08.01.2010
Finanzgericht Münster: Urteil vom 13.05.2009 – 6 K 4808/07 AO
1.) Bei der Gewährung von im Vergleich zur Beteiligung inkongruenten Vorzugsdividenden unter Anwendung des Leg-ein-Hol-zurück-Verfahrens zum Zwecke der Mobilisierung von Körperschaftsteuerminderungspotential handelt es sich um ordentliche Gewinnausschüttungen, die grundsätzlich dem Kapitalertragsteuerabzug i.S.d. §§ 43 ff. EStG unterliegen.
2.) Der einmal verwirklichte Tatbestand der Steuererhebung ist in entsprechender Anwendung von § 38 AO grundsätzlich unabänderlich und kann nur in den gesetzlichen vorgesehenen Erstattungsfällen rückgängig gemacht werden.
3.) Eine nach Vornahme einer ordentlicher Gewinnausschüttungen seitens der Finanzverwaltung u.a. im Wege einer „tatsächlichen Verständigung” mit den ausschüttenden Kapitalgesellschaften ohne gesetzliche Grundlage veranlasste Rückzahlung der abgeführten Kapitalertragsteuer führt damit nicht dazu, dass die ursprünglich zu Recht erhobene Kapitalertragsteuer infolge einer Erstattung als nicht mehr „erhoben” i.S.v. § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 S. 1 EStG anzusehen ist.
4.) Gemäß § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 S. 1 EStG ist die „erhobene” Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer auch dann anzurechnen, wenn die Steuer ohne gesetzliche Grundlage wieder erstattet worden ist. Eine rein wirtschaftliche Saldobetrachtung ist nicht vorzunehmen.
5.) § 44b Abs. 5 EStG sieht eine Erstattung von Kapitalertragsteuer nur für den Fall vor, dass eine Verpflichtung zum Steuerabzug objektiv nicht bestanden hat, nicht jedoch für solche Fälle, in denen ein am Steuerabzugsverfahren Beteiligter fälschlicherweise von einer nicht bestehenden Abzugsverpflichtung ausgegangen ist.
6.) Eine Erstattung nach § 37 Abs. 2 AO kommt nur bei objektivem Wegfall des für den Einbehalt ursprünglich bestehenden Rechtsgrundes in Betracht, nicht jedoch in Fällen, in denen die am Steuerabzugsverfahren Beteiligten den Wegfall einer entstandenen Abzugsverpflichtung lediglich vereinbaren.
7.) Die auf der Grundlage einer ordentlichen Gewinnausschüttung rechtmäßig ausgestellte Steuerbescheinigung i.S.v. § 45a Abs. 2 EStG kann nicht gemäß § 45a Abs. 6 S. 1 EStG zurückgefordert oder durch eine berichtigte Bescheinigung ersetzt werden.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 6. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 13.05.2009 für Recht erkannt:
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Abrechnungsbescheiden i.S. des § 218 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) zur Körperschaftsteuer des Veranlagungszeitraums 2000, insbesondere die Frage, ob und in welchem Umfang Kapitalertragsteuer und darauf entfallender Solidaritätszuschlag auf die festgesetzte Körperschaftsteuer anzurechnen sind (vgl. § 49 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz – KStG – und § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 Einkommensteuergesetz – EStG – jeweils in der Fassung des Streitjahres).
Die Klägerin (Kl.) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Co. Kommanditgesellschaft (GmbH & Co. KG), die mit notariellem Vertrag vom 04.08.2000 in der Rechtsform der GmbH gegründet und mit notariellem beurkundetem Umwandlungsbeschluss vom 21.12.2000 mit steuerlicher Wirkung zum 30.12.2000 in die heutige Rechtsform umgewandelt worden ist. Sie hatte ihren Sitz im Streitjahr in Nordrhein-Westfalen. Persönlich haftende Gesellschafterin war im Streitjahr die … Vermögensverwaltungs GmbH. Kommanditistin war die B GmbH & Co. KG, an welcher – als Kommanditisten in Gesellschaft bürgerlichen Rechts sowie als Gesellschafter der Komplementär-GmbH (D. Verwaltungsgesellschaft mbH), mit je 50 v.H. der Anteile – die Herren B und S beteiligt waren. Letztere fungierten zugleich als Geschäftsführer. Die Gesellschafter B und S waren auf diese Art und Weise mittelbar an sieben Schwestergesellschaften der Kl. beteiligt, die ebenfalls in der Rechtsform der GmbH gegründet und mit steuerlicher Wirkung zum 30.12.2000 in GmbH & Co. KG umgewandelt worden sind.
Der Unternehmensgegenstand der Kl. und ihrer Schwestergesellschaften bestand im Erwerb und im Halten von neu ausgegebenen Anteilen an anderen Kapitalgesellschaften (Zielgesellschaften bzw. Beteiligungsgesellschaften), die über hohe Rücklagen aus versteuerten und thesaurierten Gewinnen verfügten. Hintergrund dieser Beteiligungen war die Durchführung eines sog Rücklagenmanagements in Gestalt des „Leg-ein-Hol-zurück-Verfahrens”. Dieses Verfahren diente der Realisierung bzw. der Vermeidung eines Verlustes von in der Vergangenheit bei den Zielgesellschaften angesammelten Körperschaftsteuerguthaben im Zusammenhang mit dem Systemwechsel vom körperschaftsteuerlichen Anrechnungs – zum Halbeinkünfteverfahren. Dabei führten die Kl. und ihre Schwestergesellschaften den Zielgesellschaften im Rahmen des Erwerbs von Vorzugsanteilen zunächst Kapital zu, welches bei den Zielgesellschaften steuerlich in das Eigenkapitalkonto (EK) 04, ab dem 31.12.2001 in das sog. Einlagenkonto (§ 27 KStG), einzustellen war. Eine solche Kapitalzuführung bei den Zielgesellschaften war notwendig, damit diese noch während der Geltung des Körperschaftsteueranrechnungsverfahrens im Jahr 2000 Gewinnausschüttungen an die Kl. durchführen konnten. Die mit dem Erwerb der Vorzugsanteile verbundenen Vorzugsgewinnausschüttungen wurden aufgrund der gesetzlich festgelegten Verwendungsfiktion steuerlich mit dem EK 45 bzw. dem EK 40 verrechnet (§§ 28, 30 KStG) und auf diese Weise ruhendes Körperschaftsteuerguthaben bei den Zielgesellschaften mobilisiert (zu diesem Gestaltungsmodel vgl. etwa Schwedhelm/Binnewies, DB 2001, 503; Roser, GmbHR 2000, 1189).
Zusammen mit ihren Schwestergesellschaften schloss die Kl. am 09.08.2000 mit der Beigeladenen einen Vertrag über die Vermittlung von neu auszugebenden Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften. Nach diesem Vertrag sollte der Beigeladenen für jede vermittelte Beteiligung im Rahmen des Projektes „Rücklagenmanagement” eine Provision von 16 v.H. des von der Kl. bzw. ihren Schwestergesellschaften für die jeweilige Beteiligung entrichteten Kaufpreises zustehen. Die Provision sollte mit bestandskräftiger Veranlagung der die Provisionen jeweils schuldenden Gesellschaft zur Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer fällig werden.
Am 14.08.2000 erteilte die Beigeladene der Kl. und ihren Schwestergesellschaften eine später auf 3 Mrd. DM erhöhte Kreditzusage über 1 Mrd. DM für den Erwerb der neu auszugebenden Beteiligungen und zur Bestreitung der damit zusammenhängenden Kosten. Die Bereitstellung der Gelder sollte jeweils objektbezogen erfolgen und die Vorlage des entsprechenden Zeichnungsscheines erfordern. Die noch nicht verwendeten Valuten waren auf Festgeldkonten der Beigeladenen anzulegen. Die Rückführung des Kredites sollte aus den erwarteten Gewinnausschüttungen der Zielgesellschaften sowie aus von der Kl. in diesem Zusammenhang vereinnahmten Steuererstattungen erfolgen. Als Sicherheiten sollten die erworbenen Geschäftsanteile an den Zielgesellschaften und die Festgeldguthaben aus den nicht in Anspruch genommenen Valuten der Beigeladenen verpfändet werden. Darüber hinaus verpflichteten sich die Kl. und ihre Schwestergesellschaften, die Beteiligungsgesellschaften spätestens mit der Eigenkapitaleinlage unwiderruflich anzuweisen, Gewinnausschüttungen auf das für die Kl. bzw. für ihre Schwestergesellschaften bestehende Konto bei der Beigeladenen zu überweisen. Auch Steuererstattungen aus dem Projekt „Rücklagenmanagement” sollten bis zur vollständigen Rückführung des Kredites ausschließlich und unwiderruflich über Festgeldkonten der Kl. bei der Beigeladenen abgewickelt werden. Die entsprechenden Festgeldkonten sollten der Beigeladenen ebenfalls als Sicherheit für die ausgegebenen Kredite zur Verfügung stehen. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Kreditvereinbarung vom 14.08.2000 verwiesen.
Im Oktober bzw. November 2000 erwarb die Kl. mit den von der …bank zur Verfügung gestellten Kreditmitteln 25 Geschäftsanteile an unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften, die jeweils über Rücklagen aus versteuerten und thesaurierten Gewinnen verfügten, welche nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1999 ungemildert der Körperschaftsteuer unterlegen hatten. Die erworbenen Anteile waren jeweils als geringfügige Vorzugsgeschäftsanteile in einem Umfang von unter 0,3 v.H. des Stammkapitals der jeweiligen Zielgesellschaft ausgestaltet. Mit dem Anteilserwerb war zugleich das Recht auf die Ausschüttung einer einmaligen Vorzugsdividende i.H. von 93 v.H. des Ausgabepreises verbunden. Die für die Vorzugsgeschäftsanteile zu zahlenden Ausgabepreise beliefen sich regelmäßig auf ca. 75 v.H. der Summe aus Vorzugsdividende und anrechenbarer Körperschaftsteuer und lagen damit erheblich über dem Nominalwert des erworbenen Geschäftsanteils. In der Summe leistete die Kl. beim Erwerb der 25 Vorzugsgeschäftsanteile von nominal 36.195,47 DM Ausgabepreise i.H. von 1.074.460.000,– DM. Die von der Kl. für die Vermittlung der Beteiligungen an die Beigeladene zu entrichtenden Provisionen beliefen sich auf 171.913.440,– DM. Für die Zielgesellschaften ging die jeweilige Beteiligung der Kl. im Rahmen des „Rücklagenmanagements” zum Einen mit wirtschaftlichen Vorteilen i.H. der Differenz zwischen dem Ausgabepreis der Geschäftsanteile und der Vorzugsdividende (sog. 7%-Vorteil) und zum Anderen mit der Realisierung von Körperschaftsteuerminderungspotential einher. Hinsichtlich weitere Einzelheiten wird auf die Tatbestandsdarstellung in den Urteilen des FG Münster vom 19.08.2005 (9 K 5138/02 K, EFG 2006, 205) und des Bundesfinanzhofs vom 28.06.2006 (I R 97/05, BFH/NV 2006, 2207) verwiesen.
Im Dezember 2000 entrichteten die Zielgesellschaften nach vorheriger Fassung entsprechender Gewinnverteilungsbeschlüsse an die Kl. insgesamt Vorzugsdividenden i.H. von 738.286.233,08 DM (1.002.765.653,61 DM abzüglich Kapitalertragsteuer i.H. von 250.691.393,40 DM und Solidaritätszuschlag i.H. von 13.788.027,13 DM). Die auf diese Ausschüttungen entfallende Kapitalertragsteuer führten die Beteiligungsgesellschaften an die zuständigen Betriebsstättenfinanzämter ab. Die Dividendenzahlungen wurden unmittelbar auf das Konto der Kl. bei der Beigeladenen überwiesen und dort zur teilweisen Ablösung der gegenüber dem Kreditinstitut bestehenden Darlehensverbindlichkeiten verwendet. Zum 30.12.2000 wies die Kl. in ihrer Bilanz gegenüber der Beigeladenen noch eine Darlehensverbindlichkeit i.H. von 349.700.625,89 DM aus. Die weiteren Verbindlichkeiten gegenüber der Beigeladenen aus Provisionsvereinbarungen beliefen sich auf 171.913.440,– DM. Hinsichtlich der im Einzelnen erworbenen Geschäftsanteile, der darauf entfallenden Vorabausschüttungen und der in diesem Zusammenhang angefallenen Steuerabzugsbeträge wird auf die in den Verwaltungsakten befindlichen Aufstellungen Bezug genommen.
Mit Abtretungsanzeige vom 31.01.2001 trat die Kl. einen Teil der ihr aus der Körperschaftsteuerveranlagung 2000 zustehenden Steuererstattungsansprüche i.H. von 557.882.000,– DM an die Beigeladene ab. Die Abtretungsanzeige ging am 01.02.2001 beim damals zuständigen Finanzamt A ein. Unter der Rubrik „Grund der Abtretung” war das Formularfeld „Sicherungsabtretung” angekreuzt. Auf das in den Verwaltungsakten befindliche Original der Abtretungsanzeige wird Bezug genommen.
Am 07.03.2001 reichte die Kl. die Körperschaftsteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2000 beim seinerzeit zuständigen Finanzamt A ein. Dabei machte sie anrechenbare Körperschaftsteuer i.H. von 429.756.675,– DM, anrechenbare Kapitalertragsteuer i.H. von 250.691.393,– DM, anrechenbare Zinsabschläge i.H. von 394.237,– DM und anrechenbare Solidaritätszuschläge zur Kapitalertragsteuer und zum Zinsabschlag i.H. von 13.809.710,– DM geltend. Der Körperschaftsteuererklärung waren zunächst Steuerbescheinigungen i.S. des § 44 Abs. 1 u. 2 KStG 1999 von 21 der 25 Beteiligungsgesellschaften beigefügt; die fehlenden Steuerbescheinigungen wurden im Folgenden noch nachgereicht.
Das Finanzamt A wies die Kl. mit Schreiben vom 30.03.2001 darauf hin, dass es beabsichtige, den Sachverhalt abweichend von der Körperschaftsteuererklärung nach Maßgabe des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 07.12.2000 (BStBl. I 2001, 47) zu beurteilen.
Während des Veranlagungsverfahrens – noch im Jahr 2001 – führte die Finanzverwaltung (unter Ausschluss der Kl.) mit den Beteiligungsgesellschaften Verhandlungen über eine Rückabwicklung des Gestaltungsmodells „Rücklagenmanagement”. Dabei schloss sie mit einer Reihe der Beteiligungsgesellschaften unter der Bezeichnung „Tatsächliche Verständigung” Vereinbarungen ab, nach denen die Rechtsbeziehungen zwischen der Kl. und den Beteiligungsgesellschaften nicht als Anteilserwerb und Gewinnausschüttung, sondern als Darlehensverhältnis angesehen wurden. Danach sollten die über dem Nominalwert der Anteile liegenden Ausgabepreise Darlehensgewährungen der Kl. an die Zielgesellschaften und die nachfolgenden Vorzugsgewinnausschüttung entsprechende Darlehenstilgungen durch die Zielgesellschaften an die Kl. darstellen. Als Ausfluss der mit der Finanzverwaltung getroffenen Vereinbarungen widerriefen die betroffenen Beteiligungsgesellschaften die ursprünglich zum Gewinnausschüttungsvorgang ausgestellten Steuerbescheinigungen und ersetzten diese durch sog. Nullbescheinigungen (Ausweis: Kapitalertragsteuer = 0,– DM). Im Anschluss daran wurde die im Zusammenhang mit den Gewinnausschüttungsvorgängen zunächst einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag von den einzelnen Betriebsstättenfinanzämter wieder an die betroffenen Zielgesellschaften erstattet. Diese wiederum leiteten die erstatteten Steuerabzugsbeträge in der Folgezeit teilweise an die Kl. weiter. Hinsichtlich des konkreten Inhalts der zwischen der Finanzverwaltung und einem Teil der Beteiligungsgesellschaften geschlossenen „Tatsächlichen Verständigungen” wird auf das in den Verwaltungsakten befindliche Musterexemplar verwiesen.
Nachdem die Kl. zwischenzeitlich mehrfach die Durchführung der Veranlagung zur Körperschaftsteuer gemäß ihrer Erklärung angemahnt hatte, legte sie am 04.03.2002 beim Finanzamt A Untätigkeitseinspruch ein. Am 30.07.2002 erließ das Finanzamt A einen erstmaligen Körperschaftsteuerbescheid 2000 und setzte die Körperschaftsteuer auf 0,– DM fest. Eine Anrechnung von Körperschaftsteuer, Kapitalertragsteuer, Zinsabschlag und Solidaritätszuschlag nahm das Finanzamt dabei weitestgehend nicht vor.
Daraufhin erhob die Kl. zunächst Sprungklage zum Finanzgericht Münster, zu der der Bekl. seine Zustimmung allerdings verweigerte. Am 23.09.2002 erhob die Kl. hinsichtlich der Körperschaftsteuerfestsetzung sodann Untätigkeitsklage zum Finanzgericht Münster. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen 9 K 5138/02 K geführt.
In der Zeit vom 15.08.2002 bis zum 17.02.2003 führte das Finanzamt F eine steuerliche Außenprüfung bei der Kl. und ihren Schwestergesellschaften durch. Die Außenprüfung bestätigte im Ergebnis die von der Finanzverwaltung bisher vertretene „Darlehenslösung”. Auf den Prüfungsbericht vom 07.08.2003 nebst Anlagen wird Bezug genommen. Der Bekl. erließ auf der Grundlage dieser Feststellungen am 29.09.2003 einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2000 und versagte dabei größtenteils die von der Kl. im Rahmen ihrer Körperschaftsteuererklärung geltend gemachten Anrechnungen von Körperschaftsteuer, Kapitalertragsteuer, Zinsabschlag und Solidaritätszuschlag. Die Einsprüche der Kl. gegen den geänderten Körperschaftsteuerbescheid blieben erfolglos.
Am 16.10.2003 zahlte der Bekl. auf der Grundlage der Abtretungsanzeige vom 30.01.2001 ein Guthaben aus Körperschaftsteuer 2000 i.H. von 201.570,18 EUR (394.237,– DM) sowie ein Guthaben aus Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 2000 i.H. von 11.086,35 EUR (21.683,– DM) an die Beigeladene aus.
Der 9. Senat des Finanzgerichts Münster entschied mit Zwischenurteil vom 19.08.2005, dass die Kl. aus der Vereinnahmung der Vorzugsdividenden im Streitjahr gewerbliche Einkünfte i.S. von § 8 Abs. 1 u. 2 KStG i.V. § 20 Abs. 1 Nrn. 1 u. 3, Abs. 3 u. § 15 EStG erzielt habe (9 K 5138/02 K, EFG 2006, 205). Bei den Zahlungen der Zielgesellschaften an die Kl. aufgrund vertraglicher Vereinbarungen bzw. Gesellschafterbeschlüsse habe es sich um ordentliche Gewinnausschüttungen gehandelt. Die Mobilisierung von Körperschaftsteuerguthaben im Rahmen des sog. Rücklagenmanagements sei weder rechtsmissbräuchlich noch seien die einzelnen Modellschritte – der kreditfinanzierte Erwerb von geringfügigen Vorzugsgeschäftsanteilen am Stammkapital einer Kapitalgesellschaft mit hohen Gewinnrücklagen zu einem erheblich über dem Nominalwert liegenden Kaufpreis und die anschließende Beschlussfassung und Durchführung einer disquotalen, durch ein Mehrstimmrecht abgesicherten Vorabausschüttung – in ein Darlehensverhältnis umzudeuten. Der Bundesfinanzhof bestätigte diese Auffassung im Revisionsverfahren (vgl. Urteil v. 28.06.2006, I R 97/05, BFH/NV 2006, 2207).
Im Rahmen der anschließenden mündlichen Verhandlung vom 02.02.2007 in dem Verfahren 9 K 5138/02 K trafen die Beteiligten auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Anerkennung des Rücklagenmanagements eine einvernehmliche Regelung zur Körperschaftsteuerfestsetzung. Der Bekl. sicherte dabei zu, die von den Beteiligungsgesellschaften vorgenommenen Gewinnausschüttungen als solche anzuerkennen. Er stellte insofern den Erlass eines Teilabhilfebescheides in Aussicht. Hinsichtlich der Anrechnung von Körperschaftsteuer, Kapitalertragsteuer, Zinsabschlag und Solidaritätszuschlag konnte dagegen nur bedingt Einvernehmen erzielt werden. Der Bekl. trug insofern vor, dass eine Reihe von Beteiligungsgesellschaften ihre ursprünglich ausgestellten Steuerbescheinigungen zwischenzeitlich widerrufen und durch sog. Null-Bescheinigungen ersetzt hätten. Darauf hin sei die bisher einbehaltene Kapitalertragsteuer nebst darauf entfallendem Solidaritätszuschlag an die betroffenen Beteiligungsgesellschaften zurückerstattet worden. Diese zurückerstatteten Beträge hätten die Beteiligungsgesellschaften in einigen Fällen an die Kl. weitergeleitet. Insofern seien noch zusätzliche Nachforschungen erforderlich. Vor diesem Hintergrund könne einer Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen nur bedingt zugestimmt werden.
Der 9. Senat des Finanzgerichts Münster setzte sodann das Verfahren 9 K 5138/02 K mit Beschluss vom 02.02.2007 aus und gab der Kl. auf, innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft des Aussetzungsbeschlusses Nachweise darüber vorzulegen, dass sie die Erteilung von Steuerbescheinigungen i.S. von § 44 Abs. 1 KStG 1999 über die im Streitjahr von den im Rubrum des Aussetzungsbeschlusses näher bezeichneten Beteiligungsgesellschaften vereinnahmten Gewinnausschüttungen verlangt und – soweit die Erteilung von solchen Bescheinigungen abgelehnt worden ist – gerichtlich geltend gemacht habe. Gegen diesen Aussetzungsbeschluss erhob die Kl. Beschwerde zum Bundesfinanzhof (Aktenzeichen I B 98/07), über die am 20.08.2007 entschieden wurde.
Mit Schreiben vom 12.03.2007 teilte die Kl. dem Bekl. zuvor im Hinblick auf etwaige Guthaben aus zukünftigen Veranlagungen zur Körperschaftsteuer 2000 mit, dass die zugunsten der Beigeladenen vorliegende Abtretungsanzeige vom 30.01.2001 über eine Teilabtretung von Steuererstattungsansprüchen i.H. von 557.882.000,– DM ihrer Ansicht nach wegen Verstoßes gegen § 46 Abs. 4 AO unwirksam sei. Die Abtretung zugunsten der Beigeladenen sei sowohl tatsächlich als auch rechtlich erfüllungshalber erfolgt und damit nach einhelliger Auffassung nichtig (Verweis auf BFH, Urteil v. 21.02.1989, VII R 7/86, BFH/NV 1989, 555).
Am 25.06.2007 erließ der Bekl. einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2000. Darin setzte er die Körperschaftsteuer auf 0,– DM fest. Der Bescheid weist anzurechnende Körperschaftsteuer i.H. von 61.087.401,– DM, anzurechnende Kapitalertragsteuer i.H. von 15.032.650,– DM, anzurechnende Zinsabschlagsteuer i.H. von 394.237,– DM sowie anzurechnenden Solidaritätszuschlag i.H. von 848.478,77 DM aus. Der Bekl. führte insofern aus, dass im Rahmen des Anrechnungsverfahrens alle Steuerbescheinigungen berücksichtigt worden wären, soweit von Seiten der ausschüttenden Beteiligungsgesellschaften kein Widerruf erfolgt sei. Kapitalertragsteuer habe darüber hinaus nur insoweit angerechnet werden können, als diese den Beteiligungsgesellschaften nicht wieder erstattet worden sei. Auf die Anlage 1 zum Körperschaftsteuerbescheid vom 25.06.2007 wird insofern hingewiesen.
Am 27.06.2007 zahlte der Bekl. die sich aus dem Körperschaftsteuerbescheid vom 25.06.2007 ergebenden Erstattungsguthaben auf der Grundlage der Abtretungsanzeige vom 30.01.2001 an die Beigeladene aus.
Ebenfalls am 27.06.2007 erteilte der Bekl. der Kl. einen Abrechnungsbescheid i.S. des § 218 Abs. 2 AO über Körperschaftsteuer 2000 und Solidaritätszuschlag. Darin stellte er fest, dass die aus dem zuvor ergangenen Körperschaftsteuerbescheid vom 25.06.2007 resultierenden Guthaben zur Körperschaftsteuer i.H. von insgesamt 39.121.134,25 EUR (76.514.287,90 DM) und zum Solidaritätszuschlag i.H. von 433.820,31 EUR (848.478,77 DM) auf Grund der Abtretungsanzeige vom 30.01.2001 vollständig an die Beigeladene ausgezahlt worden seien. Die Steuererstattungsansprüche seien insofern erloschen (§ 47 AO).
Zur Begründung des Abrechnungsbescheides führte der Bekl. aus: Entgegen der Auffassung der Kl. sei die Abtretung der Steuererstattungsansprüche an die Beigeladene nicht erfüllungs-, sondern sicherungshalber erfolgt. Die Kl. habe der Beigeladenen keinerlei Einflussmöglichkeiten auf die abgetretenen Erstattungsansprüche eingeräumt. Vielmehr werde aus der Entscheidung der Kl., gegen den Körperschaftsteuerbescheid Einspruch einzulegen und Klage zu erheben, deutlich, dass die Kl. auch nach erfolgter Abtretung weiterhin in der Lage sei, auf die Forderung einzuwirken und sich somit ihres Anspruchs nicht habe begeben wollen (Verweis auf BFH, Urteil v. 21.02.1989, VII R 7/86, BFH/NV 1989, 555). Vor diesem Hintergrund könne nicht von einer Abtretung an Erfüllung statt ausgegangen werden. Deshalb scheitere die Wirksamkeit der Abtretung nicht an § 46 Abs. 4 AO.
Gegen den Abrechnungsbescheid vom 27.06.2007 erhob die Kl. am 04.07.2007 Sprungklage zum Finanzgericht Münster (Aktenzeichen 9 K 2892/07 K). Mit ihrer Sprungklage machte die Kl. zunächst die Unwirksamkeit der Abtretung vom 30.01.2001 geltend. Mit der Kreditvereinbarung vom 14.08.2000 sei eine gemäß § 46 Abs. 4 AO unzulässige Vorfinanzierung von Steuererstattungsansprüchen abgeschlossen worden. Ihr – der Kl. – und ihren Schwestergesellschaften sei von der Beigeladenen ein Kreditrahmen i.H. von 3.000.000.000,– DM eingeräumt worden. An die Beteiligungsgesellschaften seien insgesamt 1.074.460.000,– DM gezahlt worden. Aus der Kreditvereinbarung ergebe sich, dass die Darlehensrückzahlung zu ca. 64 v.H. aus den Vorzugsdividenden und mit dem Restbetrag aus Steuererstattungen habe erfolgen sollen. Sie – die Kl. – sei mangels sonstigem Vermögen nie in der Lage gewesen, den Kredit anders als durch die Steuererstattungen zu tilgen, was der Beigeladenen nicht nur bekannt, sondern von dieser auch so festgelegt worden sei. Darüber hinaus machte die Kl. mit ihrer Sprungklage geltend, dass erklärungsgemäß weitere Körperschafsteuer und Kapitalertragsteuer sowie darauf entfallender Solidaritätszuschlag anzurechnen seien.
Der Bekl. versagte der Sprungklage mit Schreiben vom 17.08.2007 die Zustimmung. Die Klageschrift wurde dem Bekl. daher vom Finanzgericht Münster am 23.08.2007 als Einspruch übersandt. Über den Einspruch wurde zunächst nicht entschieden.
Mit Beschluss vom 20.08.2007 gab der Bundesfinanzhof der von der Kl. gegen den im Verfahren 9 K 5138/02 K ergangenen Aussetzungsbeschluss des 9. Senats des Finanzgerichts Münster erhobenen Beschwerde statt (I B 98/07, BFH/NV 2007, 2276). Zur Begründung führte er aus: Die von der Kl. im Körperschaftsteuerveranlagungsverfahren beantragte Anrechnung von Körperschaftsteuer sei im Streitfall geboten, weil die Kl. dem Finanzamt A bzw. dem Bekl. Steuerbescheinigungen über die in Rede stehenden Gewinnausschüttungen zum Verbleib vorgelegt habe. Diese Bescheinigungen mögen in der Folgezeit gegenüber dem Finanzamt – nicht zuletzt auch auf dessen Veranlassung hin – von den ausstellenden Beteiligungsgesellschaften widerrufen bzw. korrigiert worden sein. Gleichwohl hätten diese Bescheinigungen, wie von der Kl. von Anfang an vertreten und durch das Senatsurteil vom 28.06.2006 (I R 97/05) bestätigt worden sei, mit der materiellen Rechtslage im Einklang gestanden. Folglich bestünde für die Kl. kein Grund, diese ursprünglichen Bescheinigungen ihren Ausstellern (den Beteiligungsgesellschaften) zurückzugeben, bei denselben auf abermalige Erteilung entsprechender Bescheinigungen nachzusuchen und im Weigerungsfall gegen diese Zivilrechtsklagen anzustrengen. Aus § 44 Abs. 4 KStG folge nichts Gegenteiliges. Die darin angeordnete Pflicht des Ausstellers, eine fehlerhafte Bescheinigung zurückzufordern und durch eine berichtigte Bescheinigung zu ersetzen sowie bei nicht rechtzeitiger Rückgabe der fehlerhaften Bescheinigung das zuständige Finanzamt zu informieren, ziele darauf ab, die missbräuchliche Verwendung der ausgehändigten fehlerhaften Bescheinigung durch den Anteilseigner zu verhindern. Um eine solche Situation gehe es jedoch vorliegend nicht, denn die ursprünglichen Bescheinigungen seien allenfalls scheinbar und aus der Sicht der Finanzbehörde fehlerhaft gewesen. Um die Bestätigung ihrer entgegenstehenden Rechtsauffassung habe die Kl. im Ergebnis erfolgreich gefochten. Die Anrechnungsvoraussetzungen lägen in diesem Punkt des – materiell-rechtlichen – Erfordernisses von Ausschüttungsbescheinigungen also uneingeschränkt vor. Sie belegten die Ausschüttungen und die darauf angefallenen und deshalb im Rahmen des § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 S. 1 EStG anzurechnenden Körperschaftsteuern. Etwaige (fehlerhafte) Korrekturbescheinigungen, die dem Bekl. vorliegen mögen, dürften der Kl. nicht entgegengehalten werden. Solche Bescheinigungen seien ebenso wenig geeignet, die Anrechnung zunichte zu machen wie etwaige „Tatsächliche Verständigungen” zwischen den jeweiligen Betriebsstättenfinanzämtern und einigen der Beteiligungsgesellschaften darüber, dass die Gewinnausschüttungen steuerrechtlich als Darlehen zu behandeln (und die einbehaltenen Kapitalertragsteuern diesen zu erstatten) seien. Die Kl. habe die Nachweise über Anrechnungsguthaben erbracht. Sollte es infolge einer anderweitigen Behandlung des zur Entscheidung gestellten Sachverhalts durch den Bekl. zu Doppelerstattungen kommen, so hätte angesichts des laufenden Klageverfahrens insoweit gegenüber den Beteiligungsgesellschaften durch entsprechende Vorbehaltsfestsetzungen oder Widerrufsvorbehalte verfahrensrechtliche Vorsorge getroffen werden müssen und wären etwaige Doppelerstattungen gegenüber diesen Gesellschaften rückgängig zu machen; sie ließen sich aber nicht zu Lasten der Kl. vermeiden.
Im Anschluss an diese weitere Entscheidung des Bundesfinanzhofs erklärten die Beteiligten das beim Finanzgericht Münster wegen Körperschaftsteuerfestsetzung 2000 anhängige Verfahren 9 K 5138/02 K übereinstimmend für erledigt, nachdem sich der Bekl. zum Erlass eines geänderten Körperschaftsteuerbescheides erklärt hatte. Die Beteiligten waren sich ferner darüber einig, dass über Fragen zur Anrechnung von Kapitalertragsteuer und darauf entfallenden Solidaritätszuschlag erst in einem Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) entschieden werden sollte.
Am 16.11.2007 erließ der Bekl. einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2000. Darin setzte er die Körperschaftsteuer auf 66.492.733,– DM (33.997.194,54 EUR) fest. Ferner berücksichtigte er nunmehr (in Umsetzung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs vom 20.08.2007 und wie von der Kl. seit jeher beantragt) die von den Beteiligungsgesellschaften insgesamt in den Ursprungssteuerbescheinigungen ausgewiesene anrechenbare Körperschaftsteuer i.H. von 429.756.675,– DM. Die anzurechnende Kapitalertragsteuer erfasste der Bekl. dagegen unverändert wie im Körperschaftsteuerbescheid vom 25.06.2007 nur mit 15.032.650,– DM (statt von der Kl. beantragt mit 250.691.393,– DM) und den anzurechnenden Solidaritätszuschlag unverändert nur mit 848.478,77 DM (statt von der Kl. beantragt mit 13.809.710,– DM). Dazu führte er aus, dass die in den Ursprungssteuerbescheinigungen ausgewiesene Kapitalertragsteuer und der darauf entfallende Solidaritätszuschlag nur insoweit angerechnet werden dürften, als sie seitens der Betriebsstättenfinanzämter später nicht wieder an die Beteiligungsgesellschaften erstattet worden seien. Eben solche Erstattung hätten jedoch in einem Teil der Ausschüttungsfälle stattgefunden. Eine Reihe der Beteiligungsgesellschaften, denen die Kapitalertragsteuer wieder erstattet worden sei, hätten diese zudem an die Kl. weitergeleitet. Daraus ergebe sich folgendes Bild:
Kapitalertragsteuer | Solidaritätszuschlag | |
Beteiligungsfälle mit Anrechnung | 15.032.650,00 DM | 826.795,75 DM |
Beteiligungsfälle mit Erstattung, aber ohne Weiterleitung an Kl. | 24.216.166,75 DM | 1.331.889,67 DM |
Beteiligungsfälle mit Erstattung und mit Weiterleitung an Kl. | 211.442.576,25 DM | 11.629.341,71 DM |
250.691.393,00 DM | 13.788.027,13 DM | |
264.479.420,13 DM |
Auf die Anlage 1 zum Körperschaftsteuerbescheid vom 16.11.2007 („Aufstellung der steuerpflichtigen Einnahmen und anrechenbaren Steuern”) sowie auf die in den Verwaltungsakten befindlichen Aufstellungen des Bekl. (u.a. „Übersicht anrechenbare und nicht anrechenbare Kapitalertragsteuer”) wird verwiesen.
Die Kl. hat am 19.11.2007 Untätigkeitsklage beim Finanzgericht Münster gegen den Abrechnungsbescheid des Bekl. vom 27.06.2007 erhoben. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 6 K 4808/07 AO geführt.
Mit ihrer Klage hat die Kl. zunächst geltend gemacht, dass die aus der Körperschaftsteuerveranlagung 2000 resultierenden Erstattungsbeträge nicht – wie bereits teilweise geschehen – an die Beigeladene, sondern an sie selbst hätten ausgezahlt werden müssen, da die Abtretungsanzeige vom 30.01.2001 wegen Verstoßes gegen § 46 Abs. 4 AO nichtig sei. Die Erhebung der Untätigkeitsklage vor Ablauf von 6 Monaten seit Einlegung der als Einspruch zu wertenden Sprungklage sei vorliegend wegen besonderer Umstände geboten (§ 46 Abs. 1 S. 2 FGO). Denn der Bekl. habe trotz des Umstandes, dass sie – die Kl. – mit Schreiben vom 12.03.2007 ausdrücklich auf die Unwirksamkeit der Abtretungsanzeige hingewiesen habe, die aus den bisherigen Körperschaftsteuerveranlagungen resultierenden Steuererstattungsbeträge an die Beigeladene ausgezahlt. Außerdem hat die Kl. mit ihrer Untätigkeitsklage die erklärungsgemäße Anrechnung von weiterer Kapitalertragsteuer i.H. von 235.658.743,40 DM (120.490.402,23 EUR) sowie weiterem Solidaritätszuschlag i.H. von 12.961.231,38 DM (6.626.972,37 EUR), insgesamt also die Berücksichtigung weiterer Anrechnungssteuern i.H. von 264.479.420,53 DM begehrt. In diesem Zusammenhang hat sie ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Anrechnung der Kapitalertragsteuer in allen Beteiligungsfällen vorlägen. Sämtliche Beteiligungsgesellschaften hätten bei den im Veranlagungszeitraum 2000 zu erfassenden Gewinnausschüttungen Kapitalertragsteuern einbehalten und ihr – der Kl. – entsprechende Steuerbescheinigungen i.S. des § 45a Abs. 2 EStG ausgestellt. Damit liege ein zur Anrechung gemäß § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 EStG berechtigender Steuereinbehalt vor. Die der einbehaltenen Kapitalertragsteuer zugrunde liegenden Einkünfte seien bei der Körperschaftsteuerveranlagung 2000 vollständig erfasst worden. Sie – die Kl. – habe weder die Erstattung von Kapitalertragsteuer beantragt noch sei ihr gegenüber die Erstattung durchgeführt worden. Mithin seien die Kapitalertragsteuer und der darauf entfallende Solidaritätszuschlag vollumfänglich anzurechnen. Ihr gesetzlicher Anspruch auf Anrechnung könne auch nicht durch eine wie auch immer geartete „Doppelerstattung” beeinträchtigt werden. Soweit die Finanzverwaltung in der Vergangenheit Kapitalertragsteuer „contra legem” an einzelne Beteiligungsgesellschaften wieder erstattet habe, sei dies eine Erstattung, für die es keinen Rechtsgrund gebe (§ 37 Abs. 2 AO) und die ihren Rechtsanspruch auf Steueranrechnung nicht beeinträchtigen dürfe.
Die aus dem geänderten Körperschaftsteuerbescheid vom 16.11.2007 folgende Mehrerstattung an Körperschaftsteuer i.H. von 154.500.412,10 EUR (302.176.540,– DM) hat der Bekl. in Ausführung der Abtretungsanzeige vom 30.01.2001 am 27.11.2007 an die Beigeladene ausgezahlt.
Am 08.02.2008 hat der Bekl. einen gemäß § 130 Abs. 1 AO geänderten Abrechnungsbescheid zur Körperschaftsteuer 2000 erlassen und die Änderungen aus dem neuerlichen Körperschaftsteuerbescheid vom 16.11.2007 umgesetzt. Im Rahmen der Abrechnung hat der Bekl. zunächst festgestellt, dass er die aus der geänderten Körperschaftsteuerveranlagung vom 16.11.2007 resultierenden Steuererstattungsansprüche i.H. von insgesamt 193.621.546,35 EUR (378.690.829,– DM) auf der Grundlage der seines Erachtens wirksamen Abtretungsanzeige vom 30.01.2001 vollständig an die Beigeladene ausgezahlt habe. Damit seien die Steuererstattungsansprüche auch gegenüber der Kl. erloschen (§ 47 AO). Hinsichtlich der Anrechnung von Kapitalertragsteuer und darauf entfallendem Solidaritätszuschlag hat der Bekl. seine bisherige (im Körperschaftsteuerbescheid vom 16.11.2007 erläuterte) Auffassung bestätigt. Ergänzend hat er dazu ausgeführt, dass eine Anrechnung nur insoweit erfolgen könne, als wirksame und nicht zurückgeforderte Steuerbescheinigungen vorlägen und die erhobene Kapitalertragsteuer den Beteiligungsgesellschaften seitens des Finanzamts nicht wieder erstattet worden sei. In einem Teil der Fälle sei die Kapitalertragsteuer gemäß § 44b Abs. 4 EStG (§ 44b Abs. 5 n.F.) den Zielgesellschaften jedoch erstattet worden. Damit sei sie allenfalls vorübergehend, nicht jedoch endgültig einbehalten sowie abgeführt worden und demzufolge schlussendlich nicht erhoben i.S. des § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 EStG. Der Kl. sei auch bekannt gewesen, dass Kapitalertragsteuer an die Zielgesellschaften erstattet worden sei. Zum Teil hätten die Zielgesellschaften die erstattete Kapitalertragsteuer auch an die Kl. weitergeleitet. Der Hinwies der Kl., selbst keine Erstattung der Kapitalertragsteuer beantragt oder durchgeführt zu haben, gehe fehl. In § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 EStG heiße es: „… und nicht die Erstattung beantragt oder durchgeführt worden ist.” Unter Erstattung in diesem Sinne sei auch eine Erstattung gemäß § 44b Abs. 4 EStG zu verstehen (Hinweis auf Brenner in Kirchhof/Söhn, § 36 EStG Rz. D 162). Erstattungs- und antragsberechtigt sei nach dieser Vorschrift der Schuldner der Kapitalerträge, hier also die ausschüttenden Zielgesellschaften (§ 44b Abs. 4 S. 1 u. 2 i.V. mit § 44 Abs. 1 S. 3 EStG). Im Ergebnis stünde damit die Erstattung der Kapitalertragsteuer an die Beteiligungsgesellschaften einer Anrechnung zugunsten der Kl. entgegen.
Die Kl. hat am 19.02.2008 Sprungklage gegen den geänderten Abrechnungsbescheid vom 08.02.2008 zum Finanzgericht Münster erhoben (Aktenzeichen 6 K 576/08 AO). Der Bekl. hat seine Zustimmung zur Sprungklage mit Schreiben vom 10.04.2008 verweigert. Die Klageschrift wurde dem Bekl. daher vom Finanzgericht Münster am 05.05.2008 als Einspruch übersandt.
Die Kl. hat am 24.04.2008 Untätigkeitsklage beim Finanzgericht Münster gegen den geänderten Abrechnungsbescheid des Bekl. vom 08.02.2008 erhoben. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 6 K 1539/08 AO geführt.
Im Rahmen der Untätigkeitsklage hat die Kl. geltend gemacht, dass der Abrechnungsbescheid vom 08.02.2008 rechtswidrig sei. Zum Einen lasse er weiterhin die Unwirksamkeit der Anzeige über die Abtretung von Steuererstattungsansprüchen vom 30.01.2001 und damit den Umstand außer Acht, dass die aus der Körperschaftsteuerveranlagung 2000 resultierenden Steuererstattungsansprüche nicht an die Beigeladene, sondern an sie – die Kl. – hätten ausgezahlt werden müssen. Zum Anderen seien die aus Anlass der Gewinnausschüttungen ursprünglich von den Beteiligungsgesellschaften einbehaltene und abgeführte sowie bescheinigte Kapitalertragsteuer und der darauf entfallende Solidaritätszuschlag sehr wohl zu ihren Gunsten auf die festgesetzte Körperschaftsteuer anzurechnen, und zwar wie von Anfang an beantragt i.H. von insgesamt 264.479.420,53 DM. Die in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung des Bekl., dass in einem Teil der Fälle die Zielgesellschaften die Kapitalertragsteuer vom Finanzamt nach § 44b Abs. 4 EStG (§ 44b Abs. 5 EStG n.F.) erstattet erhalten hätten, sei schon deshalb unzutreffend, weil erstattungsberechtigter Antragsteller i.S. des § 44b Abs. 4 S. 1 EStG nur derjenige sei, der Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt habe, obwohl eine Verpflichtung hierzu nicht bestanden habe. Vorliegend seien aber sämtliche Beteiligungsgesellschaften unstreitig gesetzlich verpflichtet gewesen, die Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen. Auch seien alle Beteiligungsgesellschaften dieser Verpflichtung ausnahmslos nachgekommen. Spätere Zahlungen der Finanzbehörden an eine Reihe der Beteiligungsgesellschaften – auf der Basis von mit der Finanzverwaltung getroffenen „Tatsächlichen Verständigungen” – berührten die tatsächliche Erhebung der Körperschaftsteuer 2000 bzw. den Kapitalertragsteuereinbehalt nicht. Mithin lägen offenkundig keine Erstattungen i.S. des § 44b Abs. 5 EStG, sondern vielmehr rechtsgrundlose Zahlungen der Finanzbehörden i.S. des § 37 Abs. 2 AO vor. Die ihr – der Kl. – von Beginn an zustehende Anrechnungsberechtigung werde jedenfalls durch derartige nachträgliche Vorgänge nicht beeinträchtigt. Zwar werde nicht bestritten, dass ein Teil der Beteiligungsgesellschaften in den Jahren 2002 bis 2004 die seitens der Finanzverwaltung rechtsgrundlos zurückgezahlte Kapitalertragsteuer an sie – die Kl. – weitergeleitet bzw. Zahlungen ohne Angabe eines Verwendungszwecks ihr gegenüber erbracht habe (Hinweis auf die Anlage 4 zur Sprungklage 6 K 576/08 AO vom 19.02.2008, „Übersicht über die Beteiligungsgesellschaften mit verweigerter Kapitalertragsteueranrechnung”). Dieser Umstand könne sich im Ergebnis jedoch nicht negativ auf ihren gesetzlichen Anrechnungsanspruch auswirken.
Mit Einspruchsentscheidung vom 02.06.2008 hat der Bekl. den (als Stufenklage erhobenen) Einspruch der Kl. gegen den Abrechnungsbescheid vom 08.02.2008 als unzulässig verworfen. Ein Einspruch gegen einen Bescheid, gegen den bereits ein Einspruchsverfahren anhängig sei, sei unzulässig. Der geänderte Abrechnungsbescheid vom 08.02.2008 sei vielmehr gemäß § 365 Abs. 3 S. 1 AO Gegenstand des noch laufenden Einspruchsverfahrens gegen den Abrechnungsbescheid vom 27.06.2007 geworden (Hinweis auf BFH, Urteil v. 31.07.1991, IR 4/89, BStBl. II 1992, 98). Der mit der Sprungklage angefochtene Abrechnungsbescheid vom 08.02.2008 ändere den erstmaligen Abrechnungsbescheid zur Körperschaftsteuer 2000 vom 27.06.2007. Das gegen diesen Bescheid aufgrund der gescheiterten Sprungklage vom 04.07.2007 anhängige Einspruchsverfahren sei noch nicht erledigt. In Anbetracht der erneuten Änderung der Körperschaftsteuerfestsetzung vom 16.11.2007 einerseits sowie der im erstmaligen Abrechnungsbescheid vom 27.06.2007 nicht vorgenommenen Anrechnung von nach dem Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 20.08.2007 (I B 98/07, BFH/NV 2007, 2276) erstattungsfähiger Körperschaftsteuer andererseits sei während des laufenden Einspruchsverfahrens der Erlass eines geänderten Abrechnungsbescheides möglich gewesen (§ 130 Abs. 1 i.V. mit § 365 Abs. 1 AO). Da mit der Änderung des Abrechnungsbescheides dem Einspruchsbegehren der Kl. jedoch nicht vollends abgeholfen worden sei, sei das ursprüngliche Einspruchsverfahren weiter anhängig. Gegenstand dieses Einspruchsverfahren sei nun der geänderte Abrechnungsbescheid vom 08.02.2008.
Gegen die Einspruchsentscheidung des Bekl. vom 02.06.2008 hat die Kl. am 06.06.2008 Klage zum Finanzgericht Münster erhoben. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 6 K 2131/08 AO geführt. Zur Begründung ihrer Klage führt sie aus, dass der Einspruch gegen den Abrechnungsbescheid vom 08.02.2008 entgegen der Ansicht des Bekl. sehr wohl zulässig gewesen sei. Bei dem in Rede stehenden geänderten Abrechnungsbescheid vom 08.02.2008 habe es sich um einen selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt gehandelt, der aus Anlass des geänderten Körperschaftsteuerbescheides vom 16.11.2007 ergangen sei. In diesem Körperschaftsteueränderungsbescheid seien weitere Steuerbeträge gegenüber den bisher ergangenen Bescheiden angerechnet und damit weitere Steuererstattungsansprüche ausgewiesen worden, über deren Verwirklichung der Bekl. mit dem geänderten Abrechnungsbescheid vom 08.02.2008 erstmalig i.S. des § 218 Abs. 2 AO entschieden habe.
Am 02.03.2009 hat der Bekl. abermals einen gemäß § 130 Abs. 1 AO geänderten Abrechnungsbescheid erlassen. Der Abrechnungsbescheid weist – wie bisher – eine festgesetzte Körperschaftsteuer i.H. von 66.492.733,– DM (33.997.194,54 EUR) aus. Darauf werden – ebenfalls wie bisher – Körperschaftsteuer i.H. von 429.756.765,– DM und Zinsabschlag i.H. von 394.237,– DM angerechnet. Die anzurechnende Kapitalertragsteuer hat der Bekl. im Vergleich zum letzten Abrechnungsbescheid vom 08.02.2008 nunmehr nicht nur mit 15.032.650,– DM, sondern i.H. von 39.248.816,75 DM angesetzt. Ferner hat er den anzurechnenden Solidaritätszuschlag von 848.478,77 DM auf 2.180.368,44 DM erhöht. Die Mehranrechnung der Kapitalertragsteuer hat der Bekl. damit begründet, dass es sich dabei um die Fälle der Beteiligungsgesellschaften handele, denen die Kapitalertragsteuer zwar vom Finanzamt erstattet worden sei, die diese jedoch nicht an die Kl. weitergeleitet hätten. Anders sei die Rechtslage hingegen weiterhin in den Fällen zu beurteilen, in denen die an die Beteiligungsgesellschaften erstattete Kapitalertragsteuer tatsächlich an die Kl. weitergeleitet worden sei. Hier seien die Kapitalertragsteuern nicht i.S. des § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 EStG „erhoben” worden.
Ferner hat der Bekl. im Rahmen des geänderten Abrechnungsbescheides vom 02.03.2009 festgestellt, dass er das aus der Körperschaftsteuerveranlagung resultierenden Guthaben zur Körperschaftsteuer i.H. von insgesamt 402.906.995,75 DM (206.003.075,80 EUR) und zum Solidaritätszuschlag i.H. von insgesamt 2.180.368,44 DM (1.114.804,68 EUR) auf der Grundlage der seines Erachtens wirksamen Abtretungsanzeige vom 30.01.2001 vollumfänglich an die Beigeladene ausgezahlt habe. Damit seien sämtliche Steuererstattungsansprüche erloschen (§ 47 AO).
Mit Beschluss vom 27.04.2009 hat der 6. Senat des Finanzgerichts Münster die …bank AG in den Verfahren 6 K 4808/07 AO, 6 K 1539/08 AO und 6 K 2131/08 AO beigeladen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 05.05.2009 hat der Bekl. den ursprünglich als Sprungklage erhobenen Einspruch vom 04.07.2007 gegen den Abrechnungsbescheid vom 27.06.2007 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 08.02.2008 und vom 02.03.2009 – nach vorheriger Hinzuziehung der Beigeladenen zum Einspruchsverfahren – als unbegründet zurückgewiesen.
Im Rahmen seiner Einspruchsentscheidung hat der Bekl. zunächst zur Frage der Anrechnung von Kapitalertragsteuer und des darauf entfallenden Solidaritätszuschlag Folgendes ausgeführt: In tatsächlicher Hinsicht sei zunächst festzustellen, dass 11 der insgesamt 25 Beteiligungsgesellschaften die zunächst einbehaltene Kapitalertragsteuer i.H. von insgesamt 211.442.576,65 DM und den darauf entfallenden Solidaritätszuschlag i.H. von 11.629.341,71 DM wieder erstattet bekommen und an die Kl. weitergeleitet hätten. Die betroffenen Zielgesellschaften hätten sich, nachdem die Kapitalertragsteuer von ihnen zunächst einbehalten und abgeführt worden sei, der von der Finanzverwaltung vertretenen „Darlehenslösung” angeschlossen und das Vorliegen von Gewinnausschüttungsvorgängen negiert. Demzufolge habe aus ihrer Sicht keine Verpflichtung mehr bestanden, Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen. Die Beteiligungsgesellschaften hätten daher Anträge bei der Finanzverwaltung nach § 44b Abs. 4 S. 1 EStG (§ 44b Abs. 5 EStG n.F.) auf Erstattung zu Unrecht abgeführter Kapitalertragsteuer gestellt und die ursprünglich ausgestellten Steuerbescheinigungen durch korrigierte Steuerbescheinigungen ersetzt. Diesen Anträgen sei von den jeweiligen Betriebsstättenfinanzämtern stattgegeben und die in Rede stehende Kapitalertragsteuer gemäß § 44b Abs. 4 S. 2 EStG erstattet worden. Nach seinem Kenntnisstand – dem des Bekl. – sei die erstattete Kapitalertragsteuer von den Zielgesellschaften sodann an die Kl. weitergeleitet worden. Hinsichtlich des Ablaufs und des Schriftverkehrs werde beispielhaft auf die zu dem Gerichtsverfahren 9 K 5138/02 K, F eingereichten Unterlagen (Schriftverkehr der Beteiligungsgesellschaften mit der Kl.) verwiesen. Die betroffenen 11 Beteiligungsgesellschaften und die auf sie entfallenden Steuerabzugsbeträge ergeben sich aus der tabellarischen Übersicht auf S. 4 der Einspruchsentscheidung.
Dem Einwand der Kl., die Erstattungsvorgänge seien ohne ihre Beteiligung bzw. hinter ihrem Rücken durchgeführt worden, könne nicht gefolgt werden. Vielmehr habe die Kl. um die Erstattung der Kapitalertragsteuer in den in Rede stehenden Fällen gewusst. Sie habe selbst eingeräumt, in diesem Zusammenhang Gespräche mit einigen Beteiligungsgesellschaften geführt zu haben. Außerdem sei ihr ein entsprechender Kenntnisstand über den im Verfahren 9 K 5138/02 K, F geführten Schriftverkehr vermittelt worden. Es sei auch zu konstatieren, dass die Kl. in der Zeit nach 2001 von den Beteiligungsgesellschaften Zahlungen erhalten habe, bei denen es sich ausschließlich um die Nachzahlung der auf die ursprünglichen Gewinnausschüttungen einbehaltene und nunmehr erstatteten Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag gehandelt haben könne. Entsprechende Zahlungen habe die Kl. selbst eingeräumt. Insofern werde auf die von der Kl. zur Sprungklage 6 K 576/08 AO vom 19.02.2008 eingereichte „Übersicht über die Beteiligungsgesellschaften mit verweigerter Kapitalertragsteuer-Anrechnung” verwiesen (Anlage 4 zur Klageschrift). Darüber hinaus habe die Kl. im Zusammenhang mit ihrer Steuererklärung für 2002 eine Kopie des Sachkontos 7000 (Erträge aus Beteiligungen) zum 31.12.2002 bei ihm – dem Bekl. – eingereicht, aus dem die Verbuchung der zurückgezahlten Kapitalertragsteuer für die Beteiligungsgesellschaften O GmbH sowie J GmbH ersichtlich sei. Im Ergebnis müsse daher konstatiert werden, dass mit Blick auf die Gewinnausschüttungen der betroffenen 11 Zielgesellschaften die zunächst einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag wieder erstattet und der Kl. als Nachzahlung zu den Ausschüttungen zugeleitet worden sei.
In rechtlicher Hinsicht folgert der Bekl. aus diesen Umständen, dass die Kapitalertragsteuer insoweit schlussendlich nicht erhoben worden sei und demzufolge auch nicht nach § 31 Abs. 1 KStG i.V. mit den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften zum Kapitalertragsteuerabzug angerechnet werden dürfe. Denn § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 EStG bestimme ausdrücklich, dass nur die durch Steuerabzug erhobene Kapitalertragsteuer anzurechnen sei. Die auf die benannten 11 Zielgesellschaften entfallende Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag i.H. von insgesamt 223.071.918,– DM sei infolge der Erstattung jedoch nicht „erhoben” im Sinne einer tatsächlichen Abführung. Die Anrechnung dieser Steuerabzugsbeträge würde eine zweimalige Berücksichtigung der Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlags zugunsten der Kl. bedeuten. Eine solche Doppelanrechnung müsse vermieden werden (Hinweis auf Brenner in Kirchhof/Söhn, EStG/KStG-Kommentar, Rz. D 96 und D 161 zu § 36 EStG). Die Abzugssteuern seien daher gemäß § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 EStG nur anrechenbar, soweit nicht eine Erstattung beantragt oder durchgeführt worden sei. Letzteres sei hier jedoch der Fall. Die Finanzverwaltung habe die aus ihrer Sicht zu Unrecht erhobene Kapitalertragsteuer an 11 Beteiligungsgesellschaften aufgrund einer anderen Rechtsauffassung zur steuerlichen Behandlung des Gestaltungsmodells „Rücklagenmanagement” erstattet. Die erstatteten Beträge seien von den Beteiligungsgesellschaften an die Kl. weitergeleitet worden. Diese Vorgänge dürften bei der Frage der Anrechnung der Kapitalertragsteuer auf die festgesetzte Körperschaftsteuer des Streitjahres nicht außer Betracht bleiben.
In diesem Zusammenhang weist der Bekl. darauf hin, dass der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 28.04.1961 (VI R 301/160 U, BStBl. III 1961, 372) für die Anrechnung von Lohnsteuerabzugsbeträgen entschieden habe, dass ein zu Unrecht vom Arbeitgeber erstatteter Lohnsteuerbetrag i.S. des § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 EStG „erstattet” und deshalb nicht anrechenbar sei. Da Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer im Hinblick auf die Anrechnung wesensgleich seien, könne diese Entscheidung auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Sinn und Zweck der Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen nach § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 EStG sei es, im Rahmen der Veranlagung unter Würdigung sämtlicher steuerrelevanter Tatbestände die endgültige Steuerlast zu ermitteln und eine Doppelbelastung des Steuerpflichtigen zu vermeiden. In gleicher Weise müsse jedoch auch eine Doppelerstattung vermieden werden.
Aus der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 20.08.2007 zur Anrechnung der Körperschaftsteuer (I B 98/07, BFH/NV 2007, 2276) lasse sich kein anderes Ergebnis ableiten. Die Entscheidung sei ausschließlich zur Frage der Anrechnung von Körperschaftsteuer ergangen. Rückschlüsse auf die Frage der Anrechnung der Kapitalertragsteuer könnten daraus nicht gezogen werden. Denn die Anrechnung der Körperschaftsteuer unterscheide sich von der Anrechnung der Kapitalertragsteuer schon dem Grunde nach. Während § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 EStG eine automatische Anrechnung der zu den Einkünften aus Kapitalvermögen zählenden Körperschaftsteuer vorsehe, lasse § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 EStG die Anrechnung von im Wege des Steuerabzugs erhobener Kapitalertragsteuer eben nur zu, soweit diese nicht zuvor erstattet worden sei. Es gebe daher weder eine zwangsläufige (wegen einer erfolgten Anrechnung von Körperschaftsteuer) noch eine selbstverständliche (von Gesetzeswegen ausnahmslos vorzunehmende) Anrechnung von Kapitalertragsteuer.
Schließlich sei zu beachten, dass auch die sonstigen materiellen Voraussetzungen für eine (weitere) Anrechnung von Kapitalertragsteuer nicht vorlägen. Denn im Zusammenhang mit der Kapitalertragsteueranrechnung habe der Gesetzgeber besondere Bescheinigungs- und Nachweisregeln geschaffen, die vorliegend nicht erfüllt seien. Die Anrechnung der durch Steuerabzug erhobenen Steuer sei von der Vorlage einer Bescheinigung gemäß § 45a Abs. 2 oder 3 EStG abhängig. Entsprechende Bescheinigungen lägen jedenfalls nicht mehr vor, soweit 11 Beteiligungsgesellschaften die ursprünglich ausgestellten Steuerbescheinigungen widerrufen und neue Bescheinigungen ausgestellt hätten. Zu einer solchen Korrektur seien die Zielgesellschaften über § 45a Abs. 6 EStG verpflichtet gewesen, nachdem sie die ursprünglich ausgestellten Bescheinigungen als unrichtig angesehen hätten. Mit der Rückforderung der ursprünglichen Kapitalertragsteuerbescheinigungen durch die Zielgesellschaften hätten diese ihren Charakter als „ordentliche Bescheinigung” i.S. des § 45a Abs. 2 u. 3 EStG verloren. Für die Frage der Anrechnung der Kapitalertragsteuer sei immer die letzte maßgebende Willenserklärung der ausschüttenden Körperschaft zugrunde zu legen. Mit der vollumfänglichen Berichtigung bzw. ersatzlosen Rückforderung sei von einem nachträglichen Wegfall der Steuerbescheinigungen auszugehen, der dem in § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 S. 2 EStG aufgeführten Tatbestand einer Nichtvorlage der Steuerbescheinigung gleichstehe.
Im Hinblick auf die Frage der Wirksamkeit der Abtretung der Steuererstattungsansprüche an die Beigeladene hat der Bekl. in der Einspruchsentscheidung vom 05.05.2009 seine bisherige Auffassung wiederholt und vertieft, nach der die Abtretung aufgrund des Umstands, dass sich die Kl. der Steuererstattungsansprüche in rechtlicher Hinsicht nicht begeben habe, sicherungshalber erfolgt und daher gemäß § 46 Abs. 4 AO wirksam sei. Zudem hat der Bekl. ergänzt, dass sowohl die Kl. als auch die Beigeladene selbst eine nichtige Abtretung wegen der erfolgten Anzeige gegenüber den Finanzbehörden gegen sich gelten lassen müssten (§ 46 Abs. 5 AO).
Der 6. Senat des Finanzgerichts Münster hat am 13.05.2009 mündlich in der Sache verhandelt. In der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter der Kl. erklärt, dass die Frage der Wirksamkeit der Abtretung vom 30.01.2001 nicht mehr streitig gestellt werde. Das Klagebegehren beschränke sich nunmehr nur noch auf die Frage der Anrechnung der Kapitalertragsteuer nebst darauf entfallendem Solidaritätszuschlag.
Die Kl. beantragt nunmehr,
den angefochtenen Abrechnungsbescheid vom 27.06.2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 08.02.2008 und 02.03.2009 dahingehend zu ändern, dass weitere Kapitalertragsteuer i.H. von 211.442.576,35 DM (108.108.872,60 EUR) und darauf entfallender Solidaritätszuschlag i.H. von 11.629.341,78 DM (5.845.988,– EUR), insgesamt also 223.071.918,13 DM (114.054.860,60 EUR) angerechnet werden,
und die Einspruchsentscheidung vom 05.05.2009 aufzuheben,
hilfsweise, die Revision zuzulassen,
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Bekl. hält an seinem in der Einspruchsentscheidung vom 05.05.2009 dargestellten Sach- und Rechtsvortrag fest.
Die Beigeladene, die keinen Antrag gestellt hat, hat sich in ihrem Schriftsatz vom 12.05.2009 auf eine Auseinandersetzung mit Fragen zur Wirksamkeit der Abtretung vom 30.01.2001 gemäß § 46 Abs. 4 u. 5 AO beschränkt. Wegen der Einzelheiten des Beigeladenenvortrags wird auf diesen Schriftsatz verwiesen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten 6 K 4808/07 AO, 6 K 1539/08 AO, 6 K 2131/08 AO, 6 K 576/08 AO sowie 9 K 5138/02 K und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Ferner wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 13.05.2009 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gegen den Abrechnungsbescheid des Bekl. vom 27.06.2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 08.02.2008 und 02.03.2009 sowie die Einspruchsentscheidung vom 05.05.2009 erhobene Klage hat insofern Erfolg, als die Kl. ihr Klagebegehren in der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2009 auf die (weitere) Anrechnung von Kapitalertragsteuer nebst darauf entfallendem Solidaritätszuschlag beschränkt und die Wirksamkeit der Abtretung von Steuererstattungsansprüchen an die Beigeladene durch Abtretungsanzeige vom 30.01.2001 nicht mehr streitig gestellt hat.
I. Das Gericht entscheidet über den angefochtenen Abrechnungsbescheid vom 27.06.2007 in der Gestalt, die dieser durch die Änderungsbescheide vom 08.02.2008 und 02.03.2009 erlangt hat.
Die beiden Änderungsbescheide sind gemäß § 365 Abs. 3 S. 1 AO Gegenstand des beim Bekl. anhängigen Einspruchsverfahrens gegen den Abrechnungsbescheid vom 27.06.2007 geworden. Dieses Einspruchsverfahren ist durch die am 04.07.2007 von der Kl. unter dem Aktenzeichen 9 K 2892/07 K beim Finanzgericht Münster erhobene Sprungklage in Gang gesetzt worden, nachdem der Bekl. seine Zustimmung zur Sprungklage verweigert hatte (vgl. § 45 Abs. 3 FGO). Die geänderten Abrechnungsbescheide betreffen die Abrechnung zur Körperschaftsteuerfestsetzung des Jahres 2000 und damit denselben Regelungsbereich wie der ursprünglich angefochtene Abrechnungsbescheid. Folgerichtig hat der Bekl. seiner Einspruchsentscheidung vom 05.05.2009 auch den Abrechnungsbescheid vom 27.06.2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 08.02.2008 und 02.03.2009 zugrunde gelegt. Einer isolierten Anfechtung des Änderungsbescheides vom 08.02.2008 durch die Kl. stehen § 365 Abs. 3 S. 1 AO i.V. mit § 68 S. 2 FGO und das Verbot der mehrfachen Rechtshängigkeit entgegen. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungen des erkennenden Senats unter den Aktenzeichen 6 K 1539/08 AO und 6 K 2131/08 AO verwiesen.
II. Die Klage ist zulässig.
Die Klage ist ursprünglich als Untätigkeitsklage erhoben worden. Das Gericht braucht jedoch nicht mehr über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 FGO zu entscheiden, da der Bekl. mittlerweile den Einspruch der Kl. gegen den Abrechnungsbescheid vom 27.06.2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 08.02.2008 und 02.03.2009 durch Einspruchsentscheidung vom 05.05.2009 negativ beschieden hat. Die Sachurteilsvoraussetzung eines erfolglos durchgeführten außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens liegt damit jedenfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vor (§ 44 Abs. 1 FGO).
III. Die Entscheidung des Gerichts beschränkt sich nur noch auf die Frage, in welchem Umfang Kapitalertragsteuer und darauf entfallender Solidaritätszuschlag auf die Körperschaftsteuer des Veranlagungszeitraums 2000 anzurechnen sind. Die Wirksamkeit der Abtretung vom 30.01.2001 und damit die Frage, ob der Bekl. die aus der Körperschaftsteuerfestsetzung 2000 resultierenden Steuererstattungsansprüche zu Recht an die Beigeladene ausgezahlt und gegenüber der Kl. als gemäß § 47 AO erloschen festgestellt hat, ist dagegen nicht mehr Verfahrensgegenstand.
Die Kl. hat ihr ursprüngliches Klagebegehren insofern im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2009 selbst eingeschränkt und die Wirksamkeit der Abtretung nicht mehr in Zweifel gezogen. Die Einschränkung des Klagebegehrens war zulässig, weil es sich insofern um einen selbständigen Streitgegenstand handelt. Lediglich hilfsweise und zur Begründung der Kostenentscheidung weist der erkennende Senat darauf hin, dass er die angefochtenen Abrechnungsbescheide hinsichtlich der Auszahlung der Guthaben an die Beigeladene und des festgestellten Erlöschens der Steuererstattungsansprüche gegenüber der Kl. als rechtmäßig erachtet. Denn unabhängig von der Frage, ob es sich bei der Abtretung vom 30.01.2001 um eine Abtretung von Steuererstattungsansprüchen erfüllungs- oder sicherungshalber und damit letztlich um eine unwirksame oder wirksame Abtretung i.S. des § 46 Abs. 4 AO handelte, mussten die Kl. und die Beigeladene die am 31.01.2001 gegenüber dem Bekl. angezeigte Abtretung vom 30.01.2001 jedenfalls gemäß § 46 Abs. 5 AO gegen sich gelten lassen.
IV. Die Klage ist – in diesem eingeschränkten Umfang – auch begründet.
Der Abrechnungsbescheid vom 27.06.2007 zur Körperschaftsteuer des Jahres 2000 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 08.02.2008 und 02.03.2009 sowie die Einspruchsentscheidung vom 05.05.2009 sind rechtswidrig und verletzen die Kl. in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO). Die Kl. hat einen Anspruch auf Anrechnung von Kapitalertragsteuer i.H. von insgesamt 250.691.393,– DM nebst darauf entfallendem Solidaritätszuschlag i.H. von insgesamt 13.788.027,13 DM. Im Vergleich zum letzten Abrechnungsbescheid des Bekl. vom 02.03.2009 sind also weitere Kapitalertragsteuer i.H. von 211.442.576,35 DM (statt bisher 39.248.816,75 DM) sowie darauf entfallender Solidaritätszuschlag i.H. von 11.629.341,78 DM (statt bisher 2.158.685,35 DM) im Rahm