01.12.2010
Finanzgericht Münster: Urteil vom 22.06.2010 – 9 K 2179/08 E
Verluste aus der Veräußerung von Schuldverschreibungen i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c) EStG a.F. sind als negative Marktrendite nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG a.F. zu berücksichtigen, wenn zwar eine sichere Mindestverzinsung zugesagt wurde, die jeweilige Gesamtverzinsung aber von dem ungewissen Ereignis abhing, welchen Börsenkurs die in einem bestimmten Aktienkorb bezeichneten Aktien zu den jährlichen Zinszahltagen im Vergleich zu den jeweiligen Vorjahreswerten hatten und ob die ausgehend hiervon zu ermittelnde Verzinsung die vereinbarte Mindestverzinsung überstieg.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 9. Senat in der Besetzung: Vorsitzende Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 22.6.2010 für Recht erkannt:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob Verluste aus der Veräußerung von Schuldverschreibungen als Verluste gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 1. Halbsatz des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG a.F.) bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sind.
Die Klägerin ist als Erbin Gesamtrechtsnachfolgerin ihres am 18.11.2007 verstorbenen Ehemannes. Für das Streitjahr 2006 wurde sie mit diesem zusammenveranlagt.
In den Jahren 2004 und 2005 zeichneten die Klägerin und ihr Ehemann zwei sog. EMTN (= Euro Medium Term Note) Schuldverschreibungen, die von der SGA Société Générale Acceptance N.V. (Curacao, Niederländische Antillen) ausgegeben und von der Société Générale (Paris) garantiert wurden. In den hierzu ausgegebenen Verkaufsprospekten wurden diese als Schuldverschreibungen „mit einem variablen Zinssatz gebunden an einen Korb bestehend aus 25 Aktien deutscher bzw. ausländischer Aktiengesellschaften” bezeichnet. Im Einzelnen ergeben sich aus den Verkaufsprospekten für die beiden Schuldverschreibungen folgende Bedingungen:
Bei der ersten Schuldverschreibung handelte es sich um die EMTN Schuldverschreibung 2004/2011 mit der ISIN (= International Securities Identification Number) DE00SG091G9 (im Folgenden: Schuldverschreibung A). Nach dem Verkaufsprospekt vom 13.8.2004 war der Emissionstag der 8.11.2004. Datum der Endfälligkeit war der 15.11.2011, wobei eine Rückzahlung zu 100 % zugesagt war. Die Schuldverschreibung war verzinst. Der erste Zinszahltag war der 15.11.2005, worauf jährlich ein weiterer Zinszahltag folgte. Der Zinssatz für eine Bewertungsperiode entsprach einem Prozentsatz, der sich an der Wertentwicklung der in einem näher bezeichneten Korb enthaltenen 25 Aktien orientiert und nach den Bestimmungen eines sog. „Pricing Supplement” zu berechnen war. Der Zinssatz entsprach hierbei der niedrigsten in Prozent ausgedrückten Abweichung des Wertes einer der jeweiligen Korbaktien an einem Bewertungstag vom Vorjahreswert (wohl unabhängig davon, ob die Abweichung auf einer positiven oder negativen Kursentwicklung beruhte). Sollte die niedrigste prozentuale Abweichung in einem Jahr weniger als 2 % betragen, entsprach der Zinskupon in diesem Jahr einem Mindestzins i.H.v. 2 % (Verkaufsprospekt, S. 4 ff.). Im (in englischer Sprache abgefassten) „Pricing Supplement” und dort insbesondere in der „Schedule A” wurde die Berechnung des Zinssatzes auf mathematisch genaue Weise definiert (Anlage 1 zum Verkaufsprospekt).
Bei der zweiten Schuldverschreibung handelte es sich um die EMTN Schuldverschreibung 2005/2011 mit der ISIN DE000SG2AX37 (im Folgenden: Schuldverschreibung B). Nach dem Verkaufsprospekt vom 15.3.2005 war der Emissionstag der 3.6.2005. Das Datum der Endfälligkeit war der 9.6.2011, wobei auch hier eine Rückzahlung zu 100 % zugesagt war. Der erste Zinszahltag war der 8.6.2006, worauf ebenfalls jährlich ein weiterer Zinszahltag folgte. Die Schuldverschreibung war in gleicher Weise verzinst wie die Schuldverschreibung A, wobei der Mindestzins hier 1,5 % betrug (Verkaufsprospekt, S. 4 ff.). Auch hier wurde im (in englischer Sprache abgefassten) „Pricing Supplement” und hier insbesondere in der „Schedule A” die Berechnung des Zinssatzes auf mathematisch genaue Weise definiert (Anlage 1 zum Verkaufsprospekt).
Die vollständigen Verkaufsprospekte der beiden Schuldverschreibungen wurden von der Klägerin als pdf-Datei eingereicht und in Form einer CD-ROM zur Gerichtsakte genommen (Bl. 55 der GA). Das FA wurde gebeten, mitzuteilen, wenn es eine Übersendung der vollständigen Dateien wünscht. Die Seiten 1 – 9 („Allgemeines” und „Angaben über die Schuldverschreibungen”) sowie die Anlage 1 („Pricing Supplement”) der beiden Verkaufsprospekte sind als Ausdruck in die Gerichtsakte aufgenommen und auch dem FA übersandt worden (Bl. 36 ff. und 74 ff. der GA).
Die Klägerin und ihr Ehemann zeichneten die Schuldverschreibung A am 29.10.2004 mit Wertstellung zum 8.11.2004 i.H. eines Nominalbetrags von 97.100 EUR. Die Zeichnung erfolgte zu einem Kurs von 103 %, woraus sich Anschaffungskosten von 100.013 EUR ergaben. Die Schuldverschreibung B zeichneten sie am 27.5.2005 mit Wertstellung zum 3.6.2005 i.H. eines Nominalbetrags von 145.700 EUR. Die Zeichnung erfolgte wiederum zu einem Kurs von 103 %, woraus sich Anschaffungskosten von 150.071 EUR ergaben (siehe die von der Klägerin mit Schreiben vom 20.11.2007 eingereichten Kaufabrechnungen, Bl. 89 und 91 der ESt-Akte 2006).
Laut der Erträgnisaufstellung der X-Bank für 2005 vom 17.2.2006 (S. 6) wurden der Klägerin und ihrem Ehemann für die Schuldverschreibung A zum 16.11.2005 Einnahmen i.S.v. § 20 EStG i.H.v. 1.942 EUR (bei einer anrechenbaren ZASt von 582,60 EUR und einem anrechenbaren SolZ zur ZASt von 32,04 EUR) gutgeschrieben, was einem dort ebenfalls angegebenen Zinssatz von 2 % des Nominalbetrags entspricht. Laut der Erträgnisaufstellung der X-Bank für 2006 vom 20.2.2007 (S. 8) wurden für die Schuldverschreibung B zum 8.6.2006 Einnahmen i.S.v. § 20 EStG i.H.v. 4.333,26 EUR (bei einer anrechenbaren ZASt von 1.266,53 EUR und einem anrechenbaren SolZ zur ZASt von 69,65 EUR) gutgeschrieben, was einem dort ebenfalls angegebenen Zinssatz von 2,9741 % des Nominalbetrags entspricht.
Die Klägerin und ihr Ehemann veräußerten beide Schuldverschreibungen bereits vor der jeweiligen Endfälligkeit, nämlich am 24.7.2006 mit Wertstellung zum 26.7.2006. Die Schuldverschreibung A veräußerten sie zu einem Kurs von 93,52 %, woraus sich ein Veräußerungserlös von 90.807,92 EUR ergab. Als Courtage fielen 12 EUR und als Transaktionsentgelt 5 EUR an. Die Schuldverschreibung B veräußerten sie zu einem Kurs von 91,09 %, woraus sich ein Veräußerungserlös von 132.718,13 EUR ergab. Als Courtage fielen hier 37,88 EUR und als Transaktionsentgelt 5 EUR an (siehe die von der Klägerin mit Schreiben vom 20.11.2007 eingereichten Verkaufsabrechnungen, Bl. 88 und 90 der ESt-Akte 2006). In der Erträgnisaufstellung der X-Bank für 2006 vom 20.2.2007 sind insoweit „Ausl. Kursdifferenzerträge (KAP 32)” und als „Einnahmen i.S.v. § 20 EStG” ./. 9.205,08 EUR (Schuldverschreibung A) und ./. 17.352,87 EUR (Schuldverschreibung B) ausgewiesen (also die Veräußerungsverluste ohne Berücksichtigung der Courtagen und der Transaktionsentgelte).
In der Einkommensteuererklärung setzten die Klägerin und ihr Ehemann die vorgenannten Verluste von zusammen ./. 26.557,95 EUR – wie in der Erträgnisaufstellung vorgesehen – als ausländische Kapitalerträge in Zeile 32 der Anlage KAP an. Saldiert mit im vorliegenden Verfahren unstreitigen positiven ausländischen Kapitalerträgen von 8.468,26 EUR ergab sich insoweit ein Betrag von ./. 18.089,69 EUR bzw. für die Klägerin und ihren Ehemann jeweils ./. 9.044,84 EUR.
Auf Nachfrage des Beklagten (des Finanzamts –FA–) erläuterte die Klägerin, es handele sich bei den in Rede stehenden Papieren um sog. Zinsbonuszertifikate mit gesicherter Rückzahlung des Kapitals zum Laufzeitende ohne Zusicherung eines Kapitalertrags, die unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG i.V.m. § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG a.F. fielen. Hierzu übersandte sie eine Bestätigung der Société Générale, nach der die Schuldverschreibungen als Finanzinnovationen nach den vorgenannten Vorschriften einzuordnen seien (Bl. 44 ff. ESt-Akte 2006).
Das FA erließ unter dem Datum vom 8.2.2008 einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem es die vorgenannten Verluste von ./. 26.557,95 EUR nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigte, sondern für die Klägerin und ihren Ehemann von ausländischen Kapitalerträgen i.H.v. jeweils 4.234 EUR ausging. In den Erläuterungen zum Bescheid heißt es, da bei den in Rede stehenden Papieren die Ertragsebene klar von der Vermögensebene abgrenzbar sei, unterlägen bei ihnen eintretende Veräußerungsverluste nicht den Einkünften aus Kapitalvermögen.
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Sie machte geltend, bei den Veräußerungsverlusten handele es sich um negative Kapitalerträge i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. Eine Emissionsrendite i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 2. Halbsatz EStG a.F. gebe es nicht, da die jährliche Verzinsung von der Entwicklung des Aktienkorbs abhängig gewesen sei. Daher sei nach § 20 Abs.2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG a.F. von der Marktrendite (Unterschied zwischen Verkaufs- und Kaufpreis) auszugehen. Beigefügt war eine Bestätigung der X-Bank vom 19.11.2007, wonach es bei den Schuldverschreibungen eine Emissionsrendite aus dem vorgenannten Grund nicht gegeben habe. Außerdem wurde bestätigt, dass der Veräußerungsverlust nicht auf Wechselkursschwankungen beruhte, da die Notierungen ausschließlich in Euro erfolgt seien.
Mit Einspruchsentscheidung vom 14.5.2008 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Zwar fielen die Schuldverschreibungen im Grundsatz unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG a.F. Da die Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängig seien (Entwicklung des Aktienkorbs), sei auch eine Emissionsrendite nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 2. Halbsatz EStG a.F. nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des BFH seien jedoch auch in solchen Fällen Kursgewinne und -verluste nicht nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG a.F. steuerpflichtig, wenn ein Kapitalnutzungsentgelt in abgrenzbarer Weise vereinbart sei. Dann sei – entsprechend dem bei § 20 EStG a.F. geltenden Grundsatz – nur dieses steuerpflichtig. Die dort vorgesehene Marktrendite sei nur dann maßgeblich, wenn sich das Kapitalnutzungsentgelt von einer etwaigen Wertsteigerung bzw. einem etwaigen Wertverlust nicht eindeutig abgrenzen lasse. Im Streitfall sei das Kapitalnutzungsentgelt eindeutig abgrenzbar, da eine Mindestverzinsung zzgl. einer zwar ungewissen, jedoch jährlich nach der Entwicklung des Aktienkorbs zu berechnenden Verzinsung vereinbart worden sei. Die Verluste aus der Veräußerung der Schuldverschreibungen seien daher nicht steuerpflichtig.
Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrer Klage. Sie macht geltend, bei den streitigen Schuldverschreibungen seien das Entgelt für die Kapitalüberlassung und ein Vermögenszuwachs rechnerisch nicht eindeutig abgrenzbar und bestimmbar. Daher seien ein Vermögenszuwachs sowie – im Streitfall – der durch den vorzeitigen Verkauf entstandene Verlust im Rahmen der Marktrendite nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG a.F. steuerbar. Die Maßgeblichkeit der Marktrendite nach der vorgenannten Vorschrift stelle zwar eine Abweichung von der in § 20 EStG angelegten Besteuerung nur der Kapitalerträge und nicht der Vermögensebene dar. Diese sei jedoch für Wertpapiere ohne Emissionsrendite gerechtfertigt, wenn die Kapitalerträge und die Vermögensebene nicht eindeutig voneinander abgrenzbar seien. Dies treffe auch für den Streitfall zu. Die Schuldverschreibungen hätten für die lange Laufzeit eine so geringe Basisverzinsung enthalten, dass diese nicht das alleinige Entgelt für die Überlassung des Wertpapiers gewesen sein könne. Entsprechend sei von Beginn an ein Kursgewinn kalkuliert worden, der nur deshalb nicht erzielt worden sei, weil die Papiere vor ihrer Fälligkeit im Jahre 2011 bereits im Jahr 2006 veräußert worden seien.
Die Klägerin beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 8.2.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.5.2008 dahingehend zu ändern, dass der Verlust aus der Veräußerung der Schuldverschreibungen von 26.617 EUR bei den Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt wird,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Das FA verweist auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend macht es geltend, die Kapitalerträge seien immer dann von der Vermögensebene abgrenzbar, wenn die Kapitalanlage jährliche Erträge abwerfe. Dass die Höhe der Verzinsung nicht im Voraus zu bestimmt werden könne, sei hierbei unbeachtlich.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2006 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
I. Im Rahmen der Ermittlung der von der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen war gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c 2. Fall, Satz 2 1. Halbsatz EStG a.F. auch der Verlust aus der Veräußerung der Schuldverschreibungen i.H.v. 26.617 EUR zu berücksichtigen. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c 2. Fall EStG a.F. gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Einnahmen aus der Veräußerung von Schuldverschreibungen, bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 2. Halbsatz EStG a.F. gilt dies im Grundsatz, soweit die Einnahmen der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden sog. Emissionsrendite entsprechen. Haben die Schuldverschreibungen keine Emissionsrendite oder weist der Steuerpflichtige sie nicht nach, gilt nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 1. Halbsatz EStG a.F. allerdings der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung als Kapitalertrag (sog. Marktrendite oder Differenzmethode). Im Streitfall ist der Veräußerungsverlust als Marktrendite bzw. nach der Differenzmethode gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 1. Halbsatz EStG a.F. zu erfassen.
1. Es liegt ein Fall des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c 2. Fall EStG a.F. vor. Die Klägerin und ihr Ehemann haben Schuldverschreibungen veräußert, deren Erträge in Form der vereinbarten Verzinsung von einem ungewissen Ereignis abhingen. Dieses bestand darin, welchen Börsenkurs die in den jeweiligen Vertragsbedingungen bezeichneten 25 Aktien zu den jährlichen Zinszahltagen im Vergleich zu den jeweiligen Vorjahreswerten hatten und ob die ausgehend hiervon zu ermittelnde Verzinsung die vereinbarte Mindestverzinsung von 2 % bzw. 1,5 % überstieg. Nach der Rechtsprechung des BFH ist für eine Anwendung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. des Weiteren zu fordern, dass es sich bei der veräußerten Schuldverschreibung etc. um eine Kapitalforderung handelt, die bei ihrer Einlösung durch den Ersterwerber (den sog. Durchhalter) von der Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F. erfasst würde. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. ergänzt § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F. und regelt den Umfang der dort bereits abschließend bestimmten Quellen steuerpflichtiger Kapitalerträge (vgl. BFH-Urteil vom 4.12.2007 VIII R 53/05, BStBl II 2008, 563, unter II.1.b). Diese Voraussetzung liegt im Streitfall ebenfalls vor. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F. erfasst Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens (1. Fall) oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung (2. Fall) zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Im Streitfall ist bereits der erste der beiden alternativ zu verstehenden Fälle erfüllt, da jeweils eine 100 %-ige Kapitalrückzahlung zugesagt wurde.
2. Die Einnahmen der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemanns aus der Veräußerung der Schuldverschreibungen sind nicht nach Maßgabe von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 2. Halbsatz EStG a.F. nach der Emissionsrendite, sondern gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 1. Halbsatz EStG a.F. nach der Marktrendite bzw. der Differenzmethode zu erfassen.
Einnahmen aus einer Veräußerung oder Abtretung i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. sind nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 2. Halbsatz EStG a.F. grundsätzlich insoweit als Kapitalerträge zu erfassen, als sie der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite entsprechen. Anders ist dies nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 1. Halbsatz EStG a.F. jedoch dann, wenn die Wertpapiere etc. keine Emissionsrendite haben oder der Steuerpflichtige diese nicht nachweist. In diesem Fall kommt die in der vorgenannten Vorschrift geregelte Besteuerung nach der Marktrendite bzw. der Differenzmethode zur Anwendung. Hierdurch wird allerdings kein Wahlrecht des Steuerpflichtigen im juristischen Sinne begründet. Auch wenn der Steuerpflichtige eine Emissionsrendite nicht nachweist, ist die Besteuerung nach der Emissionsrendite vorzunehmen, wenn eine solche nach den vorliegenden, ggf. von Amts wegen zu ermittelnden Tatsachen feststellbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 11.7.2006 VIII R 67/04, BStBl II 2007, 553, unter II.2.b bb). Darüber hinaus soll den Steuerpflichtigen für den Fall eines von ihm nach Maßgabe der Marktrendite geltend gemachten Veräußerungsverlusts insoweit sogar die objektive Feststellungslast treffen, d.h. der Nachteil der Nichterweislichkeit einer von Anfang an bestimmten Emissionsrendite (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2007, 553, unter II.2.b bb). Im Streitfall steht jedoch fest, dass die Schuldverschreibungen keine Emissionsrendite hatten.
Unter einer Emissionsrendite i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 2. Halbsatz EStG a.F. ist die vom Emittenten bei der Begebung einer Anlage – d.h. von vornherein – zugesagte Rendite zu verstehen, die bis zur Einlösung des Papiers bzw. Endfälligkeit der Kapitalforderung mit Sicherheit erzielt werden kann (vgl. etwa BFH-Urteile vom 24.10.2000 VIII R 28/99, BStBl II 2001, 97 zu einem „Floater”, unter 2.a; vom 10.7.2001 VIII R 22/09, BFH/NV 2001, 1555, unter 1.a; vom 13.12.2006 VIII R 6/05, BStBl II 2007, 571,BStBl II 2007, 751 zu einer „Down-Rating-Anleihe”, unter II.3.b aa; vom 13.12.2006 VIII R 62/04, BStBl II 2007, 568 zu „Argentinien-Anleihen”, unter III.2.b aa; vom 13.12.2006 VIII R 79/03, BStBl II 2007, 562 zu einem „DAX-Zertifikat”, unter II.1.b; in BStBl II 2008, 563 zu einem „Indexzertifikat”, unter II.2.a). Eine Schuldverschreibung weist demnach dann eine Emissionsrendite auf, wenn eine solche sichere Rendite zugesagt wird. Hängt die Höhe der Kapitalerträge dagegen von einem zukünftigen ungewissen Ereignis ab, kann die Rendite im Zeitpunkt der Emission nicht berechnet werden und es liegt keine Emissionsrendite vor (vgl. BFH-Urteile in BStBl II 2008, 563 zu einem „Indexzertifikat”, unter II.2.a; in BStBl II, 2007, 562 zu einem „DAX-Zertifikat”, unter II.1.b; vom 20.11.2006 VIII R 97/02, BStBl II 2007, 555 zu einem „Reverse Floater”, unter II.1.b). Nach Auffassung des Senats liegt ebenfalls liegt keine Emissionsrendite vor, wenn in einem solchen Fall zugleich eine sichere Mindestrendite zugesagt wird. Zwar hat der BFH die Formulierung „mit Sicherheit erzielt werden kann” häufig mitsamt eines Einschubs „also mindestens”, „d.h. mindestens” oder „(mindestens)” verwendet (so BFH-Urteile in BStBl II 2001, 97 zu einem „Floater”, unter 2.a; in BStBl II 2007, 562 zu einem „DAX-Zertifikat”, unter II.1.b; in BStBl II 2008, 568 zu „Argentinien-Anleihen”, unter III.2.b aa; in BStBl II 2008, 563 zu einem „Indexzertifikat”, unter II.2.a; in BFH/NV 2001, 1555, unter 1.a). Dieser Einschub ist jedoch nicht in sämtlichen Entscheidungen enthalten (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2007, 571 zu einer „Down-Rating-Anleihe”, unter II.3.b aa). Darüber hinaus hat der BFH auch in der Sache zu erkennen gegeben, dass eine bloße sichere Mindestverzinsung bei einer noch ungewissen Gesamtverzinsung keine Emissionsrendite im o.g. Sinne darstellt (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2007, 553 zu „Gleitzins-Schuldverschreibungen”, unter II.2.b aa: „nicht lediglich eine Mindestrendite”; siehe auch BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 1555 zu variabel – als „Reverse Floater” – verzinslichen Wertpapieren mit vorgeschalteter Festzinsphase, die ebenfalls nicht zu einer Emissionsrendite führte; ebenso die Einschätzung der BFH-Rechtsprechung von Haisch/Danz/Jetter, DStZ 2007, 450, 453). Schließlich hat der BFH – allerdings ohne auf die vorgenannte Frage einzugehen – für den Fall sog. „Down-Rating-Anleihen” eine Emissionsrendite abgelehnt, obwohl nach den dort wiedergegebenen tatsächlichen Feststellungen offenbar eine sichere Mindestverzinsung von 6 % bestand (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2007, 571, unter I. und II.3.b aa). Allein diese Sichtweise entspricht auch dem Zweck der gesetzlichen Regelung, da ansonsten im Falle eines Veräußerungsgewinns die Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 2. Halbsatz EStG a.F. ebenfalls auf die auf die Besitzzeit entfallende (ggf. bewusst niedrig vereinbarte) Mindestverzinsung beschränkt wäre.
Entscheidend für das Nichtvorliegen einer Emissionsrendite im Streitfall ist damit, dass die jeweilige Gesamtverzinsung der Schuldverschreibungen von dem ungewissen Ereignis abhing, welchen Börsenkurs die in den jeweiligen Vertragsbedingungen bezeichneten 25 Aktien zu den jährlichen Zinszahltagen im Vergleich zu den jeweiligen Vorjahreswerten hatten und ob die ausgehend hiervon zu ermittelnde Verzinsung die vereinbarte Mindestverzinsung von 2 % bzw. 1,5 % überstieg. Die vorgenannte sichere Mindestverzinsung als solche ändert hieran nichts.
3. Unter Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 1. Halbsatz EStG a.F. und der dort vorgesehenen Ermittlung der Kapitalerträge nach der Marktrendite bzw. der Differenzmethode ergibt sich im Streitfall ein steuerlich zu berücksichtigender negativer Kapitalertrag (Veräußerungsverlust) i.H.v. 26.617 EUR.
a) Nach der Rechtsprechung des BFH ist der Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 1. Halbsatz EStG a.F. im Wege der teleologischen Reduktion bzw. in verfassungskonformer Auslegung einzuschränken. Nach Auffassung des Senats betrifft diese Einschränkung jedoch nicht den Streitfall.
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 1. Halbsatz EStG a.F. enthält eine Abweichung vom Binnensystem des § 20 EStG. Dieses besteht darin, dass nur die „Fruchtziehung”, also das Entgelt für die Nutzungsüberlassung des Kapitals steuerlich erfasst wird. Wertveränderungen auf der Vermögensebene bleiben dagegen grundsätzlich außer Betracht. Hiervon weicht § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 1. Halbsatz EStG a.F. ab, indem danach – unter den oben unter II.1. und 2. genannten Voraussetzungen – der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung als Kapitalertrag gilt. Hierdurch wird nicht lediglich eine etwa im Veräußerungspreis enthaltene Vergütung für eine mit dem Wertpapier etc. bereits „verdiente”, aber noch nicht ausgezahlte Verzinsung erfasst, sondern darüber hinaus jegliche sich in der Kursdifferenz niederschlagende Wertveränderung der Kapitalanlage als solche. Nach Auffassung des BFH (vgl. BFH-Urteile in BStBl II 2007, 555, unter II.2.b; in BStBl II 2007, 571, unter II.3.b bb) ist dies dann nicht gerechtfertigt, wenn bei dem betreffenden Wertpapier etc. nach der Art seiner Ausgestaltung das Entgelt für die Nutzungsüberlassung des Kapitals und die Wertveränderung der Kapitalanlage als solche zwar nicht bereits im Zeitpunkt der Emission – dann läge ein Emissionsrendite vor und es bliebe ohnehin bei § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 2. Halbsatz EStG a.F. –, jedoch zumindest nachträglich eindeutig abgrenzbar bzw. bestimmbar sind. In diesem Fall soll daher derjenige Teil der Einnahmen aus der Veräußerung etc., der eindeutig abgrenzbar bzw. bestimmbar nicht auf ein Entgelt für die Nutzungsüberlassung entfällt, auch nicht als Marktrendite bzw. nach der Differenzmethode besteuert werden. Eine solche eindeutige Abgrenzbarkeit bzw. Bestimmbarkeit hat der BFH angenommen für den Fall eines „Reverse-Floater” (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2007, 555, unter II.2.b) sowie einer „Down-Rating-Anleihe” (vgl. BFH-Urteil in 2007, 571, unter II.3.b bb). Abgelehnt hat er sie für den Fall eines „DAX-Zertifikats” (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2007, 562, unter II.2) und eines „Indexzertifikats” (allerdings unter Aufteilung in einen steuerpflichtigen und einen nicht steuerpflichtigen Anteil entsprechend der nur 10 %-igen Kapitalrückzahlungsgarantie (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2008, 563, unter II.2.b bis e).
Nach Auffassung des Senats ist bei den im Streitfall in Rede stehenden Schuldverschreibungen keine eindeutige Abgrenzbarkeit bzw. Bestimmbarkeit im vorgenannten Sinne gegeben. Zwar hat der BFH nicht ausdrücklich die Kriterien benannt, anhand derer dies zu beurteilen ist. Den genannten Entscheidungen ist jedoch im Ergebnis zu entnehmen, dass die Art des für die Bemessung des Entgelts in Bezug genommenen „ungewissen Ereignisses” maßgeblich ist. Handelt es sich um ein Ereignis, dass zwar im Zeitpunkt der Emission noch ungewiss, aber im Zeitpunkt der Veräußerung etc. für den dort laufenden Zinszahlungszeitraum bereits eingetreten ist, lässt sich aus dem Veräußerungserlös eindeutig derjenige Teil „herausrechnen”, der als Vergütung für die auf die Zeit bis dahin entfallende und damit bereits „verdiente” Verzinsung gezahlt wurde. So ist bei „Floatern” und „Reverse Floatern” im Zeitpunkt einer Veräußerung stets klar, welcher Zinssatz für die Zeit bis dahin gilt, weil die Anpassung an die jeweils vereinbarten Leitzinssätze (z.B. LIBOR) jeweils nur mit Wirkung für die Zukunft erfolgt. Ebenso verhält es sich im Fall der „Down-Rating-Anleihen”. Auch dort wird bei einer Verschlechterung des Ratings der Zinssatz jeweils erst für die Zukunft angepasst. Ist das in Bezug genommene Ereignis dagegen auch im Zeitpunkt der Veräußerung noch ungewiss, kann ein solcher Teil des Veräußerungserlöses nicht „herausgerechnet” werden. So hing im Fall des „DAX-Zertifikats” und des „Indexzertifikats” der Rückzahlungsbetrag davon ab, welchen Stand der jeweilige Index im Zeitpunkt der Einlösung hatte. Bei dem Betrag, um den der Rückzahlungsbetrag den Ausgabepreis überstieg, handelte es sich aufgrund der garantierten Kapitalzurückzahlung (auch beim „Indexzertifikat” in Bezug auf den nach Aufteilung durch den BFH als steuerpflichtig anzusehenden 10 %-igen Anteil) in voller Höhe um ein Entgelt für die Nutzungsüberlassung, letztlich in Form einer variablen Verzinsung. Im Zeitpunkt der Veräußerung war daher noch überhaupt keine Verzinsung sicher „verdient”. Vielmehr bestanden zu diesem Zeitpunkt allenfalls Erwartungen an den endgültigen Stand des Indexes, ggf. auch aufgrund dessen bisheriger Entwicklung. Ein etwa hierfür gezahltes Entgelt ist jedoch nicht eindeutig berechenbar und damit „untrennbar” mit dem übrigen Veräußerungserlös verbunden, den die Beteiligten nach etwa eingetretenen Wertveränderungen des eingesetzten Kapitals (bei Schuldverschreibungen insbesondere aufgrund des Zinsänderungs- oder Ausfallrisikos) bemessen werden.
Bei den im Streitfall in Rede stehenden Schuldverschreibungen handelt es sich um Wertpapiere der letztgenannten Art. Bei ihnen hing die jeweilige Gesamtverzinsung von dem ungewissen Ereignis ab, welchen Börsenkurs die in den jeweiligen Vertragsbedingungen bezeichneten 25 Aktien zu den jährlichen Zinszahltagen im Vergleich zu den jeweiligen Vorjahreswerten hatten und ob die ausgehend hiervon zu ermittelnde Verzinsung die vereinbarte Mindestverzinsung von 2 % bzw. 1,5 % überstieg. Eindeutig abgrenzbar bzw. bestimmbar war damit zwar derjenige Teil des Veräußerungserlöses, der auf die sichere Mindestverzinsung von 2 % bzw. 1,5 % entfiel. Für die möglicherweise darüber hinausgehende Verzinsung war dies jedoch nicht der Fall, da diese vom Kurs der Aktien am nächsten Zinszahltag abhing und damit im Zeitpunkt der Veräußerung noch gar nicht feststand. Das Entgelt für die nach der Erwartung des Käufers wahrscheinlich eintretende Verzinsung und das Entgelt für die – in ihrem Wert veränderte – Kapitalanlage als solche war nicht eindeutig trennbar. Dass anders als in den vom BFH entschiedenen Fällen die Verzinsung nicht erst am Ende der Laufzeit als Rückzahlungsbetrag, sondern jährlich zu den jeweiligen Zinszahltagen festgestellt und ausgezahlt wurde, macht insoweit keinen Unterschied und rechtfertigt keine andere Behandlung der Schuldverschreibungen.
b) § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 1. Halbsatz EStG a.F. führt nach Auffassung des Senats nicht nur dazu, dass eine positive Marktrendite (Veräußerungsgewinn) zu besteuern, sondern – wie im Streitfall – auch dazu, dass eine negative Marktrendite (Veräußerungsverlust) steuermindernd zu berücksichtigen ist (so auch etwa Schmidt, 26. Aufl., § 20 EStG Rz 184; Haisch, DStZ 2005, 102, 106 f., m.w.N.; anders FG Berlin, Urteil vom 22.4.2004 1 K 1100/03, EFG 2004, 1450 zu „Argentinien-Anleihen”; wohl auch Jachmann, DStR 2007, 877, 879; dies., BB 2007, 1137, 1142; siehe unter Hinweis darauf auch Haisch/Danz/Jetter, DStZ 2007, 450, 458; Schmitt/Krause, DStR 2008, 82, 83). Der BFH hat die Berücksichtigung eines Veräußerungsverlusts als negative Marktrendite in zwei Fällen geprüft, diese jedoch bereits deswegen abgelehnt, weil entweder eine Emissionsrendite vorhanden war oder eine eindeutige Abgrenzbarkeit im o.g. Sinne gegeben war (vgl. BFH-Urteile in BStBl II 2007, 553 zu einer „Gleitzins-Schuldverschreibung”; in BStBl II 2007, 568 zu „Argentinien-Anleihen”; offenlassend auch BFH-Beschluss vom 13.5.2009 VIII B 34/08, BFH/NV 2009, 1433, unter 2.).
Zwar dürfte bei einem Veräußerungsverlust im Grundsatz klar sein, dass dieser nicht die „Fruchtziehung”, sondern die Vermögensebene betrifft. Denn bei der Veräußerung einer Schuldverschreibung etc. ist zwar denkbar, dass vom Käufer eine niedrige oder gar keine bisher „verdiente” Verzinsung vergütet wird, nicht aber, dass im Wege eines „negativen Kapitalnutzungsentgelts” umgekehrt eine Vergütung an den Käufer gezahlt wird. Jedoch wird in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 1. Halbsatz EStG a.F. unterschiedslos der Saldo zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung als Kapitalertrag erfasst. Die Regelung ist damit nach ihrem Wortlaut darauf angelegt, dass dieser Saldo auch negativ sein kann. Der Sinn und Zweck der Regelung steht diesem Ergebnis ebenfalls nicht entgegen. Da der Gesetzgeber mit der Ermittlung des Kapitalertrags nach der sog. Marktrendite das System der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen durchbricht, erscheint es konsequent, in diesen Fällen die Vermögensebene nicht nur zu Lasten, sondern gleichermaßen zugunsten des Steuerpflichtigen einzubeziehen. Hierfür spricht auch die Betrachtung des oder der nachfolgenden Erwerber. Würden bei der Besteuerung nach der Marktrendite ausschließlich Veräußerungsgewinne, nicht aber Veräußerungsverluste berücksichtigt, könnte dies dazu führen, dass die Summe der bei allen Erwerbern eines Wertpapiers insgesamt besteuerten Einkünfte weit höher wäre, als die bei einer einheitlichen Betrachtung der Laufzeit des Wertpapiers insgesamt erzielte Rendite. Ein solches Ergebnis wäre nicht sachgerecht. Der Senat geht daher davon aus, dass § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 1. Halbsatz EStG a.F. für diejenigen Fälle, in denen weder eine Emissionsrendite nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 2. Halbsatz EStG a.F. besteht noch die vom BFH entwickelte teleologische Reduktion einer eindeutigen rechnerischen Abgrenzbarkeit eingreift, eine umfassende Besteuerung sowohl von Veräußerungsgewinnen als auch von Veräußerungsverlusten vorsieht.
c) Im Streitfall erzielten die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann bei der Veräußerung der Schuldverschreibungen einen als negative Marktrendite zu berücksichtigenden Verlust i.H.v. 26.617 EUR, also jeweils i.H.v. 13.308,50 EUR. Die Schuldverschreibung A hatten sie für ein Entgelt von 100.013 EUR gezeichnet. Bei der Veräußerung erlösten sie noch 90.807,92 EUR. Unter Berücksichtigung der Courtage von 12 EUR und des Transaktionsentgelts von 5 EUR ergab sich hier ein Veräußerungsverlust von 9.222,08 EUR. Die Schuldverschreibung B hatten sie für ein Entgelt von 150.071 EUR gezeichnet. Bei der Veräußerung erlösten sie noch 132.718,13 EUR. Unter Berücksichtigung der Courtage von 37,88 EUR und des Transaktionsentgelts von 5 EUR ergab sich hier ein Veräußerungsverlust von 17.395,75 EUR.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1, 3 FGO i.V.m. § 709 der Zivilprozessordnung.
III. Die Revision war zuzulassen. Auch wenn es sich um ausgelaufenes Recht handelt, haben sowohl die Frage, ob die vom BFH für § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 2. Halbsatz EStG a.F. entwickelte teleologische Reduktion für Schuldverschreibungen der vorliegend in Rede stehenden Art eingreift, als auch die weitere Frage, ob außer Veräußerungsgewinnen auch Veräußerungsverluste als negative Marktrendite nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 1. Halbsatz EStG a.F. zu berücksichtigen sind, grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Es ist davon auszugehen, dass diese Fragen noch für zahlreiche anhängige Verfahren von Bedeutung sind.