08.01.2010
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 09.06.2009 – 4 K 268/08
Flugbenzin für innerbetriebliche Flüge des Werkverkehrs ist mineralölsteuerfrei.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Mineralölsteuer- bzw. Energiesteuerbefreiung hat.
Die Klägerin betreibt ein Bekleidungsunternehmen mit weltweit über ... Filialen und ... Mitarbeitern in ... Ländern. Für geschäftliche Flüge setzt sie ein Luftfahrzeug des Typs A ein. Mit diesem Flugzeug werden nach ihren vom Beklagten nicht bestrittenen Angaben Gesellschafter, Geschäftsführer und Mitarbeiter aus geschäftlichen Anlässen befördert.
Für die Zeiträume Kalenderjahr 2005, Kalenderjahr 2006 (Januar bis Juli) und (August bis Dezember) hat die Klägerin Anträge auf Mineralölsteuererstattung bzw. Entlastung von der Energiesteuer gestellt. Mit Bescheid vom 14.02.2008 hat der Beklagte die Vergütung der Mineralölsteuer bzw. die Entlastung von der Energiesteuer abgelehnt. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Die Einspruchsentscheidung erging am 17.11.2008.
Mit der fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf Steuerbefreiung bzw. Entlastung weiter. Nach ihrer Auffassung folgt der Anspruch auf Befreiung von der Mineralölsteuer unmittel aus § 4 Abs. 1 Nr. 3 a) Mineralölsteuergesetz (MinöStG). Sie verweist insoweit auf den zu dieser Vorschrift ergangenen Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 03.12.2002 - III A 1 - V 0353 - 01/02. Entsprechend den Bestimmungen des Erlasses setzte sie, die Klägerin, das Flugzeug ausschließlich zur gewerbsmäßigen Erbringung von Dienstleistungen ein.
Der Erstattungsanspruch ergebe sich zudem aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 4 Abs. 1 Nr. 3 a) MinöStG im Sinne des Art. 8 der Richtlinie 92/81/EWG des Rates vom 19.10.1992. Hiernach seien Mineralöllieferungen zur Verwendung als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nicht gewerblichen Luftfahrt von der Steuer zu befreien. Der Anspruch ergebe sich zudem unmittelbar aus Art. 8 der genannten Richtlinie. Soweit der nationale Gesetzgeber die Richtlinie nicht oder nicht vollständig umgesetzt habe, könne sich der Bürger im Mitgliedstaat unmittelbar auf die Richtlinie berufen, soweit ihm hierdurch Rechte gewährt würden.
Die gebotene Gleichbehandlung mit dem Schiffsverkehr rechtfertige ebenfalls eine Steuerbefreiung. Gem. § 4 Abs. 1 Nr. 4 MinöStG sei der Werksverkehr mit Schiffen Mineralölsteuer befreit. Eine unterschiedliche rechtliche Behandlung des Werksverkehrs mit Flugzeugen sei sachlich nicht gerechtfertigt und führe deshalb zu einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG).
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 09.01.2001 in Form der Einspruchsentscheidung vom 17.11.2008 der Klägerin die mit Mineralölsteueranmeldung vom 09.11.2007 beantragte Mineralölsteuererstattung in Höhe von 30.021,09 € für das Jahr 2005, die mit Mineralölsteueranmeldung vom 09.11.2007 beantragte Mineralölsteuererstattung in Höhe von 7.422,69 € für den Zeitraum Januar bis Juli 2006 und die mit Energiesteueranmeldung vom 09.11.2007 beantragte Energiesteuerentlastung in Höhe von 6.601,29 € für den Zeitraum August bis Dezember 2006 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die Einspruchsentscheidung. Nach seiner Auffassung sind die Voraussetzungen für eine steuerfreie Verwendung des Mineralöls nur gegeben, wenn es von Luftfahrtunternehmen für die gewerbsmäßige Beförderung von Personen, Sachen oder die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen eingesetzt werde. Bei dem im Streitfall gegebenen innerbetrieblichen Werkverkehr finde eine entgeltliche Vercharterung des Luftfahrzeuges nicht statt.
Die Beförderung von Waren und Personen werde innerhalb des Betriebes durchgeführt. Mithin liege im Streitfall nicht die für eine Steuerbefreiung nach dem BMF-Erlass vom 03.12.2002 erforderliche entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen vor. Nach der richtlinienkonform ausgestalteten Vorschrift des § 52 Abs. 1 Energiesteuergesetz (EnergieStG) könne eine Steuerentlastung nur gewährt werden, wenn der Flugkraftstoff von Unternehmen der Luftfahrt zu gewerblichen Zwecken verwendet werde. Da es sich bei der Klägerin nicht um ein Luftfahrtunternehmen handele, habe sie keinen Anspruch auf Steuerentlastung.
Ein Anspruch auf Vergütung der Mineralölsteuer für den Zeitraum 01.01.2005 bis 31.12.2005 bestehe schon deshalb nicht mehr, weil die Festsetzungsfrist der Verbrauchsteuern zum Zeitpunkt der Antragstellung am 09.11.2007 nach § 69 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) mit Ablauf des 31.12.2006 bereits abgelaufen gewesen sei.
Ein Heft der Verwaltungsvorgänge hat vorgelegen.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, da sie einen Anspruch auf Erstattung der Mineralölsteuer bzw. Entlastung der Energiesteuer hat (1.). Der Erstattungsanspruch für den Kalenderzeitraum 2005 ist nicht verjährt (2.).
Der Erstattungsanspruch der Klägerin folgt unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 b) der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischen Strom (ABl. L 283 v. 31.10.2003 S. 51 - 70; im Folgenden: RL Nr. 2003/96).
Zwar bedarf eine Richtlinienvorschrift gem. Art. 249 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft - EG - zu ihrer Anwendung grundsätzlich erst der Umsetzung in nationales Recht. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kann sich der Einzelne jedoch in allen Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn er diese Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat. Art. 14 Abs. 1 b) der RL 2003/96 ist inhaltlich unbedingt und hinreichend genau (vgl. zu Art. 14 Abs. 1 a) der RL Nr. 2003/96: EuGH, Urteil vom 17.07.2008, Rs. C-226/07, ZFZ 2008, 270).
Der nationale Gesetzgeber hat die Energiesteuerrichtlinie im Bereich der Luftfahrt nur unzulänglich umgesetzt. Das Deutsche Mineralölsteuerrecht gewährt für das Jahr 2005 Steuerbefreiungen nur Luftfahrtunternehmen, obwohl nach Art. 14 Abs. 1 b) der RL 2003/96, dessen Umsetzungsfrist am 31.12.2003 endete, nicht nur diesen Unternehmen, sondern der „Luftfahrt” schlechthin Steuerbefreiungen einzuräumen sind (hierzu unter a.). Die Flüge der Klägerin im Rahmen des Werkverkehrs unterliegen dieser durch die Richtlinie vorgegebenen Steuerbefreiung (hierzu unter b.).
a. Das nationale Mineralölsteuerrecht beschränkt Mineralölsteuererstattungen nach seinem eindeutigen Wortlaut auf Luftfahrtunternehmen, ohne insoweit einer richtlinienkonformen Auslegung zugänglich zu sein (vgl. hierzu FG Hamburg, Urteil vom 13.05.2009, 4 K 157/08, zur Veröffentlichung in Juris vorgesehen). Nach § 50 Abs. 1 Mineralölsteuerdurchführungsverordnung (MinÖlStV) in der vom 01.01.2000 bis zum 31.07.2006 gültigen Fassung wird die Steuer für Luftfahrtbetriebsstoffe Luftfahrtunternehmen und Einrichtungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 des MinöStG auf Antrag erstattet oder vergütet, die sie im Steuergebiet versteuert bezogen und für steuerfreie Flüge verwendet haben. Gem. § 4 Abs. 1 Nr. 3 MinöStG in der vom 01.01.2003 bis 31.07.2006 gültigen Fassung darf Mineralöl vorbehaltlich des § 12 MinöStG steuerfrei verwendet werden als Luftfahrtbetriebsstoff von a) Luftfahrtunternehmen für die gewerbsmäßige Beförderung von Personen, Sachen oder für die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen und b) in Luftfahrzeugen von Behörden und der Bundeswehr für dienstliche Zwecke sowie der Luftrettungsdienste für Zwecke der Luftrettung.
Hierbei stellt das nationale Recht (vgl. z. B. § 18 Abs. 2 Nr. 5 a) MinÖlStV auf die Regelungen des Luftverkehrsgesetzes (in der ab dem 01.09.2002 gültigen Fassung; im Folgenden: LuftVG) ab, insbesondere auf dessen § 20 Abs. 1 Satz 1, der wie folgt lautet: „Juristische oder natürliche Personen sowie Personen Handelsgesellschaften bedürfen für gewerbsmäßige Rundflüge in Flugzeugen, mit denen eine Beförderung nicht zwischen verschiedenen Punkten verbunden ist, 2. die gewerbsmäßige Beförderung von Personen und Sachen mit Ballonen eine Betriebsgenehmigung (Luftfahrtunternehmen). Der Genehmigungspflicht unterliegt auch die nichtgewerbsmäßige Beförderung von Fluggästen, Post und/oder Fracht mit Luftfahrzeugen gegen Entgelt.”
Gem. § 20 Abs. 4 LuftVG bedürfen Luftfahrtunternehmen, die dem Luftverkehrsrecht der Europäischen Gemeinschaft unterliegen, zur Beförderung von Fluggästen, Post oder Fracht im gewerblichen Flugverkehr eine Betriebsgenehmigung gem. Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2407/92 des Rates über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen vom 22.07.1992 (ABl. EG Nr. L 240 S. 1). Nach Art. 2 b) und c) dieser Verordnung (VO) ist ein Luftfahrtunternehmen ein Lufttransportunternehmen mit einer gültigen Betriebsgenehmigung und eine „Betriebsgenehmigung” eine Genehmigung, die einem Unternehmen vom zuständigen Mitgliedstaat erteilt wird und das Unternehmen je nach Angaben in der Genehmigung berechtigt, Fluggäste, Post und/oder Fracht im gewerblichen Luftverkehr zu befördern.
Dagegen haben die Mitgliedsstaaten nach Art. 14 Abs. 1 b) der RL Nr. 2003/96 über die allgemeinen Vorschriften für die steuerbefreite Verwendung steuerpflichtiger Erzeugnisse gem. der Richtlinie 92/12/EWG hinaus und unbeschadet anderer Gemeinschaftsvorschriften unter den Voraussetzungen, die sie zur Sicherstellung der korrekten und einfachen Anwendung solcher Befreiungen oder zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und -vermeidung oder Missbrauch festlegen, Lieferungen von Energieerzeugnissen zur Verwendung als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nicht gewerblichen Luftfahrt von der Steuer zu befreien. Im Sinne der Richtlinie ist unter der „privaten nicht gewerblichen Luftfahrt” zu verstehen, dass das Luftfahrzeug von seinem Eigentümer oder der durch Anmietung oder sonstigen Gründen nutzungsberechtigten natürlichen oder juristischen Person für andere als kommerzielle Zwecke und insbesondere nicht für die entgeltliche Beförderung von Passagieren oder Waren oder für die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen oder für behördliche Zwecke genutzt wird.
Bei der Auslegung des unbestimmten Begriffs der „Luftfahrt” ist die Rechtsprechung des EuGH zur Mineralölsteuerbefreiung im Bereich der „Schifffahrt” und die damit verbundene Auslegung der RL Nr. 2003/96 von Bedeutung. Diese lässt sich übertragen bzw. sinngemäß heranziehen. Der Befreiungstatbestand der „Schifffahrt” ist in Art. 14 Abs. 1 c) der RL Nr. 2003/96 geregelt und vom Wortlaut her im Wesentlichen entsprechend der „Luftfahrt” formuliert. Der Aufbau und die Systematik beider Vorschriften sind gleich. Art. 14 Abs. 1 b) und c) der RL Nr. 2003/96 entsprechen Art. 8 Abs. 1 b) und c) der (Vorgänger-) Richtlinie 92/81/EWG des Rates vom 19.10.1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle (ABl. L 316 vom 31.10.1992 S. 12 - 15; im Folgenden: RL Nr. 92/81).
Der EuGH hat zur Steuerbefreiung der Schifffahrt festgestellt, dass die Definitionen für die unter die RL Nr. 92/81 fallenden Erzeugnisse und die insoweit geltenden Befreiungen unter Berücksichtigung des Wortlauts der fraglichen Bestimmung und der mit dieser Richtlinie verfolgten Zwecke autonom auszulegen sind. Eine solche autonome Auslegung der Befreiungen sei umso mehr geboten, als Art. 8 Abs. 1 der RL Nr. 92/81 den Mitgliedsstaaten eine Verpflichtung auferlege, Mineralöllieferungen zur Verwendung als Kraftstoff für bestimmte in dieser Bestimmung aufgeführte Tätigkeiten nicht der harmonisierten Verbrauchsteuer zu unterwerfen. Divergierende Auslegungen dieser Befreiungsverpflichtungen auf nationaler Ebene würden nicht nur die Ziele der gemeinschaftsrechtlichen Regelung und die Rechtssicherheit beeinträchtigen, sondern brächten auch die Gefahr einer Ungleichbehandlung der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer und damit einen Verstoß gegen das Gebot der Wettbewerbsneutralität des Steuerrechts mit sich. Der EuGH urteilte folgerichtig, dass „jede Seefahrt zu kommerziellen Zwecken” in den Anwendungsbereich der in Art. 8 Abs. 1 c) UAbs. 1 der RL Nr. 92/81 vorgesehenen Befreiung von der harmonisierten Verbrauchsteuer falle. Diese Auslegung werde durch den Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers bestätigt, den Begriff der privaten nicht gewerblichen Schifffahrt in UAbs. 2 des Art. 8 Abs. 1 c) der RL Nr. 92/81 sorgfältig zu definieren. Die Vorschrift unterscheidet zudem nicht nach dem jeweiligen Zweck der Schifffahrt. Denn die Wettbewerbsverzerrungen, die durch die Richtlinie verhindert werden sollen, könnten unabhängig von der Art der in Rede stehenden kommerziellen Schifffahrt auftreten. Im Übrigen hätte der Gemeinschaftsgesetzgeber, wenn er über die private nicht gewerbliche Schifffahrt hinaus bestimmte Arten kommerzieller Schifffahrt von der fraglichen Befreiung hätte ausnehmen wollen, eine solche Beschränkung der Befreiung in UAbs. 1 des Art. 8 Abs. 1 c) der RL Nr. 92/81 ausdrücklich festlegen müssen (vgl. zu alledem EuGH, Urteil vom 01.04.2004, C-389/02, Slg. 2004 I-03537).
Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Erwägung, dem der Senat folgt, führt die am Wortlaut der Vorschrift und den Zielen der Richtlinie RL Nr. 2003/96 gebotene autonome Auslegung des Art. 14 Abs. 1 b) der RL Nr. 2003/96 dazu, dass sich die steuerbefreite Luftfahrt nicht auf Luftfahrtunternehmen beschränkt, die gewerbsmäßig Personen und Sachen befördern oder entgeltlich Dienstleistung erbringen. Hiergegen spricht zunächst, dass der Begriff „Luftfahrtunternehmen” aus dem Luftverkehrsrecht stammt und dem harmonisierten Energiesteuerrecht fremd ist. Er ist Anknüpfungspunkt für Betriebsgenehmigungen, die u. a. die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften, die Sicherstellung zuverlässiger und angemessener Dienstleistungen und den Schutz des Verbrauchers bezwecken (vgl. z. B. die Erwägungsgründe der VO (EWG) Nr. 2407/92 des Rates vom 23.07.1992 über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen, ABl. L 240 vom 24.08.1992, S. 1 - 7). Dementsprechend ist eine solche Genehmigung immer dann erforderlich, wenn Personen oder Fracht gewerblich oder jedenfalls entgeltlich befördert werden. Das Energiesteuerrecht bezweckt dagegen vorrangig das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes ohne Wettbewerbsverzerrungen und innerhalb der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in der Gemeinschaft (vgl. Erwägungsgründe der RL 2003/96 Nr. 2 - 4, 23).
Bereits diese unterschiedlichen Ziele legen es nicht nahe, Definitionen des Luftverkehrsrechts abschließend im Energiesteuerrecht heranzuziehen. Vielmehr bringt deren Übernahme die Gefahr mit sich, dass Änderungen im Luftverkehrsrecht angesichts der verschiedenen Gesetzeszwecke zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnten. Diese Gefahr hat sich z. B. mit dem 11. Luftverkehränderungsgesetz (BGBl I 1998, S. 24 - 32) und der Streichung des damaligen § 20 Abs. 1 Satz 2 LuftVG zum 01.03.1999, der eine Genehmigungspflicht für die „gewerbsmäßige Verwendung von Luftfahrzeugen für sonstige Zwecke” beinhaltete, realisiert. Durch den Wegfall der Genehmigungspflicht für die sog. Arbeitsluftfahrt (z. B. die Agrarluftfahrt oder Reklameflüge) konnte diese nicht mehr von der Mineralölsteuerbefreiung profitieren bis das Bundesministerium der Finanzen durch den Erlass vom 03.12.2002 die alte Rechtslage auf dem Erlasswege faktisch wieder hergestellt hat.
Darüber hinaus hat der Gemeinschaftsgesetzgeber ausdrücklich den Begriff der „Luftfahrt” und nicht den ihm aus dem Luftverkehrsrecht bekannten Begriff des „Luftfahrtunternehmens” im Befreiungstatbestand genannt. Dass er die Befreiung nicht auf diese Unternehmen beschränken wollte, folgt auch aus dem Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie RL Nr. 2003/96. Danach können die Mitgliedsstaaten die in Abs. 1 b) und c) vorgesehenen Steuerbefreiungen auf internationale oder innergemeinschaftliche Transporte beschränken. Eine Innergemeinschaftliche gewerbliche Beförderung von Fluggästen oder Fracht ist nach der VO Nr. 2407/92 ohne eine Betriebsgenehmigung nicht zulässig, darf mithin nur von Lufttransportunternehmen, als Luftfahrtunternehmen, durchgeführt werden. Sofern bereits im Art. 14 Abs. 1 b) RL Nr. 2003/96 eine Beschränkung auf Luftfahrtunternehmen gewollt gewesen wäre, hätte der Richtliniengeber im Rahmen des Art. 14 Abs. 2 RL Nr. 2003/96 keinen Grund gehabt, nunmehr von innergemeinschaftlichen „Transporten”, die gewerblich nur von Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden dürfen, zu sprechen, sondern die ursprüngliche Terminologie beibehalten können. Überdies hätte der Richtliniengeber, sofern er nur eine Steuerbefreiung für Luftverkehrsunternehmen beabsichtigt hätte, auf die eindeutige Definition das Luftverkehrsrechts verweisen können. Es hätte dann auch kein Anlass bestanden, die „Luftfahrt” negativ vom Begriff der „nichtgewerblichen Luftfahrt” abzugrenzen.
Die abschließende Verwendung des Begriffs „Luftfahrtunternehmen” im nationalen Recht lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Richtlinie die private nichtgewerbliche Luftfahrt von der Steuerbefreiung ausnimmt, woraus geschlossen werden könnte, dass von der Luftfahrt nur noch die Luftfahrtunternehmen verblieben. Es gibt Formen von Luftfahrt, die weder Teil der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt, noch Luftfahrtunternehmen sind. Unstreitig trifft dies auf die durch den Erlass vom 03.12.2002 Luftfahrtunternehmen gleichgestellter Arbeitsluftfahrt zu.
Die Ausnahme von der Steuerbefreiung für die „private nichtgewerbliche Luftfahrt” hat der Gemeinschaftsgesetzgeber im Übrigen sorgfältig definiert und gefasst. Das Wort „insbesondere” macht deutlich, dass keine Ausnahme von der Steuerbefreiung gegeben ist, wenn ein Luftfahrzeug zu - irgendwelchen - kommerziellen Zwecken genutzt wird. Für welche Zwecke die Ausnahme gelten soll, lässt sich aus dem 23. Erwägungsgrund der RL Nr. 2003/96 ableiten. Dort heißt es: „Bestehende internationale Verpflichtungen sowie der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in der Gemeinschaft machen es ratsam, bestehende Steuerbefreiungen für Energieprodukte zur Verwendung in der Luft- und Schifffahrt - außer in der Luft- und Schifffahrt zu privaten Vergnügungszwecken - beizubehalten; die Mitgliedsstaaten sollten die Möglichkeit haben, diese Steuerbefreiungen einzuschränken”.
Bereits der Vorschlag von der Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle der Kommission vom 27.09.1999 (ABl. Nr. C-322 vom 21.12.1990 S. 18) sprach nicht von der „privaten nichtgewerblichen Luftfahrt”, sondern benutzte in Art. 8 Abs. 1 d) den Begriff der „privaten Vergnügungsluftfahrt”. Auch wenn dieser nicht in die endgültige Fassung der RL Nr. 92/81 übernommen wurde, verdeutlicht seine sinngemäße Verwendung in den Erwägungsgründen der RL Nr. 2003/96, dass nach dem Willen der Gemeinschaftsgesetzgebers nur die Luftfahrt zu privaten Vergnügungszwecken anders als die Luftfahrt zu kommerziellen Zwecken nicht von der Mineralölsteuerbefreiung profitieren sollte. Indem der Richtliniengeber diese - aber auch nur diese - Ausnahme in den Richtlinientext aufgenommen hat, hat er deutlich gemacht, dass keine weiteren Ausnahmen von der Steuerbefreiung gewollt sind, abgesehen von denen, die sich aus den weiteren Vorschriften der Richtlinie ergeben, jedoch für die Mitgliedsstaaten nicht verbindlich sind. So können die Mitgliedsstaaten neben der Beschränkung nach Art. 14 Abs. 2 der RL Nr. 2003/96 auch gem. Art. 15 Abs. 1 i) eingeschränkt Steuerbefreiungen gewähren für Kraftstoffe, die bei der Fertigung, Entwicklung, Erprobung und Wartung von Luftfahrzeugen und Schiffen verwendet werden.
Der Begriff der Luftfahrt ist daher weitend umfassend auszulegen. Das Luftfahrzeug darf lediglich nicht für andere als kommerzieller Zweck benutzt werden.
Aus dem Wortlaut der Richtlinienvorschrift unter Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH zur Schifffahrt, bei der „jede Seefahrt zu kommerziellen Zwecken” steuerbefreit ist, folgt, dass der Befreiungstatbestand auf die tatsächliche Nutzung des Luftfahrzeuges zu steuerbegünstigenden Zwecken abstellt. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, welche Verwendung eines Luftfahrzeuges im Einzelnen unter dem Begriff der Luftfahrt fällt. Luftfahrt im Sinne der Richtlinie Nr. 2003/96 ist zumindest jeder Flug eines Luftfahrzeuges zu kommerziellen Zwecken.
Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um einen innerdeutschen, innergemeinschaftlichen oder internationalen Flug handelt. Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die Energiesteuerrichtlinie für Inlandsflüge einen Umsetzungsspielraum eröffnet. Zwar können die Mitgliedsstaaten die in Art. 14 Abs. 1 b) der RL Nr. 2003/96 vorgesehene Steuerbefreiungen gem. Art. Abs. 2 der RL Nr. 2003/96 auf internationale oder innergemeinschaftliche Transporte beschränken (vgl. insoweit auf den Erwägungsgrund Nr. 23 der RL Nr. 2003/96, wonach die Mitgliedsstaaten die Möglichkeit haben sollten, die Steuerbefreiungen im Bereich der Luft- und Schifffahrt zu beschränken). Von dieser Ermächtigung hat der nationale Gesetzgeber jedoch keinen Gebrauch gemacht, sondern den Kreis der von der Steuerfreiheit Begünstigten unabhängig vom Reiseziel des jeweiligen Fluges und der Verletzung der Richtlinienvorgaben begrenzt (ebenso FG München, Urteil vom 10.12.2008, 14 K 1873/06, Juris).
b. Den Flügen liegen im Streitfall kommerzielle Zwecke zu Grunde, da das Flugzeug unstreitig zu eigenbetrieblichen Zwecken im Werkverkehr eingesetzt war. Die Beförderung von Mitarbeitern bzw. die Transporte von Wirtschaftsgütern des Betriebes kommen dem Unternehmenszweck des Betriebes zu Gute und stellen damit einen kommerziellen Flugbetrieb dar. Unerheblich ist, dass bei innerbetrieblichen Flügen keine unmittelbare Entgelterzielung erreicht wird.
Den Begriff der kommerziellen Flugtätigkeit auf unmittelbare Entgelterzielung zu reduzieren, würde dem wirtschaftlichen Verständnis der Reglung nicht gerecht werden. Denn der innerbetriebliche Werkverkehr stellt keine Form der privaten Luftfahrt dar, was so offensichtlich ist, dass es keiner näheren Begründung bedarf. Die Flüge erfolgen zudem nicht unentgeltlich, denn die Aufwendungen hierfür fließen als Gemeinkosten in die Kalkulation der Ausgangspreise des Betriebes ein. Zur kommerziellen Schifffahrt hat der EuGH zudem entschieden, dass jede Form der Schifffahrt unabhängig vom Zwecke der jeweiligen Fahrt vom Anwendungsbereich der Steuerbefreiung erfasst werde. Der Hauptzweck müsse insbesondere nicht in einer Beförderungsleistung bestehen (EuGH, Urteil vom 01.04.2002, C-389/02, Slg. 2004 I-03537). Folgerichtig hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Werbemaßnahme eines Yachtversicherungsmaklers mittels einer eingesetzten Barkasse als kommerzielle Schifffahrt angesehen, da diese in einem unmittelbaren Zusammenhang zu seiner gewerblichen Tätigkeit stehe (BFH, Urteil vom 27.06.2006 VII R 62/05, BFH/NV 2006, S. 21 - 32). Die Voraussetzungen für die beantragte Vergütung von Mineralöl- bzw. Energiesteuer sind somit gegeben.
Der Anspruch für das Kalenderjahr 2005 ist nicht verjährt. Die Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Nr. 1 AO findet im Streitfall keine Anwendung. Nach dieser Vorschrift beträgt die Festsetzungsfrist für Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen ein Jahr. Der Anwendung dieser Frist steht jedoch das Gemeinschaftsrecht entgegen. Gemeinschaftsrechtlich anerkannt ist, dass, solange ein Mitgliedstaat die Richtlinienbestimmungen nicht ordnungsgemäß in seine interne Rechtsordnung umgesetzt hat, die zuständigen Behörden dieses Staates daran gehindert sind, sich auf die nationalen Verfahrensvorschriften über Klagefristen gegenüber einer Klage zu berufen, die ein einzelner gegen sie vor den nationalen Gerichten zum Schutze der in der Richtlinie unmittelbar verliehenen Rechte erhoben hat (EuGH, Urteil vom 25.07.1991 - EMMOTT - C-208/90 Slg. 1991 S. I-04269). Diese Grundsätze gelten im Streitfall. Eine ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie durch den nationalen Gesetzgeber ist bisher nicht erfolgt. Da die nationalen Rechtsvorschriften der Klägerin eindeutig einen Anspruch auf Steuerbefreiung verwehren, war die Rechtslage für die Klägerin im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht unklar. Diese Unklarheit verbietet es, die kurze Verjährungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 anzuwenden, denn ihre Anwendung erfordert eine klare und eindeutige gesetzliche Regelung, die im Streitfall nicht gegeben war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen.