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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 12.01.1999 – 14 K 151/96

    Die Steuervergünstigung des § 3 Nr. 26 EStG setzt voraus, dass die Leistung gegenüber einer inländischen Körperschaft des öffentlichen Rechts erbracht wurde. Ein Anspruch auf Gewährung des Freibetrags nach § 3 Nr. 26 EStG für die Vergütung eines im Hauptberuf in Deutschland tätigen Hochschullehrers für einen Lehrauftrag durch eine französische Universität lässt sich auch nicht aus Art. 59ff. EWG-Vertrag herleiten.


    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Finanzrechtsstreit

    wegen Einkommensteuer 1991

    hat der 14. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg in der Sitzung vom 12. Januar 1999 durch

    Richter am Finanzgericht … als Einzelrichter

    für Recht erkannt:

    Tatbestand

    Der Kläger wohnt und arbeitet in seinem Hauptberuf in Deutschland. Ferner hatte er im Streitjahr 1991 einen 16 Stunden umfassenden Lehrauftrag von der Universität Straßburg erhalten, für den er im Streitjahr 1991 5.760 Ffr. (brutto) zu beanspruchen hatte. Die Universität bezahlte dem Kläger im Jahre 1991 nach Abzug französischer Sozialabgaben 4.814,79 Ffr. aus.

    Die Klägerin ist mit dem Kläger verheiratet und wird mit diesem zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Die Kläger hatten im Streitjahr 1991 drei minderjährige Kinder.

    Der Beklagte unterwarf im ESt-Bescheid 1991 vom 02. Juli 1993 als Vergütung für den Lehrauftrag 1.612 DM (5.760 × 0,28) der ESt. Der Bescheid erging hinsichtlich der Kinderfreibeträge vorläufig gemäß § 165 Abgabenordnung (AO).

    Mit ihrem gegen den ESt-Bescheid 1991 gerichteten Einspruch machten die Kläger geltend, daß für die von der Universität Straßburg erhaltenen Zahlungen der Freibetrag des § 3 Nr. 26 Einkommensteuergesetz (EStG) gewährt werden müsse. Die Beschränkung dieser Vorschrift auf Vergütungen von inländischen Körperschaften des öffentlichen Rechts verstoße gegen den EWG-Vertrag. Außerdem dürften die französischen Zwangsabzüge nicht angesetzt werden, da sie dem Kläger nicht zugeflossen seien. Er werde von diesen Sozialversicherungszwangsabzügen niemals irgend einen wirtschaftlichen Vorteil haben.

    Der Einspruch blieb erfolglos.

    Im vorliegenden Klageverfahren machen die Kläger ihre im Einspruch angeführten Argumente erneut geltend. Ergänzend stützen sie ihre Klage auch darauf, daß die ihnen gewährten Kinderfreibeträge zu niedrig seien.

    Sie beantragen sinngemäß,

    unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 28. Dezember 1995 und Abänderung des ESt-Bescheids 1991 vom 02. Juli 1993 die ESt 1991 um 3.000 DM herabzusetzen.

    Der Beklagte beantragt

    Klagabweisung.

    Gründe

    Soweit sich die Klage gegen die Höhe der Kinderfreibeträge bezieht, ist sie unzulässig, weil der angefochtene Bescheid bezüglich der Kinderfreibeträge lediglich vorläufig erging; Damit wurde der Eintritt der Bestandskraft insoweit hinausgeschoben, so daß ein Bedarf für einen förmlichen Rechtsschutz nicht besteht (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH vom 10. November 1993 – X B 83/93, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1994, 119).

    Im übrigen ist die Klage unbegründet.

    Der Beklagte hat zu Recht die Steuervergünstigung des § 3 Nr. 26 EStG nicht angewandt § 3 Nr. 26 EStG setzt u. a. voraus, daß die Leistung des Steuerpflichtigen gegenüber einer inländischen Körperschaft des öffentlichen Rechts erbracht wurde. Diese Voraussetzung erfüllte der Kläger nicht

    Ein Anspruch auf die in § 3 Nr. 26 EStG enthaltene Steuervergünstigung läßt sich auch nicht aus den Art. 59ff. des EWG-Vertrags (in seiner für das Streitjahr gültigen Fassung) herleiten. Art. 59 EWG-Vertrag verbietet die Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft „nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen”. Hierzu wird in Art. 60 EWG-Vertrag ausgeführt, daß der Leistende, der – wie der Kläger – vorübergehend in einem fremden EWG-Staat tätig sein will, dort unter den gleichen Voraussetzungen seine Leistung erbringen können muß, wie sie dieser Staat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt. Von seinem Wortlaut her kann Adressat des Art. 60 EWG-Vertrag somit im vorliegenden Streitfall nur Frankreich sein, da der Kläger seinen Kurs in Frankreich abhielt.

    Selbst wenn man aus Art. 59ff. EWG-Vertrag über den Wortlaut hinaus den Grundsatz herleiten könnte, daß nach dem EWG-Recht jeder Staat alles zu unterlassen habe, was die Tätigkeit seiner Staatsangehörigen in einem anderen EWG-Land beschränken könnte, wäre die Klage erfolglos:

    Denn es ist schon zweifelhaft, ob eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs mit der EWG darin gesehen werden kann, daß der deutsche Fiskus eine bestimmte Leistung nur dann begünstigt, wenn sie für eine inländische Körperschaft des öffentlichen Rechts erfolgt. Denn diese Beschränkung auf die inländische öffentliche Körperschaft besitzt nur einen accidentiellen und keinen essentialen ausländischen Bezug. Sie gilt für Inländer und Ausländer und ist unabhängig davon, wo die Leistung ausgeführt wird.

    Aber selbst wenn man in § 3 Nr. 26 EStG objektiv eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb des EWG-Binnenmarktes feststellen könnte, wäre der Klage der Erfolg zu versagen. Denn dann wäre diese Beschränkung gerechtfertigt Es ist dem einzelnen Mitgliedstaat erlaubt, die weite Fassung des Begriffs des freien Dienstleistungsverkehrs dadurch zu korrigieren, daß er ihn zugunsten eigener legitimer Interessen eingrenzt (vgl. das sog. Cassis-Urteil des EuGH [Sammlung 1979, 649]; vgl. auch Urteile des EuGH in Sammlung 1979, 35 [52] und 1981, 3305 [3325]). Ein legitimes Interesse des deutschen Staates an der in § 3 Nr. 26 EStG aufgenommenen Beschränkung ergibt sich aus der Natur der Sache. Zweck des § 3 Nr. 26 EStG ist es, zu einer angemessenen Entlohnung der nebenberuflich tätigen Übungsleiter und Ausbilder beizutragen, die ihre Leistungen gegenüber dem Staat in Form seiner Untergliederungen in öffentlich-rechtliche Körperschaften erbringen. Die Bestimmung will sicherstellen, daß das diesem Personenkreis bezahlte und in der Regel sehr oft bescheidene Entgelt wenigstens nicht noch durch die Steuer gemindert wird. Diese zusätzliche Entlohnung vom deutschen Fiscus für Übungsleiter und Ausbilder kann naturgemäß nur derjenige erhalten, der für eine der Untergliederungen des deutschen Staates tätig wird. Dem Europarecht ist nicht zu entnehmen, daß der deutsche Fiskus verpflichtet wäre, einem Ausbilder oder Übungsleiter, der für eine ausländische Körperschaft tätig wurde, ebenfalls eine zusätzliche Entlohnung in Form des § 3 Nr. 26 EStG zu verschaffen.

    Der Beklagte hat auch zu Recht die von der Universität Straßburg einbehaltenen und abgeführten Pflichtbeiträge für das französische Sozialversicherungssystem als dem Kläger im Streitjahr 1991 zugeflossen behandelt. Es bedarf hier keiner Feststellung, ob diese Sozialversicherungsabzüge tatsächlich – wie der Kläger vorträgt – zu keinem Zeitpunkt einen sozialversicherungsrechtlichen Anspruch des Klägers gegen das französische Sozialversicherungssystem begründen können. Entscheidend für die Annahme des Zuflusses beim Kläger ist, daß die Universität Straßburg mit der Zahlung der einbehaltenen Beträge an die französische Sozialversicherung eine Verbindlichkeit des Klägers erfüllte. Der Zufluß beim Kläger ist darin zu sehen, daß er durch das Einbehalten und Abführen der Abzüge von einer eigenen Verpflichtung befreit worden ist (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 05. April 1974 – VI R 110/71, BStBl II 1974, 664).

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

    VorschriftenEStG § 3 Nr. 26, EWG-Vertrag Art. 59