08.01.2010
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 08.10.2003 – 13 K 2684/02 E
Die Tarifbegünstigung einer im Jahre 1999 bezogenen Ausgleichszahlung eines Handelsvertreters (§ 89b HGB) nach der aufgrund des StEntLG 1999/2000/2002 insoweit temporär geltenden Fünftel-Regelung verstößt weder gegen das Rückwirkungs- noch gegen das Willkürverbot. Sie führt zudem nicht zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen übermäßigen Besteuerung des Gesamteinkommens (Anschluss an Beschlüsse des BFH vom 27.08.2002 XI B 94/02, BStBl II 2003, 18 und vom 21.01.2003 X B 106/02, n.v.).
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Kläger sind durch Bescheid vom 16.1.2001 zur Einkommensteuer für das Streitjahr 1999 zusammenveranlagte Eheleute. Streitig ist, ob eine Abfindung nach § 89 b Handelsgesetzbuch - HGB - zu Recht gemäß § 34 Einkommensteuergesetz - EStG - in der im Streitjahr geltenden Fassung besteuert wurde.
Der Kläger war seit 1976 für die Firma „Q” als Handelsvertreter tätig. Das Handelsvertreterverhältnis endete vertragsgemäß mit Vollendung des 65. Lebensjahres des Klägers im Juli 1999. Der Kläger erhielt aus diesem Anlaß von der Firma „Q” eine Ausgleichszahlung nach § 89 b HGB i.H.v. 80.965 DM.
Der Beklagte qualifizierte die Ausgleichszahlung als außerordentliche Einkünfte i.S.v. § 24 Nr. 1c EStG und besteuerte sie ermäßigt nach der sogenannten Fünftel-Regelung gemäß § 34 Abs. 1 EStG.
Der dagegen eingelegte Einspruch bleib ohne Erfolg. Daraufhin haben die Kläger am 17.5.2002 Klage erhoben.
Sie tragen vor,
die Vorschrift des § 34 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 vom 24.3.1999 sei verfassungswidrig. Die Ausgleichszahlung sei daher nach der bis dahin geltenden Gesetzesfassung ermäßigt mit dem halben durchschnittlichen Steuersatz zu besteuern.
Die im Streitjahr geänderte Vorschrift des § 34 EStG verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip, weil sie eine unzulässige Rückwirkung entfalte sowie nicht mit Art. 12 Grundgesetz - GG - (Berufsfreiheit) und Art. 14 GG (Eigentumsgarantie) vereinbar sei, da sie ohne Übergangsregelung die Altersvorsorge der Betroffenen übermäßig beschneide. Außerdem würden durch die Nachfolgereglung ab 2001 Handelsvertreter, deren Ausgleichszahlung in den Jahren 1999 und 2000 ausgezahlt worden sei, unter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz benachteiligt.
Darüberhinaus führe die Fünftel-Regelung zu einer übermäßigen Besteuerung der übrigen - nicht begünstigten - laufenden Einkünfte der Kläger. Die Kläger verweisen insbesondere auf die Aufsätze von Henning, Hundsdoerfer, Schult, Die Progressionsglättung für außerordentliche Einkünfte nach § 34 Abs. 1 EStG-Entwurf: Steuersätze bis zu 265 %, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1999, 131 und von Jahndorf, Lorscheider, Verfassungswidrige Besteuerung außerordentlicher Einkünfte gem. § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG, Finanzrundschau - FR - 2000, 433 und von Birk, Kulosa, Verfassungsrechtliche Aspekte des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, FR 1999, 433.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 16.1.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8.5.2002 wird dahingehend abgeändert, dass die Ausgleichszahlung nach § 89 b HGB in Höhe von 80.965 DM lediglich mit dem halben durchschnittlichen Steuersatz der Besteuerung unterworfen wird,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er beruft sich darauf, dass die Vorgehensweise des Finanzamtes dem Gesetz entspreche. Eine Übergangsreglung sehe das Gesetz nicht vor.
Gründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
Der Beklagte hat zu Recht die Ausgleichszahlung der Besteuerung nach § 34 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 unterworfen. Eine Ermäßigung der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Steuer auf die Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes nach näherer Maßgabe des § 34 Abs. 1 EStG in der bis zum Veranlagungszeitraum 1998 geltenden Fassung kam nicht in Betracht. Insbesondere war die geänderte Vorschrift des § 34 EStG nicht verfassungswidrig, so dass die nach Auffassung der Kläger sich ergebende Folge der Fortwirkung des § 34 EStG in seiner ursprünglichen Fassung nicht eintreten konnte.
Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Beschluß vom 21.1.2003 X B 106/02, amtlich nicht veröffentlicht, und Beschluß vom 27.8.2002 XI B 94/02, Bundessteuerblatt II 2003, 18) an (vgl. auch Finanzgericht Düsseldorf Urteil vom 26.3.2003 13 K 5675/01, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2003, 1102, Revision eingelegt Az. XI R 26/03). Danach verstößt die für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 geltende Regelung des § 34 EStG nicht gegen Art. 3 i.V.m. Art. 20 GG und auch nicht gegen Art. 12 GG oder Art. 14 GG:
1. Die Reduzierung der bis 1998 geltenden steuertariflichen Begünstigung von Veräußerungsgewinnen hat nicht den dem Gesetzgeber einzuräumenden Gestaltungsspielraum überschritten. Dem Gesetzgeber muß es möglich sein, zu reagieren, wenn ein ursprünglich mit einer Steuervergünstigung verfolgter Zweck wegfällt oder ein seit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes eingetretener Missstand aus Gründen der verfassungsrechtlich gebotenen steuerlichen Belastungsgleichheit beseitigt werden soll. Die tarifbegünstigte Besteuerung nach § 34 EStG a.F., die nicht, wie die Kläger meinen, der steuerlichen Sicherstellung einer angemessenen Altersvorsorge, sondern ausschließlich der Progressionsglättung bei zusammengeballtem Zufluß von Einkünften dienen sollte, die typischerweise über mehrere Veranlagungszeiträume erzielt oder erwirtschaftet werden, hatte zu unberechtigten Steuervorteilen bei solchen Steuerpflichtigen geführt, die auf Grund ihrer „regulären” hohen Einkommen dem höchsten Steuersatz unterlagen, bei denen die hohe Steuerprogression also nicht durch den zusammengeballten Zufluß von außerordentlichen Einkünften veranlasst war. Dem Gesetzgeber war ein Gestaltungsspielraum einzuräumen, um dieser aus der Sicht der Steuergerechtigkeit als misslich empfundenen Rechtslage durch eine Gesetzesänderung alsbald abzuhelfen. Demgegenüber hat ein Vertrauen des Steuerpflichtigen in die Fortgeltung des § 34 EStG a.F. zurückzutreten.
Eine Übergangsregelung wäre vielleicht wünschenswert gewesen, war aber aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht notwendig. Ein Verstoß gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) kann in dieser Ausnutzung gesetzgeberischer Gestaltungspielräume nicht gesehen werden.
2. Die Kläger wurden auch nicht nachträglich einer höheren steuerlichen Belastung unterworfen. Die zu besteuernde Ausgleichszahlung entstand in dem Zeitpunkt, in dem das Vertragsverhältnis beendet wurde und damit in dem Geltungszeitraum des geänderten § 34 EStG. Die der geänderten Besteuerung innewohnende tatbestandliche Rückanknüpfung an den in früheren Veranlagungszeiträumen erwirtschafteten Ausgleichanspruch ist durch den vorgenannten Gesetzeszweck hinreichend gerechtfertigt. Deshalb liegt darin auch kein Eingriff in die durch Art. 14 GG garantierten Rechte der Kläger.
3. Gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 34 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 spricht im Streitfall auch nicht, dass der Gesetzgeber den ermäßigten Steuersatz auf Veräußerungsgewinne unter geänderten Voraussetzungen und unter Ausgestaltung als Sozialzwecknorm zur Sicherung einer Altersvorsorge ab dem Veranlagungszeitraum 2001 wieder eingeführt hat. Das gesetzgeberische Verhalten kann im Hinblick auf den geänderten Regelungszweck und unter Berücksichtigung der Neuregelung auch als Folge der Einführung des sog. Halbeinkünfteverfahrens nicht als willkürlich angesehen werden.
Schließlich führt auch der durch die sog. Fünftel-Regelung bewirkte Tarifverlauf nicht zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen übermäßigen Besteuerung. Die insbesondere in den von den Klägern zitierten Aufsätzen dargestellten Tarifsprünge und Steuerbelastungen bis zu 265 % beruhen auf einer isolierten Betrachtung der übrigen Einkünfte ohne die ermäßigt zu besteuernden außerordentlichen Einkünfte i.S.v. § 34 EStG. Der dadurch verdeutlichte Belastungseffekt mag Anlaß zur Nachbesserung der Ermäßigungsvorschrift durch den Gesetzgeber geben, als Beleg für eine übermäßige verfassungswidrige Besteuerung ist der gewählte Ansatz jedoch ungeeignet. Die isolierte Betrachtung einzelner Einkommenselemente derart, dass die veränderte Höhe eines Einkommensteils in einer Weise in Bezug zu anderen Einkommensteilen gesetzt wird, die die steuerliche Gesamtbelastung außer Betracht lässt, widerspricht der Struktur des Einkommensteuerrechts, die die individuelle Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen gemessen an dem gesamten zu versteuernden Einkommen als Maßgröße im Blick hat. Die gesamte steuerliche Belastung wird aber auch in den Fällen der Erzielung außerordentlicher Einkünfte durch den tariflichen Spitzensteuersatz nach oben begrenzt, so dass konfiskatorische Wirkungen bezogen auf das Gesamteinkommen nicht auftreten (vgl. auch Finanzgericht Baden-Württemberg Beschluß vom 26.6.2002 1 V 9/02, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2002, 1171). Deshalb räumt auch die zitierte Fachliteratur ein, dass in keinem Falle eine höhere steuerliche Belastung als bei der Besteuerung der außerordentlichen Einkünfte als laufende Einkünfte eintritt.
Letztlich wurde auch im Falle der Kläger allein die Erwartung der Fortgeltung des bis 1998 bestehenden Rechts und die damit verbundene Hoffnung auf eine ermäßigte Besteuerung der zukünftigen Abfindungszahlung enttäuscht.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen. Die zu entscheidende Rechtsfrage war, soweit ersichtlich, noch nicht Gegenstand einer Entscheidung des BFH in einem Hauptsacheverfahren. Die streitige Regelung des § 34 EStG wurde zwar mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2001 wieder geändert, dürfte aber noch aktuelle Bedeutung über den hier zu entscheidenden Fall hinaus haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.