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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Brandenburg: Urteil vom 27.04.2006 – 5 K 2257/04

    1. Wird die Eröffnung des Konkursverfahrens an einer Kapitalgesellschaft, an der der Steuerpflichtige wesentlich beteiligt ist, mangels Masse abgelehnt, so ist die Gesellschaft aufgelöst und ein möglicher Auflösungsverlust i.S. von § 17 Abs. 2, 4 EStG entstanden. Bei der Ermittlung eines Auflösungsverlustes ist die Verpflichtung des Gesellschafters aus einer Bürgschaft bereits dann zu berücksichtigen, wenn der Gläubiger seinen Anspruch aus der Bürgschaft geltend gemacht hat oder wenn mit einer Inanspruchnahme des Bürgen ernstlich zu rechnen ist. Dass die Zahlungen infolge der Bürgschaft erst in einem späteren Veranlagungszeitraum beginnen, ist insoweit unbeachtlich.

    2. Wurde im Verlustentstehungsjahr nur der Verlust des Stammkapitals als Auflösungsverlust geltend gemacht, wegen der Unvollständigkeit der erst im Einspuchsverfahren nachgereichten Steuererklärung aber vom FA kein Verlust nach § 17 EStG berücksichtigt und ist der einen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte ausweisende, zu einer Steuer von null DM führende Einkommensteuerbescheid bestandskräftig geworden, so kann der erst nach mehreren Jahren gestellte, auf den erstmaligen Erlass eines Bescheids, in dem der Auflösungsverlust unter Berücksichtigung der hohen Bürgschaftsaufwendungen gesondert festgestellt wird, gerichtete Antrag nur dann Erfolg haben, wenn der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid noch nach den Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO geändert werden kann.

    3. Bei dem unter 2. vorliegenden Sachverhalt ist die verspätete Geltendmachung der Bürgschaftsaufwendungen durch den Steuerpflichtigen bzw. seinen Steuerberater grob fahrlässig und schließt deswegen eine Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aus. Dass die Ratenzahlungen infolge der Bürgschaft erst in einem späteren Jahr aufgenommen werden, ist hinsichtlich der Höhe des Auflösungsverlusts kein auf das Verlustentstehungsjahr zurückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat das Finanzgericht des Landes Brandenburg – 5. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27. April 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht …, die Richterin am Finanzgericht …, den Richter am Arbeitsgericht …, sowie die ehrenamtlichen Richter Frau … und Frau …

    für Recht erkannt:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

    Tatbestand:

    Mit der im Jahr 1996 beim Beklagten eingereichten Einkommensteuererklärung für 1994, bei deren Anfertigung der Prozessbevollmächtigte mitgewirkt hatte, erklärte der Kläger u.a. einen Verlust aus Gewerbebetrieb i.S.d. § 17 EStG in Höhe von 25.000 DM. Diesen berücksichtigte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 29. April 1997 – nach dem Vermerk auf der Anlage GSE aufgrund fehlender Gewinn- und Verlustrechnung sowie Umsatzsteuererklärung – nicht, sondern beließ vielmehr die Schätzung der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit mit 3.000 DM bestehen. Die festgesetzte Steuer betrug 0 DM bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 39.758 DM. Der Bescheid wurde nicht angefochten.

    Der Kläger war Gesellschafter der B. & A. GmbH und nach Aktenlage mit 50 bzw. 40 % am Stammkapital beteiligt. Das Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft wurde am 8. Dezember 1994 mangels Masse eingestellt und der Kläger in den Folgejahren insbesondere aufgrund selbstschuldnerischer Bürgschaften aus Bankdarlehen an die Gesellschaft in Anspruch genommen. Er hat insoweit am 3. Mai 1996 Schuldanerkenntnisse über 46.500 DM und 311.100 DM abgegeben.

    Am 15. August 2000 beantragten die Kläger die Änderung des Einkommensteuerbescheides 1994 nach § 175 Abs.1 Nr.2 Abgabenordnung (AO) wegen nachträglicher Anschaffungskosten nach § 17 Einkommensteuergesetz (EStG). Das hat der Beklagte mit Bescheid vom 31. Januar 2001 abgelehnt und den dagegen eingelegten Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 4. September 2003 als unzulässig verworfen.

    Die Kläger beantragten bereits am 30. Juli 2002 den Erlass eines „Verlustfeststellungsbescheides für 1994”. Den Einspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 1. September 2003 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 27. September 2004 als unbegründet zurück.

    Mit der dagegen erhobenen Klage machen die Kläger im Wesentlichen geltend, in der Einkommensteuererklärung 1994 sei ein zu niedriger Verlust, d.h. nur für das eingezahlte Stammkapital von 25.000 DM, eingetragen worden, da der genaue Betrag zum Zeitpunkt der Erstellung der Einkommensteuererklärung noch nicht festgestanden habe. Das Finanzamt hätte nach § 10d Abs.1 EStG einen Verlustrücktrag durchzuführen und nach § 10d Abs. 3 EStG einen verbleibenden Verlustvortrag von Amts wegen festzustellen, müssen solange die allgemeinen Festsetzungsfristen i.V.m. § 181 Abs. 5 AO nicht abgelaufen seien. Der Vorwurf groben Verschuldens sei angesichts der Kompliziertheit der Materie nicht nachvollziehbar, zumal in Steuererklärungen nur Eintragungsmöglichkeiten für Gewinne bestünden. Nach Erlass des Schätzungsbescheides sei die Steuererklärung vom Steuerberater erstellt worden, ohne dass er – der Kläger – hierfür das Honorar hätte aufbringen können. Es könne keinem Steuerberater zugemutet werden, ohne Honorar zu arbeiten. Daraufhin habe er erst wieder im Jahr 2000 steuerlichen Rat beim Bevollmächtigten gesucht. Das Finanzamt habe sich in den Erläuterungen zum Bescheid nicht darüber geäußert, warum es den erklärten Verlust nicht berücksichtigt hat. Das Finanzamt müsse den Sachverhalt von Amts wegen ermitteln und hätte bei Unklarheiten nachfragen müssen. Ein Einspruch sei mangels Beschwer wegen der Einkommensteuerfestsetzung auf Null nicht möglich gewesen. Insofern treffe das Finanzamt hier grobes Verschulden. Bis heute lasse sich die Höhe des Gesamtverlustes nicht beziffern. Erstmals 1996 sei er – der Kläger – aus den Bürgschaften in Anspruch genommen worden und niemand hätte in 1994 den konkreten Verlust ermitteln können. Er zahle bis zum heutigen Tag Raten an die Banken. Der Antrag auf Erteilung eines Verlustfeststellungsbescheides sei bereits konkludent im Veranlagungsverfahren mit der Eintragung des Verlustes nach § 17 EStG gestellt und im Jahr 2000 die aufgelaufene Höhe weiter präzisiert worden.

    Die Kläger beantragen,

    den Bescheid vom 1. September 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. September 2004 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, einen Verlustfeststellungsbescheid zur Einkommensteuer 1994 in Höhe von 259.299,71 DM zu erlassen,

    das Finanzamt zu verpflichten, den Verlustfeststellungsbescheid vorläufig nach § 165 AO zu erlassen,

    die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung verweist der Beklagte auf die Gründe der Einspruchsentscheidung.

    Entscheidungsgründe:

    Die Klage hat keinen Erfolg.

    Der Bescheid vom 1. September 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. September 2004 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs.1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Zwar ist der Verlust des Klägers aus seiner Beteiligung im Jahr 1994 entstanden, er kann jedoch aufgrund der Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides 1994 und fehlender Korrekturmöglichkeiten nicht mehr als vortragsfähiger Verlust gesondert festgestellt werden.

    Nach § 10d Abs.3 Satz 1 EStG ist der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustabzug von Amts wegen gesondert festzustellen. Verbleibender Verlustvortrag sind die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte. Zu den rück- bzw. vortragsfähigen Verlusten zählt auch ein Verlust, den ein wesentlich beteiligter Gesellschafter anlässlich der Auflösung der Kapitalgesellschaft erleidet (BFH, Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R22/92, BStBl. II 2001, 385 m.w.N.).

    Selbst bei erklärungsgemäßer Berücksichtigung des Verlustes in Höhe von 25.000 DM und ohne die Schätzung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 3.000 DM hätte sich ein positiver Gesamtbetrag der Einkünfte und mithin keine Grundlage für einen Verlustrücktrag oder die Feststellung eines vortragsfähigen Verlustes ergeben. Insoweit geht die Argumentation des Klägers, es sei bereits mit der Einkommensteuererklärung 1994 konkludent ein Antrag auf Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrages gestellt worden, der von Amts wegen zu bescheiden gewesen wäre, ins Leere. Dem Änderungsbescheid vom 29. April 1997 war auch ohne weiteres zu entnehmen, dass der erklärte Veräußerungsverlust nicht berücksichtigt und 3.000 DM Einkünfte aus selbständiger Arbeit geschätzt wurden.

    Der Kläger war mehr als 25 % an der GmbH und mithin wesentlich im Sinne von § 17 Einkommensteuergesetz i.d.F 1994 (EStG) beteiligt und der hier streitige Verlust ist bereits in 1994 entstanden.

    Nach ständiger Rechtsprechung setzt das Entstehen des Auflösungsgewinns oder -verlusts gemäß § 17 Abs. 2 und 4 EStG nicht nur die zivilrechtliche Auflösung voraus; erforderlich ist zudem, dass feststeht, ob und in welcher Höhe der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG wesentlich beteiligte Gesellschafter mit einer Zuteilung und Rückzahlung von Vermögen der Gesellschaft rechnen kann, sowie ferner, welche nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung anfallen und welche Veräußerungs-/Aufgabekosten er persönlich zu tragen hat. Diese Voraussetzungen sind im Falle der Auflösung mit anschließender Liquidation häufig erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation erfüllt; findet diese mangels Masse jedoch nicht statt, so ist der auf einen Zeitpunkt zu ermittelnde Auflösungsverlust bereits bei Ablehnung des Antrags auf Konkurseröffnung entstanden (BFH, Urteil vom 12. Oktober 1999 VIII R 46/98, BFH/NV 2000, 561 m.w.N.).

    Auflösungsverlust i.S. des § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen persönlich getragenen Kosten (analog den „Veräußerungskosten” gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) sowie seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen.

    Der Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung ist gemäß § 17 Abs. 2 EStG aufgrund einer Stichtagsbewertung aller in dieser Vorschrift genannten Faktoren auf den Zeitpunkt der Veräußerung zu ermitteln. Dementsprechend sind in diese Bewertung auch alle Verbindlichkeiten einzubeziehen, soweit sie nicht ausnahmsweise – z.B. wegen Zahlungsunfähigkeit des Gesellschafters – für diesen keine gegenwärtige Belastung darstellen. Das gilt auch für die Ermittlung eines Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 2 und Abs. 4 EStG und die Verpflichtung des Gesellschafters aus einer Bürgschaft, wenn der Gläubiger seinen Anspruch aus der Bürgschaft geltend gemacht hat oder wenn mit einer Inanspruchnahme des Bürgen ernstlich zu rechnen ist (BFH, Urteil vom 26. Januar 1999 VIII R 32/96, BFH/NV 1999, 922 m.w.N.). Wird die Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse abgelehnt, so ist die GmbH aufgelöst und ein möglicher Auflösungsverlust entstanden (Beschluss vom 27. November 1995 VIII B 16/95, BFH/NV 1996, 406 m.w.N.).

    Bei der Beurteilung, ob nachträgliche Anschaffungskosten entstanden sind, kommt es nicht darauf an, ob die Aufwendungen abgeflossen sind, sondern ob die Verpflichtung dazu entstanden ist (BFH, Urteil vom 3. Juni 1993 VIII R 81/9, BStBl II 1994, 162).

    Der Kläger hätte mit der Einkommensteuererklärung 1994 innerhalb der Rechtsbehelfsfrist des Änderungsbescheides vom 29. April 1997 – spätestens bis zum Ablauf der Jahresfrist des § 356 Abs.2 Abgabenordnung (AO), den Verlust aus der Beteiligung an der GmbH unter Berücksichtigung der sich aus den Schuldanerkenntnissen ergebenden Inanspruchnahme aus den selbstschuldnerischen Bürgschaften erklären können und müssen. Entscheidend ist, ob der für die Berechnung des Auflösungsverlustes maßgebliche Sachverhalt feststeht (BFH, Beschluss vom 17. November 2004 VIII B 129/04, BFH/NV 2005, 540), unabhängig vom Zeitpunkt der Zahlung des Bürgen (ständige Rechtsprechung, BFH, Urteil vom 8. April 1998 VIII R 21/94, BStBl. II 1998, 660 m.w.N.).

    Voraussetzung für den erstmaligen Erlass eines Feststellungsbescheides über den verbleibenden Verlustabzug ist, dass der zugrunde liegende – bisher keinen Verlust ausweisende – Steuerbescheid noch entsprechend geändert werden kann, auch wenn eine Änderung mangels steuerlicher Auswirkung unterbleibt (BFH, Urteil vom 9. Dezember 1998, XI R 62/97, BStBl. II 2000, 3 m.w.N.). Hält der Steuerpflichtige bei einer Einkommensteuerfestsetzung auf 0 DM entgegen dem vom FA der Festsetzung zugrunde gelegten positiven Gesamtbetrag der Einkünfte seine negativen Einkünfte für nicht ausgeglichen, so kann er dies nur in einem Verfahren der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs geltend machen. Gegebenenfalls muss er innerhalb der Einspruchsfrist gegen den Einkommensteuerbescheid die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs beantragen. Enthält der Einkommensteuerbescheid keine entsprechende Belehrung, so kann dieser Antrag binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids gestellt werden (BFH, Urteil vom 9. Mai 2001 XI R 25/99, BStBl. II 2002, 817 m.w.N.).

    Vorliegend hat der Kläger erst in 2002 – und mithin weit nach Ablauf der Rechtsbehelfs – bzw. der Jahresfrist – die Feststellung des hier streitigen vortragsfähigen Verlustes zur Einkommensteuer 1994 bzw. erst im Jahr 2000 die Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 1994 beantragt. Der Erlass des Feststellungsbescheides käme mithin nur in Betracht, wenn der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid 1994 nach den Korrekturvorschriften des §§ 172 ff. AO noch änderbar wäre.

    Nichts anderes ergibt sich auch aus dem Urteil des BFH vom 1. März 2006 XI R 33/04; DStR 2006, 751). Darin erachtet der Bundesfinanzhof den erstmaligen Erlass eines Verlustfeststellungsbescheides für zulässig, wenn kein Einkommensteuerbescheid ergangen ist und auch wegen Festsetzungsverjährung nicht mehr ergehen kann und grenzt diesen Sachverhalt ausdrücklich von demjenigen eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides ab, der einen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte ausweist.

    Auch das vom Bevollmächtigten im Schriftsatz vom 24. April 2006 angeführte Revisionsverfahren gegen das Urteil des FG Köln (XI R 25/05 – Urteil vom 11. Mai 2005 4 K 2205/02, EFG 2005, 1679) betrifft nicht den hier zu entscheidenden Sachverhalt.

    Das Gericht geht mit den Klägern davon aus, dass dem Erlass des begehrten Bescheides die Festsetzungs- bzw. Feststellungsverjährung nicht entgegensteht. Zum einen hat der Kläger vor Eintritt der Festsetzungsverjährung des Einkommensteuerbescheides 1994 einen Antrag auf Änderung bzw. Erlass des Feststellungsbescheides gestellt (§ 169 Abs.2 Nr.2, 170 Abs.2 Nr.1, 171 Abs.3 AO). Zum anderen steht dem Erlass eines Verlustfeststellungsbescheides nach § 10d EStG solange keine Feststellungsverjährung entgegen, als diese Feststellung für künftige Einkommensteuerfestsetzungen oder Verlustfeststellungen nach § 10d EStG von Bedeutung ist. (BFH, Urteil vom 12. Juni 2002, XI R 26/01, BStBl. II 2002, 681).

    Der Beklagte hat indes sowohl das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Änderung wegen neuer Tatsachen und Beweismittel als auch aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses zutreffend verneint.

    Die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 sind im Streitfall nicht gegeben, weil das nachträgliche Bekanntwerden der neuen Tatsache – Entstehung eines Beteiligungsverlustes im Jahr 1994 – auf einem groben, den Klägern zuzurechnenden Verschulden beruht. Grobes Verschulden setzt Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit voraus. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Steuerpflichtiger die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (ständige Rechtsprechung, BFH, Urteil vom 2. August 1994 VIII R 65/93, BStBl II 1995, 264 m.w.N.). Dem Kläger war mindestens, seitdem er im Mai 1996 Schuldanerkenntnisse gegenüber der Gläubigerbank abgegeben hatte, bekannt, dass er aus den selbstschuldnerischen Bürgschaften in Anspruch genommen wird. Es ist nicht nachvollziehbar, warum er – oder sein steuerlicher Vertreter – gehindert gewesen sein sollte, dies dem Finanzamt mitzuteilen. Dabei kommt es nicht darauf an, inwieweit der steuerliche Vertreter für seine Bemühungen bezahlt wurde. Es liegt nach Auffassung des Senats selbst für einen steuerlich nicht vertretenen Steuerpflichtigen auf der Hand, jedenfalls die tatsächlichen Umstände eines Verlustes aus einer wesentlichen Beteiligung mit der Einkommensteuererklärung des Jahres vorzutragen, in dem die Eröffnung des Konkursverfahrens abgelehnt wird. Damit steht fest, dass mit Zuteilungen aus dem Gesellschaftsvermögen nicht mehr zu rechnen ist und es muss mit einer Inanspruchnahme durch die Gläubigerbank der GmbH aus abgegebenen gesamtschuldnerischen Bürgschaften – auch nach Auffassung des Bevollmächtigten – immer gerechnet werden. Das gilt umso mehr, wenn sich das bis zum Zeitpunkt der endgültigen Steuerfestsetzung konkretisiert hat. Dem Kläger war es unbenommen, eine steuerliche Berücksichtigung der absehbaren, auf ihn zukommenden Belastungen im Rahmen der Einspruchsfrist bzw. der Jahresfrist des § 356 Abs.2 AO mit dem Beklagten zu klären, zumal nach Aktenlage noch innerhalb der Jahresfrist erste Zahlungen erfolgten. Ausweislich der Eintragung des verlorenen Stammkapitals in der Einkommensteuererklärung 1994 war dem Kläger jedenfalls bekannt, dass Verluste im Zusammenhang mit der Beteiligung steuerlich relevant sein können (anders als in dem vom BFH mit Urteil vom 23. Februar 2000 VIII R 80/98, BFH/NV 2000, 978 entschiedenen Fall). Beruht die Geltendmachung nur des Verlustes des Stammkapitals im Rahmen der Einkommensteuererklärung auf der Annahme, Zahlungen aus der Bürgschaft seien erst mit dem Abfluss als nachträgliche Anschaffungskosten geltend zu machen, wäre dies ggf. im Sinne groben Verschuldens des an der Steuererklärung mitwirkenden Beraters dem Kläger zuzurechnen (BFH, Urteil vom 9. Mai 2001 a.a.O.).

    Der Beklagte geht auch zu Recht davon aus, dass die Höhe der tatsächlichen Inanspruchnahme des Klägers aus den selbstschuldnerischen Bürgschaften nicht im Sinne eines rückwirkenden Ereignisses die Änderung des bestandskräftigen Steuerbescheides 1994 trägt.

    Die Rechtsprechung, nach der Aufwendungen, die dem Gesellschafter nach Auflösung der Gesellschaft entstehen, rückwirkende Ereignisse i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) sein können, betrifft nur Aufwendungen, die bei der Ermittlung des Auflösungsverlustes noch nicht berücksichtigt werden konnten und deshalb in das Jahr der Entstehung dieses Verlustes zurück zu beziehen sind. (BFH, Urteil vom 25. März 2003 VIII R 24/02, BFH/NV 2003, 1305 m.w.N.). Vorliegend war die Verpflichtung des Klägers mindestens im Mai 1996 entstanden und konnte bei anzunehmender Leistungsfähigkeit und abzusehender alleiniger Schuldnerschaft ggf. in voller Höhe als nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigt werden.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –.

    VorschriftenEStG § 10d Abs. 3 S. 1, EStG § 17 Abs. 2, EStG § 17 Abs. 4, EStG § 1 S. 1, AO § 172, AO § 173 Abs. 1 Nr. 2, AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, AO § 3526 Abs. 2