08.01.2010
Finanzgericht Hamburg: Gerichtsbescheid vom 31.03.2006 – III 155/05
Der Erwerb eines ausländischen Konzerns durch einen anderen ausländischen Konzern unterliegt bezüglich der mittelbaren Vereinigung der Anteile an den deutschen grundbesitzenden Urenkel-Gesellschaften der deutschen Grunderwerbsteuer. Diese mittelbare Anteilsvereinigung ist auch anzeigepflichtig.
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen der Feststellung für grunderwerbsteuerliche Zwecke, ob eine mittelbare Anteilsvereinigung Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz 1983 (GrEStG 1983) auslöst und ob dies verfassungskonform ist. In dieser im Streitjahr 1999 geltenden Gesetzesfassung war der Wortlaut noch nicht um die mit Wirkung ab 1. Januar 2000 eingefügten Worte „unmittelbar oder mittelbar” ergänzt.
I. Die Klägerin, eine in den USA ansässige Gesellschaft, war zu 51% an der ebenfalls in den USA ansässigen ... Company (I-Company) - Tochter, USA - beteiligt, die ihrerseits Alleingesellschafterin der Deutschen ... GmbH (D-GmbH) - Enkelin, Deutschland - war. Diese wiederum war jeweils zu 100% an der ... GmbH, einer Gesellschaft mit Grundbesitz in Hamburg (P-GmbH) - Urenkelin, Hamburg -, und der ... GmbH, einer Gesellschaft mit Grundbesitz in Berlin (I-GmbH) - Urenkelin, Berlin -, beteiligt (FG-A Bl. 37, 63, Zeichnung Bl. 75).
Mit dem Privatgutachten vom 25. Juni 1998 schätzte der Sachverständige Dipl.-Ing. A den Verkehrswert des 40.878,00 mqm-großen Grundstücks in Hamburg zum 8. Juni 1998 auf 33.500.000,- DM (F-GrESt-A Bl. 25). Die Fläche des Grundstücks in Berlin beträgt lediglich 5.497 mqm (F-GrESt-A Bl. 53).
Mit Wirkung zum 31.12.1999 erwarb die Klägerin die restlichen 49% der Anteile an der I-Company von der I-Industries Inc. (FG-A Bl. 63, Zeichnung Bl. 75).
II. Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) sah in der mittelbaren Vereinigung aller Anteile an der P-GmbH und der I-GmbH in der Hand der Klägerin einen nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG 1983 steuerpflichtigen Vorgang, bejahte seine Zuständigkeit aufgrund des höheren Werts des Grundstücks in Hamburg und stellte gemäß § 17 GrEStG 1983 die Besteuerungsgrundlagen für die GrESt durch Bescheid vom 26. August 2004 gesondert fest (FG-A Bl. 16).
Am 21. September 2004 legte die Klägerin gegen den Bescheid Einspruch ein (Bl. 63 F-GrESt-A): Die mittelbare Anteilsvereinigung im Ausland unterliege nicht der deutschen Grunderwerbsteuer (F-GrESt-A Bl. 37, 70).
Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 1. August 2005 als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 93 F-GrESt-A): Aus dem Sinn und Zweck des Grunderwerbsteuerrechts, den Eigentumswechsel an Grundstücken zu besteuern, ergebe sich die Notwendigkeit, auch mittelbare Anteilsvereinigungen der Steuer zu unterwerfen. Für die Entstehung der Steuerpflicht sei nicht der Ort der Anteilsvereinigung, sondern nur die Lage des vom fiktiven Grunderwerb betroffenen Grundstücks im Inland maßgeblich. Auch seien für die Verletzung des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG keine Anhaltspunkte ersichtlich, denn § 19 GrEStG normiere eine Anzeigepflicht auch für die im Ausland realisierten Anteilsvereinigungen.
III. Dagegen richtet sich die beim Gericht am 1. September 2005 erhobene Klage (FG-A Bl. 1).
Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin vor (FG-A Bl. 37, 70): Die Erfassung der mittelbaren Anteilsvereinigung ergebe sich weder aus dem Regelungswortlaut noch aus dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG 1983. Vielmehr bedürfe die Gleichstellung einer mittelbaren und einer unmittelbaren Beteiligung wie im Körperschaftsteuerrecht einer ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift. Der Steuerpflicht des Vorgangs stehe auch entgegen, dass sich die mittelbare Anteilsvereinigung ausschließlich in den USA realisiert habe. Schließlich verstoße die Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG 1983 gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG -, weil das Erhebungsverfahren die Durchsetzung des Steueranspruchs nicht gewährleiste, insbesondere weil für die im Ausland realisierten Anteilsvereinigungen keine Anzeigepflicht nach §§ 18, 19 GrEStG 1983 bestehe und die Finanzbehörde nur zufällig Kenntnis von einer im Ausland realisierten Anteilsvereinigung erlange.
Die Klägerin beantragt (FG-A Bl. 2), den Bescheid vom 26 August 2004 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. August 2005 (ersatzlos) aufzuheben.
Das FA beantragt (FG-A Bl. 58), die Klage abzuweisen.
Das FA verweist auf die Einspruchsentscheidung vom 1. August 2005 und trägt ergänzend vor, dass das Erfordernis einer ausdrücklichen Regelung für die Gleichstellung einer mittelbaren und einer unmittelbaren Beteiligung im Körperschaftsteuerrecht im Hinblick auf den unterschiedlichen Sinn und Zweck für das Grunderwerbsteuerrecht nicht richtungsweisend sein könne (FG-A Bl. 60).
IV. Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage am 22. Februar 2006 mit den Beteiligten erörtert (FG-A Bl. 72). Der Senat nimmt ergänzend auf die Sitzungsniederschrift sowie die oben angeführten Unterlagen und die damit zusammenhängenden Schriftstücke aus der Gerichtsakte (FG-A) und der Feststellungs-Grunderwerbsteuerakte (F-GrESt-A) des FA Bezug.
Gründe
B.
I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die mittelbare Anteilsvereinigung in der Hand der Klägerin stellt einen nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG 1983 steuerpflichtigen Erwerbsvorgang dar.
1. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG 1983 unterliegt der GrESt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an einer Gesellschaft begründet, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, wenn durch die Übertragung alle Anteile an dieser Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen vereinigt werden würden. Auch gemäß dieser vor der Einführung des Wortlauts „unmittelbar oder mittelbar” zum 01. Januar 2000 geltenden Gesetzesfassung liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - eine Vereinigung aller Anteile in einer Hand nicht nur dann vor, wenn der Anteilserwerber die Anteile mit Grundbesitz selbst - unmittelbar - hält, sondern auch dann, wenn es sich bei der Beteiligung des Anteilserwerbers nur um eine mittelbare, d.h. über eine andere Gesellschaft vermittelte handelt, an der er zu 100% beteiligt ist.
Entgegen der von der Klägerin vorausgesetzten Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Beteiligung wie im Körperschaft- oder Ertragsteuerrecht folgt der Senat der ständigen Rechtsprechung des BFH, wonach es Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG 1983 ist, die Sachherrschaft zu erfassen, welche jemand an dem Gesellschaftsgrundstück über die rechtliche Verfügungsmacht an den Gesellschaftsanteilen erlangt. Aus dieser Sicht kommt es nicht darauf an, ob diese Sachherrschaft unmittelbar oder mittelbar durch eine oder mehrere zwischengeschaltete Gesellschaften ausgeübt wird (vgl. BFH-Urteile vom 5. November 2002, II R 23/00, BFH/NV 2003, 505, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 2003, 485; vom 16. Januar 1980, II R 52/76, BFHE 130, 72, BStBl II 1980, 360; vom 11. Juni 1975, II R 38/69, BFHE 116, 406, BStBl II 1975, 834).
In seinem Urteil vom 21. September 2005 hat der BFH seine bisherige Auffassung bestätigt und ergänzend ausgeführt, dass mit dem Tatbestandsmerkmal „gehören” (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG 1983) nicht das Innehaben der zivilrechtlichen Eigentümerstellung, sondern die spezifische grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung im Sinne wirtschaftlicher Verfügungsmacht gemeint sei (II R 33/04, BFH/NV 2006, 609, GmbH-Rundschau - GmbHR - 2006, 269). Danach sind auch mittelbare Anteilsvereinigungen vom Wortlaut der Vorschrift erfasst.
Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG 1983 liegen im Streitfall vor. Mit Wirkung zum 31.12.1999 hat die Klägerin mittelbar, vermittelt über den Erwerb der Anteile an der I-Company, der Alleingesellschafterin der D-GmbH, die ihrerseits zu je 100% an der P-GmbH und der I-GmbH beteiligt war, alle Anteile an den Gesellschaften mit inländischem Grundbesitz, nämlich der P-GmbH und der I-GmbH, in ihrer Hand vereinigt.
2. Es ist ferner unerheblich, dass an dem im Ausland abgewickelten Anteilserwerb ausschließlich Gesellschaften mit Sitz in den USA beteiligt waren. Denn Gegenstand der GrESt ist nicht der Anteilserwerb als solcher, sondern die durch ihn begründete Zuordnung aller Anteile in einer Hand und die damit verbundene Fiktion des Erwerbs eines Grundstücks. Demnach kommt es nur auf die Lage der von dem fiktiven Grunderwerb erfassten Grundstücke im Inland an (vgl. RFH vom 30. Juli 1929, II A 346/29, RStBl 1929, 498; BFH-Urteile vom 21. September 2005, II R 33/04, BFH/NV 2006, 609, GmbHR 2006, 269; vom 5. November 2002, II R 23/00, BFH/NV 2003, 505, HFR 2003, 485; FG Hamburg vom 28.02.2000, I 10/99, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2000, 696, Deutsches Steuerrecht-Entscheidungsdienst - DStRE - 2000, 761 mit Anm. Hardt, Kommentierte Finanzrechtsprechung - KFR - F. 8 GrEStG § 1, 3/00, 463).
3. Schließlich verstößt die Regelung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG 1983 nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG, insbesondere nicht wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits.
Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG fordert die Gleichheit bei der Durchsetzung des Steueranspruchs. Die Verfassungswidrigkeit einer materiellen Norm ist dann zu bejahen, wenn sich eine Erhebungsregelung gegenüber einem Besteuerungstatbestand in der Weise strukturell gegenläufig auswirkt, so dass der Besteuerungsanspruch weitgehend nicht durchgesetzt werden kann, und wenn dieses dem Gesetzgeber zuzurechnen ist (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG - 27. Juni 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654). Im Massenverfahren auftretende Vollzugsdefizite sind dagegen hinzunehmen (vgl. BFH vom 18. Februar 1997, VIII R 33/95, BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499).
Ein solches strukturelles Vollzugsdefizit ist bei der Anteilsvereinigung im Ausland nicht gegeben (vgl. BFH vom 18. November 2005, II B 23/05, BFH/NV 2006, 612, DStRE 2006, 350).
Insbesondere besteht entgegen der Ansicht der Klägerin für die im Ausland realisierten mittelbaren Anteilsvereinigungen eine Anzeigepflicht. § 19 GrEStG 1983 normiert die Anzeigepflicht für alle diejenigen Personen, die nach § 13 GrEStG 1983 Steuerschuldner sind, d.h. für alle an einem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen. Die Regelung des § 19 GrEStG 1983 erfasst gerade die Erwerbsvorgänge, über die im allgemeinen keine Urkunden durch (deutsche) Gerichte, Behörden und Notare errichtet werden. Beteiligte i.S. des § 19 GrEStG 1983 und damit Anzeigeverpflichtete sind demnach auch ausländische Steuerschuldner (Pahlke in Pahlke/Franz, GrEStG § 19, Rn. 2). Nach der Rechtsprechung des BFH besteht die Anzeigepflicht auch dann, wenn der Erwerb, an dem zwei ausländische Gesellschaften beteiligt sind, Anteile an einer Gesellschaft betrifft, die ihrerseits nur mittelbar an einer Gesellschaft mit Grundbesitz beteiligt ist; und zwar auch bereits vor Inkrafttreten des Steuerentlastungsgesetzes1999/2000/2002 (vgl. BFH vom 21. September 2005, II R 33/04, BFH/NV 2006, 609, GmbHR 2006, 269).
II. Der Senat entscheidet gemäß § 90a FGO durch Gerichtsbescheid, nachdem der Sachverhalt bereits aufgeklärt ist und die Rechtsfragen erörtert worden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Anmerkung
Revision eingelegt (BFH II R 39/06)