Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 22.11.2010

    Finanzgericht Hamburg: Gerichtsbescheid vom 09.09.2010 – 4 K 77/09

    Es ist zweifelhaft, ob der Zinsanspruch, wird eine zu Unrecht gewährte Ausfuhrerstattung zurückgefordert, ebenfalls der vierjährigen Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO (EG) Nr. 2988/95 unterliegt (Abweichung von BFH, Urteil vom 17.03.2009, VII R 3/08).

    Bei der Prüfung der Frage, ob das nationale Recht eine längere Verjährungsfrist als die in Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO (EG) Nr. 2988/95 vorgesehene Frist vorsieht (Art. 3 Abs. 3 VO (EG) Nr. 2988/95), ist auch der jeweilige Beginn der Verjährungsfrist einzubeziehen. Das führt dazu, dass § 197 BGB a.F. die gemeinschaftsrechtliche Verjährungsvorschrift des Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO (EG) Nr. 2988/95 verdrängt (Abweichung von BFH, Urteil vom 17.03.2009, VII R 3/08).


    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Zinsbescheides.

    Die Klägerin führte im Jahre 1991 mit mehreren Ausfuhrsendungen lebende Rinder unter Inanspruchnahme von Ausfuhrerstattung nach Saudi-Arabien aus. Mit Rückforderungsbescheid vom 11.02.1998 forderte das beklagte Hauptzollamt die gewährten Erstattungen zurück; der Rückforderungsbescheid vom 11.02.1998 ist zwischenzeitlich bestandskräftig, nachdem das Finanzgericht Hamburg auf die von der Klägerin erhobene Klage mit Urteil vom 24.03.2004 (IV 120/03) den Rückforderungsbetrag auf € 19.746,36 reduziert hatte.

    Mit Zinsbescheid vom 18.12.2002 setzte das beklagte Hauptzollamt auf den zurückgeforderten Betrag gemäß § 14 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) Zinsen zunächst in Höhe von € 836.941,85 fest, die jedoch nach Ergehen des Urteils des Finanzgerichts Hamburg vom 24.03.2004 mit Änderungsbescheid vom 07.07.2004 auf einen Betrag von € 11.695,61 reduziert wurden.

    Die Klägerin hat nach erfolglosem Einspruchsverfahren am 28.09.2004 Klage erhoben, mit der sie im Wesentlichen geltend macht, dass die vom beklagten Hauptzollamt geltend gemachte Zinsforderung verjährt sei.

    Die Klägerin beantragt,

    den Zinsbescheid vom 18.12.2002 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 07.07.2004 sowie die Einspruchsentscheidung vom 03.09.2004 aufzuheben.

    Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

    Gründe

    Der Senat entscheidet gemäß § 90 a Abs. 1 FGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid.

    Die zulässige Anfechtungsklage führt zum Erfolg. Der angefochtene Zinsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

    Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Zinsbescheid ist die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 MOG (in der Fassung vom 27.08.1986). Danach sind Ansprüche auf Erstattung besonderer Vergünstigungen - zu denen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 MOG Ausfuhrerstattungen gehören - vom Zeitpunkt des Empfangs an mit 3 % über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank zu verzinsen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Streitfall erfüllt: Die Klägerin ist Schuldnerin der streitgegenständlichen Zinsforderung. Das folgt aus dem zwischenzeitlich bestandskräftigen Rückforderungsbescheid des beklagten Hauptzollamtes vom 11.02.1998, der an die Klägerin gerichtet war. Dass die mit dem Zinsbescheid vom 18.12.2002 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 07.07.2004 festgesetzten Zinsen unzutreffend berechnet worden sind, macht die Klägerin nicht geltend. Sie wendet lediglich ein, dass die vom beklagten Hauptzollamt geltend gemachte Zinsforderung verjährt sei. Im Hinblick auf diesen Einwand merkt der erkennende Senat im Einzelnen Folgendes an:

    Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist die Bestimmung des Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18.12.1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. Nr. L 312/1, im Folgenden: VO Nr. 2988/95), der für die Verfolgung von Unregelmäßigkeiten eine Verjährungsfrist von vier Jahren ab ihrer Begehung festsetzt, auf verwaltungsrechtliche Maßnahmen wie die Rückforderung einer Ausfuhrerstattung anwendbar, die der Ausführer infolge von Unregelmäßigkeiten zu Unrecht erlangt hat (vgl. EuGH, Urteil vom 29.01.2009, C-278/07, Rz. 23, Leitsatz 1). Wie sich aus dem rechtskräftigen Urteil des Senats vom 24.03.2004 (IV 120/03) ergibt, sind die der Klägerin gewährten Ausfuhrerstattungen deshalb teilweise zurückgefordert worden, weil die Klägerin insoweit inhaltlich unzutreffende Sekundärnachweise vorgelegt und damit den Nachweis nicht erbracht hatte, dass die Rinder in Saudi-Arabien zum freien Verkehr abgefertigt worden waren. Die Vorlage inhaltlich unzutreffender Sekundärnachweise stellt eine Unregelmäßigkeit im Sinne des Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 2988/95 dar, die vom Gemeinschaftsgesetzgeber als Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung legal definiert wird, die einen Schaden für den Gesamthaushalt der Gemeinschaften oder die Haushalte, die von den Gemeinschaften verwaltet werden, bewirkt hat bzw. bewirkt haben würde (vgl. EuGH, Urteil vom 24.06.2004, C-278/02, Rz. 32). Der Europäische Gerichtshof hat auch bereits entschieden, dass die in Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO Nr. 2988/95 normierte vierjährige Verjährungsfrist auf Unregelmäßigkeiten anwendbar ist, die vor In-Kraft-Treten dieser Verordnung begangen wurden, und dass die Verjährungsfrist auch in diesen Fällen ab dem Zeitpunkt der Begehung der fraglichen Unregelmäßigkeit zu laufen beginnt (vgl. EuGH, Urteil vom 29.01.2009, C-278/07, Rz. 34, Leitsatz 2).

    Im Anschluss an die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 29.01.2009 (C-278/08) hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 17.03.2009 (VII R 3/08, BFHE 225, 289 = BFH/NV 2009, 1573 = ZfZ 2009, 271) judiziert, dass, wird wegen einer begangenen Unregelmäßigkeit zu Unrecht gewährte Ausfuhrerstattung zurückgefordert, der damit zusammenhängende Zinsanspruch ebenfalls der durch Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO Nr. 2988/95 vorgeschriebenen vierjährigen Verjährungsfrist unterliegt. Denn der Zinsanspruch sei - wie die Regelung des Art. 4 Abs. 2 VO Nr. 2988/95 deutlich mache - Teil des Rückforderungsanspruchs. Nach Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95 behielten die Mitgliedstaaten zwar die Möglichkeit, eine längere als die in Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 vorgesehene Frist anzuwenden. Dies treffe indes auf die in § 197 BGB a.F. (= in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) geregelte Verjährungsfrist betreffend Ansprüche auf Rückstände von Zinsen nicht zu. Die in § 197 BGB a.F. vorgeschriebene Frist betrage nämlich ebenfalls vier Jahre.

    Unter Berücksichtigung der vorstehend skizzierten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist der streitgegenständliche Zinsbescheid rechtswidrig und deshalb aufzuheben, weil der vom beklagten Hauptzollamt geltend gemachte Zinsanspruch gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO Nr. 2988/95 als verjährt anzusehen ist. Zwar wird die vierjährige Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO Nr. 2998/95 durch jede der betreffenden Person zur Kenntnis gebrachte Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung der zuständigen Behörde unterbrochen (Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 3 VO Nr. 2998/95); eine solche Verfolgungshandlung der zuständigen Behörde stellt auch der gegenüber der Klägerin ergangene Rückforderungsbescheid vom 11.02.1998 dar (vgl. BFH, Urteil vom 17.03.2009, VII R 3/08, a.a.O) mit der Folge, dass die Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO Nr. 2998/95 von neuem zu laufen begann (vgl. Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 3 Satz 2 VO Nr. 2998/95). Aber auch die mit der Bekanntgabe des Rückforderungsbescheides vom 11.02.1998 erneut in Lauf gesetzte vierjährige Verjährungsfrist war bei Erlass des streitgegenständlichen Zinsbescheides vom 18.11.2002 bereits abgelaufen.

    Die jüngste Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Frage der Verjährung von Zinsen auf zu Unrecht gewährte Ausfuhrerstattungen hat zur Konsequenz, dass jedenfalls Zinsanforderungen im Geltungsbereich des § 197 BGB a.F. einer kürzeren Verjährungsfrist unterliegen als die Rückforderungsansprüche, auf die die Zinsen erhoben werden. Der Bundesfinanzhof geht nämlich in seiner Rechtsprechung (Urteil vom 07.07.2009, VII R 24/06, BFHE 225, 524 = BFH/NV 2009, 1920 = ZfZ 2009, 301; Urteil vom 07.07.2009, VII R 45/06, BFH/NV 2010, 74; Urteil vom 07.07.2009, VII R 22/06, HFR 2010, 301) davon aus, dass Ansprüche auf Rückzahlung von Ausfuhrerstattungen, die vor dem 01.01.2001 gewährt wurden, der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. unterliegen, die über die nationale Öffnungsklausel des Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95, wonach die Mitgliedstaaten die Möglichkeit behalten, eine längere (Verjährungs-)Frist als die in Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 vorgesehene Frist anzuwenden, Anwendung findet. Der erkennende Senat übersieht nicht, dass der Bundesfinanzhof im Hinblick auf geäußerte Bedenken, die Anwendung der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. sei mit allgemeinen höherrangigen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts - scil. insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes - nicht vereinbar (vgl. Schlussantrag der Generalanwältin Sharpston vom 25.08.2008, C-278/07, Rz. 71; FG Hamburg, Urteil vom 23.06.2009, 4 K 80/09, juris; vgl. in diesem Zusammenhang auch das Vorabentscheidungsersuchen des FG Hamburg vom 12.02.2010, 4 K 228/09, ZfZ Beilage 2010, Nr. 3, 36), die Auffassung vertreten hat, dass es nicht gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit oder das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoße, eine aufgrund einer dem Ausführer zuzurechnenden Unregelmäßigkeit zu Unrecht gewährten Ausfuhrerstattung noch nach einer Frist von sechs Jahren zurückzufordern, die in § 195 BGB a.F. festgelegte Verjährungsfrist könne nämlich richterrechtlich auf ein angemessenes und mit dem Rechtsfrieden vereinbares Maß verkürzt werden (vgl. BFH Urteil vom 07.07.2009, VII R 23/06, a.a.O). Aber auch unter Berücksichtigung dieser vom Bundesfinanzhof unter Anwendung einer richterlichen Notkompetenz gewonnenen Verjährungsfrist bezüglich des Rückforderungsanspruchs verbleibt es nicht nur bei dem Befund, dass in den beschriebenen Altfällen der Zinsanspruch einer kürzeren Verjährungsfrist unterliegt als der Rückforderungsanspruch, sondern auch bei der Erkenntnis, dass im Streitfall der von der Klägerin angefochtene Zinsbescheid rechtswidrig ist.

    Vor dem Hintergrund dieser rechtlichen Zusammenhänge und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass ein Zinsanspruch einerseits nicht geltend gemacht werden kann, solange noch kein Hauptanspruch besteht, der zu verzinsen ist, Zinsen aber andererseits auch erst bzw. solange gefordert werden können, wenn bzw. wie der Hauptanspruch durchgesetzt werden kann, hat der erkennende Senat erwogen, ob Zinsansprüche auf zu Unrecht gewährte Ausfuhrerstattungen überhaupt der Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO Nr. 2988/95 unterfallen. Ein solches Verständnis der Verordnung Nr. 2988/95 hätte zur Konsequenz, dass in Ermangelung spezieller gemeinschaftsrechtlicher Verjährungsregelungen die Vorschriften des nationalen Rechts und insoweit, da auch das nationale Recht spezielle Vorschriften betreffend die Verjährung von Zinsen auf zurückgeforderte Ausfuhrerstattungen nicht enthält, die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (a.F.) zur Anwendung kämen (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 05.04.2007, 4 K 266/03, DStRE 2009, 62). Die in § 197 BGB a.F. geregelte und insoweit einschlägige vierjährige Verjährungsfrist beginnt indes gemäß § 201 BGB a.F. erst mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der nach § 198 BGB a.F. maßgebende Zeitpunkt eintritt, wobei maßgebender Zeitpunkt im Sinne des § 198 BGB a.F. die Entstehung des Rückforderungsanspruchs ist, der erst mit der Bekanntgabe des Rückforderungsbescheides entsteht. Beginnt aber die vierjährige Verjährungsfrist des § 197 BGB a.F. erst mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Rückforderungsanspruch entstanden ist - in concreto also am 31.12.1998 -, wäre die vom beklagten Hauptzollamt mit Zinsbescheid vom 18.11.2002 geltend gemachte Zinsforderung noch nicht verjährt.

    Dass der Zinsanspruch - so wie der Bundesfinanzhof meint - Teil des Rückzahlungsanspruches sei, was sich aus der Regelung des Art. 4 Abs. 2 VO Nr. 2988/95 deutlich ergebe (vgl. BFH, Urteil 17.03.2009, VII R 3/08, a.a.O.), hält der Senat nicht für zwingend. Mit der Verordnung Nr. 2988/95 wollte der Gemeinschaftsgesetzgeber eine „Rahmenregelung für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht” einführen (vgl. Art. 1 Abs. 1 VO Nr. 2988/95), um, wie sich aus dem dritten Erwägungsgrund dieser Verordnung ergibt, „in allen Bereichen Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der europäischen Gemeinschaften zu bekämpfen” (EuGH, Urteil vom 24.06.2004, C-278/02, Rz. 31). Die Anwendung der Maßnahmen nach Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 beschränkt sich daher auf den Entzug des erlangten Vorteils (Art. 4 Abs. 2 VO Nr. 2988/95) entweder durch Verpflichtung zur Zahlung des geschuldeten oder Rückerstattung des rechtswidrig erhaltenen Geldbetrages (Art. 4 Abs. 1 1. Spiegelstrich VO Nr. 2988/95) oder durch vollständigen oder teilweisen Verlust der Sicherheit, die für einen Antrag auf Gewährung eines Vorteils oder bei Zahlung eines Vorschusses geleistet wurde (Art. 4 Abs. 1 2. Spiegelstrich VO Nr. 2988/95). Demgegenüber verfolgt die Zinsregelung den Zweck, Bereicherungen der Empfänger von Ausfuhrvergünstigungen in Gestalt von Nutzungsgewinnen aus zu Unrecht erhaltenen Beträgen zu verhindern und damit Wettbewerbsverzerrungen und Verletzungen der Chancengleichheit zu vermeiden (Lehsten, ZfZ 2010, 1, 4). Eine Zinsregelung kann daher nicht als eine verwaltungsrechtliche Maßnahme im Sinne des Art. 1 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 zur Verfolgung von Unregelmäßigkeiten begriffen werde, was zugleich erhellt, dass Zinsregelungen nicht dem Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 2988/95 unterfallen können. Dass Zinsen gleichwohl in Art. 4 Abs. 2 VO Nr. 2988/95 Erwähnung finden, dürfte allein Klarstellungsgründe haben. „Falls dies vorgesehen ist” - so heißt es in Art. 4 Abs. 2 VO Nr. 2988/95 - können neben und zusätzlich - in den Worten des Gemeinschaftsgesetzgebers „zuzüglich” - zu dem Entzug des rechtswidrig erlangten Vorteils auch Zinsen erhoben werden. Dass der Zinsanspruch nicht Teil des Rückforderungsanspruchs ist, legen im Übrigen auch die Normierungen der Art. 49 Abs. 1 VO (EG) Nr. 612/2009 Art. 52 Abs. 1 VO (EG) Nr. 800/1999 sowie Art. 11 Abs. 3 VO (EWG) Nr. 3665/87 nahe. Dort hat der Gemeinschaftsgesetzgeber übereinstimmend formuliert, dass „der Begünstigte den zu Unrecht erhaltenen Betrag - einschließlich aller ... Sanktionen - zuzüglich Zinsen ... zurückzahlen” muss.

    Der erkennende Senat vermag sich zudem nicht der rechtlichen Einschätzung des Bundesfinanzhofs vorbehaltlos anzuschließen, dass Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95, wonach die Mitgliedstaaten die Möglichkeit behalten, eine längere Verjährungsfrist als die in Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 vorgesehene Frist anzuwenden, in Bezug auf die Verjährung von Zinsansprüchen bei Rückforderungen zu Unrecht gewährter Ausfuhrerstattungen keine Entscheidungsrelevanz entfalte, weil die nach § 197 BGB a.F. vorgeschriebene Frist ebenfalls vier Jahre betrage. Denn die Frage, ob nationale Regelungen eine längere als die in Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO Nr. 2988/95 festgelegte vierjährige Verjährungsfrist, die mit Begehung der Unregelmäßigkeit zu laufen beginnt, enthalten, dürfte sich nicht ausschließlich anhand eines Vergleich der Verjährungsfristen selbst beantworten lassen. Nach dem Dafürhalten des Senats ist vielmehr auch der jeweilige Beginn der Verjährungsfrist in den Blick zu nehmen, der faktisch zu einer beträchtlichen Verlängerung der Frist führen kann, wie auch und vor allem die im Streitfall zu betrachtenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts einerseits und des nationalen Rechts andererseits deutlich zeigen. Da durch § 198 BGB a.F. i.V.m. § 201 BGB a.F. der Beginn der vierjährigen Verjährungsfrist des § 197 BGB a.F. auf den Schluss des Jahres hinausgeschoben wird, in dem der Rückforderungsbescheid bekannt gegeben worden ist, sieht das nationale Recht im Vergleich zu Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO Nr. 2988/95 eine längere Verjährungsfrist vor, was im Streitfall nach Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95 zur Anwendung des § 197 BGB a.F. führt. Ist vorliegend aber nicht Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO Nr. 2988/95, sondern die Verjährungsvorschrift des § 197 BGB a.F. i.V.m. §§ 198, 201 BGB a.F. anzuwenden, wäre der Klage der Erfolg zu versagen.

    Im Hinblick auf die vorstehenden Überlegungen hat der Senat die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 4 MOG findet § 139 Abs. 2 FGO in marktordnungsrechtlichen Streitigkeiten keine Anwendung.

    Anmerkung

    Revision eingelegt (BFH VII R 61/10)

    VorschriftenEG) Nr. 2988/95 Art. 1 Abs. 1, EG) Nr. 2988/95 Art. 3 Abs. 1, EG) Nr. 2988/95 Art. 3 Abs. 3, BGB a.F. § 197, BGB a.F. § 198, BGB a.F. § 201