22.12.2010
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 02.08.2010 – 11 K 763/08 G,F
- Der Gewinnbegriff in § 4 Abs. 4 a EStG ist im Sinne des allgemeinen Gewinnbegriffs in § 4 Abs. 1 EStG bzw. § 4 Abs. 3 EStG auszulegen und umfasst damit auch Verluste.
- Daher kann ein Verlust einen Einlagenüberschuss (Überschuss der Einlagen über die Entnahmen des jeweiligen Jahres) aufzehren und so das Entstehen einer – mit Überentnahmen weiterer Jahre zu verrechnenden – Unterentnahme verhindern.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der abziehbaren Schuldzinsen der Jahre 2002 bis 2005 nach § 4 Abs. 4 a Einkommensteuergesetz (EStG).
Konkret ist strittig, ob die im Jahr 2001 durch den Kläger erbrachten Einlagen, soweit sie die Entnahmen dieses Jahres überschreiten, hinsichtlich der Ermittlung des für Zwecke des § 4 Abs. 4 a EStG maßgebenden Überentnahmebetrages vorrangig mit den in den Vorjahren getätigten Überentnahmen (Kläger) oder mit dem laufenden Verlust des Jahres 2001 (Finanzamt) zu verrechnen sind.
Der Kläger erzielt aus dem Betrieb gewerbliche Einkünfte. Er ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG.
Im Zuge einer Außenprüfung der Jahre 2002 bis 2004 wurden die zunächst erklärungsgemäß festgestellten Verluste gemindert.
Aus der Buchführung des Klägers ergibt sich folgendes:
| Jahre | 1999 | 2000 | 2001 |
| Verlust | -464.447 DM | -589.813 DM | -339.309 DM |
| Einlagen | 370.085 DM | ||
| Entnahmen | 72.492 DM | 74.295 DM | 135.080 DM |
Das Finanzamt ermittelte – der Außenprüfung folgend – als Ausgangsgröße die Überentnahme der Jahre vor 2002 durch Addition der beiden Überentnahmen der Jahre 1999 und 2000 (=146.787 DM = 75.051 EUR). Die nach Saldierung mit den Entnahmen verbleibenden Einlagen für 2001 (235.005 DM), verrechnete es vollständig mit dem höheren laufenden Verlust des Jahres 2001.
Dies ergab für den Streitzeitraum 2002 bis 2005 folgende Überentnahmen zur Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen:
| Jahre | 2002 | 2003 | 2004 | 2005 |
| Überentnahme Vorjahre | 75.051 EUR | 123.095 EUR | 197.489 EUR | 308.096 EUR |
| Überentnahme laufendes Jahr | 48.044 EUR | 74.394 EUR | 110.908 EUR | 51.741 EUR |
| Summe | 123.095 EUR | 197.489 EUR | 308.397 EUR | 359.837 EUR |
Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf Anlage 10 des Außenprüfungsberichtes vom 22. Januar 2007 und auf das Berechnungsblatt des Gewinnfeststellungsbescheides 2005 zur Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages nach § 4 Abs. 4 a EStG Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich der Kläger nach erfolglos durchlaufenem Einspruchsverfahren.
Als Ausgangsgröße für die Berechnung der nichtabziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4 a EStG ab 2002 müsse von einer Unterentnahme aus den Vorjahren 1999 bis 2001 in Höhe von 88.218 DM (45.105 EUR) ausgegangen werden, die sich wie folgt errechne:
| Jahre | 1999 | 2000 | 2001 |
| Verlust | -464.447 DM | -589.813 DM | -339.309 DM |
| Einlagen | 370.085 DM | ||
| Entnahmen | 72.492 DM | 74.295 DM | 135.080 DM |
| Überentnahme (-)/Unterentnahme (+) | -72.492 DM | -74.295 DM | +235.005 DM |
Im Jahr 2001 sei eine Unterentnahme von 235.005 DM vorhanden, von der die Überentnahmen der beiden Vorjahre abgezogen werden müssten. Daraus ergebe sich nach § 4 Abs. 4 a EStG die Unterentnahme aus den Vorjahren 1999 bis 2001 in Höhe von 88.218 DM (45.105 EUR).
Diese Berechnung sei zwingend; der Kläger habe in den Jahren 1999 bis 2001 insgesamt 88.218 DM mehr eingelegt als entnommen.
Die Auslegung des § 4 Abs. 4 a Satz 2 und 3 EStG durch die Finanzverwaltung sei durch den Wortlaut und Sinn und Zweck des Gesetzes nicht gedeckt. Mit der Einführung der Regelung zu den nichtabziehbaren Schuldzinsen habe der Gesetzgeber den sog. Zweikontenmodellen/Mehrkontenmodellen die steuerliche Grundlage entziehen wollen. Der Unternehmer solle nicht mehr die vollständigen Betriebseinnahmen, sondern nur den Gewinn und die geleisteten Einlagen steuerunschädlich entnehmen können. Übereinstimmend werde der undeutliche Wortlaut des § 4 Abs. 4 a Sätze 2 und 3 EStG dahingehend interpretiert, dass Verluste keinen Eingang in die Grundformel für die Berechnung der Überentnahmen finden dürfen. In einem Gewinnjahr ergebe sich die Überentnahme in der Höhe, in der die Entnahmen die Summe aus Gewinn und geleisteten Einlagen übersteige. In einem Verlustjahr ergebe sich eine Überentnahme in der Höhe, in der die Entnahmen die geleisteten Einlagen überstiegen. Der Verlust bleibe unberücksichtigt.
Im Streitfall würden die nichtabziehbaren Schuldzinsen auf der Grundlage der kumulierten Überentnahmen der Jahre ab 1999 ermittelt. Folge man dem Finanzamt, so werde durch die Verrechnung von Unterentnahmen eines Jahres mit Verlusten der vorerwähnte Grundsatz der Nichtberücksichtigung etwaiger Verluste durchbrochen. Aus dem Wortlaut des Satz 3 in § 4 Abs. 4 a EStG ließen sich derartige gesetzgeberische Zielsetzungen nicht entnehmen.
Zudem würden vergleichbare wirtschaftliche Sachverhalte völlig unterschiedlich behandelt. Obwohl eine periodenübergreifende Totalbetrachtung erfolgen solle, würden sich nach Auffassung der Finanzverwaltung unterschiedlich hohe Über- bzw. Unterentnahmen je nach Zeitpunkt der Einlage in 1999, 2000 oder im Jahr 2001 ergeben, obwohl der Saldo aus Entnahmen und Einlagen insgesamt stets gleich hoch sei. Dies sei willkürlich.
Im Gegensatz zu den Ausführungen der Einspruchsentscheidung sei es nicht richtig, dass das Entnahmepotenzial eines Betriebes durch Gewinn, Verlust, Einlagen und Entnahmen der laufenden und vorangegangenen Wirtschaftsjahre gebildet werde. Das Entnahmepotenzial werde nicht durch Verluste mitbestimmt. Auch in Verlustjahren könnten Einlagen stets steuerunschädlich entnommen werden, auch wenn die Einlage eventuelle Verluste nicht ausgleiche und insofern tatsächlich keine entnahmefähige Liquidität trotz Einlage vorhanden sei. Eine typisierte Kürzung des Zinsaufwandes komme nur dann in Betracht, wenn ein Teil der gewinnmindernden bzw. verlusterhöhenden Aufwendungen durch zu hohe private Geldabflüsse bedingt sei. Dieses setze denklogisch ein Mehr an Entnahmen gegenüber Einlagen voraus.
Der Gesetzgeber habe in § 4 Abs. 4 a Satz 2 EStG nicht zum Ausdruck gebracht, dass ein etwaiges Unterentnahmepotenzial durch Verluste gemindert werde. Der Begriff „Gewinn” sei teleologisch auf den positiven Jahresüberschuss reduziert. Damit ergebe sich für das Jahr 2001 eine Unterentnahme in Höhe von 235.005 DM. Folglich seien eindeutig die Überentnahmen der Jahre 1999 und 2000 mit der Unterentnahme des Jahres 2000 zu verrechnen, was im Ergebnis eine verbleibende Unterentnahme Ende 2001 in Höhe von 88.218 DM zur Folge habe. Dieser Betrag bilde die Ausgangsgröße für die Berechnung der nichtabziehbaren Schuldzinsen in den Jahren ab 2002.
Die Verfahrensweise des Beklagten verstoße gegen das Prinzip der Steuergerechtigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Sie verstoße gegen den gesetzgeberischen Willen, wonach Gewinne und Einlagen stets ohne Steuernachteile entnommen werden dürften. Erst wenn in einer periodenübergreifenden Betrachtung durch Überentnahmen ein negatives Kapitalkonto entstehe bzw. sich dieses erhöhe, entstünden entnahmebedingte nichtabziehbare Schuldzinsen. Daher sei eine „teleologische Reduktion” des § 4 Abs. 4 a EStG notwendig, wonach Verluste generell nicht in die Ermittlung der Über- bzw. Unterentnahmebeträge einzubeziehen seien.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide über die gesonderten Feststellungen der Einkünfte 2002 bis 2005, den Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2002 sowie die Bescheide über die gesonderten Feststellungen der vortragsfähigen Gewerbeverluste 2003 und 2004, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2008 dahingehend abzuändern, dass die Berechnung der nichtabzugsfähigen Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4 a EStG auf der Basis einer Unterentnahme aus den Vorjahren 1991 bis 2001 in Höhe von 88.218 DM (45.105 EUR) wie folgt durchgeführt wird:
2002: Überentnahme in Höhe von 2.939 EUR,
2003: Überentnahme in Höhe von 77.333 EUR,
2004: Überentnahme in Höhe von 188.241 EUR,
2005: Überentnahme in Höhe von 239.982 EUR;
ferner, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Auch ein Verlust werde vom Gewinnbegriff des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG bzw. § 4 Abs. 3 EStG erfasst. Ein Unterentnahmebetrag eines Wirtschaftsjahres könne sich demnach im Falle der Erwirtschaftung eines Verlustes nach der gesetzlichen Unterentnahmedefinition nur dann ergeben, wenn die Einlagen des betroffenen Wirtschaftsjahres die Summe aus Entnahmen und Verlusten übersteigen. Damit ergebe sich im Streitfall kein Unterentnahmebetrag für das Jahr 2001. Eine teleologische Reduktion des § 4 Abs. 4 a EStG, wonach Verluste generell nicht in die Ermittlung der für Zwecke des § 4 Abs. 4 a EStG maßgebenden Über- bzw. Unterentnahmebeträge einzubeziehen sind, komme nicht in Betracht. Zwar werde von der Finanzverwaltung und der herrschende Meinung in der Literatur eine einschränkende Auslegung des § 4 Abs. 4 a EStG insoweit befürwortet, als Verluste nicht zu Überentnahmebeträgen im Sinne des § 4 Abs. 4 a Satz 2 EStG führen dürften. Vorliegend beruhe die Hinzurechnung nach § 4 Abs. 4 a EStG aber auf unstreitigen Überentnahmen in den Vorjahren und nicht auf als Überentnahmen qualifizierten Verlusten des Jahres 2001.
Dem Kläger sei zwar darin zuzustimmen, dass insoweit die Höhe der nichtabziehbaren Schuldzinsen vom Zeitpunkt der Erbringung einer Einlageleistung beeinflusst werde. Hätte der Kläger die im Jahr 2001 erbrachten Einlagen, soweit sie über den Betrag der Entnahmen des Jahres 2001 hinausgehen, in früheren bzw. späteren Wirtschaftsjahren geleistet, hätten diese eine entsprechende Minderung der in diesen Wirtschaftsjahren getätigten Überentnahmen zur Folge gehabt. Gegen diese Auswirkung bestünden allerdings keine Bedenken. Hier liege die gesetzlich fixierte, dem Vereinfachungsgedanken des § 4 Abs. 4 a EStG dienende Annahme zu Grunde, dass Einlagen eines Wirtschaftsjahres vorrangig der Abdeckung der im selben Wirtschaftjahr getätigten Entnahmen sowie des Ausgleichs eines im selben Wirtschaftsjahr erwirtschafteten Verlustes dienten.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Nach § 4 Abs. 4 a Satz 1 EStG sind Schuldzinsen nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen (§ 4 Abs. 4 a Satz 2 EStG). Die nichtabziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 v. H. der Überentnahmen des Wirtschaftsjahres zzgl. der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt; bei der Ermittlung der Überentnahme ist vom Gewinn ohne Berücksichtigung der nach Maßgabe dieses Absatzes nichtabziehbaren Schuldzinsen auszugehen (§ 4 Abs. 4 a Satz 3 EStG).
Danach hat das Finanzamt zu Recht die nach Verrechnung mit den Entnahmen 2001 verbleibenden Einlagen 2001 in Höhe von 235.005 DM mit dem laufenden Verlust des Jahres 2001 in Höhe von 339.309 DM saldiert mit der Folge, dass sich als Ausgangsbetrag zur Berechnung der Überentnahme ab 2002 der angesetzte Betrag von 146.787 DM = 75.051 EUR ergibt.
Der stattdessen vom Kläger ermittelte Unterentnahmebetrag von 88.218 DM (45.105 EUR), der sich aus der Saldierung der nach Verrechnung mit den Entnahmen 2001 verbleibenden Einlagen 2001 (235.005 DM) mit den unstrittigen Überentnahmen der Vorjahre 1999 und 2000 ergibt, ist zu Recht nicht zugrunde gelegt worden.
Dies folgt aus Sinn und Zweck des schon ab 1999 geltenden § 4 Abs. 4 a EStG. Der Gesetzgeber wollte mit § 4 Abs. 4 a EStG der BFH-Rechtsprechung zu dem Mehrkontenmodell entgegentreten und den Grundsatz der Finanzierungsfreiheit einschränken. Der Unternehmer soll ohne nachteilige Folgen für den betrieblichen Schuldzinsenabzug nicht mehr die vollständigen Betriebseinnahmen, sondern nur noch den im Unternehmen erwirtschafteten Gewinn sowie geleistete Einlagen entnehmen können (BFH-Urteil vom 7. März 2006 X R 44/04, BFHE 212, 501, BStBl II 2006, 588 m. w. N.).
Es soll letztlich verhindert werden, dass Schuldzinsen für das Darlehen steuerlich geltend gemacht werden können, die zwar formal der betrieblichen Sphäre zuzuordnen sind, indes wirtschaftlich allein zur Finanzierung von Entnahmen aufgenommen und so letztlich privaten Zwecken zugeführt werden (Seiler in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG – Kommentar, § 4 EStG Rn. Ea 20). Während der ursprünglich konzipierte § 4 Abs. 4 a EStG einer liquiditätsbezogenen Betrachtung folgte, setzt die nunmehr maßgebliche Fassung in Gestalt des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 auf dem sogenannten Eigenkapitalmodell auf (Deussen in Bordewin/Brandt, § 4 EStG Rz. 2070; zur Anknüpfung an das Eigenkapital auch Seiler in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff § 4 EStG Rn. Ea 22). Hierdurch soll gewährleistet werden, dass Zinsaufwendungen nur insoweit anerkannt werden, als ein Unternehmen über Eigenkapital verfügt. Zinsaufwendungen, die durch Entnahmen bei Unternehmen mit negativem Eigenkapital entstehen, sollen den steuerlichen Gewinn nicht mindern (Deussen a.a.O. Rz. 2071).
Entgegen der Ansicht des Klägers ist damit der Gewinnbegriff in § 4 Abs. 4 a EStG mangels einer besonderen Bestimmung in dieser Vorschrift im Sinne des allgemeinen Gewinnbegriffs in § 4 Abs. 1 EStG bzw. § 4 Abs. 3 EStG auszulegen (BFH-Urteil vom 7. März 2006 a. a. O. mit weiteren zahlreichen Nachweisen). Damit ist unter „Gewinn” grundsätzlich auch der Verlust als negativer Gewinn zu verstehen (so auch Seiler in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 4 EStG Rn. Ea 70). Eine vollständige Gleichsetzung des Verlustes mit dem Gewinn verbietet sich nur insoweit, als der Verlust alleine schon eine Überentnahme in genau der gleichen Höhe begründen würde. Durch eine solche „Überentnahme” würde der Privatsphäre mehr zugerechnet als ihr durch Entnahmen tatsächlich zugeführt wurde. Im Lichte des Gesetzeszwecks muss damit vielmehr der tatsächliche Nettozufluss zur Privatsphäre, das heißt, der Überschuss aller Entnahmen über alle Einlagen (Entnahmeüberschuss), die Obergrenze der Überentnahme im Sinne von § 4 Abs. 4 a Satz 2 EStG bilden (Seiler in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 4 EStG Rn. Ea 71; ebenso BMF vom 17. November 2005,BStBl I 2005, 1019 Tz. 11 ff.). Verluste erhöhen folglich nicht die Entnahmen. Vor dem Hintergrund, dass der Gedanke des vorhandenen (positiven!) Eigenkapitals bei § 4 Abs. 4 a EStG letztlich entscheidend für die Höhe des steuerlich wirksamen Schuldzinsenabzuges ist, bleiben Verluste gleichwohl nicht gänzlich unberücksichtigt. Sie können mit kapitalerhöhenden Größen (Gewinn und Einlagen) desselben oder anderer Wirtschaftsjahre verrechnet werden und auf diese Weise das steuerunschädliche entnahmefähige Eigenkapital mindern. Damit kann ein Verlust einen etwaigen Einlagenüberschuss (Überschuss der Einlagen über die Entnahmen des jeweiligen Jahres) aufzehren und so das Entstehen einer Unterentnahme verhindern (Seiler, Kirchhof/Söhn/Mellinghoff § 4 EStG Rn. Ea 73).
Damit durfte das Finanzamt die Unterentnahme 2001 in Höhe von 235.005 DM mit dem höheren Verlustes desselben Jahres verrechnen, was dann zu der im Jahr 2002 steuerlich zu berücksichtigenden „Überentnahme Vorjahre” in Höhe von 75.051 EUR führt.
Unerheblich ist, dass der Kläger im Zeitraum 1999 bis 2001 88.218 DM (= 45.105 EUR) mehr eingelegt als entnommen hat. Die für den Schuldzinsenabzug nach § 4 Abs. 4 a EStG maßgebende positive Eigenkapitalgröße ist trotz des Einlagenüberschusses in diesem Zeitabschnitt nicht festzustellen. Vielmehr hat der Kläger dort ein „negatives Eigenkapital” von 1.305.351 DM erwirtschaftet, was sich wie folgt errechnet (Zahlen in DM):
| Verlust 1999 | 464.447 |
| Abzüglich Einlagen | -0 |
| Zuzüglich Entnahmen | 72.492 |
| Zuzüglich Verlust 2000 | 589.813 |
| Abzüglich Einlagen | -0 |
| Zuzüglich Entnahmen | 74.295 |
| Zuzüglich Verlust 2001 | 339.309 |
| Abzüglich Einlagen | -370.085 |
| Zuzüglich Entnahmen | 135.080 |
| Negatives Eigenkapital 1999-2001 | 1.305.351 |
Dadurch entspricht es nach wie vor Sinn und Zweck der Vorschrift, einen nach Verrechnung mit den Entnahmen verbleibenden Einlagenüberschuss mit dem laufenden Verlust des jeweiligen Jahres zu verrechnen. Dies ist nicht willkürlich sondern sachgerecht.
Die vom Finanzamt mit 308.096 EUR (statt 308.397 EUR) geringfügig zu niedrig angesetzte „Überentnahme Vorjahre” für 2005 ist unerheblich; eine „Verböserung” durch einen entsprechend höheren Schuldzinsenhinzurechnungsbetrag nach § 4 Abs. 4 a EStG ist dem Gericht versagt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO im Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof anhängige Verfahren X R 12/09 (vorhergehend Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil vom 27. Januar 2009 11 K 4248/08, EFG 2009, 737 mit Anmerkung Herlinghaus) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.