08.01.2010
Finanzgericht Hamburg: Beschluss vom 11.08.2006 – 6 K 156/02
Dem EuGH wird zur Vorabentscheidung folgende Rechtsfrage vorgelegt: Widerspricht es Art. 52 i.V.m. Art. 58 EWGV / Art. 52 i.V.m. Art. 58 EGV, jetzt Art. 43 i.V.m. Art. 48 EG , wenn im Rahmen der Bewertung nicht notierter Anteile an Kapitalgesellschaften die Beteiligung an einer inländischen Personengesellschaft mit einem niedrigeren Wert erfolgt als die Beteiligung an einer Personengesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat?
Tatbestand
I. Sachverhalt und Streitstand
Streitig ist im Rahmen der Anteilsbewertung der Klägerin der Wertansatz für ihre Beteiligungen an der ... Gesellschaft mbH und Co. KG, Wien (im Folgenden W), einer GmbH und Co. KG österreichischen Rechts, sowie an der spanischen ... Sociedad en Commandita, Madrid (im Folgenden E). Die Klägerin erstrebt den Ansatz mit dem steuerlichen Kapitalkonto, der Beklagte hat eine Bewertung in Anlehnung an das sog. Stuttgarter Verfahren (Abschnitt 76 - 79 der Vermögensteuerrichtlinien 1986 - VStR 1986 -) vorgenommen.
Die Klägerin ist eine nicht börsennotierte Kapitalgesellschaft, einzige Anteilseignerin ist die Beigeladene. Gemäß Vertrag vom 01.06.1988 erwarb sie mit Wirkung vom 01.07.1988 sämtliche Kommanditanteile der W. Für die Kommanditeinlage zahlte sie 213.562,38 DM und weitere 5.354.893 DM als Vergütung für vorhandene stille Reserven, die als „Forderungen an W” bilanziert wurden; dies entspricht dem Posten einer Ergänzungsbilanz nach deutschem Recht. Ferner ist die Klägerin Kommanditistin der 1986 gegründeten E. Bei beiden Gesellschaften ist deren Betriebsvermögen nach Art. 14, 15 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 4.10.1954 (DBA Österreich) bzw. nach Art. 23 Abs. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 5.12.1966 (DBA Spanien) von der Bemessungsgrundlage der deutschen Vermögensteuer ausgenommen (Betriebsstättenprinzip).
In ihrer Erklärung zur gesonderten Feststellung des gemeinen Werts nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften auf den 31.12.1988 bewertete die Klägerin ihre Anteile an der W mit dem Saldo aus Forderungen (5.354.883 DM) und Kursverlusten (5.314 DM) mit 5.349.578 DM. Den Wertansatz von 1.190.144 DM für die Anteile an der E leitete sie aus den aufgewandten Anschaffungskosten, vermindert um Teilwertabschreibungen und Verbindlichkeiten ab. Die Feststellung des gemeinen Wertes der Klägerin erfolgte zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach einer Außenprüfung änderte der Beklagte die Wertansätze für die Beteiligungen in Anlehnung an die Grundsätze des sog. Stuttgarter Verfahrens. Der Beklagte war der Ansicht, dass der gemeine Wert gemäß § 9 Abs. 2 Bewertungsgesetz (BewG 1985) grundsätzlich nicht mit dem reinen Vermögenswert gleichzusetzen sei, sondern nach der Regelbewertung entsprechend dem Stuttgarter Verfahren unter Einbeziehung der Ertragsaussichten zu ermitteln sei.
Für die W ermittelte der Beklagte entsprechend Abschn. 74 Abs. 3 VStR 1986 einen Wert von 5.565.955 DM, der sich wie folgt zusammensetzte:
Anschaffungskosten der Kommanditanteile | 213.562,38 DM |
Anschaffungsnebenkosten | 2.814,29 DM |
Forderungen an W | 5.354.893,00 DM |
Kursverluste DM | ./. 5.314,67 DM |
Wertansatz per 31.12.1988 | 5.565.955,00 DM |
Den Wert der Anteile an der E ermittelte der Beklagte nach Abschn. 89 VStR 1986 aus dem Nominalwert der Kommanditeinlagen zu Einzahlungskursen. Weil sich die Gesellschaft noch in der Aufbauphase befinde, die bei ausländischen Beteiligungen im Regelfall 5 Jahre dauere, entspreche der Wert der Anteile noch den hierfür aufgewandten Anschaffungskosten. Auf dieser Basis ermittelte der Beklagte einen Wert per 31.12.1988 von 17.101.512 DM.
Das gegen den geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des gemeinen Werts auf den 31.12.1988 geführte Einspruchsverfahren blieb erfolglos; der Beklagte war der Ansicht, dass Bewertungsmaßstab für Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften, für die kein Kurswert bestehe, gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 BewG 1985 der gemeine Wert sei. Welche Bewertungsmethode anzuwenden sei, ergebe sich aus § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG 1985, wonach der gemeine Wert, sofern er sich nicht aus Verkäufen ableiten lasse, unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen sei.
Mit ihrer Klage erstrebt die Klägerin, die Beteiligungen an den ausländischen Personengesellschaften mit dem Vermögenswert entsprechend dem steuerlichen Kapitalkonto anzusetzen und sie nicht nach dem Stuttgarter Verfahren unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten zu bewerten. Zwar sei das ausländische Vermögen unselbstständiger Teil des der Anteilsbewertung zu Grunde liegenden Gesamtvermögens. Wie eine derartige Bewertung zu erfolgen habe, sei gesetzlich aber nicht geregelt. Ausländisches Betriebsvermögen sei entsprechend § 31 BewG 1985 nach den Vorschriften des Ersten Teils des BewG 1985, insbesondere mit dem gemeinen Wert im Sinne von § 9 BewG 1985 zu bewerten. Korrespondierende Vorschriften über die Bewertung ausländischen Vermögens im Rahmen der Anteilsbewertung fehlten; diese werde ausschließlich in § 11 Abs. 2 BewG 1985 geregelt. Nach Abschn. 77 Abs. 1 Satz 6 VStR 1986 werde das nicht im Einheitswert enthaltene Betriebsvermögen bei der Ermittlung des Vermögenswertes hinzugerechnet, ohne dass in den VStR 1986 selbst ein Bewertungsmaßstab für die Höhe des hinzuzurechnenden Betrages gegeben werde.
Der gemeine Wert im Sinne von § 31 BewG 1985 sei entgegen der Auffassung des Beklagten nicht ohne Weiteres mit den wirtschaftlichen Werten gleichzusetzen. Der Ansatz steuerlicher Werte sei im Rahmen der Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren durchaus üblich gewesen; inländische Personengesellschaften seien bei der Ermittlung des Vermögenswertes einer Kapitalgesellschaft mit dem Einheitswert angesetzt worden, der ausgehend vom steuerlichen Kapitalkonto unter Berücksichtigung von Grund- oder Kapitalgesellschaftsbesitz der Personengesellschaft ermittelt worden sei. Insoweit sei es systemwidrig, wenn einerseits bei inländischen Personengesellschaften eine Bewertung ausschließlich des Vermögens (gleich Substanzwert) erfolge, während bei ausländischen Personengesellschaften sowohl das Vermögen als auch eine Ertragskomponente berücksichtigt werde. Indiziell gegen die Auffassung des Beklagte spreche zudem die Änderung der VStR zum 01.01.1993 in Abschn. 24 Abs. 3 Satz 2, wonach die Bewertung von ausländischem Betriebsvermögen beim Einheitswert mit den Steuerbilanzwerten zugelassen werde.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des gemeinen Wertes der Anteile an der ... Beteiligungs GmbH auf den 31.12.1988 vom 07.12.2000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.06.2002 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Beteiligung an der E mit 920.275,45 DM und die Beteiligung an der W mit 5.251.345,42 DM in Ansatz gebracht wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält daran fest, dass die Bewertung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG 1985 unter Berücksichtigung des Vermögens einschließlich der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu erfolgen habe. Dies gelte auch hinsichtlich der einzelnen Beteiligungen an den ausländischen Personengesellschaften.
Gründe
II. Vorlage an den EuGH
Dem EuGH ist die im Tenor dieses Beschlusses formulierte Rechtsfrage vorzulegen.
Das Gericht legt die Frage dem EuGH gemäß Art. 234 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Buchst. a des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) vor. Die Rechtsfrage ist für das Klageverfahren entscheidungserheblich und betrifft die dem EuGH vorbehaltene Auslegung des EG-Vertrages. Diese ist dem EuGH vorbehalten, wenn die zutreffende Auslegung nicht derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel an der richtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts keinerlei Raum bleibt (EuGH-Urteil vom 6.10.1982, Rs. C-283/81, EuGHE 1982,3415). Letzteres ist nicht der Fall.
A. Rechtslage nach deutschem Steuerrecht
1. Gemäß § 11 Abs. 2 BewG 1985 sind die Anteile an nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften mit dem gemeinen Wert zu bewerten. Lässt sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen ableiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, ist der gemeine Wert unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen, § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG 1985. Diese Vorschrift ist als lex specialis zu § 162 AO besondere Ermächtigungsgrundlage für eine Schätzung von Besteuerungsgrundlagen. Als verbindliche Besteuerungsgrundlagen werden das Vermögen und die Ertragsaussichten vorgeschrieben; offen bleibt aber, wie Vermögen und Ertragsaussichten zu ermitteln und zu gewichten sind.
a) Die Verwaltung ermittelt den gemeinen Wert der Anteile nicht notierter Kapitalgesellschaften gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG 1985 entsprechend ihren Verwaltungsvorschriften (Abschn. 76 ff. VStR 1986) nach den Grundsätzen des sog. Stuttgarter Verfahrens, der sog. Regelbewertung. Die Rechtsprechung erkennt das Verfahren seit jeher als eine gesetzmäßige Konkretisierung der Schätzungsermächtigungsgrundlage an. Über ihre Anwendung für die Bewertung der Anteile an der Klägerin als solche besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Im Rahmen des Stuttgarter Verfahrens ist ein Vermögenswert (Abschn. 77 VStR 1986) und ein Ertragshundertsatz nach dem voraussichtlichen künftigen Jahresertrag auf der Grundlage des Steuerbilanzgewinns der zurückliegenden drei Jahre (Abschn. 78 VStR 1986) zu ermitteln. Ferner ist bei der Bewertung der Grundsatz der Gesamtbewertung nach § 2 Abs. 1 BewG 1985 zu beachten, d.h. wirtschaftliche Einheiten - z.B. die hier in Streit stehende Personengesellschaft - sind als solche und nicht die einzelnen Wirtschaftsgüter für sich zu bewerten.
b) Ausgangspunkt für die Ermittlung des Vermögenswertes ist der Einheitswert des Betriebsvermögens, § 109 Abs. 2 BewG 1985. Nach dieser Vorschrift sind Beteiligungen an Personengesellschaften, die zu einem Betriebsvermögen gehören, mit dem dafür gem. § 19 Abs. 3 Nr. 2 BewG 1985 festgestellten Einheitswert anzusetzen, der ein reiner Substanzwert ist (Rössler/Troll, BewG , 17. Aufl., §. 98a 3 ff.). Dem Einheitswert hinzuzurechnen sind die Wirtschaftsgüter, die bei der Einheitsbewertung außer Betracht geblieben sind, weil sie nach § 101 Nr. 1 bis 3 und § 102 BewG 1985 nicht zum Betriebsvermögen gehören. Nicht zum Betriebsvermögen gehören u.a. auch die steuerfreien Beteiligungen an ausländischen Unternehmen. Da diese Beteiligungen von der Bemessungsgrundlage der deutschen Vermögensteuer ausgenommen sind, ist für sie ein Einheitswert entsprechend § 32 Satz 2 BewG 1985 nicht zu ermitteln.
Eine eigenständige Regelung über die Bewertung von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen findet sich im Rahmen der Vorschriften über die Anteilsbewertung nicht. § 31 BewG 1985 regelt aber im Rahmen der Einheitsbewertung, dass für die Bewertung ausländischen Sachvermögens die Vorschriften des Ersten Teils des BewG 1985, insbesondere § 9 BewG 1985 (gemeiner Wert) gelten. In Übereinstimmung mit der herrschenden Auffassung (vgl. z.B. Gürsching/Stenger, BewG § 31 Rz. 4; Rössler/Troll, BewG , 17. Aufl., § 31 Rz. 8) versteht der Senat die Verweisung auf die Vorschriften des Ersten Teils des Bewertungsgesetzes - insbesondere § 9 BewG 1985 - dahin, dass die Bewertung ausländischen Sachvermögens stets mit dem gemeinen Wert zu berücksichtigen ist. Diese Vorschrift ist auch im Rahmen der Anteilsbewertung gemäß § 11 Abs. 2 BewG 1985 anzuwenden, denn sie enthält einen allgemeinen Bewertungsgrundsatz für ausländisches Betriebsvermögen.
c) Der gemeine Wert wird gemäß § 9 Abs. 2 BewG 1985 durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind die Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen, aber nicht ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse. Der gemeine Wert ist danach der Betrag, der im Verkaufsfall üblicherweise als Erlös erzielbar ist, mithin der Verkehrswert (vgl. Gürsching/Stenger BewG § 31 Rz. 4). Fehlt ein Kaufpreis als Vergleichsgröße, ist der gemeine Wert unter Berücksichtigung der Lebenserfahrung und der Verkehrsauffassung zu schätzen (vgl. Rössler/Troll, BewG, 17. Aufl., § 9 Rz. 7).
Wenn sich der gemeine Wert nach dem im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbaren Kaufpreis bemisst, unterliegt es für den Senat keinem vernünftigen Zweifel, dass die ausländischen Beteiligungen nicht mit dem reinen Vermögenswert abgebildet werden können, denn ein potentieller Erwerber würde auch die künftigen Ertragsaussichten abzugelten haben. Die Beteiligungen sind vielmehr mit dem Verkehrswert in Ansatz zu bringen.
d) Nach welcher Methode der gemeine Wert, d.h. der Verkehrswert, einer ausländischen Beteiligung zu schätzen ist, ist - soweit ersichtlich - bislang nicht Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen gewesen. Die Rechtsprechung erkennt im Interesse einer möglichst gleichmäßigen und praktikablen Wertermittlung das sog. Stuttgarter Verfahren als geeignetes Schätzungsverfahren an, von dem nur abgewichen werden soll, wenn es zu offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führt (vgl. BFH-Urteil vom 9.2.1994, II R 24/90, BStBl II 1994,501 m.w.N.). Das Stuttgarter Verfahren ist allerdings für die Bewertung von Kapitalgesellschaften entwickelt worden; es wird aber auch auf andere Fälle - in modifizierter Form - für anwendbar gehalten (BFH-Urteil vom 22.7.1987, I R 74/85, BStBl II 1987,823, zur Bewertung eines Einzelunternehmens), soweit die Anwendung im Einzelfall nicht zu untragbaren Ergebnissen führt (BFH-Urteil vom 17.05.1974, III R 156/72, BStBl II 1974,626). In der Literatur wird ein Rückgriff auf die Grundsätze des Stuttgarter Verfahrens als Anhaltspunkt für die Bewertung jedenfalls dann befürwortet, wenn andere Anknüpfungspunkte wie beispielsweise eine vergleichbare Bewertung für eine ausländische Vermögensteuer fehlen (Bellstedt, Die Besteuerung international verflochtener Gesellschaften, S. 442, 443) oder sich Anschaffungskosten oder zutreffende Bilanzwerte nicht ermitteln lassen (Ebling, Vermögensteuer bei Auslandsbeteiligungen beschränkt Steuerpflichtiger, IWB, F 3 , Deutschland, Gr. 8, S. 159). Auf der Grundlage des Stuttgarter Verfahrens wird danach ein Wert ermittelt, der sowohl das Vermögen als auch die Ertragsaussichten abbildet.
Auch wenn berücksichtigt wird, dass das Stuttgarter Verfahren ein Schätzungsverfahren ist, das - für die Bewertung von Kapitalgesellschaften entwickelt - nur modifiziert, d.h. „entsprechend” auf die Bewertung von Personengesellschaften anzuwenden ist, verbleiben auch nach Ausschöpfung der methodisch noch möglichen Modifizierungen Differenzen zwischen dem zu ermittelnden Verkehrswert und dem reinen Vermögenswert.
Diese Unterschiede werden im Ergebnis auch nicht dadurch ausgeglichen, dass im Rahmen der Gesamtanteilsbewertung der Klägerin selbst neben der Ermittlung des Vermögenswertes nach Abschn. 78 VStR 1986 der Ertragswert zu schätzen ist. Hierfür kommt es auf den voraussichtlichen künftigen Jahresertrag an, der aus den Betriebsergebnissen der letzten drei Jahre herzuleiten ist. Dabei ist vom jeweiligen zu versteuernden Einkommen nach §§ 7 und 8 KStG auszugehen. Auf dieser Ebene der Wertermittlung fließen auch die - steuerpflichtigen - Erträge aus der Beteiligung an einer inländischen Personengesellschaft in den zu ermittelnden Ertragswert ein und es wird an dieser Stelle der reine Vermögenswert nach dem Einheitswert der Personengesellschaftsbeteiligung um eine wirtschaftliche Komponente ergänzt. Allerdings ist der auf diese Weise im Rahmen der Gesamtbewertung ermittelte Wert - basierend auf dem Einheitswert und den Ertragsaussichten im Rahmen der Gesamtertragsaussichten der zu bewertenden Kapitalgesellschaft - nicht mit dem für die einzelne Personengesellschaft individuell ermittelten Wert entsprechend dem Stuttgarter Verfahren vergleichbar, wie er für die ausländische Beteiligung errechnet wird. Die unterschiedliche methodische Bewertung der inländischen und der ausländischen Beteiligung führt vielmehr zu den aus dem Klageantrag ersichtlichen Unterschieden.
2) Die Klage kann daher - jedenfalls zum Teil - nur Erfolg haben, wenn die unterschiedlichen Wertansätze für inländische Beteiligungen mit dem Vermögenswert - Einheitswert - und für ausländische Beteiligungen an Personengesellschaften mit dem gemeinen Wert gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen. Die unterschiedliche Bewertung könnte gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 52 i.V.m. Art. 58 des Vertrages zur Gründung der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft -EWGV-/Art. 52 i.V.m. Art. 58 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft -EGV-, jetzt Art. 43 i.V.m. Art. 48 nach dem Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft -EG-, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -ABlEG- 1997 Nr. C-340/173 verstoßen, dessen Auslegung dem EuGH vorbehalten ist
B. Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht
1. Nach Art. 52 EWGV/Art. 43 EG umfasst die Niederlassungsfreiheit der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen nach den Bestimmungen des Aufnahmestaates für seine eigenen Angehörigen. Ihrem Wortlaut nach betreffen die Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit insbesondere die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat. Sie enthalten aber auch das Verbot für den Herkunftsstaat, die Niederlassungsfreiheit seiner Staatsangehörigen oder der nach seinem Recht gegründeten Gesellschaften i.S. von Art. 52 EWGV/Art. 48 EG in einem anderen Mitgliedsstaat zu behindern (z.B. EuGH-Urteile vom 27.9.1988, Rs. C-81/87 - Daily mail - Slg. 1988, 5483; vom 14.12.2000, Rs. C-141/99 -AMID - IStR 2001, 86; vom 13.04.2000, Rs. C-251/98 -Baars- IStR 2000, 337). Geschützt ist die Niederlassungsfreiheit nicht nur als Diskriminierungsverbot, sondern auch als Beschränkungsverbot. Untersagt sind nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterschiedsmerkmale faktisch zum gleichen Ergebnis führen (EuGH-Urteil vom 13.12.1990, Rs. C-238/99, NJW 1991, 1406; vom 26.10.1999, Rs. C-294/97, DB 1999, 2246; BFH-Beschluss vom 30.12.1996, I B 61/96, BStBl. II 1997, 466).
a) Die Klägerin ist eine Gesellschaft i.S. von Art. 52 EWGV/Art. 48 EG, die durch ihre Beteiligungen an einer spanischen Personengesellschaft in einem anderen Mitgliedsstaaten tätig ist. Zwar ist eine spanische Sociedad en Commandita (hier die E) nach spanischem Handelsrecht eine juristische Person i.S. von Art. 7 Abs. 1 spKStG, und wird in Spanien auch als solche besteuert. Für das deutsche Steuerrecht, das typisierend an die Rechtsform der ausländischen Gesellschaft anknüpft und das insoweit auch für das DBA Spanien maßgeblich ist, ist eine spanische Personengesellschaft aber keine Kapitalgesellschaft, sondern eine Personengesellschaft (zuletzt BMF-Schreiben v. 28.5.1998, IV C 5-S 1301 Spa 2/98; Selling in Debatin/Wassermeyer, DBA Spanien, Art. 3 Rz. 9).
Infolge der steuerlichen Freistellung der Erträge aus den Beteiligungen nach dem DBA Spanien scheidet eine steuerliche Schlechterstellung der Klägerin selbst aus. Diese tritt vielmehr bei ihrer einzigen Anteilseignerin, der Beigeladenen, ein, die selbst allerdings nicht grenzüberschreitend tätig ist. Die Höhe der Anteilsbewertung wirkt sich aber unmittelbar auf die Höhe deren Vermögensteuerbelastung der Klägerin aus. Nach der Rspr. des EuGH (Urteil vom 13.4.2000, Rs. C -251/98 -Baars- IStR 2000, 337) reicht eine derartige (mittelbare) Diskriminierung auf der Ebene des Anteilseigners aus, um einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten auslösen zu können.
b) Im Streitfall kann die Niederlassungsfreiheit dadurch verletzt sein, dass im Rahmen der Anteilsbewertung nach dem BewG 1985 bei ausländischen Personengesellschaften unter Anwendung des Stuttgarter Verfahren ein Verkehrswert ermittelt wird, während inländische Personengesellschaften lediglich nach ihrem Vermögen mittels des Einheitswertes bewertet werden. Folge davon ist, dass die Auslandsbeteiligung mit einem höheren Wert zu Buche schlägt als die inländische Beteiligung. Dieser Umstand ist geeignet, die Klägerin bzw. ihre Anteilseignerin in der Ausübung ihrer Niederlassungsfreiheit zu behindern, da sie von der Gründung von bzw. Beteiligung an Personengesellschaften in einem anderen Mitgliedssaat abgehalten werden könnte.
c) Eine derartige Beschränkung kann nur zulässig sein, wenn mit ihr ein berechtigtes und mit den EG-rechtlichen Regelungen zu vereinbarendes Ziel verfolgt würde und wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt wäre. In einem solchen Fall muss allerdings die Beschränkung zur Erreichung des damit verfolgten Zieles geeignet sein und darf nicht über das hinaus gehen, was hierfür erforderlich ist (EuGH-Rspr., z.B. Urteil vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 -Marks&Spencer- DStR 2005, 2168, m.w.N.). Solche Gesichtspunkte, die die aufgezeigte Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, vermag der Senat nicht zu erkennen.
aa) Zwar fallen die direkten Steuern - hier die Besteuerung des Vermögens und von Erbschaften - in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Diese müssen indes ihre Befugnisse unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben und deshalb jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit unterlassen (EuGH-Urteile vom 29.04.1999, Rs. C-311/97 -Bank of Scotland-, Slg. 1999, I-2651, vom 13.04.2000, Rs. C-251/98 -Baars- IStR 2000,337).
bb) Soweit praktische Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsermittlung für im Ausland verwirklichte Sachverhalte als Rechtfertigungsgründe herangezogen werden sollten, greifen sie schon deswegen nicht ein, weil derartige Schwierigkeiten für jegliche Form der Wertermittlung bei ausländischen Beteiligungen gelten würden, unabhängig davon, ob nur der Substanzwert oder auch ein Vermögenswert zu ermitteln ist; letzterer dürfte eher schwieriger zu ermitteln sein. Zudem akzeptiert die Rechtsprechung des EuGH Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsermittlung unter Hinweis auf die Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung im Wege der Amtshilfe nach Maßgabe des Gesetzes zur Durchführung der EG-Richtlinie über die gegenseitige Amtshilfe im Bereich der direkten Steuern, bestimmter Verbrauchsteuern und der Steuern auf Versicherungsprämien (EG-Amtshilfe-Gesetz) innerhalb der EG nicht (z.B. EuGH-Urteil vom 14.02.1995, Rs. C-275-93, -Schumacker- Slg. 1995, I-225).
cc) Auch aus dem Gesichtspunkt der Kohärenz dürfte eine Rechtfertigung der unterschiedlichen Bewertung nicht zu folgern sein. Unabhängig davon, dass dieser Rechtfertigungsgrund vom EuGH in der Vergangenheit nur ausnahmsweise anerkannt worden ist (EuGH-Urteil vom 28.01.1992, Rs. C-204/90 -Bachmann- Slg. 1992, I-249), ist im Streitfall ein kohärenter Zusammenhang nicht erkennbar. Insbesondere kann nicht darauf abgestellt werden, dass die Benachteiligung infolge der höheren Bewertung durch die abkommensrechtliche steuerliche Freistellung des Betriebsvermögens der ausländischen Personengesellschaft kompensiert würde. Denn insoweit besteht kein Zusammenhang zwischen beiden Regelungen: einerseits erfolgt die streitige Bewertung ausländischer Personengesellschaften unabhängig davon, ob ein DBA mit dem Land, in dem die Personengesellschaft angesiedelt ist, abgeschlossen worden ist, andererseits stellt die Bundesrepublik Deutschland in ihrer Abkommenspraxis zahlreiche andere Einkünfte unabhängig davon frei, dass eine entsprechende - bewertungsrechtliche - Kompensation erfolgt.
c) Abweichend von Vorstehendem verhält es sich, was die Beteiligung der Klägerin an der W in Österreich betrifft. Hinsichtlich dieser Beteiligung kommt eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 52 EWGV/Art. 43 Abs. 1 EG für das Streitjahr 1988 nicht in Betracht, weil die Republik Österreich der Europäischen Union erst seit dem 1.1.1995 angehört. Auch das zwischen dem EFTA-Staat Österreich und der Europäischen Gemeinschaft geschlossene Assoziierungsabkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, mit dem die vom EG-Vertrag intendierte Binnenmarktintegration auch im Verhältnis zu Österreich wirkt (vgl. EuGH-Urteil vom 23.9.2003, Rs. C-452/01 -Ospelt und Schlössle Weissenberg-, EuGHE 2003, I-9785,9799; Cordewener, FR 2005, 236), galt erst ab 1.1.1994.
2. Neben einer möglichen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dürfte eine Beeinträchtigung der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 67 EWGV, Art. 73b EGV, jetzt Art. 56 EG) nicht in Betracht kommen.
Das Ausgangsverfahren betrifft das Steuerjahr 1988, d.h. eine Sach- und Rechtslage vor der durch den EU-Vertrag erfolgten Einführung des Art. 73b in den EG-Vertrag wie auch vor dem Erlass und Inkrafttreten der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Art. 67 des Vertrages (ABl. L 178, S. 5), die den Kapitalverkehr vollständig liberalisiert hat. Der im Streitjahr geltende Art. 67 Absatz 1 EWG-Vertrag (später Art. 67 Absatz 1 EGV, der durch den Vertrag von Amsterdam aufgehoben wurde) forderte nicht, dass die Beschränkungen des Kapitalverkehrs bereits zum Ende der Übergangszeit zu beseitigen waren. Die Beseitigung dieser Beschränkungen ergab sich vielmehr aus den auf der Grundlage des Art. 69 EWG-Vertrag (später Art. 69 EGV, der ebenfalls durch den Vertrag von Amsterdam aufgehoben wurde) erlassenen Richtlinien des Rates (vgl. EuGH-Urteile vom 11.11.1981, Rs203/80 -Casati- Slg. 1981, 2595, und vom 14.11.1995, C-484/93 -Svensson und Gustavsson-, Slg. 1995, I-3955). Für 1988 war die Erste Richtlinie des Rates vom 11. Mai 1960 zur Durchführung des Art. 67 des Vertrages (ABl. 1960, Nr. 43, S. 921), zuletzt geändert und vervollständigt durch die Richtlinie 86/566/EWG des Rates vom 17. November 1986 (ABl. L 332 S. 22), einschlägig; sie wurden erst mit Wirkung ab 1.7.1990 durch die Richtlinie des Rates vom 24.6.1988 zur Durchführung von Art. 67 des Vertrages (88/361) aufgehoben (vgl. EuGH-Urteil vom 21.2.2006, C-152/03 -Ritter-Coulais-, DStR 2006,362).
Diese Erste Richtlinie zur Durchführung des Art. 67 des Vertrages beschränkte sich darauf, in ihrem Art. 1 Abs. 1 die Erteilung der erforderlichen Devisengenehmigungen zum Abschluss oder zur Erfüllung von Geschäften sowie für Transferzahlungen zwischen Einwohnern der Mitgliedstaaten vorzusehen, die bestimmte, in den Anlagen der genannten Richtlinie aufgeführte Kapitalbewegungen betreffen. Folglich ergeben sich keine Zweifel daran, dass die Bestimmungen auf dem Gebiet der Kapitalverkehrsfreiheit, die im streitigen Zeitraum galten, einer unterschiedlichen Bewertung einer Beteiligung an einer inländischen und an einer in einem Mitgliedsstaat bzw. in einem Drittstaat - hier Österreich - ansässigen Personengesellschaft entgegenstanden.
III. Aussetzung des Klageverfahrens
Das Verfahren wird in entsprechender Anwendung von § 74 FGO bis zur Bekanntgabe der Entscheidung des EuGH über die vorgelegte Rechtsfrage ausgesetzt.