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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 29.10.2009 – 1 K 5827/08

    1. Hinsichtlich der Verlängerung des Kindergeldes für ein Kind, das sich in Berufsausbildung befindet und Zivildienst geleistet hat, über die Vollendung des 26. Lebensjahres hinaus, kommt es nicht darauf an, für wie viele Monate (zu Recht oder zu Unrecht) kein Kindergeld gewährt worden ist, sondern darauf, wie viele Monate die Ausbildung durch den Ersatzdienst unterbrochen worden ist.

    2. Die Verlängerung entspricht auch dann der Dienstzeit (von zehn Monaten), wenn der Dienst nicht am Monatsersten angetreten wurde und daher im ersten Monat des Wehrdienstes/Ersatzdienstes noch Kindergeld bezogen worden ist.


    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 1. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2009, an der mitgewirkt haben Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Ehrenamtliche Richterinnen …

    für Recht erkannt:

    1. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin für ihren Sohn K für den Februar 2009 Kindergeld zu gewähren.

    2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

    3. Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Die Klägerin begehrt Kindergeld für ihren Sohn K, geboren xx. April 1982, für den Februar 2009, weil nicht neun sondern zehn Monate Verlängerung des Zeitraums, für den Kindergeld gewährt wird, zu berücksichtigen seien.

    Der Sohn der Klägerin leistete seinen Zivildienst vom 16. Oktober 2001 bis zum 15. August 2002, also für volle zehn Monate. Die Klägerin erhielt für den Oktober 2001 und für den August 2002 Kindergeld, da der Sohn jeweils einen halben Monat in Ausbildung war. Das Kindergeld wurde also für neun Monate nicht gewährt. Der Sohn war unstreitig mindestens bis Februar 2009 in Ausbildung.

    Mit Bescheid vom 7. November 2008 wurde das Kindergeld gegenüber der Klägerin ab 1. Februar 2009 aufgehoben mit der Begründung, der Sohn habe im April 2008 das 26. Lebensjahr vollendet und nach § 52 Abs. 40 Satz 4 Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 werde Kindergeld gemäß §§ 63 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 EStG bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres gewährt. Gemäß§ 32 Abs. 5 Satz 1 EStG werde ein Kind, das den Zivildienst geleistet hat, für einen der Dauer dieser Dienste entsprechenden Zeitraum über das 26. Lebensjahr hinaus berücksichtigt. Das Kindergeld werde gemäß § 66 Abs. 2 EStG bis zum Ende des Monats gezahlt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen. Nach DA-FamEStG 63.5 Abs. 3 sollen beim Verlängerungstatbestand nur die Monate des Ersatzdienstes berücksichtigt werden, die nach Vollendung des 18. Lebensjahres abgeleistet werden und nicht bereits zu einem Kindergeldanspruch geführt haben.

    Der Einspruch der Klägerin vom 9. November 2008 wurde mit Einspruchsentscheidung vom 24. November 2008 zurückgewiesen. Die Verlängerung könne höchstens für die Dauer des geleisteten Ersatzdienstes über das 26. Lebensjahr hinaus berücksichtigt werden. Die Monate Oktober 2001 und August 2002 müssten als Verlängerungszeitraum ausscheiden, weil für diese Monate bereits Kindergeld gewährt wurde.

    Mit der Klage vom 16. Dezember 2008 verweist die Klägerin auf die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 29. August 2007 (10 K 224/04, EFG 2007, 1961) und das BFH-Urteil vom 27. August 2008 (III R 88/07, BFH/NV 2009, 132). Danach wurde unter den genau gleichen Umständen Kindergeld für zehn Monate über das 26. Lebensjahr hinaus gewährt.

    Die Klägerin beantragt,

    unter Aufhebung des Bescheids vom 7. November 2008 und der Einspruchsentscheidung vom 24. November 2008 die Beklagte zu verpflichten, für den Monat Februar 2009 Kindergeld in Höhe von 164 EUR zu gewähren.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie verweist auf die Einspruchsentscheidung und darauf, dass sie gemäß DA-FamEStG 63.5 Abs. 3 gebunden sei.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig und begründet.

    Nach § 52 Abs. 40 Satz 4 EStG (Gesetz vom 19. Juli 2006, BGBl I 1652), bzw. jetzt § 52 Abs. 40 Satz 6 EStG (Gesetz vom 16. Mai 2008, BGBl I 842) wird für Kinder, die 2006 das 24. Lebensjahr vollenden, Kindergeld bis zum vollendeten 26. Lebensjahr gezahlt. Für den Sohn der Klägerin steht ihr Kindergeld bis April 2008 zu. Darüber hinaus ist Kindergeld gemäß §§ 62, 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a und Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG zu gewähren, wenn das Kind Zivildienst geleistet hat. Diese Voraussetzungen liegen unstreitig vor. Es heißt in dieser Bestimmung, dass der Endzeitpunkt für die Gewährung des Kindergeldes für einen der Dauer des Dienstes entsprechenden Zeitraum hinausgeschoben wird. Der Ersatzdienst hat unstreitig 10 Monate gedauert.

    Im ersten und im letzten Monat des Ersatzdienstes haben die Voraussetzungen für die Gewährung des Kindergeldes vorgelegen, so dass tatsächlich das Kindergeld nur für neun Monate nicht gewährt worden ist. Nach dem Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 29. August 2007 (10 K 224/04, EFG 2007, 1961), bestätigt durch das BFH-Urteil vom 27. August 2008 (III R 88/07, BFH/NV 2009, 132) kommt es nicht darauf an, für wie viele Monate (zu Recht oder zu Unrecht) kein Kindergeld gewährt worden ist, sondern darauf, wie viele Monate die Ausbildung durch den Wehrdienst oder den Ersatzdienst unterbrochen worden ist. Diese Unterbrechung hat unstreitig zehn Monate gedauert und daher ist nach dem Wortlaut und im Sinn des Gesetzes für zehn Monate über das 26. Lebensjahr hinaus Kindergeld zu gewähren. Es geht nicht um einen Ausgleich für die durch den geleisteten Dienst entgangenen Bezüge an Kindergeld (so noch Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 3. April 2001, 7 K 211/99, EFG 2001, 1221 unter Hinweis auf Jachmann in Kirchhoff/Söhn, EStG-Kommentar, § 32 Rdnr. C 64 und Greite in Korn, EStG-Kommentar, § 32 Rdnr. 96 und BFH-Urteil vom 14. Mai 2002 VIII R 61/01, BStBl II 2002, 807, 2a, cc; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 31. März 1998 1 K 96/97, EFG 1998, 1068). Vielmehr entspricht die Verlängerung auch dann der Dienstzeit (von zehn Monaten), wenn der Dienst nicht am Monatsersten angetreten wurde und daher im ersten Monat des Wehrdienstes/Ersatzdienstes noch Kindergeld bezogen worden ist.

    Der Senat schließt sich der geänderten Rechtsprechung an und verweist deshalb auf die Begründungen dieser Entscheidungen.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

    Die Revision wird nicht zugelassen. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

    VorschriftenEStG § 52 Abs. 40 S. 6, EStG § 62, EStG § 63 Abs. 1 S. 2, EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a, EStG § 32 Abs. 5 S. 1 Nr. 1