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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Brandenburg: Urteil vom 08.12.2004 – 5 K 2168/02

    § 3 Abs.1 InvZulG 1999 begünstigt nur Erhaltungsmaßnahmen an einem Mietwohngebäude, nicht auch Baumaßnahmen an einem zunächst nicht zu Wohnzwecken genutzten Gebäude. Dies ergibt sich sowohl aus dem Gesetzeswortlaut wie auch aus der gegebenenfalls zur Auslegung mit heranzuziehenden amtlichen Überschrift über § 3 InvZulG 1999.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    wegen Investitionszulage 2000

    hat das Finanzgericht des Landes Brandenburg – 5. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 8. Dezember 2004 durch

    für Recht erkannt:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

    Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

    Tatbestand

    Die Klägerin erwarb im Jahre 2000 das in L… gelegene Grundstück Hauptstraße …, das mit einem ehemals als Schule genutztem Gebäude nebst Nebengebäude bebaut war. In dem Gebäude befand sich neben den Klassenräumen in jedem Stockwerk eine Lehrerwohnung. Die Lehrerwohnungen wurden im Jahre 1972 umgebaut bzw. einer anderen Nutzung zugeführt. Die Wohnung im Erdgeschoss wurde in eine Schulküche umgebaut. Durch Abbruch einer Trennwand in der Wohnung im Obergeschoss wurde ein weiterer Klassenraum geschaffen, die übrigen Räume dienten als Lehreraufenthaltsraum bzw. Hortraum und Teeküche. Die Klägerin führte im Jahre 2000 umfangreiche Baumaßnahmen an dem Gebäude durch und schuf Mietwohnungen mit einer Gesamtfläche von 460 qm, die nach ihren Angaben der entgeltlichen Nutzung zu Wohnzwecken dienen.

    Mit ihrem Antrag auf Investitionszulage für das Jahr 2000 begehrte die Klägerin ausgehend von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von 377.743,– DM Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999. Der Beklagte setzte die Investitionszulage mit Bescheid vom 22.8.2001 auf 0,– DM fest und wies darauf hin, durch die Baumaßnahmen sei entweder ein bautechnisch neues oder ein anderes Gebäude hergestellt worden. Soweit ein neues Gebäude hergestellt worden sei, sei für die Förderung eine Bescheinigung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 b InvZulG 1999 erforderlich. Diese liege nicht vor.

    Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, das Objekt sei vor 1991 fertig gestellt und danach zunächst teils als Schulgebäude, teils als Mietwohngebäude genutzt worden, später ausschließlich als Schulgebäude. Ein neues Gebäude sei nicht entstanden, da das Gebäude nicht bautechnisch neu sei. Es verbleibe danach bei der Begünstigung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 3 InvZulG 1999.

    Mit ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, ursprünglich seien 53 % der Gesamtwohn- bzw. Nutzfläche des ehemaligen Schulgebäudes zu Wohnzwecken genutzt worden. Die Klassenräume seien bei Investitionsbeginn nicht zur Nutzung als Klassenräume sondern zur Wohnraumnutzung bestimmt gewesen. Sie, die Klägerin, habe nämlich vor Beginn der Baumaßnahmen das Gebäude diesem Zweck gewidmet. Allein auf die Widmung durch den Eigentümer komme es für die Beurteilung der Frage, ob ein Mietwohngebäude vor Beginn der Baumaßnahmen vorgelegen habe, an. Die bauliche Gestaltung sei für diese Abgrenzung ungeeignet, da beispielsweise ein Büro ebenso als Wohnung genutzt werden könne und umgekehrt. Das Gesetz lasse zudem nicht erkennen, dass nur Herstellungsarbeiten an Wohngebäuden begünstigt seien. Unter dem Begriff „Gebäude” in § 3 InvZulG 1999 sei vielmehr jedes benutzbare Bauwerk zu verstehen. Die Gesetzesintention, alte Bausubstanz zu erhalten und in ausreichendem Maße Wohnraum zur Verfügung zu stellen, spreche für diese Gesetzesauslegung. Eine entsprechend günstige Auslegung des Gesetzes sei vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zur Bestimmtheit von Gesetzen auch geboten.

    Die Klägerin beantragt,

    den Investitionszulagenbescheid für 2000 vom 22.8.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.8.2002 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Investitionszulage auf 55.911,47 DM festgesetzt wird,

    hilfsweise die Revision zuzulassen,

    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er vertritt die Auffassung, durch die Baumaßnahmen sei ein anderes Gebäude entstanden. Die von der Klägerin durchgeführten Baumaßnahmen könnten vor diesem Hintergrund nicht als nachträgliche Herstellungsarbeiten beurteilt werden.

    Gründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1/3 InvZulG 1999 sind nachträgliche Herstellungsarbeiten und Erhaltungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind, begünstigt, soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach Beendigung der nachträglichen Herstellungsarbeiten der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen. Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt § 3 Abs. 1 InvZulG 1999 nur für Erhaltungs- und Herstellungsarbeiten an Mietwohngebäuden, nicht aber für Baumaßnahmen an einem zunächst nicht zu Wohnzwecken genutztem Gebäude. Dies ergibt sich schon aus der amtlichen Überschrift. Danach regelt § 3 InvZulG 1999 „Modernisierungsmaßnahmen an Mietwohngebäuden”. Eine amtliche Überschrift wird von der gesetzgebenden Körperschaft mitbeschlossen, sie gehört zum Gesetzesinhalt und hat die Aufgabe, auf den ersten Blick ersehen zu lassen, mit welcher Materie sich die betreffende Vorschrift befasst; sie ist daher nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – zur Auslegung des Gesetzes heranzuziehen (BFH-Urteil vom 19.11.2003 IX R 67/00, BFH/NV 2004, 628). Bei einem Widerspruch zwischen dem Wortlaut des Gesetzes und der Gesetzesüberschrift hat der Gesetzeswortlaut allerdings Vorrang, da die an eine Überschrift zu stellende Anforderung, knapp und prägnant zu sein, regelmäßig einen Kompromiss zwischen Genauigkeit und Länge erfordert (BFH-Urteil vom 11.1.1984 II R 187/81, BFHE 140, 312, BStBl II 1984, 327). Vorliegend widerspricht die Überschrift des § 3 InvZulG 1999 dem Gesetzeswortlaut nicht, sondern stellt – auch für den steuerrechtlichen Laien – den Regelungsbereich des Gesetzes klar, der sich nicht nur aus der Überschrift sondern auch aus dem Begriff der „nachträglichen Herstellungskosten” ergibt. Die für die Förderung (auch) maßgebliche Voraussetzung, dass die Baumaßnahmen zeitlich der Fertigstellung nachfolgen und dementsprechend an einem bestehenden Gebäude vorgenommen werden müssen, hat der Gesetzgeber durch die Formulierung „… an Gebäuden, die vor dem 1.1.1991 fertiggestellt worden sind” zum Ausdruck gebracht. Der Begriff der nachträglichen Herstellungsarbeiten beinhaltet demnach nicht eine zeitliche sondern eine sachliche Beschränkung auf solche Baumaßnahmen, die als nachträgliche Herstellungsarbeiten qualifiziert werden können. Die Beurteilung, ob es sich bei Baumaßnahmen um (Zweit-) Herstellungsarbeiten oder nachträgliche Herstellungsarbeiten an einem Gebäude handelt, hat nach der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil vom 6.11.2003 5 K 1398/01, EFG 2004, 366) nach den im Handels- und Steuerbilanzrecht entwickelten Begrifflichkeiten zu erfolgen. Danach liegt eine Zweitherstellung eines Gebäudes und keine nachträgliche Herstellungsmaßnahme an einem vorhandenen Gebäude vor, wenn ein Gebäude oder ein Gebäudeteil für eine andere als die bisherige Nutzung umgestaltet wird (BFH, Urteil vom 31.3.1992 IX R 175/87, BFHE 168, 109, BStBl. II 1992, 808; BFH, Urteil vom 4.3.1998 X R 151/94, BFH/NV 1998, 1086; Ellrott/Schmidt-Wendt in Beck'scher Bilanzkommentar, 5. Aufl., § 255 HGB Rdnr. 378). Allein diese Auslegung des Gesetzes entspricht dem im Gesetzgebungsverfahren dokumentiertem Ziel des Gesetzgebers, angesichts des großen Sanierungsbedarfs „im Bereich des Wohnungswesens die Modernisierung des Bestands an Mietwohnungen” vorrangig zu fördern (BT-Drucksache 13/7792 S. 7).

    Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte zu Recht die Investitionszulage auf 0,– DM festgesetzt. Das Gebäude wurde nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten seit den Umbaumaßnahmen im Jahre 1972 nicht mehr zu Wohnzwecken sondern ausschließlich als Schule genutzt. Dem kann nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, die Klägerin habe das Schulgebäude vor Beginn der Baumaßnahmen der Wohnnutzung gewidmet. Für die Frage, ob es sich bei den zu begünstigten Baumaßnahmen um Modernisierungsmaßnahmen an einem Mietwohngebäude handelt, kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin unter Berücksichtigung des aufgezeigten Gesetzeszwecks nicht auf die Widmung sondern auf die vorangegangene tatsächliche Nutzung an.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –.

    VorschriftenInvZulG 1999 § 3 Abs. 1 Nr. 1, InvZulG 1999 § 3 Abs. 1 Nr. 3