25.02.2010
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 17.09.2009 – 4 K 60/08
Vorprodukte für die Herstellung keramischer Erzeugnisse sind auch dann begünstigungsfähig, wenn die Endprodukte nicht in dem Unternehmen hergestellt werden, in dem die Vorprodukte produziert worden sind.
Tatbestand
Die Klägerin ist ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes im Sinne des § 2 Nr. 3 StromStG vom 24.03.1999 (BGBl. I S. 378, 2000 I S. 147), das zuletzt durch Art. 18 des Gesetzes vom 29.12.2003 (BGBl. I S. 3076) geändert worden ist. Sie stellt u. a. Metallpulver und keramische Pulver her, die als Vorprodukte für die Herstellung der in § 51 Abs. 1 Nr. 1 a) EnergieStG (früher § 9a StromStG) aufgezählten Erzeugnisse verwendet werden. Für die Produktionsprozesse verwendet die Klägerin versteuerte Energieerzeugnisse und versteuerten Strom.
Mit dem nach dem zollamtlichen Vermerk (Bl. 8 der Akte .../08) am 08.05.2007 eingegangen Antrag, der das Datum 10.05.2007 trägt, stellte die Klägerin einen Antrag auf Steuerentlastung in Höhe von 156.251,56 EUR für bestimmte Prozesse und Verfahren nach § 51 EnergieStG. Mit dem Stromsteuerentlastungsbescheid vom 24.08.2007 - GZ ..... wurde durch das beklagte Hauptzollamt eine Entlastung in Höhe von 156.077,60 € gewährt. Die Entlastung wurde versagt, soweit die Klägerin die Energieerzeugnisse zur Herstellung von nicht in ihrem Betrieb weiter verarbeiteten Vorprodukten verwendet hatte.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Einspruch vom 21.09.2007.
Der Rechtsbehelf blieb erfolglos. Der Beklagte ging davon aus, dass die Herstellung der keramischen Pulver nicht als entlastungsfähig im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 a) EnergieStG anzusehen sei, weil die Pulver als Vorprodukte für keramische Erzeugnisse an Unternehmen der keramischen Industrie verkauft und dort zu keramischen Erzeugnissen verarbeitet werden. Eine Herstellung von Vorprodukten sei nur dann entlastungsfähig, wenn diese Vorprodukte in dem gleichen Betrieb zu dem keramischen Erzeugnis weiterverarbeitet werden. Eine Verwendung der Energieerzeugnisse im Rahmen einer chemischen Reduktion im Sinne der Vorschrift des § 51 Abs. 1 Nr. 1 c) EnergieStG sei mangels Teilnahme ihrer selbst an den chemischen Reduktionen nicht gegeben. Die Einspruchsentscheidung wurde am 25.02.2008 zur Post gegeben.
Gegen den Bescheid wandte sich die Klägerin mit der am 20.03.2008 erhobenen Klage. Sie ist der Auffassung, dass ihr als Unternehmen des produzierenden Gewerbes die beantragte Steuerentlastung zu gewähren sei. Soweit es sich bei den keramischen Pulvern nicht schon um keramische Erzeugnisse handele, seien sie als Vorprodukte für die Herstellung von keramischen Erzeugnissen gem. § 51 Abs. 1 Nr. 1 a Energiesteuergesetz (EnergieStG) zu begünstigen. Die Begünstigung setzte entgegen der Auffassung des Beklagten nicht voraus, dass die Vorprodukte im gleichen Betrieb zu keramischen Erzeugnissen weiterverarbeitet würden. Sinn und Zweck der Norm stehe einer solchen Auslegung entgegen. Denn durch die Regelung soll die energieintensive und damit teuere Herstellung keramischer Erzeugnisse steuerlich entlastet werden. Da sich die Herstellung in verschiedenen, jeweils energieintensiven Produktionsprozessen vollziehe, müsse auch die energieintensive Herstellung der Vorprodukte erfasst sein. In Anbetracht der bestehenden volkswirtschaftlichen Arbeitsteilung könne es daher keine Rolle spielen, ob die Herstellung der keramischen Erzeugnisse durch ein Unternehmen im Ganzen oder ob verschiedene Unternehmen oder Unternehmensteile aufgeteilt werden, solange die Vorprodukte wie im Streitfall letztlich zu keramischen Erzeugnissen verarbeitet werden. Folge man der Auffassung des Beklagten, so wäre die Klägerin alleine aufgrund ihrer Unternehmungsstruktur benachteiligt, aufgrund der arbeitsteiligen Unternehmungsstruktur würden die bei ihr hergestellten Vorprodukte nicht in ihrem Unternehmen weiterverarbeitet, sondern bei einem selbstständigen Unternehmen, das zum Konzernverbund gehöre. Die Rechtsauslegung des Beklagten benachteilige daher eine dezentrale Produktion im Verhältnis zu Unternehmen mit zentraler Produktion.
Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, die Entlastung sei auch unter dem Gesichtspunkt zu gewähren, weil die Herstellung der keramischen Pulver mittels eines chemischen Reduktionsverfahrens erfolge, an dem die verwendeten Energieerzeugnisse teilnehmen würden. Für ihren Vortrag wird insoweit auf ihren Schriftsatz vom 26.05.2008 (Ziff. II. 1. b) verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
den Energiesteuerentlastungsbescheid vom 24.08.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.02.2008 dahin abzuändern, dass die Energiesteuerentlastung der Klägerin für die Monate August bis Dezember 2006 auf 156.251,56 € festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die Entscheidungsgründe seiner Einspruchsentscheidungen vom 13.02. und vom 20.02.2008 und hält an seiner Auffassung fest, dass Vorprodukte (keramische Pulver) für keramische Erzeugnisse nicht unter die Entlastung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 a EnergieStG fallen. Schon der Wortlaut der Vorschrift spreche dafür, dass nicht die zur Herstellung von Produkten hergestellten Vorprodukte begünstigt würden, sondern nur das Endprodukt. Eine Entlastung nach Ziff. 1 c) der Vorschrift komme nicht in Betracht, weil die Energieerzeugnisse nur zur Erwärmung verwendet würden, ohne selbst am Reduktionsprozess teilzunehmen. Eine bloße „Befeuerung” sei für eine Steuerentlastung jedoch nicht ausreichend.
Zwei Hefter Verwaltungsvorgänge haben vorgelegen.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin steht die beantragte Entlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 a EnergieStG zu.
Nach dieser Vorschrift wird eine Steuerentlastung auf Antrag gewährt für Energieerzeugnisse, die nachweislich nach § 2 Abs. 1 Nr. 9, 10 oder Abs. 3 Satz 1 versteuert worden sind und u. a. von einem Unternehmen des produzierenden Gewerbes im Sinne des § 2 Nr. 3 StromStG vom 24.03.1999 (BGBl. I S. 378, 2000 I S. 147), das zuletzt durch Art. 18 des Gesetzes vom 29.12.2003 (BGBl. I S. 3076) geändert worden ist, für die Herstellung von Glas und Glaswaren, keramischen Erzeugnissen, keramischen Wand- und Bodenfließen und -platten, Ziegeln und sonstiger Baukeramik, Zement, Kalk und gebrannten Gips, Erzeugnissen auf Beton, Zement und Gips, mineralischen Isoliermaterialien, Asphalt und mineralischen Düngemitteln zum Trocknen, Brennen, Schmelzen, Warmhalten, Entspannen, Tempern oder Sintern der vorgenannten Erzeugnisse oder der zu ihrer Herstellung verwendeten Vorprodukte.
Bei der Klägerin handelt es sich unstreitig um ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes im Sinne der genannten gesetzlichen Vorschrift. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt nicht in Betracht, die Steuerentlastung bereits deshalb zu gewähren, weil sie keramische Erzeugnisse im Sinne der Vorschrift des § 51 Abs. 1 N r. 1 a) EnergieStG herstellt. Denn das von ihr hergestellte keramische Pulver stellt selbst kein Erzeugnis im Sinne der Vorschrift dar, sondern wird nach dem insoweit unstreitigen Sachverhalt von anderen Firmen für die Herstellung keramischer Erzeugnisse, das sind Endprodukte, verwendet.
Es ist in Rechtsprechung geklärt, dass sich der Begriff „Verbrauch als Heizstoff” in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 RL 92/81/EWG auf alle Fälle bezieht, in denen Mineralöle verbrannt werden und die so erzeugte thermische Energie zum Heizen genutzt werde, und zwar unabhängig vom Zweck des Heizens, der auch die Umwandlung oder Vernichtung des Stoffes umfassen könne, auf den die thermische Energie bei einem chemischen und industriellen Prozess übertragen werde (vgl. EuGH Urteil vom 29.04.2004 C-240/01 juris; BFH Urteil vom 28.10.2008 VII R 6/08 juris). Eine Verwendung für chemische Reduktionsverfahren liegt deshalb nicht vor, wenn die Energieerzeugnisse lediglich zur Erwärmung der chemischen Abläufe verwendet werden, ohne selbst in den Produktionsablauf einzufließen. So verhält es sich indes im Streitfall, wenn die Klägerin - wie sie selbst vorträgt - die Energieerzeugnisse zur Erzeugung der Wärme verwendet, ohne die die Reaktion nicht ablaufen würde. Mithin verheizt sie die Energieerzeugnisse. Das Verheizen ist jedoch unabhängig von seinem Zweck nicht nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 c) EnergieStG steuerbegünstigt.
Die Steuerentlastung ist jedoch deshalb zu gewähren, weil die Klägerin Vorprodukte zur Herstellung der begünstigten Produkte herstellt. Dass es sich bei dem von der Klägerin hergestellten keramischen Pulver um ein Vorprodukt für die Herstellung von keramischen Erzeugnissen handelt, wird auch vom Beklagten nicht angezweifelt. Allein streitig ist die Frage, ob es für die Steuerentlastung entscheidend darauf ankommt, dass nicht nur das Vorprodukt, sondern auch das Endprodukt in ein und demselben Unternehmen hergestellt wird. Der Senat gelangt zu der Auffassung, dass diese Frage zu verneinen ist.
Der Wortlaut der Vorschrift lässt keine eindeutige Auslegung zu. Auch die Stellungnahme des Redaktionsstabes der Gesellschaft für deutsche Sprache e. V. beim Deutschen Bundestag vom 17.08.2007 hält die Vorschrift sprachlich nicht eindeutig. So kann das mit „oder” verbundene Genetivattribut der zu ihrer Herstellung verwendeten Vorprodukte „eine Alternative” zu zwei Satzteilen sein. Nach der Lesart I der Stellungnahme wird die Verbindung zu den Verwendungszwecken „zum Trocknen pp. oder Sintern” hergestellt. Hiernach wären die zum Trocknen oder Sintern der zur Herstellung verwendeten Vorprodukte entlastungsfähig. Verbindet das Wort „oder” hingegen unter dem Oberbegriff der Herstellung die Herstellung von Glas und Erzeugnissen und zur Herstellung verwendeten Vorprodukte, so wäre der Herstellungsprozess der Vorprodukte entlastungsfähig (Lesart II der Stellungnahme). Sinn und Zweck der Regelung gebieten nach Auffassung des Senats die Auslegung, dass die Herstellung der Vorprodukte in gleicher Weise entlastet wird wie die Herstellung der Endprodukte, ohne dass es darauf ankommt, dass die Endprodukte auch in dem Unternehmen hergestellt werden, in dem die Vorprodukte hergestellt werden.
Nach der Gesetzesbegründung sollten durch die Vorschrift Nachteile für Unternehmen des produzierenden Gewerbes, die durch die seinerzeitige deutsche Auslegung des Begriffs „verheizen” begünstigt wurden (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 29.04.2004, C-240/01), vermieden werden. Darüber hinaus sollten weitere Verwendungszwecke im produzierenden Gewerbe auf Grundlage des Art. 2 Abs. 4 b der Energiesteuerrichtlinie steuerlich begünstigt werden (Bundestags-Drucksache 16/1172, S. 44).
Inhaltlich regelt die Vorschrift die Steuerentlastung für bestimmte Prozesse und Verfahren, die sich als besonders energieintensiv erweisen. Die ausdrückliche gesetzliche Regelung bezüglich der Herstellung der verwendeten Vorprodukte lässt sich dahin verstehen, dass die Herstellung der Vorprodukte gleichfalls begünstigt ist, um eine nicht immer einfach erscheinende Abgrenzung zwischen Vorprodukten und Endprodukten zu vermeiden. Diese Überlegung spricht dafür, die Herstellung der Vorprodukte in gleicher Weise zu begünstigen wie die Herstellung des Endproduktes. Eine einschränkende Auslegung dahin, dass das begünstigte Unternehmen auch das Endprodukt herstellen müsse, hält der erkennende Senat nicht für gerechtfertigt. Ein derartiges Verständnis würde die gemeinschaftsrechtlich gebotene Wettbewerbsneutralität der Energiesteuer verletzten. Denn bei einem sachlich gleich verlaufenden Produktionsprozess würde die Begünstigung gewährt, wenn die Herstellung in ein und demselben Unternehmen erfolgte, hingegen versagt, wenn das Vorprodukt im Unternehmen A und anschließend das Endprodukt im benachbarten Unternehmen B hergestellt werden würde. Sachliche Gründe für eine derart unterschiedliche Behandlung beider Fallgestaltungen kann der Senat nicht erkennen. Die Begünstigung von Vorprodukten unabhängig von der Herstellung des Endprodukts trägt auch dem erkennbaren gesetzgeberischen Ziel Rechnung, den gesamten Herstellungsprozess zu fördern und nicht einzelne notwendige Herstellungsabschnitte in Form von Vorprodukten auszuschließen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 FGO) zuzulassen.