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben sei aus dieser Jahresrechnung nicht zu entnehmen.

    Gründe

    Die Klage ist begründet.

    Die von der Klägerin betriebenen Kindergärten dienen ganz oder zumindest weit überwiegend der Ausübung öffentlicher Gewalt; eine Behandlung als Betrieb gewerblicher Art scheidet damit nach § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG aus. Zudem tritt die Klägerin mit diesen Einrichtungen nicht in Wettbewerb zu anderen Anbietern.

    1. Unter Ausübung öffentlicher Gewalt sind nach ständiger Rechtsprechung Tätigkeiten zu verstehen, die der juristischen Person des öffentlichen Rechts eigentümlich und vorbehalten sind. Kennzeichnend dafür ist die Erfüllung spezifisch öffentlich-rechtlicher Aufgaben, die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind, staatlichen Zwecken dienen und zu deren Annahme der Leistungsempfänger aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 25.01.2005 I R 63/03, BStBl II 2005, 501 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

    a) Mit der Einrichtung und Unterhaltung ihrer Kindergärten nimmt die Klägerin eine Aufgabe wahr, die ihr als öffentlich rechtlicher Körperschaft eigentümlich und vorbehalten ist.

    aa) Mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz vom 26.06.1990 (BGBl I 1990, 1163) wurde in § 24 SGB VIII erstmals normiert, dass alle Kinder, für deren Wohl eine Förderung in Tageseinrichtungen oder in Tagespflege erforderlich ist, eine entsprechende Hilfe erhalten sollen. Den Ländern wurde die Aufgabe übertragen, für einen bedarfsgerechten Ausbau Sorge zu tragen.

    In § 24 SGB VIII 1992 wurde für Kinder vom vollendeten dritten Lebensjahr an ein Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens nach Maßgabe des Landesrechts geschaffen. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, zu denen § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII 1991 die Kreise und kreisfreien Städte bestimmt hatte, hatten darauf hinzuwirken, dass für jedes Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr an bis zum Schuleintritt ein Kindergartenplatz zur Verfügung steht und dass das Betreuungsangebot nach § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII 1992 bedarfsgerecht ausgebaut wird. Für Kinder im Alter unter drei Jahren und Kinder im schulpflichtigen Alter waren nach Bedarf u.a. Plätze in Tageseinrichtungen vorzuhalten Das am 1.01.2005 in Kraft getretene Gesetz zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder (Tagesbetreuungsausbaugesetz -TAG-) vom 27.12.2004 hat § 24 SGB VIII dahingehend ergänzt, dass für Kinder unter drei Jahren unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. im Fall von erwerbstätigen Erziehungsberechtigten) Plätze in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege vorzuhalten sind (vgl. § 24 Abs. 3 SGB VIII 2005). Seit dem 1. Oktober 2010 sind die Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet, insoweit ein bestimmtes Mindestangebot vorzuhalten (§ 24a Abs. 3 SGB VIII).

    bb) Dass § 4 Abs. 2 SGB VIII einen Vorrang der Träger der freien Jugendhilfe (Kirchen, Wohlfahrtsverbände und frei gemeinnützige Träger) anordnet, stellt die Qualifizierung des Betriebs von Kindergärten als hoheitliche Tätigkeit nicht in Frage. Die Vorschrift bringt lediglich das im Jugendhilferecht geltende Subsidiaritätsprinzip zum Ausdruck und stellt klar, dass die Klägerin als Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen soll, soweit Kindergärten von nicht kommunalen Träger betrieben oder rechtzeitig geschaffen werden. Diese Träger nehmen jedoch ähnlich einem beliehenen Unternehmer die nach dem SGB VIII öffentlichen wie privaten Trägern der Jugendhilfe gleichermaßen zugewiesenen Aufgaben als quasi hoheitliche Aufgaben wahr. Dies verkennt die Verwaltung, wenn sie Kindergärten öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften – im Gegensatz zu den von ihr als Betrieb gewerblicher Art qualifizierten kommunalen Kindergärten – im Hinblick auf den verfassungsrechtlich anerkannten Verkündigungsauftrag der Kirchen als (kirchliche) Hoheitsbetrieb behandelt (OFD Düsseldorf, Verfügung vom 26.11.2002 S 2706 A – St 134, juris). Denn kirchliche Kindergärten nehmen– wie auch die Kindergärten der übrigen Träger der freien Jugendhilfe – öffentliche Aufgaben im Sinne staatlicher Aufgaben wahr (vgl. auch Schön, DStZ 1999, 701,706), so dass der Rückgriff auf den kirchlichen Verkündigungsauftrag zur Begründung eines (kirchlichen) Hoheitsbetriebs und die damit verbundene sachwidrige Differenzierung zwischen Einrichtungen, die trägerunabhängig dieselben Aufgaben erfüllen, entbehrlich ist.

    cc) Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber hat auf der Grundlage der bundesgesetzlichen Regelungen das GTK NW erlassen, das am 1.08.2008 durch das KiBiz abgelöst wurde. § 2 Abs. 1 GTK NW definiert den Kindergarten als sozialpädagogische Einrichtung, die neben der Betreuungsaufgabe einen eigenständigen Erziehungs- und Bildungsauftrag hat und erklärt den Kindergarten damit zum wichtigen Bestandteil des Elementarbereich des Bildungssystems. Wesentliche Funktion und Aufgabe der Kindergärten ist damit die vorschulische Erziehung und die frühzeitige Vorbereitung der Kinder auf den Schulbesuch. Der Kindergarten als „Vorschule” ist insoweit der allgemeinbildenden Schule vergleichbar, bei der nach einhelliger Auffassung in der Kommentarliteratur die Erziehung und Bildung der Jugend in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt (z.B. Krämer in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 4 KStG Rdnr. 142 „Schulen”; Bott in Ernst & Young, KStG, § 4 Rdnr. 260; Mai in Frotscher/Maas, KStG, § 4 Rdnr. 23 „Schulen”, Blümich/Erhard, § 4 KStG Rz. 111 „Schulen”). Dass die Klägerin mit der Unterhaltung von Kindertagesstätten öffentliche Aufgaben erfüllt, verdeutlicht nicht zuletzt das Urteil des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofs vom 12.10.2008 VerfGH 12/09, wonach die den Kommunen ohne Kostenausgleich übertragene Verpflichtung, auch für Kinder unter drei Jahren Kindertagesstätten bereitzustellen, das Konnexitätsprinzip des Art. 78 Abs. 3 der Landesverfassung NW verletzt.

    c) Unabhängig von der Qualifizierung der Tätigkeit der Klägerin als einer ihr vorbehaltenen und eigentümlichen öffentliche Aufgabe hält es der Senat zudem für ernstlich zweifelhaft, ob die in § 4 Abs. 1 KStG normierten Tatbestandsmerkmale des Betriebs gewerblicher Art erfüllt sind und es sich bei den kommunalen Kindergärten um Einrichtungen handelt, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen dienen.

    Diese Zweifel ergeben sich allerdings nicht schon daraus, dass die Elternbeiträge von der Klägerin auf der Grundlage des GTK NW durch Gebührenbescheid erhoben worden sind. Der Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass es nicht auf Art und Bezeichnung der erzielten Einnahmen ankommt und hierzu grundsätzlich auch auf öffentlich-rechtlicher Rechtsgrundlage erhobene Gebühren und Beiträge rechnen (so schon BFH-Urteil vom 26.02.1957 I 327/56 U, BStBl III 1957, 146). Richtig ist auch sein Hinweis, dass die Elternbeiträge ohne Besuch des – kommunalen – Kindergartens nicht angefallen wären. Zwischen den von der Klägerin betriebenen Kindergärten und den Elternbeiträgen besteht gleichwohl kein hinreichender sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang. Denn die Elternbeiträge waren von der Klägerin unabhängig davon zu erheben, ob der Kindergarten von ihr selbst oder einem freien Träger der Jugendhilfe betrieben wurde. Im Hinblick auf den in § 4 Abs. 2 SGB VIII angeordneten Vorrang der Träger der freien Jugendhilfe war die Klägerin zudem nur berechtigt, als Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe aber zugleich auch verpflichtet, eigene Kindergartenplätze zur Sicherstellung eines bedarfsgerechten Angebots zu schaffen. Die Einrichtungen der Klägerin dienen damit vorrangig der Schließung der durch das Angebot der freien Träger nicht gedeckten Bedarfslücken und nicht der Erzielung von Einnahmen, die ohne diese Einrichtungen nicht erzielt worden wären. Ob und in welcher Höhe Elternbeiträge erhoben werden, hängt damit nicht davon ab, ob und in welchem Umfang die Klägerin selbst Kindergärten betreibt, sondern ist eine hiervon losgelöste sozial- und haushaltspolitische Frage. Dass die Klägerin mit ihren Kindergärten keine wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausübt, verdeutlicht nicht zuletzt der Umstand, dass sie seit „Jahr A” für Kinder ab drei Jahren auf die Erhebung von Elternbeiträgen gänzlich verzichtet.

    2. Den kommunalen Kindergärten kommt auch keine Wettbewerbsrelevanz zu, die nach Auffassung des BFH die Annahme eines Hoheitsbetriebs generell ausschließt. Sie stehen zu den Kindertageseinrichtungen der kirchlichen und frei gemeinnützigen Träger sowie der gewerblichen Anbietern in keinem marktwirtschaftlichen Wettbewerb, der durch eine steuerliche Ungleichbehandlung tatsächlich oder potentiell beeinträchtigt werden könnte.

    a) Die höchstrichterliche Rechtsprechung verneint trotz Erfüllung spezifisch öffentlich-rechtlicher Aufgaben das Vorliegen eines Hoheitsbetriebs, falls sich die Körperschaft des öffentlichen Rechts mit ihrer Einrichtung in den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr einschaltet und hierbei eine Tätigkeit entfaltet, die sich ihrem Inhalt nach von der Tätigkeit eines privaten gewerblichen Unternehmens nicht wesentlich unterscheidet. (ständige Rechtsprechung; z.B. BFH-Urteile 29.10.2008 I R 51/07, BStBl II 2009, 1022 und vom 25.01.2005 I R 63/03, BStBl II 2005, 501). Dies soll der Fall sein, wenn sich die juristische Person des öffentlichen Rechts in Bereichen der unternehmerischen Berufs- und Gewerbeausübung bewegt. Hier sollen private Unternehmer durch den Wettbewerb mit (grundsätzlich nicht steuerpflichtigen) Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht benachteiligt werden dürfen.

    b) Eine steuerschädliche privatwirtschaftliche Wettbewerbssituation zwischen den Kindertagesstätten der Klägerin und den auf der Grundlage des § 22 SGB VIII in Verbindung mit § 1 GTK NW betriebenen vergleichbaren Einrichtungen der Kirchen und frei gemeinnützigen Träger ist jedoch schon deshalb nicht zu befürchten, weil beide die ihnen nach dem Jugendhilferecht übertragenen öffentlichen Aufgaben erfüllen.

    c) Was die gewerblichen Kindertagesstätten betrifft, so fehlt es bereits an der Vergleichbarkeit der Einrichtungen. Die Ungleichbehandlung kommunaler, kirchlicher und frei gemeinnütziger Träger auf der einen und gewerblicher Betreiber von Kindergärten auf der anderen Seite ist im Jugendhilferecht angelegt. Zwar ist die Jugendhilfe nach § 3 SGB VIII gekennzeichnet durch die Vielfalt von Trägern unterschiedlicher Wertorientierungen. Gewerbliche Unternehmen sind jedoch keine Träger der freien Jugendhilfe und können auch nicht als solche behandelt werden. Damit sind für sie auch die Förderungsgrundsätze des § 22 SGB VIII und des § 2 GTK NW (nunmehr § 3 KiBiz) nicht verpflichtend. Sie müssen den Kindergarten nicht als sozialpädagogische Einrichtung betreiben, die neben der Betreuungsaufgabe einen eigenständigen Erziehungs- und Bildungsauftrag hat. Diese Aufgabe obliegt ausschließlich der Klägerin und den freien Trägern der Jugendhilfe, deren Tätigkeit sich damit ihrem Inhalt nach wesentlich von der Tätigkeit eines gewerblichen Betreiber einer Kindestagesstätte unterscheidet. Folgerichtig sind gewerbliche Unternehmen im Gegensatz zu den anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe auch nicht in die Planung der Klägerin für die Einrichtung neuer Kindertagestätten einbezogen und werden bei der Aufstellung des Bedarfsplans nicht berücksichtigt (vgl. hierzu § 10 GTK NW).

    Hiervon abgesehen beruhen „Wettbewerbsnachteile” der gewerblicher Anbieter bei der Preisgestaltung gegenüber den freien Trägern der Jugendhilfe, die eine öffentlichen Zuschuss von bis zu 96 v.H. zu den Betriebskosten erhalten (vgl. § 18 Abs. 4 GTK NW), jedenfalls nicht auf einer unterschiedlichen steuerlichen Behandlung, sondern auf dem System der staatlichen Förderung von Kindertageseinrichtungen, das sich nicht nach markt- und erwerbswirtschaftlichen Kriterien orientiert.

    3. Auf die umsatzsteuerliche Abgrenzung zwischen hoheitlicher und unternehmerischer Tätigkeit kommt es für die vorliegende ertragsteuerliche Beurteilung schon deshalb nicht an, weil sie sich maßgebend nach Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. 5. 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) und damit auf eine für die Auslegung des § 4 KStG nicht einschlägige Rechtsgrundlage richtet. Schon deshalb beruft sich der Beklagte ohne Erfolg auf das zur Umsatzsteuer ergangene BFH-Urteil vom 18.12.2003 V R 66/01, BFH/NV 2004, 985, das eine kommunale Kindertagesstätte in Baden-Württemberg betraf. Der BFH stellte dort entscheidend darauf ab, dass die Kommune nach den Feststellungen der Vorinstanz die - entgeltliche - Kinderbetreuung aufgrund eines – wie im Streitfall -- privatrechtlichen Vertragsverhältnisses durchgeführt hat.

    Nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG gelten Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige, soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben (Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG). Etwas anderes gilt dann, wenn eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Der Wortlaut der Richtlinie steht damit zwar im Einklang mit der einschränkenden Auslegung des Begriffs der Ausübung öffentlicher Gewalt durch den Körperschaftsteuersenat des BFH (vgl. zuletzt BFH-Urteil 29.10.2008 I R 51/07, BStBl II 2009, 1022). Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG wird jedoch vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - verbindlich dahin ausgelegt, dass es sich bei den Tätigkeiten „im Rahmen der öffentlichen Gewalt” um solche Tätigkeiten handelt, die die Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelung ausüben. Nach Ansicht des EuGH rechnen damit – unabhängig von Wettbewerbsgesichtspunkten – sämtliche Tätigkeiten zum unternehmerischen Bereich der öffentlichen Hand, die unter den gleichen rechtlichen Bedingungen ausgeübt werden wie von privaten Wirtschaftsteilnehmern, d.h. alle Tätigkeiten, die auch in den Formen des Privatrechts erfolgen können (vgl. BFH-Urteil vom 1.07.2004 V R 64/02, BFH/NV 2005, 252 mit Nachweisen zur Rechtsprechung des EuGH und zuletzt BFH-Urteil vom 17.03. 2010 XI R 17/08, DStR 2010, 2234). Hiernach ist allein die Form und nicht der Inhalt des Tätigwerdens entscheidend. Eine ausschließlich auf die formalrechtliche Ausgestaltung der Leistungsbeziehung abstellende Betrachtungsweise ist jedoch dem Ertragsteuerrecht fremd.

    4. Soweit der AO-Gesetzgeber in § 68 Nr. 1b der Abgabenordnung (AO) wie auch in der Vorgängerregelung des § 9 Gemeinnützigkeitsverordnung Kindergärten als Beispiel für Zweckbetrieb aufgeführt hat und damit ersichtlich davon ausgeht, dass es sich um wirtschaftliche Geschäftsbetriebe handelt (vgl. § 65 AO), ist diese Wertung unbeschadet der Ähnlichkeit der die Begriffe wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb in § 15 AO und Betrieb gewerblicher Art in § 4 Abs. 1 KStG konstituierenden Merkmale für die Auslegung des § 4 Abs. 1 und 5 KStG nicht maßgebend. Es kommt hinzu, dass sich Aufgabe und Funktion des Kindergartens, wie vorstehend ausgeführt, spätestens mit Inkrafttreten des SGB VIII grundlegend geändert haben.

    5. Im Streitfall braucht schließlich nicht der Frage nachgegangen werden, ob die Klägerin in ihren Kindertageseinrichtungen wirtschaftlich abgrenzbare entgeltliche Leistungen erbracht hat (z.B. Verpflegung im Rahmen der Ganztagesbetreuung), die für sich genommen als eigenständiger Betrieb gewerblicher Art behandelt werden könnten, denn derartige abgrenzbare Tätigkeiten sind nicht Gegenstand des vom Beklagten angenommenen Betrieb gewerblicher Art „Unterhaltung von Kindertagesstätten” und damit auch nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheids.

    6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

    7. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2Nr. 1 FGO.

    VorschriftenKStG § 1 Abs. 1 Nr. 6, KStG § 4 Abs. 5 Satz 1, AO § 15, AO § 68 Nr. 1b, SGB VIII § 4 Abs. 2, SGB VIII § 22, SGB VIII § 24, GTK NW § 1, § 2 Abs. 1, GTK NW § 10, GTK NW § 18 Abs. 4, RL 77/388/EWG Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2