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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 27.10.2009 – 4 K 129/07

    Zur Frage, ob der Nacherhebung von Eingangsabgaben eine von der Europäischen Kommission geduldete gemeinschaftswidrige nationale Verwaltungspraxis entgegensteht.


    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Nacherhebung des Zollwertes wegen nicht erfasster Kosten von Umschließungen zulässig ist.

    Mit ergänzender Zollanmeldung vom 07.08.2003 meldete die Klägerin Konserven aus China zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Dem chinesischen Hersteller hatte sie die für die Herstellung der Konserven notwendigen Umschließungen (Gläser und Metalldrehverschlüsse), die aus dem freien Verkehr der Gemeinschaft stammten und die sie von innergemeinschaftlichen Lieferern entgeltlich erworben hatte, unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Die der Klägerin von den chinesischen Herstellern berechneten Preise für die eingeführten Konserven in Gläsern haben nicht die Kosten für die Umschließungen enthalten. Bei der Überführung der Waren in den freien Verkehr hat die Klägerin den ihr vom Lieferer in Rechnung gestellten Preis der Zollwertfeststellung zugrunde gelegt und die Kosten der Umschließungen nicht dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis für die eingeführte Ware hinzu gerechnet.

    Diese Verfahrensweise entsprach der früheren Dienstanweisung VSF Z 5314 vom 15.03 1993 (Ziffer 7) und blieb über Jahre hinweg unbeanstandet. Nach dieser Dienstanweisung ging die Zollverwaltung an sich davon aus, dass dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis die Kosten von Umschließungen, die für Zollzwecke als Einheit mit den betreffenden Waren angesehen werden, hinzuzurechnen seien. Wörtlich heißt es sodann: „Dies gilt nicht, wenn die Umschließungen aus dem freien Verkehr des Zollgebiets der Gemeinschaft stammen und vom Käufer zur Verfügung gestellt worden sind”. Wie das Bundesministerium der Finanzen (BMF) dem Verein A e. V., einem Fachverband, dem die Klägerin angehört, mit Schreiben vom 16.08.2000 mitgeteilt hatte, beruhte diese Rechtspraxis auf einer Duldungsabsprache mit der Europäischen Kommission.

    Am 10.12.2002 wurde die Änderung der Dienstvorschrift Zollwertrecht in der FSV N 65/2002 bekannt gegeben. Unter Abs. 42 der Dienstvorschrift Z 51 01 heißt es nunmehr: „Kosten für Umschließungen sind dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis hinzuzurechnen, wenn die zu bewertende Ware und ihre Umschließung gemeinsam einzureihen sind. Umschließungen sind Behältnisse (z.B. Kamerataschen, Geigenkästen, Brillenetuis, Bierfässer) und Verpakkungen (z.B. Papiersäcke, Getränkedosen Eierkartonagen und Joghurtbecher), die eine Lagerung oder Verpackung der Ware ermöglichen.”

    Die geänderte Dienstanweisung zum Zollwertrecht wurde in den VSF-Nachrichten vom 10.12.2002 (N 65 2002 Nr. 466) bekannt gegeben. Mit VSF-Nachrichten vom 27.2.2003 (N 13 2003) wies die Bundesfinanzverwaltung zudem darauf hin, dass aufgrund geänderter zollwertrechtlicher Regelung für die Behandlung von Umschließungen (Hinweis auf die in den VSF-N 65 2002 veröffentlichte neue Dienstvorschrift Zollwert, VSF Z 51 01 Absatz 42) eine entsprechende Änderung der Dienstvorschrift Passive Veredelung, VSF Z 1601, erforderlich sei. Die bisherige Regelung könne nicht mehr beibehalten werden. Vom Inhaber der Bewilligung zur Verfügung gestellte Verpackungs- und Umschließungsmaterialien seien künftig in die Bewilligung der passiven Veredelung mit einzubeziehen und in das Verfahren der passiven Veredelung zu überführen (III B 1 - Z 1490 - 1/03 vom 17.2.2003).

    Mit Erlass vom 13.01.2005 - III B 2 - Z 5314-305 - wies das BMF die Oberfinanzdirektion Hamburg an, wie folgt zu verfahren:

    Nicht zu korrigieren sind die Einfuhrgänge vor dem 27. Februar 2003, (Datum der überarbeiteten DV im Bereich passive Veredelung -pV-).

    Die vor dem 27. Februar 2002 ausgeführten Umschließungen, die nach dem 27. Februar 2003 befüllt eingeführt werden, bleiben zollwertrechtlich unberücksichtigt, weil für diese Umschließungen auch bei fristgerechter Beantragung einer rückwirkenden pV keine Einfuhrabgabenfreiheit (wie es sie nach der alten nationalen DV gab), mehr hätte erreicht werden können. .... Die zwischen In-Kraft-Treten der rückwirkenden pV und dem 27. Februar 2003 ausgeführten Umschließungen, die befüllt nach dem 27. Februar 2003 eingeführt wurden bzw. noch werden, sind, um eine Abgabenbegünstigung zu erlangen, von den Wirtschaftsbeteiligten über bestehende pV'en abzuwickeln.

    Für die nach dem 27. Februar 2002, aber vor In-Kraft-Treten der rückwirkenden pV ausgeführten Umschließungen, die befüllt nach dem 27. Februar 2003 eingeführt wurden bzw. noch werden, sind Steueränderungsbescheide zu erlassen.

    Nachdem die Klägerin von der geänderten Zollpraxis erfahren hatte, beantragte sie am 27.08.2003 bei dem Beklagten die Bewilligung einer rückwirkenden pV für die Umschließungen. Der Beklagte erteilte daraufhin am 01.12.2003 eine Bewilligung der pV rückwirkend für ein Jahr ab Antragstellung, d. h. mit Wirkung vom 01.09.2002.

    Die im Zeitraum 28.02.2002 bis 31.08.2002 ausgeführten Umschließungen wurden aufgrund der geänderten Zollpraxis bei der Wiedereinfuhr nach dem 27. Februar 2003 als zollpflichtig angesehen. Dementsprechend erließ der Beklagte gem. Art. 220 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 2913/92 - Zollkodex (ZK) - Einfuhrabgabenbescheide unter Berücksichtigung der um die Kosten der Umschließungen erhöhten Zollwerte. Der fristgerecht eingelegte Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Die Einspruchsentscheidung wurde am 30.04.2007 zur Post gegeben.

    Mit der fristgerecht erhobenen Klage beruft sich die Klägerin in erster Linie auf Vertrauensschutz. Sie habe darauf vertraut, dass in dem betroffenen Zeitraum ausgeführten Umschließungen auch nach dem 27.02.2003 ohne Einbeziehung in den Zollwert wieder in die Gemeinschaft eingeführt werden dürften. Diese Vorgehensweise sei in der alten Dienstvorschrift Z 5314 dokumentiert gewesen und durch die vorangegangenen Betriebsprüfungen bestätigt worden. Darüber hinaus habe das BMF die damalige deutsche Verwaltungspraxis im Schreiben an den Verein A vom 16.08.2000 bestätigt. Das der Klägerin durch die Geschäftsführung des Vereins A zur Kenntnis gebrachte Schreiben habe die begründete Erwartung geweckt, dass die deutschen Zollbehörden keine Zurechnung von Kosten für aus der EU stammende Umschließungen vornehmen würden, solange dem Verein A nichts Gegenteiliges mitgeteilt werde. Der Verein A sei weder über die im Dezember 2002 eingetretene Änderung der Dienstvorschrift Zollwertrecht noch über die im Februar 2003 eingetretene Änderung der Dienstvorschrift zur passiven Veredelung informiert worden, auch nicht darüber, dass die angebliche Duldungsabsprache zwischen dem BMF und der Kommission zwischenzeitlich aufgehoben worden sein soll.

    Aufgrund der jahrelang gepflogenen Verwaltungspraxis sei eine Selbstbindung der Verwaltung eingetreten, die einer rückwirkenden Nacherhebung entgegenstehe.

    Zudem sei die Nacherhebung nach Art. 220 Abs. 2 Buchstabe b ZK ausgeschlossen. Die Nacherhebung sei auf einen Irrtum des Beklagten zurückzuführen. Der Beklagte habe seine frühere Verfahrensweise auf der Grundlage der alten Dienstvorschrift Z 5314 für rechtmäßig erachtet, obwohl sie im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht gestanden habe. In der langjährigen unrichtigen, mit Art. 32 ZK unvereinbaren Verwaltungspraxis sei somit ein erheblicher Irrtum des Beklagten zu sehen, ohne dass es auf ein eigentliches zollbehördliches Handeln des Beklagten zum Zeitpunkt der konkreten Einfuhrabfertigung ankomme. Der Irrtum über die zollrechtliche Behandlung von Umschließungskosten sei für die Klägerin nicht erkennbar gewesen. Sie habe aufgrund des BMF-Schreibens vom 16.08.2000 keinen Zweifel an der Richtigkeit der Nichteinbeziehung der Umschließungskosten im Zollwert gehabt. Der Prüfungsbericht vom 20.06.2002 habe zudem die Behandlung der Zollwerte in dem Sinne bestätigt, dass die Kosten für die Umschließungen nicht dem Zollwert hinzuzurechnen seien. Die Aufgabe der langjährigen Verwaltungspraxis durch die geänderten Dienstvorschriften Z 5101 vom 10.12.2002 und Z 1601 vom 27.02.2003 sei überraschend und nicht vorhersehbar gewesen. Eine allgemeine Pflicht zur Lektüre der VSF-Nachrichten ergebe sich nicht aus dem Gemeinschaftsrecht.

    Im Übrigen sei die Nacherhebung angesichts der dargelegten Umstände unverhältnismäßig. Die Klägerin habe es nur deshalb unterlassen, die ausgeführten Umschließungen im Wege der passiven Veredelung abzuwickeln, weil das BMF den Verein A nicht über die Änderungen der Dienstvorschrift informiert habe. Es wäre unverhältnismäßig, wenn die Klägerin wegen einer unrichtigen Verwaltungspraxis, die sie nicht zu vertreten habe, im Nachhinein Einfuhrabgaben zu entrichten hätte, obwohl bei gemeinschaftskonformer Anwendung der Veredelungsvorschriften keine Abgabenschuld entstanden wäre.

    Schließlich werde der Grundsatz der Rechtssicherheit verletzt, wenn eine für den einzelnen Wirtschaftsbeteiligten vorteilhafte und jahrelang praktizierte nationale Verfahrensweise, die angeblich mit Wissen und Duldung der Europäischen Kommission angewandt werde, mit sofortiger Wirkung an die europäische Rechtslage angepasst werde, ohne den Betroffenen eine ausreichende Übergangsfrist zu gewähren.

    Die Klägerin beantragt,

    den Einfuhrabgabenbescheid .../.../.../... des Beklagten vom 17.05.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.04.2007 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er bezieht sich auf die Einspruchsentscheidung.

    Er räumt ein, dass die Zollverwaltung über einen langen Zeitraum die Kosten für die Umschließungen bei den regelmäßig von der Klägerin getätigten Einfuhren zu Unrecht nicht dem Zollwert hinzugerechnet habe. Nach Art. 32 Abs. 1 a (Nr. iii) ZK seien Verpackungskosten dem Zollwert hinzuzurechnen. Die in Rede stehenden Umschließungen verlören ihren zollrechtlichen Status als Gemeinschaftswaren mit dem Verlassen des Zollgebiets der EG. Eine Abgabenbefreiung als Rückware scheide für die Umschließungen gem. Art. 186 ZK aus, da sie nicht in dem Zustand wieder eingeführt wurden, in dem sie ausgeführt worden seinen.

    Mit dem am 27.02.2003 in der VSF-Nachrichten Nr.12/2003 bei der Bundesanzeigerverlagsgesellschaft veröffentlichten Erlass vom 17.02.2003 III B 1 -Z 1490 - 1/03 werde unter Hinweis auf die bereits mit VSF-Nachrichten 65/2002 Nr. 64 (Erscheinungsdatum: 10.12.2002) geänderte Dienstanweisung Zollwert sowie die Dienstanweisung zur passiven Veredelung unter VSF Z 601 die endgültige Abkehr von der Nichteinbeziehung der in Rede stehenden, vom Ausführer dem drittländischen Einführer unentgeltlich zur Verfügung gestellten Umschließungen in den Zollwert mitgeteilt und auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Umschließungen bei der Ausfuhr aus der EG in das Verfahren der passiven Veredelung zu überführen.

    Ein Irrtum der Zollbehörde liege nicht vor. Im Streitfall habe die Klägerin die befüllten Umschließungen im Rahmen eines Anschreibeverfahrens unter Selbstberechnung der Einfuhrabgaben in den freien Verkehr überführt. Die Abrechnungsstelle habe keine Kenntnis davon gehabt, dass separate Umschließungskosten angefallen seien. Diese seien weder in den vorgelegten Rechnungen zum Transaktionswert aufgeführt noch angemeldet noch sei die Abrechnungsstelle in sonst irgendeiner Weise hierauf hingewiesen worden. Damit seien die geltenden Vorschriften über die Anmeldung verletzt worden; die Einhaltung der Vorschriften der Zollanmeldung sei jedoch eine Tatbestandsvoraussetzung der in Rede stehenden Vorschrift des Art. 220 Abs. 2 b (ZK). Im Übrigen habe es sich jedenfalls nicht um einen aktiven Irrtum durch die Abrechnungsstelle gehandelt, wenn sie Hinweise auf den Anfall separater Umschließungskosten gehabt hätte, sondern um ein versehentliches „Abhaken” im Rahmen eines Massenverfahrens. Den Bediensteten der Zollverwaltung sei nicht erkennbar gewesen, dass die von der Klägerin nicht angemeldeten Umschließungskosten tatsächlich entstanden seien.

    Falls im Einzelfall ein Irrtum vorgelegen haben könnte, so sei dieser für einen gutgläubigen Schuldner erkennbar gewesen. Nach der Rechtsprechung stehe auch eine ständige, vom Gemeinschaftsrecht abweichende Verwaltungspraxis bei eindeutiger gemeinschaftsrechtlicher Rechtslage nicht der Erkennbarkeit eines Irrtums entgegen (FG Hamburg, Urteil vom 21.04.2006, 4 K 34/05; EuGH-Urteil vom 14.11.2002, C-251/00).

    4 Hefter Verwaltungsvorgänge haben vorgelegen.

    Gründe

    Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Nacherhebungsbescheid ist rechtmäßig.

    Nach Art. 220 Abs. 1 ZK erfolgt eine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach den Art. 218 und 219 buchmäßig erfasst oder mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden ist. Im Streitfall ist die Zollschuld mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden, denn die Kosten der Umschließungen waren im ursprünglichen Zollwert nicht berücksichtigt worden, weil die Klägerin diese Kosten nicht angegeben hatte. In rechtlicher Hinsicht besteht nunmehr auch unter den Beteiligten kein Streit, dass diese Kosten nach Art. 32 Abs. 1 a (ii bzw. iii) ZK dem Kaufpreis hinzuzurechnen sind. Die gesetzliche Regelung ist eindeutig. Nach dieser sind die Kosten für Umschließungen bzw. Verpackungen dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis hinzuzurechnen, soweit sie für den Käufer entstanden, aber nicht in dem für die Waren tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis enthalten sind. Die streitgegenständlichen Metalldrehverschlüsse und Gläser, die die Klägerin den chinesischen Herstellern unentgeltlich zur Verfügung gestellt hatte, unterfallen auch dem Begriff der Umschließungen im Sinne des Art. 32 Abs. 1 lit. a) ii) ZK, da sie Behältnisse darstellen, die sich nicht nur zur Beförderung der Waren, sondern auch zu ihrer Lagerung und Vermarktung eignen (vgl. zum Begriff der Umschließungen Reiche, in: Witte, Zollkodex, 5. Auflage, Art. 32, Rz. 12). Die Kosten für die Gläser und Verschlüsse sind der Klägerin tatsächlich entstanden. Auch das ist unter den Beteiligten nicht streitig.

    Für eine dahin gehende Ausnahme, dass die Kosten von Umschließungen nicht hinzugerechnet werden, wenn die Umschließungen aus dem freien Verkehr des Zollgebiets der Gemeinschaft stammen und vom Käufer zur Verfügung gestellt worden sind (so VSF Z 5314 alt), gibt die gesetzliche Regelung des Zollkodexes nichts her. Ob und inwieweit diese Verwaltungspraxis auf die Bestimmung des Art. 8 VO (EWG) Nr. 803/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über den Zollwert der Waren (Zollwertverordnung) zurückzuführen ist, (so Reiche in Witte, Zollkodex, 3. Auflage, Art. 32 Rdnr. 17) kann dahingestellt bleiben. Weder Art. 8 Zollwertverordnung noch die Bestimmung in Art. 32 ZK lassen erkennbar Raum für die frühere Verwaltungspraxis. Auch der Beklagte hält diese Verwaltungspraxis aus heutiger Sicht nicht für rechtmäßig.

    Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Beklagte nicht aus dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung an der nachträglichen Erhebung der Zollschuld gehindert. Ob eine solche Selbstbindung hier schon deswegen ausscheidet, weil der Gleichheitssatz die Verwaltung nicht zur Wiederholung oder Beibehaltung eigenen fehlerhaften Verhaltens zwingt, kann dahingestellt bleiben. Denn in der Rechtsprechung ist jedenfalls geklärt, dass Verwaltungsanweisungen, die im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stehen, nicht der Vorrang vor dem Gemeinschaftsrecht verliehen werden kann. (BFH-Urteil vom 18.03.1986 VII R 55/83, BFHE 146, 92; zum Vorrang des Gemeinschaftsrechts vgl. auch BFH-Urteil vom 31.07.1984 VII R 91/83 ZfZ 1985, 50; BFH-Urteil vom 18.03.1986 VII R 55/83 BFHE 146, 94 und BFH-Beschluss vom 24.04.1990 VII B 197/89, BFH/NV 1991, 105). Im Rahmen der gebundenen Verwaltung scheidet deshalb eine Selbstbindung der Verwaltung an eine vom Gemeinschaftsrecht abweichende Verwaltungspraxis auch dann aus, wenn sie auf einer die Verwaltung intern bindenden Dienstanweisung beruht.

    Auch die Duldung der in der Dienstanweisung VSF Z 5314 vom 15.3.1993 geregelten, vom Gemeinschaftsrecht abweichenden Veraltungspraxis durch die Kommission bewirkt keine Selbstbindung der Zollverwaltung, und zwar auch dann nicht, wenn sie auf einer Duldungsabsprache mit der Europäischen Kommission beruhte. Denn gültiges Gemeinschaftsrecht kann nicht dadurch außer Kraft gesetzt werden, dass die Europäische Kommission eine nationale gemeinschaftsrechtswidrige Verwaltungspraxis zulässt. Die Vorschrift des Art. 32 Abs. 1 lit. a) ii) ZK stellt das einzige positive Recht auf dem Gebiet des Zollwertrechts dar; diese Normierung in Form einer Ratsverordnung ist nicht nur von jeder nationalen Verwaltungsbehörde, sondern auch von der Europäischen Kommission anzuwenden und zu beachten (vgl. EuGH, Urteil vom 20.11.2008, C-38/07, Rz. 61; Urteil vom 13.1.2004, C-453/00, Rz. 22; Urt. vom 12.7.1989, C-161/88, Rz. 19), anderenfalls ihre einheitliche Geltung und Anwendung im Gemeinschaftsgebiet in Frage gestellt wäre.

    Unerheblich ist, dass die Verfahrensweise der Klägerin nach der Dienstanweisung VSF Z 5314 alt in den früheren Betriebsprüfungen unbeanstandet blieb. Nach § 173 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) erhalten nur die Steuerbescheide Bestandsschutz, soweit sie aufgrund einer Außenprüfung ergangen sind, was im Streitfall nicht gegeben ist. Für zukünftige Besteuerungszeiträume entfalten Betriebsprüfungsberichte mangels gesetzlicher Regelung keine Bindungswirkung. Eine verbindliche Zusage im Anschluss an eine Außenprüfung nach § 204 AO ist von der Klägerin nicht beantragt worden, sodass sich die Frage der Anwendbarkeit der genannten Vorschriften der Abgabenordnung nicht stellt.

    Auch das Schreiben des BMF an den Verein A e.V. vom 16.08.2000 entfaltet keine Bindungswirkung. Es stellt keine Zusage für eine zukünftige Beibehaltung der bisherigen Verwaltungspraxis dar. Eines Hinweises gegenüber dem Verein A auf die geänderte Verwaltungspraxis bedurfte es entgegen der Auffassung der Klägerin aus rechtlicher Sicht schon deshalb nicht, weil das Schreiben keine eigenständige rechtliche Regelung enthielt, sondern einen bloßen Hinweis auf die bestehende von der Kommission geduldete Verwaltungspraxis. Eine Zusage für den Fortbestand war damit nicht verbunden, sodass die Klägerin hierauf auch nicht vertrauen konnte.

    Auf eine gesonderte Unterrichtung ihres Fachverbandes durch das BMF durfte sich die Klägerin auch deshalb nicht verlassen, weil regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass sich ein Fachverband über sein Fach betreffende und für seine Mitglieder bedeutsame Dienstanweisungen durch den Bezug einschlägiger Amtsblätter informiert und seine Mitglieder zeitnah unterrichtet.

    Der Nachforderung steht auch Treu und Glauben nicht entgegen. Nach der früheren Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 05.02.1980 VII R 191/77, ZfZ 1980, 278) entschied sich beim Stand 1972 der Rechtsangleichung der EWG auf dem Gebiet des Zollrechts die Frage, ob die Nachforderung von Zöllen der Grundsatz von Treu und Glauben entgegensteht, noch nach innerstaatlichem Recht. Zu dieser Auffassung gelangte der BFH, weil seinerzeit das außertarifliche Gemeinschaftszollrecht nur partielle Zollregelungen enthielt. Schon deshalb konnte es nicht ohne ergänzende Anwendung der Bestimmungen des einzelstaatlichen Zollrechtes das Funktionieren des gemeinsamen Marktes ermöglichen. Da das Gemeinschaftszollrecht 1972 keine Vorschriften über die Nachforderung von Zöllen, die bei ihrer Entstehung zu Unrecht unerhoben geblieben sind, enthielt, ergab sich, dass sich das Ob und das Wie der Nachforderung von zunächst zu Unrecht unerhoben gebliebenen Zöllen damals nach nationalem Recht richtete. Diese Erwägungen können im Streitfall aber nicht greifen, denn bereits mit der Verordnung (EWG) Nr. 1692/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, dass die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet, war eine gemeinschaftsrechtliche Regelung ergangen, die die Einzelheiten der Nachforderung von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben enthielt. . Im Gemeinschaftsrecht wird Vertrauensschutz durch die Regelungen der Art. 220 und 239 des ZK gewährt (EuGH-Urteil vom 20.11.2008 C 375/07, Tz. 57, Slg. 2008 S. 00000). Seit Inkrafttreten des Zollkodex bestimmt Art. 220 ZK unter welchen Voraussetzungen eine nachträgliche buchmäßige Erfassung zu erfolgen hat. Insbesondere da auch die Frage des Vertrauensschutzes in Art. 220 Abs. 2 b ZK eine gemeinschaftsrechtliche Regelung erfahren hat, kann nicht mehr auf nationalstaatliche rechtliche Gesichtspunkte von Treu und Glauben zurückgegriffen werden.

    Der Grundsatz des Vertrauensschutzes steht der Nachforderung im Streitfall nicht entgegen. Zwar kann sich auf Vertrauensschutz nach allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen jeder berufen, bei dem die Gemeinschaftsverwaltung begründete Erwartungen erweckt hat (vgl. EuGH, Urteil vom 7.9.2006, C-310/04, Rz. 81, juris; Urteil vom 22.6.2006, C-182/03, Rz. 8, juris; Urteil vom 18.1.2000, T-290/97, Rz. 59; Urteil vom 17.12.1998, T-203/96, Rz. 74, jeweils m.w.N.); dagegen kann niemand eine Verletzung dieses Grundsatzes geltend machen, dem die Gemeinschaftsverwaltung keine bestimmten Zusicherungen gemacht hat (vgl. EuGH, Urteil vom 18.1.2000, T-290/97, Rz. 59, juris; Urteil vom 14.9.1995, T-571/93, Rz. 72, juris). Abgesehen davon, dass es kein berechtigtes Vertrauen in den Fortbestand einer - wie hier - offenkundig gemeinschaftsrechtswidrigen Lage geben kann (vgl. EuGH, Urteil vom 25.3.2004, C-480/00, Rz. 67, juris; Urteil vom 15.9.2005, C-199/03, Rz. 68, juris), regelt freilich hinsichtlich der Nacherhebung von Abgaben die Vorschrift des Art. 220 ZK abschließend, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Berufung auf die Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes oder den Grundsatz von Treu und Glauben möglich ist (vgl. BFH, Urteil vom 5.4.1980, VII R 50/88, BFH/NV 1991, 204; Urteil vom 12.10.1999, VII R 6/99, BFH/NV 2000, 294; Urteil vom 6.6.2000, VII R 72/99, BFH/NV 2000, 1435). Diese gemeinschaftsrechtliche Normierung hat auch Vorrang vor nationalrechtlichen Grundsätzen.

    Der nachträglichen buchmäßigen Erfassung der Zollschuld steht im Streitfall nicht die Vorschrift des Art. 220 Abs. 2 b (ZK) entgegen. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung nach Art. 220 Abs. 2 ZK sind im Streitfall nicht gegeben. Es handelt sich dabei um drei Voraussetzungen, nämlich einen auf ein Handeln der zuständigen Behörde zurückzuführenden Irrtum der Zollbehörden, der vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte, dessen Gutgläubigkeit sowie die Einhaltung aller geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung durch den Zollschuldner (ständige Rechtsprechung vgl. EuGH-Urteil vom 18.10.2007 C 173/06 Slg. 2007 S. I-08783 und vom 27.06.1991 C 348/89, Slg. 1991, I-3277 Rdnr. 12).

    Im Streitfall fehlt es schon an einem Irrtum in dem dargestellten Sinne. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat wiederholt festgestellt, dass im Rahmen des Art. 220 Abs. 2 ZK lediglich solche Irrtümer, die auf ein Handeln der zuständigen Behörde zurückzuführen sind, einen Anspruch auf ein Absehen von der Nacherhebung begründen

    (vgl. EuGH Urteil vom 18.10.2007, C-173/06, Rz. 32; Beschluss vom 9.12.1999, C-299/98 P, Leitsatz 2). Die zuständige Behörde muss deshalb die Angaben in der Zollanmeldung tatsächlich geprüft und das

    Ergebnis dieser Prüfung der Abgabenfestsetzung zugrunde gelegt haben; die Behörde muss - mit anderen Worten - selbst auf der Basis des vollständigen Sachverhalts die Grundlage geschaffen haben, auf der das Vertrauen des Abgabenpflichtigen beruht (vgl. EuGH, Urteil vom 14.11.2002, C-251/00, Rz. 42, juris; Urteil vom 10.5.2001, T-186/97, Rz. 231, juris). Der vorliegende Streitfall ist indes dadurch gekennzeichnet, dass die entscheidungserhebliche Frage, ob die Umschließungskosten bei der Ermittlung des Zollwertes hinzuzurechnen sind, nicht Gegenstand einer Prüfung der Zollbehörden war. Die Zollanmeldungen enthielten keine Angaben darüber, dass die Klägerin die Umschließungen für die Konserven den chinesischen Herstellern unentgeltlich zur Verfügung gestellt hatte. Ausweislich der Anschreibungen hat die Klägerin lediglich die Ware nach der Anzahl der Kartons und der Anzahl der Gläser oder Dosen bezeichnet ohne Angabe, dass Gläser und Verschlusskappen auf eigene Kosten erworben und dem chinesischen Lieferer unentgeltlich zur Verfügung gestellt zu haben. Angesichts dieser unvollständigen Tatsachengrundlage konnte die Zollbehörde keine Prüfung der zollwertrechtlichen Behandlung der Umschließungskosten vorgenommen haben und von daher auch keinem Vertrauensschutz begründenden Irrtum im Sinne des Art. 220 Abs. 2 ZK unterlegen sein. . Ein allgemeiner Irrtum der Zollverwaltung, der sich insoweit auf die FSF-Vorschrift Z 5314 stützen konnte, genügt regelmäßig nicht den Anforderungen eines Irrtums im Sinne von Art. 220 Abs. 2 ZK.

    In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass ausnahmsweise auch eine langjährige unrichtige Abfertigungspraxis ohne ein eigentliches zollbehördliches Handeln einen Irrtum begründen kann (EuGH, Urteil vom 01.04.1993 C-250/91, Slg. 1993 I-01819; BFH-Urteil vom 04.11.2003, VII R 23/02, ZfZ 2004 128). Hierauf kann sich die Klägerin im Streitfall jedoch nicht stützen. Der Europäischen Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 1.4.1993 (C-250/91, juris) allerdings betont, dass in einem solchen Fall ein den zuständigen Zollbehörden zuzurechnender Irrtum nur vorliegt, wenn die Zollanmeldung des Abgabenschuldners alle für die Anwendung der betreffenden Regelung erforderlichen Angaben enthielt, so dass eine eventuelle nachträgliche Überprüfung durch die zuständige Behörde keine neue Tatsache ergeben kann (Rz. 19). So liegt der Fall hier indes nicht. Denn die streitbefangenen Zollanmeldungen waren - wie bereits dargelegt - insofern unvollständig, als sie keine Angaben hinsichtlich der Umschließungskosten enthielten. Mit dieser Erkenntnis steht freilich zugleich fest, dass auch eine weitere Voraussetzung des Art. 220 Abs. 2 lit. b) ZK nicht gegeben ist, nämlich dass die Klägerin alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat. Nach Art. 62 Abs. 1 ZK müssen aber die Zollanmeldungen alle Angaben enthalten, die zur Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet werden, erforderlich sind.

    Der Senat übersieht nicht, dass ausnahmsweise ein Irrtum schon in der widerspruchslosen Entgegennahme der Zollanmeldung liegen kann (EuGH, Urteil vom 22.10.1987, C-314/85, Slg. 1987, 4199, Rz. 24). Allerdings kann ein solcher Irrtum nur dann als erheblich im Sinne von Art. 220 Abs. 2 Buchstabe b ZK angesehen werden, wenn die Anmeldung alle für die Anwendung der betreffenden Regelung erforderlichen tatsächlichen Angaben enthielt. Daran fehlt es jedoch - wie dargelegt - im Streitfall. Dass die Klägerin diese Angaben im Vertrauen auf die in der Dienstanweisung VSFZ 5314 alt dokumentierte Rechtsanwendung unterließ, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Im Rahmen der Nacherhebung kommt es nicht darauf an, ob der Zollbeteiligte Angaben schuldhaft unterlassen oder schuldhaft unrichtige Angaben gemacht hat. Die Einhaltung aller geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung ist tatbestandliche Voraussetzung für die Anwendung der Rechtsfolge der Vorschrift des Art. 220 Abs. 2 Buchstabe b) ZK. Der irrtümliche Glaube, die Anmeldevorschriften eingehalten zu haben, vermag den gesetzlich erforderlichen Tatbestand nicht zu ersetzen.

    Da ein beachtlicher Irrtum der Zollbehörde nicht vorliegt, bedarf es nicht der weiteren Prüfung, ob ein gegebener Irrtum hätte erkannt werden können (vgl. hierzu EuGH - Urteil vom 26.06.1990 C-64/89, Tz. 15 ff., Sammlung der Rechtsprechung 1990 Seite I-02535).

    Ob aufgrund der unrichtigen Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die deutsche Zollverwaltung ein Erlass bzw. eine Erstattung der Abgaben in Betracht kommt, ist in diesem Verfahren nicht zu beurteilen, denn eine Entscheidung der Verwaltung über den Erlassantrag der Klägerin ist noch nicht erfolgt.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.