02.11.2010
Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 15.10.2008 – 8 K 2162/06
1. Der Vorsteuerabzug für den innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG kann nicht wegen Rechtsmissbrauch (hier: Einbeziehung des Unternehmens in einen Gesamtplan zur Mehrwertsteuerhinterziehung) versagt werden.
2. Hat das FA unter Ausnutzung strafprozessualer Befugnisse ermittelt, umfangreich Beweise in Form von Rechnungs- und Transportbelegen des Unternehmens und anderer Unternehmen sowie von Zeugenaussagen erhoben und in seinen abschließenden Ermittlungsberichten festgestellt, dass das Unternehmen im Inland keine Umsätze mit Mobilfunktelefonen getätigt hat, besteht keine Befugnis zur Schätzung der umsatzsteuerlichen Besteuerungsgrundlagen.
3. Das FA kann Inlandsumsätze für Mobilfunktelefone nicht deshalb unterstellen, weil das Unternehmen bei der Feststellung des Sachverhalts Mitwirkungspflichten verletzt hat und als Beweisverderber aufgetreten ist (hier: Verschleierung der Lieferwege von Mobilfunktelefonen durch Ausstellung unrichtiger Transportbelege).
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 8. Senat unter Mitwirkung von Vorsitzender Richter am Finanzgericht …Richter am Finanzgericht …Richter am Finanzgericht … ehrenamtliche Richterin … ehrenamtlicher Richter … aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 15.10.2008
für Recht erkannt:
1. Der Haftungsbescheid vom 13.10.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.11.2006 wird dergestalt geändert, dass sich die Haftungssumme auf 47.302 Euro zuzüglich darauf entfallender haftungsgegenständlicher Zinsen für Umsatzsteuer 2003 und 75.976 Euro für Umsatzsteuer 2004 reduziert.
2. Dem Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, in welchem Umfang Umsatzsteuerschulden der e.t. GmbH vorliegen, für die der Kläger als Geschäftsführer haftet.
Die e.t. GmbH wurde in notarieller Urkunde v. 24.8.2000 (UR-Nr. A) der Notarin Gerlach, L.) durch den Kläger als Alleingesellschafter errichtet. Der Kläger war seinen Angaben vor der Notarin zufolge in I-Ausland wohnhaft. Die Gesellschaft nahm ihren Sitz in der H.-Str. in L., wo V. H. wohnte, die den Kläger zur notariellen Verhandlung am 24.8.2000 als Urkundszeugin begleitete. Im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung gab V. H. als Unternehmensgegenstand der e.t. GmbH Export und Import mit erlaubnisfreien Waren sowie Groß- und Einzelhandel an.
Am 22.7.2002 erließ das Finanzamt L. gegen die e.t. GmbH einen Umsatzsteuerbescheid 2000 auf Schätzungsgrundlage. Es wurden -0,51 Euro festgesetzt. Wegen ausgezahlter 388,48 Euro erging eine Zahlungsaufforderung in Höhe von 387,97 Euro. Darauf reichte die e.t. GmbH am 9.8.2002 eine Umsatzsteuererklärung ein. Sie erklärte steuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe in Höhe von 10.928.737 DM mit einer Umsatzsteuer in Höhe von 1.748.598 DM, setzte diesen Betrag und einen weiteren Betrag in Höhe von 1.195,29 DM als Vorsteuer an, und erklärte im Übrigen steuerfreie Umsätze aus innergemeinschaftlichen Lieferungen in Höhe 11.016.888 DM. Ein dieser Erklärung entsprechender Umsatzsteuerbescheid wurde am 17.9.2002 erlassen.
Am 8.10.2003 erging ein Umsatzsteuerbescheid 2001 mit einer Festsetzung von -3.358 DM auf folgender Grundlage: innergemeinschaftliche Erwerbe in Höhe von 79.264.047 DM bei Umsatzsteuern in Höhe von 12.682.247,52 DM, steuerpflichtige Lieferungen etc. in Höhe von 6.695 DM bei Umsatzsteuern in Höhe von 1.071,20 DM, steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen in Höhe von 57.158.358 DM und Vorsteuern in Höhe von 12.682.248,36 DM sowie 4.427,61 DM. Die Zahlen wurden den quartalsweise abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen der e.t. GmbH entnommen.
Die Umsatzsteuer 2002 wurde am 18.8.2004 mit -2.811,72 Euro auf folgender Grundlage festgesetzt: innergemeinschaftliche Erwerbe in Höhe von 64.456.685 Euro bei Umsatzsteuern in Höhe von 10.313.069,60 Euro, steuerpflichtige Lieferungen etc. in Höhe von 11.710 Euro bei Umsatzsteuern in Höhe von 1.873,60 Euro, steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen in Höhe von 65.058.993 Euro und Vorsteuern in Höhe von 10.314.943,20 Euro sowie 4.685 Euro. Die Zahlen wurden wiederum den quartalsweise abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen der e.t. GmbH entnommen.
Seit dem 17.12.2002 fand bei der e.t. GmbH eine Steuerfahndungsprüfung statt. Hierzu erging ein Zwischenbericht v. 14.6.2005 und ein Abschlussbericht v. 9.11.2006. Der letztgenannte Bericht stellt zum Sachverhalt fest: „Nach den bisherigen Feststellungen der Steuerfahndung ist davon auszugehen, dass die in den Rechnungen der Firma e.t. GmbH ausgewiesenen Waren existent sind. Bei den Lieferanten handelt es sich nach Auskunft der I-ausländischen Finanzbehörden um wirtschaftlich aktive und ihren steuerlichen Verpflichtungen nachkommende Unternehmen. Bei den angeblichen Erwerberfirmen handelt es sich in allen Fällen um wirtschaftlich nicht aktive Unternehmen, die nur gegründet wurden, um den tatsächlichen Rechnungs- und Lieferweg der Waren zu verschleiern.” (S.3). Die Steuerfahndung ordnete die Abnehmer der e.t. GmbH als Scheinunternehmen oder sog. missing trader ein, nahm an, dass diesen Unternehmen der Erwerb der Waren nicht zuzurechnen ist und folgerte, dass die e.t. GmbH die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer für die innergemeinschaftlichen Lieferungen nicht buchmäßig nachweisen (§ 17c Abs.1 UStDV) könne. Dementsprechend wurden die innergemeinschaftlichen Lieferungen als steuerpflichtig behandelt. Die Steuerfahndung stellte im Übrigen andere als die in den Steuerbescheiden 2000, 2001 und 2002 verarbeiteten Bemessungsgrundlagen fest. In der Anlage 1 zum Abschlussbericht v. 9.11.2006 wurden die Beträge der zugrunde gelegten Ausgangsrechnungen nach Monaten und Jahren aufaddiert. Für die Einzelheiten wird auf den Bericht v. 9.11.2006 verwiesen.
Am 1.7.2005 ergingen für die Jahre 2000-2002 ändernde Umsatzsteuerbescheide. Das Finanzamt L. schloss sich der Auffassung der Steuerfahndung an, dass nicht steuerfreie, sondern steuerpflichtige innergemeinschaftliche Lieferungen vorlägen. Die Bemessungsgrundlagen wurden bis auf geringe Abweichungen den Additionen, die schon dem Zwischenbericht als Anlage 1 beigegeben waren, entnommen. Zugleich erging ein Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2003: Es wurden steuerpflichtige Lieferungen in Höhe von 78.295.760 Euro mit einer Umsatzsteuer in Höhe von 12.527.321,60 Euro angesetzt. Im Übrigen wurden Umsatzsteuervoranmeldungen der e.t. GmbH verarbeitet, in denen innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte in Höhe von 53.726.990 Euro und Erstattungsbeträge in Höhe von 59.219,90 Euro und 654,03 Euro angegeben waren. Zur Begründung der Bescheide wurde jeweils angegeben, dass die Ergebnisse der durchgeführten Außenprüfung zugrunde lägen.
Seit dem 16.12.2002 wurden gegen den Kläger strafrechtliche Ermittlungen geführt. Hierzu erging ein Ermittlungsbericht ebenfalls am 9.11.2006. Der Bericht enthält in I-Ausland erhobene Erkenntnisse zu den Lieferanten und Abnehmern der e.t. GmbH sowie deren Abnehmern, Auszüge aus Vernehmungsprotokollen und Feststellungen zu sichergestellten Rechnungen und Lieferscheinen. Zu den Lieferwegen stellt der Bericht zusammenfassend fest, dass die Waren auf dem Papier von I-Ausland nach Ö-Ausland, nach I. zu einer Spedition K., und von dort zurück nach I-Ausland verbracht wurden (S. 66 unten). Auf der Grundlage von Zeugenaussagen, insonderheit einer Aussage von V. H., dass nämlich Mobiltelefone vom Fahrer der e.t. GmbH unmittelbar von den I-ausländischen Lieferanten zu den I-ausländischen Abnehmern gefahren und die anders lautenden Lieferscheine fingiert gewesen seien, und in Auswertung beschlagnahmter Unterlagen, hält der Bericht andererseits fest: Die Waren hätten oftmals nicht den auf den Lieferpapieren dargestellten Lieferweg genommen, sondern seien an Autobahnausfahrten bzw. in Lagerhallen in andere Fahrzeuge umgeladen worden (S. 78).
Am 8.7.2005 legte die e.t. GmbH gegen die Umsatzsteuerbescheide 2000-2003 und gegen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide v. 4.7.2005 Januar bis Oktober 2004 betreffend Einspruch ein. Die Einsprüche wurden am 16.11.2006 als unbegründet zurückgewiesen. Zum Sachverhalt hält die Einspruchsentscheidung fest: Die e.t. GmbH handelte hauptsächlich mit Mobiltelefonen. Sie wurden steuerpflichtig innergemeinschaftlich erworben. Die Lieferanten, die mit einer Ausnahme ihren Sitz in I-Ausland haben, sind wirtschaftlich existente und ihre Steuerpflicht erfüllende Unternehmen. Das Finanzamt geht davon aus, dass die erworbenen Mobiltelefone tatsächlich nach Deutschland gelangt sind und von Deutschland aus weitergeliefert wurden. Die angeblichen Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferungen waren nicht die tatsächlichen Empfänger. Außerdem handelte die e.t. GmbH mit Haushaltsgeräten, die sie im Inland erwarb. Insoweit hat die e.t. GmbH einen Vorsteuerabzug geltend gemacht.
In rechtlicher Hinsicht wurde in der Einspruchsentscheidung ausgeführt, dass die innergemeinschaftlichen Lieferungen als steuerpflichtig zu behandeln seien. Der Unternehmer habe die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht nachweisen können. Zum erforderlichen buchmäßigen Nachweis im Sinne des § 17c UStDV gehöre die Aufzeichnung der richtigen USt-ID-Nr. des wirklichen Abnehmers. Dieser Tatbestand liege nicht vor. Die e.t. GmbH könne sich auf einen Vertrauensschutz nicht berufen. Die e.t. GmbH habe an einem Mehrwertsteuerbetrug teilgenommen. Sie habe zu diesem Zweck Lieferscheine manipuliert.
Am 13.10.2006 erging gegen den Kläger ein Haftungsbescheid über 49.079.909,32 Euro. Er bezieht sich auf Lohnsteuer- und Lohnkirchensteuerschulden der e.t. GmbH, auf den Solidaritätszuschlag, auf Körperschaftsteuerschulden der e.t. GmbH, vor allem aber auf Umsatzsteuerschulden und geschuldete Umsatzsteuerzinsen der e.t. GmbH. Der am 19.10.2006 eingelegte Einspruch wurde am 28.11.2006 als unbegründet zurückgewiesen. Zu den Steuerschulden, für die der Kläger in Haftung genommen wurde, verwies das Finanzamt L. auf die gegen die e.t. GmbH gerichtete Einspruchsentscheidung v. 16.11.2006.
In dem Klageverfahren, das die e.t. GmbH am 20.11.2006 einleitete (8 K 2097/06 des Sächsischen Finanzgerichts), machte die e.t. GmbH geltend: Es verstoße gegen europäisches und nationales Recht, für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung in einer Rechtsverordnung des Bundes einen Buchnachweis zu verlangen. Zudem genieße die e.t. GmbH Vertrauensschutz. Der Beklagte habe lediglich behauptet, aber nicht näher dargelegt, dass der Geschäftsführer der e.t. GmbH wusste oder hätte wissen müssen, ihre Abnehmer seien wirtschaftlich inaktive Scheinunternehmen gewesen.
Zudem trug die e.t. GmbH vor: Sie habe rechtsfehlerhaft innergemeinschaftliche Lieferungen erklärt. Abgesehen von wenigen Ausnahmen seien die gekauften Mobiltelefone nicht nach Deutschland gelangt, sondern von I-Ausland an eine österreichische Spedition geliefert, dort zwischengelagert und anschließend nach I-Ausland zu den dortigen Abnehmern verbracht worden. Innergemeinschaftliche Lieferungen in Deutschland lägen deshalb nicht vor. Der Beklagte könne dagegen nicht geltend machen, er habe auf die Richtigkeit der Umsatzsteuererklärungen der e.t. GmbH vertrauen dürfen. In den steuerlichen Erklärungen sei nicht die Erklärung enthalten, die Liefergegenstände seien zur Ausführung von Lieferungen in das Inland gelangt. Die Eintragungen in den Erklärungsvordrucken beruhten auf einer irrtümlichen Rechtsfolgenbeurteilung. Die e.t. GmbH habe unrichtig angenommen, Lieferungen von I. nach I-Ausland seien als innergemeinschaftliche Lieferungen gegenüber dem deutschen Finanzamt anzugeben. Die e.t. GmbH führte weiter aus, dass die Finanzbehörde tatsächlich auf die Angaben der e.t. GmbH nicht vertraut habe, wie sich aus den Ermittlungen der Steuerfahndung und deren Feststellungen ergebe. Jedenfalls sei ein Vertrauen auf die Steuererklärungen der e.t. GmbH nicht schutzwürdig, da die Steuerfahndung gegenteilige Erkenntnisse gewonnen habe.
Nur in einem Fall, nämlich bei dem Bezug von der F. GmbH seien Mobiltelefone tatsächlich nach Deutschland gelangt. Hier habe die e.t. GmbH allerdings Verfügungsmacht nicht erlangt. Die Mobiltelefone seien nach den vorgelegten Unterlagen vor Abholung durch einen Fahrer der e.t. GmbH beschlagnahmt worden. Die e.t. GmbH habe demzufolge einem Abnehmer keine Verfügungsmacht über die Mobiltelefone verschaffen können. Mit der F. GmbH habe die e.t. GmbH keine dauerhafte Geschäftsbeziehung unterhalten.
Die von dem Beklagten angeführten Hinweise auf weitere Lieferungen ins Inland seien nicht beweiskräftig. Eine Rechnung des Lieferanten könne die Lieferung ins Inland nicht belegen. Angaben zur Beladestelle und zum Absender auf Papieren, die die Spedition K. in I. gefertigt hat, dokumentierten nicht, dass die Lieferung, zu der das Papier erstellt wurde, in Deutschland ihren Ausgangspunkt genommen habe. Andere, von dem Beklagten eingeführte Unterlagen belegten lediglich, dass die e.t. GmbH Leistungsempfänger war, nicht aber, dass nach Deutschland geliefert wurde.
Dem Beklagten sei es nicht möglich, die angegriffenen Umsatzsteuerbescheide auf den Tatbestand des § 1 Abs.1 Nr.5 i.V.m. § 3d Satz 2 UStG bei gleichzeitiger Versagung des korrespondierenden Vorsteueranspruches zu stützen. Abgesehen davon, dass der Beklagte einen Steueranspruch nach diesen Vorschriften nicht beziffert habe, lägen seine Voraussetzungen nicht vor. Es könne offen bleiben, inwieweit die e.t. GmbH gegenüber den Lieferern ihre deutsche USt.-ID-Nr. verwendet habe. Der Erwerb im Inland könne nicht mehr nach § 3d Satz 2 UStG fingiert werden, weil die Besteuerung im Bestimmungsland Ö-Ausland nachgewiesen sei. Die e.t. GmbH habe die innergemeinschaftlichen Erwerbe in Steuerklärungen gegenüber dem Finanzamt G. Stadt angegeben. Dabei seien die in Deutschland angegebenen innergemeinschaftlichen Erwerbe ungeprüft übernommen und durch Zuschätzungen erhöht worden.
Die e.t. GmbH stellte unstreitig, dass sog. weiße Ware, die Mobiltelefone nicht umfasst, in Deutschland erworben und aus dem Inland innergemeinschaftlich im Jahre 2003 für 342.940 Euro und im Jahre 2004 für 550.825,61 Euro geliefert wurde. Nachdem sie zunächst an ihrer Auffassung festgehalten hatte, dass insoweit steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen vorlägen, erklärte sie in mündlicher Verhandlung am 15.10.2008, keine Einwendungen gegen die Besteuerung zu erheben.
Der Kläger erhob gegen den Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung v. 28.11.2006 am 30.11.2006 Klage. Er bestreitet, dass die in den Haftungsbescheid aufgenommenen Umsatzsteuerschulden der e.t. GmbH vorhanden sind und trägt hierfür im Wesentlichen den Ausführungen der e.t. GmbH im Verfahren 8 K 2097/06 folgend vor.
Der Kläger beantragt,
den angefochtenen Haftungsbescheid dergestalt zu ändern, dass die Haftungssumme auf 123.278 Euro zuzüglich der darauf bezogenen haftungsgegenständlichen Umsatzsteuerzinsen für das Jahr 2003 reduziert wird,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte nahm in mündlicher Verhandlung am 15.10.2008 die Haftung für Lohnsteuer-, Lohnkirchensteuer- und Körperschaftsteuerschulden nebst zugehöriger Nebenforderungen zurück und reduzierte die Haftungssumme auf 49.008.298,73 Euro. Im Übrigen verteidigt er den Haftungsbescheid, indem er den Ausführungen des Klägers ebenso wie der Klage der e.t. GmbH entgegentrat:
Der Beklagte hat zunächst die Behauptung aufrechterhalten, Mobiltelefone seien zur Vornahme innergemeinschaftlicher Lieferungen tatsächlich in das Inland gelangt. Er hat dafür in seinem Schriftsatz v. 14.3.2007 insbesondere auf Rechnungen der Lieferanten und Versendungsunterlagen des Spediteurs K. aus I. verwiesen. Er hat dafür die im November 2001 in M. beschlagnahmte Lieferung angeführt. Er hat gemeint, dass die e.t. GmbH sich die in ihren Umsatzsteuererklärungen gemachten Angaben entgegenhalten lassen müsse. Der Beklagte habe davon ausgehen dürfen, dass die Erklärungen vollständig und richtig seien. Der Beklagte müsse den Erklärungen des Steuerpflichtigen nicht mit Misstrauen begegnen. Er habe auf die Angaben der e.t. GmbH vertrauen dürfen. Zudem habe die e.t. GmbH an der Aufklärung des Sachverhalts nicht mitgewirkt. Sie habe vielmehr in Person des Klägers den tatsächlichen Warenweg mit krimineller Energie zu verschleiern versucht. Zurecht habe der Beklagte allerdings für die ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferungen die Steuerbefreiung verneint. Denn die e.t. GmbH habe die USt.-ID-Nr. des tatsächlichen Abnehmers der Mobiltelefone nicht buchmäßig nachgewiesen.
In seinem Schriftsatz v. 9.10.2007 führt der Beklagte aus, bis auf wenige Ausnahmen könne nicht nachgewiesen werden, dass die streitgegenständlichen Waren tatsächlich ins Inland gelangt sind. Deshalb würde nicht mehr im bisher angenommenen Umfang von steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Lieferungen ausgegangen. Dennoch beruft er sich später für die Richtigkeit der angegriffenen Steuerbescheide auf eine Schätzungsbefugnis des Finanzamts nach § 162 AO. An der Besteuerung von innergemeinschaftlichen Lieferungen sog. weißer Ware würde festgehalten.
Die Steuerbescheide seien aber auch deshalb rechtmäßig, weil innergemeinschaftliche Erwerbe nach § 1 Abs.1 Nr.5 i.V.m. § 3d Satz 2 UStG zu besteuern sind. Die e.t. GmbH habe die Besteuerung im Bestimmungsland nicht nachgewiesen, so dass wegen der Verwendung der deutschen USt.-ID-Nr. gegenüber den Lieferanten ein Erwerbsort in Deutschland zu fingieren ist. Der korrespondierende Vorsteuerabzug sei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu versagen, weil die e.t. GmbH in Person des Klägers gewusst habe oder hätte wissen müssen, dass sie sich mit dem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war.
Der Beklagte hat Aussetzung des Verfahrens bis zur Erledigung des Verfahrens 8 K 2097/06 beantragt.
Auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die Akten des Beklagten und den Ermittlungsbericht in der Steuerstrafsache R.R. v. 9.11.2006 wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Der Senat kann nach mündlicher Verhandlung v. 15.10.2008 in der Sache entscheiden. Dem Antrag des Beklagten, das Verfahren bis zur Erledigung des Verfahrens 8 K 2097/06 auszusetzen, ist nicht stattzugeben, da dieses Verfahren kein vorgreifliches Verfahren im Sinne des § 74 FGO ist. Denn dieses Verfahren ist nicht bei einem anderen Gericht oder wenigstens bei einem anderen Senat des Sächsischen Finanzgerichts anhängig (zu dieser Voraussetzung BFH v. 10.10.2002, VI B 269/01, BFH/NV 2003, 77 m.w.N.).
II. Die Klage ist begründet. Der Haftungsbescheid v. 13.10.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung v. 28.11.2006 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, als er noch angefochten ist. Die gegen die e.t. GmbH gerichteten Umsatzsteuerbescheide geben eine Grundlage für die Haftung des Klägers nur insofern, als sie die Umsätze der e.t. GmbH mit sogenannter weißer Ware besteuern. Umsatzsteuern für innergemeinschaftliche Lieferungen von Mobilfunktelefonen schuldet die e.t. GmbH nicht, eine Haftung des Klägers scheidet insoweit aus.
III. Steuerpflichtige innergemeinschaftliche Lieferungen von Mobilfunkgeräten liegen nicht vor. Es fehlt schon an der Voraussetzung von Umsätzen im Sinne des § 1 Abs.1 Nr.1 UStG.
1. Die Überzeugung, dass die e.t. GmbH Mobilfunktelefone im Inland nicht umgesetzt hat, schöpft der Senat aus den Ermittlungen der Steuerfahndung, wie sie im Bericht über die Fahndungsprüfung bei der e.t. GmbH v. 9.11.2006 und im strafrechtlichen Ermittlungsbericht R.R. v. 9.11.2006 zusammengefasst wurden. Danach ist nämlich folgendes festzuhalten:
a) Für den streitgegenständlichen Zeitraum hat die e.t. GmbH überschlägig 550 Rechnungen über Mobilfunktelefone ohne Ausweis von Umsatzsteuer gestellt (siehe Anlage 1 des Berichtes v. 9.11.2006). Für keine Rechnung haben die Ermittlungen der Steuerfahndung ergeben, dass eine Lieferung, die die e.t. GmbH im Inland ausgeführt hat, zugrunde lag. Nur in einem Fall ist unstreitig und steht fest, dass für die e.t. GmbH bestimmte Mobilfunktelefone ins Inland gelangt sind (s.a. Aussage des Fahrers M., S.28 des strafrechtlichen Ermittlungsberichtes R.R. v. 9.11.2006). Diese Mobilfunktelefone sind in B.-Bundesland beschlagnahmt worden. Unwidersprochen trägt die e.t. GmbH vor, an diesen Mobilfunktelefonen keine Verfügungsmacht erlangt zu haben. Sicher ist, dass die e.t. GmbH Abnehmern keine Verfügungsmacht an diesen Mobilfunktelefonen verschaffen konnte.
b) Zu den tatsächlichen Warenbewegungen teilt der steuerstrafrechtliche Ermittlungsbericht R.R. v. 9.11.2006 Erkenntnisse mit, die durch Zeugenvernehmungen von Fahrern der e.t. GmbH, nämlich J., P. und M. gewonnen wurden. Danach wurden die Mobilfunktelefone in I-Ausland abgeholt und entweder zur Spedition K. in I. gefahren und dort abgeladen oder an einen anderen Ort in I-Ausland verbracht und dort in ein anderes Fahrzeug umgeladen. J. berichtet außerdem, dass er Mobilfunktelefone bei der Spedition K. in I. abgeholt und nach V.-Ausland oder P.-Ausland gefahren hat. Ebenso wird die tatsächliche Warenbewegung von V. H. beschrieben, die für die e.t. GmbH in Deutschland tätig war und über deren Rechnungs- und Lieferpapiere verfügte. Sie erklärt am 10.3.2004 und am 26.10.2004 vor dem Staatsanwalt, dass die Mobilfunktelefone entweder aus I-Ausland zur Spedition K. in I. gelangten oder in I-Ausland von einem Ort an einen anderen verbracht und in diesem Fall Transportpapiere gefälscht wurden. Sie verneint die Frage nach Lieferungen von I-Ausland nach Deutschland. Sie spricht davon, dass nur in einem Ausnahmefall von Deutschland nach I-Ausland geliefert wurde. Diese Zeugenaussagen legt die allgemeine Darstellung der Transportabläufe im strafrechtlichen Ermittlungsbericht R.R. v. 9.11.2006 zugrunde (S. 66 ff.). Dort werden „Transporte der Waren von I-Ausland nach Ö-Ausland und zurück nach I-Ausland” (S. 66) sowie Transporte innerhalb I-Auslands verbunden mit der Ausstellung unrichtiger Transportpapiere (S. 76) unterschieden. Lieferungen nach Deutschland und von Deutschland ins Ausland werden nicht angenommen. So werden also im Ermittlungsbericht die gewonnenen Erkenntnisse schlüssig zusammengefasst. Der Senat hält die Darstellungen der tatsächlichen Vorgänge im strafrechtlichen Ermittlungsbericht R.R. für zutreffend.
c) Der Senat ist der Meinung, dass die vom Beklagten in seinem Schriftsatz v. 15.10.2008 gegen die Tatsachengrundlage vorsorglich erhobene Verfahrensrüge mangelhafter Sachaufklärung wegen Nichtbeiziehung von Akten fehlgeht. Der Beklagte hielt während der mündlichen Verhandlung am 15.10.2008 mehrere Kartons beschlagnahmter Unterlagen zur Einsichtnahme bereit. Die Notwendigkeit, eine einzelne Unterlage anzusehen und zum Gegenstand der Erörterung zu machen, wurde von keinem Beteiligten gesehen. Das noch nicht abgeschlossene deutsche Strafverfahren gegen R.R., dessen Akten der Beklagte am 15.10.2008 beizuziehen beantragte, beruht auf dem strafrechtlichen Ermittlungsbericht der Steuerfahndung v. 9.11.2006. Andere Erkenntnisse zu den tatsächlichen Vorgängen können durch die Beiziehung der Strafakten nicht gewonnen werden. Dies nimmt offenbar auch der Beklagte an, wenn er in seinem Schriftsatz v. 15.10.2008 auf den Inhalt der Straf- und Beweismittelakten 207 Js 65239/03 eingeht und zur Begründung einer Mitwirkungspflicht der e.t. GmbH sinngemäß ausführt, dass sich aus diesen Akten andere als die im Ermittlungsbericht v. 9.11.2006 zusammengefassten Transportabläufe nicht ergeben.
2. Zu Unrecht meint der Beklagte, die angegriffenen Umsatzsteuerbescheide auf eine Schätzungsgrundlage stellen zu können (§ 162 Abs.1, Abs.2 AO). Die Befugnis zur Schätzung setzt nach § 162 Abs.1 Satz 1 AO voraus, dass die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlage nicht ermitteln kann. Im vorliegenden Fall hat jedoch die Finanzbehörde unter Ausnutzung strafprozessualer Befugnisse ermittelt und umfangreich Beweise in Form von Rechnungs- und Transportbelegen der e.t. GmbH und anderer Unternehmen sowie von Zeugenaussagen erhoben. Sie ist in ihren abschließenden Ermittlungsberichten v. 9.11.2006 für die streitgegenständlichen Fragen auch zu einem Ermittlungsergebnis gelangt. In solchem Falle besteht nach Auffassung des Senats keine Befugnis zur Schätzung.
Wollte man dies anders sehen und eine Schätzungsbefugnis bejahen, so wäre das Finanzgericht aufgerufen (BFH v. 11.2.1999, V R 40/98, BStBl II 1999, 382), anstelle des Finanzamts, das seine Bescheide nicht als Schätzungsbescheide erlassen, deshalb Erwägungen zur Schätzung und deren Höhe unterlassen und auch im Finanzgerichtsprozess nicht nachgeholt hat, eine eigene Schätzung vorzunehmen. Die eigene Schätzung müsste der auf die Ermittlungen der Steuerfahndung gestützten Überzeugung des erkennenden Gerichts Rechnung tragen, dass Umsätze der e.t. GmbH mit Mobilfunktelefonen im Inland nicht stattgefunden haben. Über die dem Tenor dieser Entscheidung zugrunde liegenden Inlandsumsätze könnte auch im Schätzungsweg nicht hinausgegangen werden.
3. Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, er dürfe für Mobilfunktelefone Inlandsumsätze deshalb unterstellen, weil die e.t. GmbH bei der Feststellung des Sachverhalts Mitwirkungspflichten verletzt habe und als Beweisverderber aufgetreten sei. Richtig ist, dass die e.t. GmbH in Person des Klägers die Ausstellung unrichtiger Transportbelege veranlasst und diese Belege in ihrer Buchhaltung aufbewahrt hat. Die erhobenen Unterlagen und die Zeugin V. H. bestätigen (strafrechtlicher Ermittlungsbericht R.R. v. 9.11.2006, S. 69 ff.; Zeugenaussage Hesse v. 26.10.2004), dass in den vielen Fällen, in denen die Lieferungen innerhalb I-Auslands vonstatten gingen, über unrichtige Transportbelege der Anschein einer Lieferung über die Spedition K. in Ö-Ausland erweckt wurde. Dieser Tatbestand hat jedoch nicht die vom Beklagten angenommenen Konsequenzen. Als das Finanzamt am 16.11.2006 die Einspruchsentscheidung zu den angegriffenen Umsatzsteuerbescheiden erließ, war der Sachverhalt durch die Ermittlungen der Steuerfahndung, die mit den Berichten v. 9.11.2006 endeten, aufgeklärt. Soweit die e.t. GmbH also die Lieferwege für Mobilfunktelefone bewusst verschleiert und sie sich insofern auch als Beweisverderber betätigt hat, blieb dies schon für die Einspruchsentscheidung des Finanzamts ohne Folgen. Das Finanzamt hat dort die Erkenntnisse der Ermittlungsberichte v. 9.11.2006 zugrunde gelegt. Zudem hat sich die e.t. GmbH im finanzgerichtlichen Prozess geäußert und Inlandsumsätze mit Mobilfunktelefonen verneint. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Finanzgerichts noch wirksame Pflichtverletzungen der e.t. GmbH mit Bezug auf die hier interessierenden Feststellungen zum Sachverhalt liegen nicht vor.
4. Für die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Umsatzsteuerbescheide kann sich der Beklagte nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben oder Vertrauensschutz berufen. Das Finanzamt hat zum Zeitpunkt seiner Einspruchsentscheidung v. 16.11.2006 auf die Richtigkeit der klägerischen Angaben in den Umsatzsteuererklärungen nicht vertraut. Es hat, wie die Ermittlungen der Steuerfahndung und die ihm zugänglichen Ermittlungsberichte v. 6.11.2006 zeigen, insbesondere nicht darauf vertraut, dass die Mobilfunkgeräte nach Deutschland gelangt und von Deutschland nach I-Ausland geliefert worden sind. Für die Inanspruchnahme von das Vertrauen schützenden Normen fehlt es deshalb schon an einer tatsächlichen Grundlage.
5. Die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide können nicht ganz oder doch in wesentlichen Teilen mit der Begründung aufrecht erhalten bleiben, dass die e.t. GmbH innergemeinschaftliche Erwerbe versteuern und der korrespondierende Vorsteuerabzug versagt werden müsse.
a) Richtig ist, dass bei der e.t. GmbH der Tatbestand innergemeinschaftlicher Erwerbe im Inland gegen Entgelt (§ 1 Abs.1 Nr.5 UStG) insoweit begründet ist, als Mobilfunktelefone nicht nur in I-Ausland an einen anderen Ort verbracht, sondern über die Grenze von I-Ausland nach Ö-Ausland geliefert wurden. Insofern ist nach § 3d Satz 2 UStG ein Erwerbsort in Deutschland anzunehmen, weil die e.t. GmbH gegenüber ihren I-ausländischen Lieferanten ihre deutsche Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet hat. Dabei ergibt sich die Verwendung der deutschen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer daraus, dass die Lieferanten wie von der e.t. GmbH vorausgesehen in den zusammenfassenden Meldungen über innergemeinschaftliche Lieferungen die ihnen von der e.t. GmbH mitgeteilte deutsche Umsatzsteuer-Identifikationsnummer angegeben haben. Für den streitgegenständlichen Zeitraum 2000-2004 sind demnach ungeachtet der im Jahre 2008 in Ö-Ausland vorgelegten Steuererklärungen der e.t. GmbH innergemeinschaftliche Erwerbe im Inland gegen Entgelt anzunehmen.
b) Der e.t. GmbH steht allerdings ein Vorsteuerabzug in derselben Höhe zu (§ 15 Abs.1 Nr.3 UStG). Der Ausschlusstatbestand des § 15 Abs.2 Nr.1 UStG kann wegen § 15 Abs.3 Nr.1a) i.V.m. § 4 Satz 1 Nr. 1b) UStG nicht zur Anwendung kommen. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann der Vorsteuerabzug der e.t. GmbH aber auch nicht wegen Missbrauch des Rechts auf Vorsteuerabzug versagt werden. Zwar ist der Senat von der Bösgläubigkeit des Geschäftsführers der e.t. GmbH, also des Klägers, überzeugt. Der Kläger wusste, dass der Erwerb und die Lieferung von Mobilfunktelefonen durch die e.t. GmbH in einen Plan zur Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen waren. Aus dem strafrechtlichen Ermittlungsbericht v. 9.11.2006 ergibt sich, dass der Kläger maßgeblich an der Ausführung des Gesamtplans der Mehrwertsteuerhinterziehung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union beteiligt war. Es war der Kläger, der unrichtige Transportpapiere ausstellen ließ und so den tatsächlichen Lieferweg der Mobilfunktelefone zu verschleiern versuchte. Dennoch kommt die Versagung des Vorsteuerabzugs für den innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 15 Abs.1 Nr.3 UStG) nicht in Betracht. Zu Unrecht beruft sich der Beklagte hierfür auf eine Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes. Die Entscheidung v. 19.4.2007, V R 48/04, BFH/NV 2007, 2035, die die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Urteile v. 12.1.2006 Rs. C-354/03, C-354/03, C-355/03 und C-484/03, BFH/NV Beilage 2006, 144 und v. 6.7.2006, C-439/04 und 440/04, BFH/NV Beilage 2006, 454) übernimmt, betraf nicht den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs.1 Nr.3 UStG, sondern den Anspruch auf Vorsteuerabzug, der scheinbar durch den Erwerb von inländischen Lieferanten nach § 15 Abs.1 Nr.1 UStG entstanden war. Diese Rechtsprechung ist nicht auf den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs.1 Nr.3 UStG übertragbar. Denn anders als beim Vorsteuerabzug nach § 15 Abs.1 Nr.1 UStG ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs.1 Nr.3 UStG mit der Entstehung der Steuer nach § 1 Abs.1 Nr.5 UStG unmittelbar verknüpft. Abziehbar nach § 15 Abs.1 Nr.3 UStG ist die nach § 13 Abs.1 Nr.6 UStG i.V.m. § 1a, 1 Abs.1 Nr.5 UStG entstandene Steuer (Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 546 (August 2006); Forgach in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 15 Rnr. 360 (Oktober 2004); Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rnr. 427 (September 2005)). Für den erwerbenden Unternehmer stehen hier Besteuerung und Vorsteuerabzug in einem gesetzestechnischen Zusammenhang, der durch die Annahme eines Missbrauchs des Vorsteuerabzugs nicht getrennt werden kann.
IV. Die e.t. GmbH schuldet Umsatzsteuer auf die von ihr gelieferte sogenannte weiße Ware. Diese Umsätze fanden im Inland statt, so dass der Steuertatbestand des § 1 Abs.1 Nr.1 UStG Anwendung findet. An der Auffassung, die Umsätze seien als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei, hat der Kläger zuletzt nicht mehr festgehalten.
Die mit sogenannter weißer Ware erzielten Erlöse betrugen 342.940 Euro (2003) und 550.825,61 Euro (2004), so dass sich als Bemessungsgrundlagen nach § 10 Abs.1 Satz 2 UStG 295.638 Euro (2003) und 474.850 Euro (2004) ergeben. Die Umsatzsteuern hierauf errechnen sich zu 48.945 Euro (2003) und 76.935 Euro (2004). Abzüglich der Vorsteuern, die nicht auf den Erwerb der sogenannten weißen Ware entfielen, liegen die von der e.t. GmbH für die Jahre 2003 und 2004 geschuldeten Umsatzsteuern auch dann unter den vom Kläger anerkannten Haftungssummen, wenn die Erhöhung der Umsatzsteuern wegen anderer steuerpflichtiger Lieferungen und Leistungen einschließlich unentgeltlicher Wertabgaben berücksichtigt wird.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs.1, 136 Abs.1 Satz 3 FGO. Auch soweit in der Beschränkung des Klageantrages eine teilweise Rücknahme der Klage zu sehen ist, führt der Rechtsgedanke des § 136 Abs.1 Satz 3 FGO zur vollen Kostenpflicht des Beklagten. Der Kläger ist nur zu einem verhältnismäßig geringen Teil unterlegen.
VI. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
VII. Die Revision ist zugelassen (§ 115 Abs.2 Nr.1 FGO).