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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 13.10.2004 – 7 K 362/04

    Eine landwirtschaftliche Absatzgenossenschaft, die neben der Reinigung, Sortierung und Verpackung von Kernobst, genussreif gelieferte Äpfel in ihren Lagerhäusern unter einer besonderen Atmosphäre lagert, um den Reifeprozess zu verzögern, ist nicht dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen.


    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Finanzrechtsstreit

    wegen Investitionszulage 2000/2001

    hat der 7. Senat unter Mitwirkung der Richterin am Finanzgericht … des Richters am Finanzgericht …, der Richterin am Verwaltungsgericht … sowie der ehrenamtlichen Richterinnen… und … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 13. Oktober 2004 für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    3. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    I.

    Streitig ist, ob der Betrieb der Klägerin dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen ist.

    Die Klägerin hat für das Wirtschaftsjahr 2000/2001 für die Anschaffung von beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens eine Investitionszulage in Höhe von insgesamt 1.090.275 EUR beantragt. Dem Antrag war ein erläuterndes Schreiben beigefügt. Danach ist die Klägerin vom Statistischen Bundesamt nicht als Betrieb des verarbeitenden Gewerbes eingestuft worden. Diese Zuordnung ist jedoch nach Auffassung der Klägerin offensichtlich falsch (Blatt 7 ff der Investitionszulagenakte).

    Der Beklagte führte zur Sachverhaltsermittlung eine Prüfung durch die betriebsnahe Veranlagung durch. Im Ergebnis dieser Prüfung lehnte der Beklagte mit Ablehnungsbescheid vom 12. August 2002 die Gewährung der begehrten Investitionszulage mit der Begründung ab, daß es sich bei dem Betrieb der Klägerin nicht um einen Betrieb des verarbeitenden Gewerbes handele. Die Erzeugergemeinschaft übernehme als Vertragsvermarkter von Obstbaubetrieben u.a. die Lagerung, Sortierung, Verpackung und Vermarktung von Obst und pflanzlichen Produkten (überwiegend Äpfel). Dabei werde jedoch nach Auffassung des Finanzamtes die Ware nicht wesentlich verändert. Die dargestellte Einflußnahme auf den Reifegrad der Früchte über eine künstlich erzeugte, spezielle Atmosphäre in den Lagern sei einzig erforderlich, um der Nachfrage des Kunden über einen längeren Zeitraum (bis zur nächsten Ernte) gleichmäßig gerecht werden zu können. Die sich daran anschließende Prozedur der Reinigung, Sortierung und Verpackung trage sicherlich zu einer besseren Marktgängigkeit des Endproduktes bei, mache jedoch aus der eigentlichen Ware „Apfel” kein anderes Produkt. Die angeführten „Neu”-Produkte Tafelobst, Saftware, Musware und Schälware entstünden lediglich durch die Sortierung der Äpfel, welche – obgleich im vorliegenden Fall mit beträchtlichem maschinellen Aufwand betrieben – durchaus als handelsübliche Nebenleistung anzusehen sei.

    Die Klägerin habe zur Begründung des Antrages ein Urteil des Finanzgerichtes Brandenburg vorgetragen. Im genannten Fall sei davon auszugehen, daß die dort verarbeiteten Früchte (Bananen) überhaupt erst zum menschlichen Verzehr bereit gemacht würden. Die Marktfähigkeit werde damit nicht verbessert, sondern erstmals herbeigeführt. Ohne diesen technischen Prozeß in den Drückreifekammern könne kein verkaufsfähiges Produkt erzielt werden. Im Gegensatz dazu seien die Äpfel jedoch bereits nach der Ernte „fertiggestellt”. Nach dem Durchlaufen der Reinigungs-, Sortier- und Verpackungsanlage (= handelsübliche Be- und Verarbeitung) könnten diese wohl auch ohne Aufbewahrung in speziellen CA-Lagern an den Verbraucher ausgeliefert werden. Eine zusätzliche „Verarbeitung” sei hier nicht erforderlich. An der Einordnung des Betriebes in die Klassifikation der Wirtschaftszweige durch das Statistische Bundesamt werde festgehalten. Es bestünden seitens des Finanzamtes keine Zweifel über die Richtigkeit dieser Entscheidung. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2004 – Blatt 32 der Rechtsbehelfsakte).

    Die Klägerin hat ihre Klage wie folgt begründet: Sie sei eine Erzeugergemeinschaft, welche als Vertragsvermarkter für zahlreiche Obstbaubetriebe für die Erfassung, den Transport, die Lagerung und Verarbeitung (Aufbereitung, Sortierung und Verpackung) verantwortlich zeichne. Das von den Erzeugerbetrieben angelieferte Weichobst werde i.d.R. transportiert, kurzfristig gelagert, gekühlt und von Fall zu Fall aufbereitet, sortiert und verpackt. Das von den Erzeugerbetrieben angelieferte Kernobst (überwiegend Äpfel, Birnen) werde in Lagern der Genossenschaft je nach Sorte, Qualität und Reifegrad bis zu 10 Monaten gelagert. Der Absatz (Verkauf) des Obstes werde durch eine spezielle, eigenständige Verkaufsgesellschaft, die von den Obstbaubetrieben bzw. deren Erzeugerorganisation in Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt gegründet worden sei, durchgeführt.

    Das aus den Lagern entnommene Obst werde durch technisch aufwendige Verfahren gereinigt, sortiert und verpackt. Bei diesem „Verarbeitungsprozeß” werde neben den handelsüblichen Manipulationen wie Reinigen, Sortieren, Zusammenstellen, Verpacken und Auspreisen durch erheblichen technischen Aufwand eine Sortierung und Kalibrierung nach Größe, Farbe, Festigkeit und Inhaltsstoffe durchgeführt. Als Resultat dieser umfangreichen Vorarbeiten entstünden Produkte, die infolge ihrer erheblichen Veredlung zu einer anderen bzw. neuen Marktgängigkeit führten. So werde und könne den speziellen Anforderungen des Handels entsprochen werden, indem durch z.B. einzelfruchtbezogene Verpackungen bzw. selbstbedienungsgerechte Verpackungen für Supermärkte neue Marktsegmente erreicht bzw. gehalten würden. Insbesondere die Separierung von Industrieobst im Rahmen der Verarbeitungs-Veredlungsprozesse speziell nach den Anforderungen und Auflagen der Industrie (z.B. Schäl- und Mostfabriken) führe infolge der erheblichen Veredlung zu speziellen neuen Absatzgebieten und damit zu einer veränderten Marktgängigkeit.

    Mit der in der Anlage beigefügten e-Mail-Antwort des Statistischen Bundesamtes vom 20. Februar 2001 (Blatt 59 der Gerichtsakte) werde die Genossenschaft nicht als Betrieb des verarbeitenden Gewerbes eingestuft. Diese Zuordnung sei offensichtlich falsch. Die Entscheidung über die Einordnung des Betriebes treffe grundsätzlich das Finanzamt, letztlich die zuständige Finanzgerichtsbarkeit. Die vorgenommene Qualifikation durch das Statistische Bundesamt sei offensichtlich falsch, da das Statistische Bundesamt, worauf es auch selbst hinweise, die WZ 93 lediglich als klassifikatorische Grundlage für die statistische Arbeit, genauer gesagt für die statistische Zuordnung von wirtschaftlichen Einheiten zu Wirtschaftszweigen im Rahmen amtlicher Erhebungen aufstelle. Das Amt weise ausdrücklich darauf hin, daß Entscheidungen anderer Behörden auf Grund anderer Rechtsgrundlagen nicht seitens des Statistischen Bundesamtes getroffen würden.

    Aus diesem Grunde sei es auch völlig verständlich und nachvollziehbar, daß die in ihrem Antrag auf Zuordnung als Begründung zitierten aktuellen Finanzgerichtsurteile in keiner Weise durch das Statistische Bundesamt gewürdigt worden sei. Genau aus diesem Grund weise das Statistische Bundesamt am Ende seines Schreibens darauf hin, daß es nicht die Definitionsherrschaft über eine Klassifikation von Wirtschaftszweigen besitze, wenn es sich um die konkrete Qualifikation und Zuordnung auf Grund anderweitiger Rechtsgrundlagen handele und nicht bloß um den eigentlichen klassifikatorisch-statistischen Zweck der durch das Statistische Bundesamt herausgegebenen WZ 93. Die Qualifikation eines Betriebes zum „verarbeitenden Gewerbe” i.S.d. § 2 InvZuIG 1999 müsse sich am Wortlaut und der ratio legis dieser Norm orientieren. Das InvZuIG 1999 enthalte keinen Verweis bezüglich der Klassifikation auf die WZ 1993; im Gegensatz zum StromStG. Damit komme zum Ausdruck, daß für die Qualifikation i.S.d. § 2 InvZuIG 1999 nicht zu völlig anderen Zwecken geschaffene Qualifikationskriterien ausschlaggebend sein könnten.

    Nach dem Urteil des FG Brandenburg vom 30. August 2000 (Az.: 4 K 2797/99) dürfte es nunmehr unstreitig sein, daß eine schematische Anwendung der WZ 93 gegen Recht und Gesetz verstoßen würde. Das InvZuIG 1999 verweise eben aus gutem Grund nicht unmittelbar auf die Qualifikationskriterien der WZ 1993. Aus diesem Grund räume auch das BMF der Zuordnungsentscheidung des Statistischen Bundesamtes keine zwingende Bindungswirkung ein. Zwar sei nach den oben angeführten Erwägungen das grundsätzlich automatische Anknüpfen der Finanzverwaltung an eine Zuordnungsentscheidung des Statistischen Bundesamtes überzogen und ihres Erachtens contra legem, doch sei vorliegend ohnehin die getroffene Zuordnungsentscheidung des Statistischen Bundesamtes offensichtlich falsch. Denn von entscheidender Bedeutung für das Statistische Bundesamt sei offensichtlich der Umstand gewesen, daß die Tätigkeit der Genossenschaft sich augenscheinlich nicht schematisch in die Untergruppierungen zu Ziff. 15.3 „Obst- und Gemüseverarbeitung” einordnen lasse. Aus diesem Grund führe das Statistische Bundesamt ausdrücklich die It. WZ 93 in Betracht kommenden Unterklassen 15.32.0 (Obst- und Gemüsesäfte), 15.33.1 (Herstellung von Obst- und Gemüsekonserven); 15.33.2 (Herstellung von Sauerkonserven), 15.33.3 (Herstellung von Konfitüren und von Brotaufstrichen auf Fruchtbasis) an, um zu dem Ergebnis zu kommen, daß die Tätigkeit der Genossenschaft diesen Klassifikationen nicht entspreche. Hierbei lasse die Zuordnungsentscheidung des Statistischen Bundesamtes einen ganz entscheidenden Ansatzpunkt außer Betracht, dessen Beachtung auch nicht zu den Aufgaben des Statistischen Bundesamtes gehöre, nämlich, die im o.g. Urteil des FG Brandenburg zum Ausdruck gekommene Berücksichtigung der ratio legis des § 2 InvZuIG 1999 entsprechend zu würdigen.

    In diesem Urteil werde eine Selbstverständlichkeit kundgetan, nämlich die Auslegung von Begriffen anhand des Normzwecks. Völlig ausreichend sei es nach diesem Urteil, wenn sich ein Betrieb einer in den WZ 93 genannten „Gruppe” zuordnen lasse, auch wenn dies bei den dort aufgeführten „Klassen” oder „Unterklassen” nicht möglich sei. Dies sei vom Statistischen Bundesamt in keiner Weise berücksichtigt worden. Dieser Umstand begründe schon allein für sich genommen die offensichtliche Unrichtigkeit der getroffenen Zuordnungsentscheidung im Hinblick auf die Anwendung des § 2 InvZuIG 1999. Dies werde geradezu dadurch besonders deutlich, daß die im Antrag auf Zuordnung ausdrücklich aufgeführten mit genauen Zitathinweisen versehenen Urteile der Finanzgerichte mit keiner Silbe seitens des Statistischen Bundesamtes erwähnt würden. Insoweit komme auch nach der Auffassung des BMF ein zwangsläufiges Anknüpfen an die getroffene Zuordnungsentscheidung des Statistischen Bundesamtes vorliegend nicht in Betracht, vielmehr habe auf der ersten Stufe die Finanzverwaltung eine eigenständige Zuordnungsentscheidung zu treffen, wobei sie entsprechend dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bei der Auslegung sich am Gesetzeszweck des § 2 InvZuIG 1999 und den einschlägigen FG-Urteilen zu orientieren habe. Aus den genannten Gründen komme vorliegend ein schlichter Verweis auf die Entscheidung des Statistischen Bundesamtes nicht in Betracht.

    Aus den o.g. Ausführungen ergebe sich, daß eine Zuordnung zur Gruppe 15.3 (Obst- und Gemüseverarbeitung) auch i.S.d. § 2 InvZuIG 1999 erforderlich, aber auch ausreichend sei, um einen Betrieb des verarbeitenden Gewerbes zu begründen; eine konkrete, also schematische Zuordnung zu den aufgeführten Klassen bzw. Unterklassen sei nicht erforderlich. Vielmehr sei unabhängig von einer direkten Zuordnung zu ausdrücklich benannten Tätigkeiten auf der Basis der abschnittsbezogenen Regeln der Klassifizierung statistischer Einheiten die hier erforderliche Abgrenzung zum Handel vorzunehmen. Diese allgemeinen Definitionen zum Begriff des Handels i.S.d. WZ 93 ergeben im Wege eines Argumentum e contrario die nötigen Abgrenzungskriterien zum Terminus des verarbeitenden Gewerbes. Danach ergeben sich folgende Abgrenzungskriterien, die zur Annahme eines Betriebes des verarbeitenden Gewerbes führen:

    Herbeiführung der Marktfähigkeit des Produktes;

    wesentliche Veränderung der Ware (keine handelsübliche Manipulation der Ware, wie ausschließliches Sortieren, Trennen, Zusammenstellen und Verpacken sowie untergeordnete zusätzliche Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Verkauf der Ware);

    Schaffung einer neuen Ware bzw. eines neuen Produktes.

    Vor der eigentlichen Subsumtion unter die o.g. Kriterien weist die Klägerin darauf hin, daß jede wesentliche Veränderung eines Produktes, um ein neues Produkt zu erschaffen, letztlich handelsüblich sei. Hieraus zu folgern, daß jede wesentliche Änderung selbstverständlich auch eine handelsübliche Manipulation sei, die der Schaffung eines neuen Produktes entgegenstehe, würde dieses Kriterium ad absurdum führen und jedwede Herstellung von Waren als Handel qualifizieren. Im vorliegenden Fall überschreite der beschriebene Verarbeitungsprozeß eine normale „handelsübliche Behandlung”.

    Wenn zum verarbeitenden Gewerbe alle diejenigen Institutionen gehörten, deren wirtschaftliche Tätigkeit überwiegend darin bestehe, Erzeugnisse, gleich welcher Art, zu be- oder verarbeiten und zwar in der Regel mit dem Ziel, dabei andere neue Produkte herzustellen, so sei diese Voraussetzung bei der Obstaufbereitung und Obstverarbeitung gegeben. Die Obstaufbereitung und Obstverarbeitung erhöhe nicht nur die Qualität der gelieferten Rohware, sondern führe durch verschiedene Vorgänge und Maßnahmen wie: fruchtschonender, wassergebundener Umschlag und Reinigung der Ware, Video- und computergestützte Qualitätsanalyse und anschließender Separierung nach: Größe, Farbanteilen, Beschädigungen, Schadstellen, Verformungen, Druckstellen und Glattschaligkeit. Optional sei auch durch laufende entsprechende Messungen eine Separierung nach dem Säuregehalt des Apfels, der Festigkeit und des Zuckergehaltes, Wiederbefüllung der separierten und homogenisierten Partien in spezielle Lagerbehältnisse und Zwischenlagerung bis zur abruffähigen Verpackung entsprechend den Vorgaben möglich. Schließlich folge die Verpackung der Ware den Vorgaben des Handels z. B. SB-gerecht oder einzelfruchtbezogen durch Legen der Ware, Verpacken in Folien, Netzen, Foodtainer, Tragetaschen, Steigen usw.. Dies alles führe zu einer erheblichen Veredelung, zur Herstellung eines homogenisierten Produktes mit neuer Marktgängigkeit, zur Herstellung einer neuen Ware.

    Die überwiegende Tätigkeit der Genossenschaft beziehe sich auf die Verarbeitung von Kernobst. Dieses würde bis zu 10 Monate gelagert, um den je nach Marktanforderung erforderlichen Reifegrad zu gewährleisten. Neben der Sortierung und Kalibrierung nach Größe, Farbe, Festigkeit und Inhaltsstoffen sei allein dieser Umstand eindeutig genügend, um das Kriterium der Herbeiführung der Marktfähigkeit der verarbeiteten Produkte zu begründen. Durch die aufwendigen Verarbeitungsprozesse würden aus dem ursprünglichen „Urprodukt” verschiedene neue Produkte erstellt, die mit der angelieferten ursprünglichen „Rohware” nahezu nichts mehr zu tun haben. So entstünden infolge erheblicher technischer Verarbeitungsprozesse Tafelobst, Musware, Saftware, Schälware und Obst für Brennereien. Diese Neuprodukte stellten jeweils Obst eigener Marktgängigkeit dar. Ohne diese komplizierten und aufwendigen Verarbeitungsprozesse könne objektiv kein verkaufsfähiges Produkt erzielt werden.

    Es handele sich um Verarbeitungsprozesse, die deutlich über handelsüblichen Manipulationen wie Reinigen, Sortieren, Zusammenstellen, Verpacken und Auspreisen hinausgehen. Das Obst werde in speziellen sog. CA-Lagern aufbewahrt und dort gezielt in seiner chemischen Zusammensetzung beeinflußt. Diese stoffliche Veränderung infolge der dort herrschenden kontrollierten Atmosphäre bei gleichbleibender Temperatur, kontrolliertem Sauerstoff- und CO(2)-Gehalt der Luft stelle eine künstliche Einflußnahme auf das ursprüngliche Produkt dar. Es handele sich um eine wesentliche Veränderung der Ware. Das derart behandelte Obst – im wesentlichen handele es sich hierbei um Äpfel, worauf der mit Abstand größte Wertschöpfungsanteil entfalle – werde durch diese Behandlung derart verändert, daß nach Abschluß des Lagerungsprozesses eine Vielzahl einheitlich reifer und genußfähiger Äpfel vorlägen.

    Im Ergebnis werde eine „individuelle” Reifung der einzelnen Äpfel durch diese gezielte Behandlung verhindert. Statt dessen erfolge eine Synchronisierung des Reifungsprozesses durch die oben beschriebenen Modalitäten, infolge dessen eine quasi – homogenisierende, chemo-thermisch induzierte Substanzveränderung erfolge. Unerheblich sei der Einwand, daß Obst auch ohne künstliche Einflußnahme reife (vgl. Finanzgericht des Landes Brandenburg a.a.O). Entscheidend sei die künstliche Einflußnahme auf den Reifungsprozeß durch technische Mittel, gerichtet auf die Verhinderung/Unterbrechung des Reifungsprozesses. Im Zuge des arbeitstechnisch aufwendigen Behandelns des Obstes bleibe das ursprüngliche Produkt nicht erhalten. Das Obst habe sich, seinem Charakter nach zu urteilen, vom sog. Urerzeugnis entfernt, so daß man bereits von einer ersten Bearbeitungsstufe sprechen könne. Eine Behandlung, welche wie hier, auf das Obst an sich wirke, genüge für die Annahme einer Verarbeitung. Hierdurch werde das Urprodukt (Rohobst) zu einer Ware neuer/anderer Marktgängigkeit, d.h., diverse neue Produkte (Tafelobst etc.) würden hergestellt.

    Natürlich würden die Äpfel auch ohne künstliche Einflußnahme reifen und sich entsprechend chemisch verändern. Sowohl bei Bananen als auch bei Äpfeln werde infolge künstlicher Einflußnahme die Reifung gesteuert, um große, gleichmäßige Partien von gleichmäßiger Qualität, Art und Güte für den Großhandel herzustellen. Somit würden die Äpfel genauso wie die Bananen überhaupt erst zum menschlichen Verzehr bereit gemacht. Wie in der Bananenreiferei würden in der vorliegenden „Äpfelreiferei” alle behandelten Äpfel derart verändert, daß nunmehr nach dem künstlichen Reifungsprozeß eine Vielzahl einheitlicher reifer und genußvoller Äpfel vorliege. Es sei daher nicht zutreffend, daß die vorgenommene Einflußnahme „einzig erforderlich” sei, um der Nachfrage der Kunden über einen längeren Zeitraum gerecht werden zu können. Es sei nicht zutreffend, daß die Marktgängigkeit lediglich verbessert werde, sondern die Marktfähigkeit werde erstmalig herbeigeführt. Gleiches gelte auch für die anderweitigen Produkte, die aus Äpfeln gewonnen würden, wie z.B. Musware und Schälware. Diese Neuprodukte stellten Artikel eigener Marktgängigkeit dar. Ohne die komplizierten und aufwendigen Verarbeitungsprozesse könne objektiv kein verkaufsfähiges Produkt erzielt werden.

    Ergänzend verweise die Klägerin auf die Entscheidung des Thüringer Finanzgerichtes (Urteil vom 24. Februar 1999, III-157/96, EFG 1999, 576). Den Antrag auf Zulassung der Revision stütze sie auf die grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit, welche sich aus der vorgetragenen Begründung ohne weiteres ergebe. Zum weiteren Vorbringen der Klägerin wird auf die Schriftsätze vom 18. Februar 2004 und 26. März 2004 verwiesen.

    Die Klägerin beantragt, den ablehnenden Verwaltungsakt vom 12. August 2002 und die Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2004 aufzuheben und die Investitionszulage für das Wirtschaftsjahr 2000/ 001 auf 1.090.275 EUR festzusetzen; hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Die Klägerin beantragt weiterhin, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

    Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

    Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest. Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Steuerakten der Klägerin sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

    Gründe

    II.

    Die Klage ist unbegründet.

    Der Beklagte hat die Gewährung der erhöhten Investitionszulage zu Recht abgelehnt. Für die im Wirtschaftsjahr 2000/2001 getätigten Investitionen ist der Klägerin keine Investitionszulage zu gewähren, da der Betrieb der Klägerin nicht dem verarbeitenden Gewerbe zugehörig ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 7 Nr. 1 Investitionszulagengesetz 1999 – InvZulG).

    Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhof (BFH) ist für die Beantwortung der Frage, ob ein Betrieb dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen ist, die Systematik der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen Ausgabe 1979, bzw. die Klassifikation der Wirtschaftszweige Ausgabe 1993, als Dokumentation der Verkehrsauffassung heranzuziehen. Werden in einem Betrieb mehrere Tätigkeiten ausgeübt, ist der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit maßgebend, der sich grundsätzlich nach den auf die einzelnen Tätigkeiten entfallenden Wertschöpfungsanteilen bestimmt (vgl. BFH Urteile vom 06. August 1998, III R 28/97, BStBl II 2000, 144; vom 24. Februar 1999, III B 194/96, BFH/NV 1999, 1123; vom 19. Oktober 2000, III R 100/96, BFH/NV 2001, 487 und vom 07. März 2002, III R 44/97, BFH/NV 2002, 1109 jeweils m.w.N.).

    Aus Gründen der Rechtssicherheit ist die Abgrenzung der Gewerbezweige in engster Anlehnung an die Klassifikation der Wirtschaftszweige vorzunehmen. Denn dem Steuerpflichtigen ist es anhand dieses Verzeichnisses möglich, seine Berechtigung zur erhöhten Investitionszulage zu prüfen und dies in die Investitionsentscheidung mit einzubeziehen. Die Statistischen Landesämter bestimmen gemäß Tz. 3.1 der Vorbemerkung der Klassifikation der Wirtschaftszweige die Zuordnung des Unternehmens nach der Haupttätigkeit, die den größten Beitrag zur Wertschöpfung leistet. Diese Einordnung haben die Finanzämter zu übernehmen, es sei denn, sie ist offensichtlich unzutreffend. Unerheblich ist, ob die Einordnung durch das statistische Landesamt bereits zum Zeitpunkt des Antrags auf Investitionszulage vorliegt oder erst im finanzgerichtlichen Verfahren beigebracht wird (vgl. BFH in BFH/NV 2002, 1109).

    Im Streitfall ist die Klägerin ausweislich der Bestätigung des Statistischen Bundesamtes nicht dem verarbeitenden Gewerbe zugeordnet worden (Blatt 59 der Gerichtsakte). Diese Zuordnung ist auch nicht offenkundig fehlerhaft und muß daher für die Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin für Zwecke des Investitionszulagenrechtes herangezogen werden. Nach den Vorbemerkungen zur Systematik der Wirtschaftszweige Ausgabe 1979 gehören zur Abteilung „Verarbeitendes Gewerbe” alle Institutionen, deren wirtschaftliche Tätigkeit überwiegend darin besteht, Erzeugnisse, gleich welcher Art, zu be- und verarbeiten, und zwar in der Regel mit dem Ziel, dabei andere Produkte herzustellen. Zur Abteilung „Handel” gehören alle Institutionen, deren wirtschaftliche Tätigkeit überwiegend darin besteht, bewegliche Sachgüter zu beziehen und ohne mehr als handelsübliche Be- oder Verarbeitung weiterzuveräußern (Handelswaren). … Zu den handelsüblichen Manipulationen, die den Charakter einer Ware als Handelsware nicht berühren, gehören außer dem Sortieren, das Zerteilen, Mischen, Verpacken. Zur Abteilung „Verkehr und Nachrichtenübermittlung” (Abschnitt I) gehören schließlich auch Hilfs- und Nebentätigkeiten für den Verkehr wie die Lagerung. Nach den Erläuterungen zur Klassifikation der Wirtschaftszweige Ausgabe 2003 zum Abschnitt „Handel” schließt der Verkauf ohne Weiterverarbeitung die im Handel übliche Behandlung von Waren ein. Dazu gehören Tätigkeiten wie Sortieren, Klassieren und Zusammenstellen von Waren, Abpacken, Lagerung, Säubern und Trocknen von landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Zum Großhandel zählen landwirtschaftliche Einkaufs- und Absatzgenossenschaften. Die Tätigkeit von Großhändlern besteht in der Regel darin, Waren in großen Mengen zusammenzustellen, zu sortieren und zu klassieren, umzupacken und in kleinen Mengen weiterzuverteilen, Waren zu lagern etc..

    Unter Berücksichtigung der Systematik der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen Ausgabe 1979, der Klassifikation der Wirtschaftszweige Ausgabe 1993 und 2003 hat die Klägerin im Wirtschaftsjahr 2000/2001 keine Tätigkeit aus dem Bereich des verarbeitenden Gewerbes ausgeübt. Die Klägerin ist als landwirtschaftliche Absatzgenossenschaft dem Großhandel (Abschnitt G, Unterklasse 51.31.0 Großhandel mit frischem Gemüse, Obst und Früchten) zugehörig. Durch das Reinigen, Sortieren und Verpacken des angelieferten Kernobstes entsteht auch kein anderes Produkt. Es handelt sich vielmehr um handelsübliche Manipulationen, die den Charakter der angelieferten Früchte – als Äpfel und Birnen – nicht berühren. Soweit die Klägerin das angelieferte Kernobst in ihren Lagerhäusern unter einer besonderen Atmosphäre lagert, um den Reifeprozeß des Obstes zu verzögern, ist diese Tätigkeit – soweit sie wegen des Umfangs die großhandelsübliche Lagerhaltung übersteigen sollte – der Lagerei (Abschnitt I, Unterklasse 63.12.1 Betrieb von Lagereinrichtungen für alle Arten von Gütern wie Getreidesilos, Lagerhäuser, Lagertanks usw.) zuzuordnen.

    Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Finanzgerichtes des Landes Brandenburg (Urteil vom 20. August 2000, 4 K 2797/99, EFG 2000, 1419, Haufe-Index 514309). Dieser Entscheidung lag die Feststellung des Finanzgerichts zugrunde, daß durch die Behandlung in einer Bananenreifanlage die nicht zum menschlichen Verzehr geeigneten Rohbananen derart verändert wurden, daß die in der Frucht enthaltene Stärke in Zucker umgewandelt wurde, außerdem sank der Tannin- und der Säuregehalt. Im Streitfall sind die von den einzelnen Obstbauern angelieferten Äpfel bereits zum Zeitpunkt der Anlieferung an die Klägerin grundsätzlich zum menschlichen Verzehr geeignet. Die Behandlung in den Lagerhäusern der Klägerin erfolgt alleine zu dem Zweck, die Ware ohne Qualitätseinbußen über einen langen Zeitraum hinweg zu lagern. Der natürliche Reifungsprozeß ggf. noch nicht „genußreifer” Äpfel wird durch die Behandlung der Klägerin nicht herbeigeführt, sondern vielmehr unterbrochen und so manipuliert, daß die Äpfel über einen längeren Zeitraum hinweg für den Einzelhandel vorgehalten werden können. Ein Verarbeitungsprozeß ist in dieser Behandlung nicht zu sehen.

    Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) im Hinblick auf die Entscheidungen des Finanzgerichtes des Landes Brandenburg (a.a.O.) und des Finanzgerichtes Thüringen (Urteil vom 24. Februar 1999, III 157/96, Haufe-Index 979524) zuzulassen. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenInvZulG 1999 § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, InvZulG 1999 § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1