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  • 08.01.2010

    Finanzgericht München: Urteil vom 16.03.2005 – 4 K 4330/02

    Die entgeltliche Abtretung einer unstreitigen Erwerbsposition steht einem Verzicht i.S. des § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG gleich


    Urteil

    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In der Streitsache

    wegen Grunderwerbsteuer

    hat der 4. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Finanzgerichts Gretzschel, des Richters am Finanzgericht Thies und des Richters am Finanzgericht Mayer sowie der ehrenamtlichen Richter Engl und Eiser aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. März 2005

    für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

    Tatbestand

    I.

    Streitig ist, ob der Beklagte (Finanzamt = FA) den für die Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot bezahlten Betrag zu Recht nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) der Grunderwerbsteuer unterworfen hat.

    Mit Urkunde vom 21. August 1986 (Bl. 26 FA-Akte) machte die X-KG der Y-AG das Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags über ein Grundstück. Als Kaufpreis wurde der „Verkehrswert” im Zeitpunkt der Annahme des Angebots vereinbart, wobei die Berechnung dieses Verkehrswerts u.a. anhand des Restbuchwerts, der Abschreibungen und der Jahresmieten im Voraus definiert wurde.

    Mit Urkunde vom 20. Juli 2001 (Bl. 4 FA-Akte) trat die Y-AG ihre Rechte aus dem Angebot vom 21. August 1986 an die Klägerin (Klin) ab. Für diese Abtretung hatte die Klin der Y-AG 14.145.166 DM (tatsächlicher Verkehrswert) abzüglich des an die X-KG bei Annahme des Angebots zu zahlenden Kaufpreises von 5.367.608 DM („Verkehrswert” nach der im Angebot enthaltenen Berechnungsformel) zu bezahlen.

    Mit weiterer Urkunde vom 20. Juli 2001 (Bl. 11 FA-Akte) nahm die Klin das Kaufangebot an.

    Mit GrESt-Bescheid vom 15. Januar 2001 setzte das FA gegen die Klin GrESt i.H.v. 253.130 EUR (= 495.080 DM) aus einer Bemessungsgrundlage i.H.v. 14.145.166 DM fest.

    Mit ihrem Einspruch machte die Klin geltend, der Grunderwerbsteuer unterliege nur der an die X-KG bezahlte Betrag i.H.v. 5.367.608 DM. Zivilrechtlich beinhalte der Grundstückserwerb zwei Vorgänge. Auf der einen Seite die Abtretung der Rechte aus dem Kaufvertrag, die gem. § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliege. Steuerschuldnerin sei dabei die Y-AG. Zum Anderen löse der geschlossene Vertrag vom 20. Juli 2001 Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bei der Klin aus, wobei sich die Steuer aus der Gegenleistung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, somit aus 5.367.608,81 DM berechne. Maßgebend für die Besteuerung der Klin sei ausschließlich die Annahme des Angebots, da die Klin für die Abtretung nicht als Steuerpflichtige in Anspruch genommen werden könne. Der Kaufpreis aus dem Kaufangebot vom 21. Juni 1986 bestehe in Höhe des Restbuchwertes, der mit 5.367.608,81 DM ausgewiesen sei. Maßgeblich sei insoweit ausschließlich der Kaufpreis, auf den Wert des Grundstücks könne nicht abgestellt werden. In der Streitsache liege auch keine Leistung i. S. des § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG für den Verzicht eines anderen auf den Erwerb des Grundstücks vor. Es liege kein Verzicht vor, weder i. S. von § 517 BGB, noch auf irgendeine Art und Weise. Vielmehr habe die Y-AG ihre Rechte und Ansprüche aus der Angebotsurkunde an die Klin abgetreten. Dies sei aber kein Verzicht, denn verzichten könne man nur auf etwas, was einem gehöre. Vielmehr habe aufgrund der Zession die Abtretende ihre Rechte verloren. Eine pauschale Gleichstellung von Abtretung mit Verzicht sei unzulässig Insbesondere auch deshalb, weil hinsichtlich des Abtretungsbetrages eine Steuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG ausgelöst werde. Der Wortlaut des § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG beschränke die Hinzurechnung der Leistungen des Erwerbers an Dritte zur Gegenleistung klar und eindeutig auf den Fall der Gewährung der Leistung dafür, dass der Dritte auf den Erwerb des Grundstücks verzichte. Das Gesetz lasse eine erweiterte Auslegung zu Lasten der Klin nicht zu.

    Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Auf die Einspruchsentscheidung vom 18. September 2002 (Bl. 112 FA-Akte) wird vorab Bezug genommen. Das FA vertrat die Auffassung, dass der Verzicht nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG im weitesten Sinn zu verstehen sei, also als bloßes Absehen vom Erwerb, nicht etwa als Verzicht i. S. des § 517 BGB. Zwischen der Kaufpreiszahlung und der Zahlung für die Abtretung des Angebots bestehe eine innere Verknüpfung.

    Zudem sei die Zahlung der Klin an die Y-AG auch als zusätzliche Gegenleistung i.S.d. § 9 Abs. 1 GrEStG abzusehen. Die Y-AG hätte die Ansprüche aus dem Angebot vom 21. August 1986 niemals abgetreten, wenn sie dadurch nicht den aufgrund der Entwicklung des Verkehrswerts aufgelaufenen Gewinn hätte abschöpfen können. Den Verzicht auf die Realisierung des Gewinns bei sich selbst durch Annahme des Angebots und Weiterverkauf des Grundstücks an die Klin habe sich die Y-AG mit 8.777.557,86 DM bezahlen lassen.

    Die Zahlung der Klin an die Y-AG in dieser Höhe stelle nach den vorgenannten Grundsätzen eine grunderwerbsteuerliche Gegenleistung dar. Die Klin sei korrespondierend zum Erwerb des Grundstücks durch die Zahlung an die Y-AG entreichert worden. Sie habe für den Erwerb des Grundstücks insgesamt 14.145.166,67 DM aufwenden müssen. Wäre sie zur Zahlung an die Y-AG nicht bereit gewesen, so hätte diese das Grundstück selbst für 5.367.808,81 DM erworben und für 14.145.166,67 DM weiterverkauft. Auch in diesem Fall wäre für den Erwerb der Klin Grunderwerbsteuer aus der Bemessungsgrundlage von 14.145.166,67 DM angefallen.

    Mit Beschluss vom 23. Juli 2002 4 V 1225/02 (Bl. 49 AdV-Akte) hatte der Senat die von der Klin für das Einspruchsverfahren begehrte Aussetzung der Vollziehung abgelehnt. Der Senat vertrat die Auffassung, dass die Zahlung der Klin an die Y-AG zwar nicht unter § 9 Abs. 1 GrEStG, wohl aber unter § 9 Abs. 2 Nr. 3 falle.

    Mit ihrer Klage beantragt die Klin.

    den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer auf 187.866 DM herabgesetzt wird, hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren.

    Für die Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot sei die Klin nicht Steuerschuldner, sondern allein die Y-AG Diese versuche nun für die gegen sie aus dem Bedarfswert festgesetzte Grunderwerbsteuer (278.880 DM) die Klin in Anspruch zu nehmen. Damit drohe eine Doppelbesteuerung, die nach der BFH-Rechtsprechung unzulässig sei. Deshalb müsse § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG im Wege einer teleologischen Reduktion einschränkend ausgelegt werden.

    Die Grunderwerbsteuer aus dem Kaufvertrag dürfe allein aus dem vereinbarten Kaufpreis berechnet werden. Die Zahlung an die Y-AG stelle keine Gegenleistung für den Erwerb von der X-KG i. S. von § 9 Abs. 1 GrEStG dar. Auch liege kein Verzicht i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG vor; Abtretung von Verzicht könnten nicht gleichgesetzt werden. Eine erweiternde Auslegung zu Lasten des Steuerpflichtigen sei nach der BFH-Rechtsprechung nicht zulässig.

    Das FA beantragt unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung,

    die Klage abzuweisen.

    Am 16. März 2005 hat vor dem Senat mündliche Verhandlung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

    Gründe

    II.

    Die Klage ist nicht begründet.

    Der Senat hält an seiner bereits im Aussetzungsverfahren vertretenen Auffassung fest.

    Zwar geht das FA zu Unrecht davon aus, dass die Einbeziehung der an die Y-AG erfolgte Zahlung in die Gegenleistung auch auf § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gestützt werden könne. Sonstige Leistungen i. S. dieser Vorschrift fallen, wenn sie an Dritte bezahlt werden, nur dann unter § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, wenn sich der Grundstückskäufer zu dieser Leistung gegenüber dem Verkäufer verpflichtet hat (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 22. April 1964 II 47/62 U BStBl III 1964, 368–396 rechte Spalte oben). Dies ist in der Streitsache jedoch nicht der Fall.

    Das FA hat jedoch zutreffend den streitigen Betrag gem. § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG mit in die Gesamtbemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer mit einbezogen.

    Leistungen des Erwerbers an Dritte, ohne dass eine Verpflichtung gegenüber dem Veräußerer vorliegt, gehören nämlich nur unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG zur Gegenleistung. § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG ordnet eine Hinzurechnung solcher Leistungen an, die der Erwerber an dritte Personen als Gegenleistung für deren Verzicht auf den Erwerb des Grundstücks gewährt § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG setzt voraus, dass Rechtsgrund der Leistung der Verzicht des Dritten auf den Erwerb des Grundstücks ist.

    Diese Vorschrift bezweckt, auch solche Leistungen der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen, die der Erwerber anderen Personen als dem Veräußerer gegenüber bewirkt, um das Eigentum am Grundstück zu erlangen. Hierbei werden solche Leistungen erfasst, die dafür gewährt werden, dass der Dritte selbst auf den Erwerb des Grundstücks verzichtet und durch diesen eigenen Verzicht dem Erwerber den Grundstückserwerb positiv ermöglicht. Dies setzt voraus, dass der Dritte tatsächlich in der Lage und willens ist, das Eigentum am Grundstück anstelle des Erwerbers zu erlangen und der Erwerber seinerseits an den Dritten in Kenntnis dieser Verhältnisse mit dem Ziel eine Leistung erbringt, diesen zu einem Verzicht auf den, Grundstückserwerb zu bewegen (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juni 2003 II R 39/01, BStBl II 2004, 246).

    Diese Voraussetzungen sind in der Streitsache erfüllt. Nach dem Sinn und Zweck des § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG kann es nicht darauf ankommen, in welche Rechtsform der „Verzicht” gekleidet ist, so dass auch die Abtretung einer unstreitigen Erwerbsoption einen Verzicht auf den eigenen Erwerb darstellt. Hierin liegt entgegen der Auffassung der Klin auch keine unzulässige ausweitende Auslegung entgegen dem Wortlaut der Vorschrift vor (vgl. BFH-Urteil vom 22. April 1964 a.a.O.). Dass auch die Abtretung von Erwerbsansprüchen einen Verzicht i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG darstellt, ergibt sich auch aus dem dem BFH-Urteil vom 25. Juni 2003 (a.a.O.) zugrunde liegenden Sachverhalt, bei dem es gleichfalls um die Abtretung von (vermeintlichen) Erwerbsansprüchen ging. Hier hat der BFH die Anwendung des § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nur deshalb versagt, weil die Abtretenden tatsächlich keine Rechtsposition inne halten, die es ihnen ermöglicht hätten, selbst das Grundstück zu erwerben.

    Im vorliegenden Streitfall hat die Y-AG mit der Abtretung sämtlicher Rechte und Ansprüche aus der Angebotsurkunde vom 21. Juni 1986 an die die Abtretung annehmende Klin auf den Erwerb des Grundstücks verzichtet. Als Gegenleistung für diesen Verzicht hat die Klin einem Dritten, der Y-AG, einen Betrag i.H.v. 8.777.557,86 DM bezahlt.

    Dass die Y-AG willens und in der Lage war, das Grundstück ggf. auch selbst zu erwerben, ist nicht streitig. Dies ergibt sich auch zwingend daraus, dass die Organe der Y-AG nicht auf die Realisierung der Wertsteigerung des Grundstücks hätten verzichten können, ohne sich gegenüber den Anteilseignern regresspflichtig zu machen.

    In der Erfassung des für die Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot gezahlten Entgelts als zusätzliche Gegenleistung i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG liegt auch entgegen der Auffassung der Klin keine unzulässige Doppelbesteuerung.

    In dem zu § 1 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 GrEStG ergangenen Urteil vom 10. Juli 1974 II R 12/70, BStBl II 1974, 772 hat der BFH nur klargestellt, dass für die Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot als selbständigen grunderwerbsteuerbaren Vorgang Steuerschuldner nur der Abtretende ist. Für diese Abtretung kann der Grundstückserwerber, dessen Erwerb nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Grunderwerbsteuer unterliegt, nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden. Dies ist in der Streitsache auch nicht erfolgt, denn die Steuer für die Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot wurde anhand des sog. Bedarfswerts ausschließlich gegen die Y-AG als Abtretende und nicht gegen die Klin festgesetzt. Dem oben genannten BFH-Urteil lässt sich aber nichts entnehmen, anhand welcher Gegenleistung der Grundstückserwerb der Klin vom bisherigen Eigentümer zu besteuern ist. Dies bestimmt sich ausschließlich nach § 9 GrEStG, d.h. in der Streitsache nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 3 GrEStG.

    Ohne Bedeutung ist insoweit, ob sich die Klin ggf. verpflichtet hat, der Y-AG die gegen diese festgesetzte Grunderwerbsteuer zu erstatten. Diese zivilrechtliche Übernahme einer fremden Steuerschuld kann nicht zu einer unzulässigen Doppelbesteuerung führen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Der Senat sah keinen Anlass, die Revision zuzulassen.

    VorschriftenGrEStG § 9 Abs. 2 Nr. 3, GrEStG § 9 Abs. 1 Nr. 1, GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 7, BGB § 517