08.01.2010
Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 04.05.2005 – 2 K 1205/02
1. Investiert eine VEB Wasserversorgungs Nachfolgegesellschaft 1991 in Anlagen der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, scheidet bei Nichteinhaltung der Zugehörigkeits- und Verbleibensvoraussetzungen des § 2 S. 1 Nr. 1 InvZulG 1991 eine Investitionszulagenbegünstigung der aufgrund von politisch gewollten Teilübertragungsverträgen auf hoheitliche Abwasserzweckverbände übertragenen Wirtschaftsgüter aus.
2. Das vorzeitige Ausscheiden eines Wirtschaftsguts aus dem Betrieb des Investors kann nicht als unschädlich angesehen werden, wenn die dafür ursächlichen Gründe nicht im Wirtschaftsgut selbst liegen, sondern im Betrieb.
3. Eine andere Entscheidung ist nicht deshalb geboten, weil nach dem Willen des BMF die Kommunalisierung der VEB Wasserversorgung Nachfolgegesellschaften steuerneutral erfolgen sollte.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Finanzrechtsstreit
wegen Investitionszulage 1991
hat der 2. Senat unter Mitwirkung der Vizepräsidentin des Finanzgerichts, des Richters am Finanzgericht, der Richterin am Finanzgericht, des ehrenamtlichen Richters und der ehrenamtlichen Richterin auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 4. Mai 2005
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens fallen der Klägerin zur Last.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zu Recht von der Klägerin die für 1991 gewährte Investitionszulage teilweise zurückfordert.
Die Klägerin entstand am 11. Mai 1990 durch Umwandlung auf der Grundlage der Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften vom 1. März 1990 aus der VEB Wasserversorgung und A. (W.) L.. Gegenstand des Unternehmens der sich nunmehr in Liquidation befindlichen Klägerin war das Erbringen von Leistungen zur Wasserversorgung, die Durchführung von Aufgaben der Abwasserbeseitigung sowie seit dem 26. April 1991 auch die Neuordnung der Wasserversorgung und A. im Versorgungsgebiet im Sinne einer Entflechtung zur Kommunalisierung des Unternehmens.
Die Geschäftsanteile der Klägerin wurden zunächst vollumfänglich von der Treuhandanstalt gehalten. Mit Vertrag vom 3. Juli 1991 trat die Treuhandanstalt sie an die Vereinigung der kommunalen Anteilseigner an der Wasserversorgung und A. L.-GmbH e.V. (im Folgenden: V) ab. Mitglieder des V waren die Gemeinden, in deren Gebiet die Klägerin für die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung sich verantwortlich zeichnete.
Im Jahr 1991 tätigte die Klägerin Investitionen für Anlagen ihres Tätigkeitsbereiches Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung. Für diese Investitionen gewährte ihr der Beklagte aufgrund des Antrages vom 23. September 1992 zunächst mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid vom 2. März 1993 eine Investitionszulage in Höhe von 32.533.072 DM.
Mit Wirkung zum 1. Januar 1994 schloss die Klägerin Teilbetriebsübertragungsverträge, aufgrund derer sie sich zur Übertragung von Betriebsmitteln an den jeweiligen Übernehmer verpflichtete. Vertragspartner waren die Städtische Wasserwerke L. GmbH, der Zweckverband Wasserversorung und Abwasserentsorgung A. Land, der Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserentsorgung des Landkreises B., Zweckverband D.-R. Wasserversorgung, Wasserverband D./O., Wasser-/Abwasserzweckverband E.-Wasserversorgung, Versorgungsverband Gr.-G. und der Zweckverband Trinkwasserversorgung/Abwasser T. „Westelbien”.
In der Folgezeit erließ der Beklagte mehrere geänderte Investitionszulagenbescheide, durch die er die Investitionszulage aufgrund nicht mehr streitiger Punkte herabsetzte, ohne jedoch den Vorbehalt der Nachprüfung aufzuheben. Nachdem die Klägerin gegen den geänderten Bescheid vom 22. Oktober 1996 Einspruch eingelegt hatte, setzte der Beklagte mit Bescheid vom 18. Mai 2000 die Investitionszulage auf 16.035.362 DM herab und begründete die Herabsetzung damit, dass aufgrund der Übertragung der zulagenbegünstigten Wirtschaftsgüter, soweit sie der Abwasserbeseitigung dienen, auf die Zweckverbände die Zugehörigkeits- und Verbleibensvoraussetzungen des § 2 Satz 1 Nr. 1 Investitionszulagengesetzes 1991 (InvZulG) nicht eingehalten worden seien. Die Klägerin wandte sich im Einspruchsverfahren nunmehr gegen diese Bescheidänderung, woraufhin der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 15. Mai 2002 den Einspruch als unbegründet zurückwies. Hiergegen hat die Klägerin am 14. Juni 2002 Klage erhoben.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Beklagte die Investitionszulage für die Wirtschaftsgüter, die sie auf die Zweckverbände übertragen hat, zu Unrecht zurückgefordert habe. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Investitionszulage lägen vielmehr weiterhin vor. Das vorzeitige Ausscheiden sei unschädlich, da die Gründe hierfür im Wirtschaftsgut selbst lägen. Da das Ausscheiden der Wirtschaftsgüter aus dem Anlagevermögen der Klägerin nicht freiwillig erfolgt sei, sondern habe aufgrund der Neuregelungen des am 12. März 1993 in Kraft getretenen Sächsischen Wassergesetzes (SächsWG) nach Ablauf der Übergangsfrist am 31. Dezember 1993 zwingend erfolgen müssen. Aber selbst wenn von einer freiwilligen Übertragung der Wirtschaftsgüter ausgegangen würde, führe diese nicht zu einem Wegfall der Zugehörigkeits- und Verbleibensvoraussetzungen im Sinn des § 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG. Denn die Wirtschaftsgüter dienten weiterhin den selben Zwecken und würden noch heute am selben Ort und mit der selben Funktion genutzt. Allein der Umstand, dass die Wirtschaftsgüter durch Hoheitsbetriebe genutzt würden, stelle kein Wegfall der Zugehörigkeits- und Verbleibensvoraussetzungen dar.
Schließlich müsse berücksichtigt werden, dass nach dem Willen des Bundesministeriums der Finanzen die Kommunalisierung der VEB Wasserversorgung Nachfolgegesellschaften steuerneutral erfolgen sollte, was durch die Steuerfreistellung im Billigkeitswege deutlich werde. Es sei daher nicht einzusehen, weshalb dies im Bereich der Investitionszulage nicht der Fall sein sollte.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über die Investitionszulage für das Kalenderjahr 1991 vom 18. Mai 2000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Mai 2002 dahingehend zu ändern, dass die Investitionszulage nunmehr auf 22.181.089 DM festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass die Rückforderung der Investitionszulage für die an die Abwasserverbände übertragenen Wirtschaftsgüter zu Recht erfolgt sei, da die Klägerin die Zugehörigkeits- und Verbleibensvoraussetzungen nicht eingehalten habe. Denn seit der Übertragung auf die Hoheitsbetriebe gehörten die Wirtschaftsgüter nicht mehr zum Anlagevermögen eines Betriebes im Fördergebiet. Auch habe kein gesetzlicher Zwang zur Übertragung der Wirtschaftsgüter auf die Abwasserverbände bestanden, sondern lediglich zur Übertragung der Aufgabe, Abwasser zu beseitigen. Ferner komme es auch nicht darauf an, ob und wie die Wirtschaftsgüter nach der Übertragung genutzt wurden. Entscheidend sei allein, ob die Wirtschaftsgüter weiterhin dem Anlagevermögen eines Betriebes im Fördergebiet zuzurechnen seien. Dies sei aber, wie ausgeführt, nicht der Fall. Schließlich komme aufgrund der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 InvZulG eine Billigkeitsmaßnahme hinsichtlich der Gewährung von Investitionszulage nicht in Betracht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Rechtsbehelfsakte der Klägerin, die vorbereitenden Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.
Gründe
I.
Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht die Investitionszulage für die Wirtschaftsgüter, die der Abwasserbeseitigung dienen und die die Klägerin auf die Zweckverbände übertragen hat, zurückgefordert.
Die Verbleibensvoraussetzungen des § 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG sind nicht erfüllt. Nach § 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG sind begünstigte Investitionen die Anschaffung und die Herstellung von neuen, abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören. Hinsichtlich der im Laufe des Jahres 1991 angeschafften bzw. hergestellten Wirtschaftsgüter, die die Klägerin mit Wirkung zum 1. Januar 1994 an die Zweckverbände übertragen hat, sind diese Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt.
1. Durch die Übertragung auf die Zweckverbände sind die Wirtschaftsgüter vor Ablauf der Dreijahresfrist in den hoheitlichen Bereich übertragen worden. Die Zweckverbände sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und handeln, soweit sie im Bereich der Abwasserbeseitigung tätig werden, nicht im Rahmen eines Betriebes gewerblicher Art (vgl. BFH, Urteile vom 8. Januar 1998, V R 32/97, BStBl. II 1998, 410 und vom 1. Juli 2004, V R 64/02, BFH/NV 2005, 252, Beschluss vom 10. Januar 2002, V B 127/01, BFH/NV 2002, 683), sondern hoheitlich. Damit befanden sich die Wirtschaftsgüter nicht mehr im Anlagevermögen eines Betriebes im Fördergebiet.
An dieser Beurteilung ändert auch die Tatsache nichts, dass die Abwasserzweckverbände die Wirtschaftsgüter in derselben Weise nutzen, wie es zuvor die Klägerin getan hat. Das Investitionszulagengesetz stellt vielmehr rein formal darauf ab, ob ein Wirtschaftsgut dem Anlagevermögen eines Betriebes im Fördergebiet angehört. Die Art der Nutzung ist ohne Bedeutung. Dafür, dass es auf die Art der Nutzung nicht ankommt, spricht auch, dass die Abwasserzweckverbände dann, wenn sie von vornherein die Wirtschaftsgüter angeschafft hätten und in derselben Weise, wie geschehen, nutzen würde, selbst keinen Anspruch auf eine Investitionszulage hätten. Da sie Körperschaften des öffentlichen Rechts sind und nicht im Rahmen eines Betriebes gewerblicher Art tätig werden, gehören sie nicht zu dem Kreis der nach § 1 InvZulG grundsätzlich anspruchsberechtigten Personen.
2. Entgegen der Ansicht der Klägerin war auch keine Ausnahmesituation gegeben, aufgrund derer das frühere Ausscheiden aus dem Anlagevermögen ausnahmsweise nicht als investitionszulagenschädlich zu behandeln wäre. Ein vorzeitiges Ausscheiden eines Wirtschaftsguts aus dem Betrieb des Investors kann nur dann als unschädlich angesehen werden, wenn die dafür ursächlichen Gründe in dem Wirtschaftsgut selbst liegen, nicht aber in dem Betrieb (BFH, Urteil vom 29. April 1999, III R 27/95, BStBl. II 1999, 567).
Die Gründe für die Übertragung der verfahrensgegenständlichen Wirtschaftsgüter auf die Zweckverbände liegen jedoch nicht in diesen selbst, sondern im Betrieb der Klägerin. Wie die Klägerin selbst ausgeführt hat, erfolgte die Übertragung der Wirtschaftsgüter insbesondere deshalb, weil dies dem politischen Willen entsprach.
Die Regelung des § 63 Abs. 3 SächsWG hätte jedoch ihrem Wortlaut nach auch die Möglichkeit geboten, dass die Zweckverbände sich der Klägerin zur Erfüllung der ihnen bzw. ihren Mitgliedergemeinden nach § 63 Abs. 2 SächsWG obliegenden Abwasserbeseitigungspflicht bedienen. Soweit dies aus politischen Gründen nicht erwünscht war und die Klägerin sich daher unter Druck gesetzt fühlte, die Wirtschaftsgüter auf die Zweckverbände zu übertragen, hat dies seine Ursache gerade im Betrieb der Klägerin. Denn dieser politische Druck ist vergleichbar mit betriebswirtschaftlichen Zwängen eines Betriebes, die den Inhaber dazu veranlassen, sich vorzeitig von einem Wirtschaftsgut zu trennen. Derartige betriebswirtschaftliche Zwänge rechtfertigen aber gerade keine Ausnahme von dem gesetzlichen Erfordernis der dreijährigen Verbleibensdauer (BFH a.a.O.).
Auch ist nicht ersichtlich, inwieweit die Klägerin die streitgegenständlichen Wirtschaftsgüter aufgrund der Regelung des §§ 2 Abs. 1 lit. a, 4 Abs. 2 des Gesetzes über das Vermögen der Gemeinden, Städte und Landkreise (KVG) auf die Zweckverbände übertragen musste. Diese Wirtschaftsgüter waren bereits dem Wortlaut nach nicht von diesen Normen erfasst. Die Regelungen des KVG erfassten die volkseigenen Betriebe, Einrichtungen und Anlagen sowie die aus ihnen durch Umwandlung entstandenen Kapitalgesellschaften mit dem Vermögensbestand, wie er am 6. Juli 1990 – dem Tag der Verkündung des Gesetzes – vorhanden war. Die verfahrensgegenständlichen Wirtschaftsgüter hat die Klägerin jedoch erst im Jahr 1991 angeschafft bzw. hergestellt.
3. Schließlich ist auch nicht deshalb eine andere Entscheidung geboten, weil nach dem Willen des Bundesministeriums der Finanzen die Kommunalisierung der VEB Wasserversorgung Nachfolgegesellschaften steuerneutral erfolgen sollte. Durch die Billigkeitsregelungen wollte das Bundesministerium der Finanzen zwar erreichen, dass im Zusammenhang mit der Kommunalisierung der VEB Wasserversorgung keine Steuerpflichten entstehen, die nur den besonderen Situationen der Existenz derartiger volkseigener Betriebe geschuldet waren, jedoch nicht entstanden wären, wenn die Gemeinden bzw. die Zweckverbände von vornherein diese Aufgaben wahrgenommen hätten. Das Bundesministerium der Finanzen hat nicht das Ziel gehabt, die Gemeinden bzw. die Zweckverbände im Wege von Billigkeitsregelungen besser zu stellen, als sie ohne diese Ausnahmesituation gestanden hätten. Wie oben bereits ausgeführt, hätten die Zweckverbände jedoch keinen Anspruch auf Gewährung einer Investitionszulage gehabt, wenn sei die Wirtschaftsgüter unmittelbar selbst angeschafft oder hergestellt hätten, da sie nicht zu dem Kreis der nach § 1 InvZulG anspruchsberechtigten Personen gehörten.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung.
III.
Die Revision war zur Fortbildung des Rechts in Bezug auf die Qualifikation der Abwasserbeseitigung als hoheitlich zuzulassen.