02.11.2010
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 21.01.2009 – 9 K 2067/03 F
- Die Gewinnfeststellung für eine Personengesellschaft erstreckt sich auch im Falle eines Gesellschafterwechsels stets auf ein volles Wirtschaftsjahr.
- Die Gewinnaufteilung zwischen dem Veräußerer und dem Anteilserwerber ist – bei Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich – mittels einer auf den Zeitpunkt des Gesellschafterwechsels zu erstellenden Zwischenbilanz vorzunehmen.
- In diese Aufteilung geht – unabhängig von dem Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses – auch das Ergebnis aus den Organgesellschaften aufgrund der Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge zugunsten der Personengesellschaft ein.
- Es ist steuerlich nicht zulässig, den während des Jahres eingetretenen Gesellschaftern bis zum Eintrittszeitpunkt realisierte Gewinne oder Verluste zuzurechnen.
Tatbestand
Streitig sind die Aufteilung gesondert und einheitlich festzustellender Einkünfte einer Personengesellschaft aus Gewerbebetrieb und, ob bei Veräußerung von Gesellschaftsanteilen im Laufe des Geschäftsjahres im Feststellungsverfahren die an die Personengesellschaft abzuführenden Gewinne aus Gewinnabführungsverträgen zwischen Veräußerer und Erwerber aufzuteilen sind, wenn das Geschäftsjahr der beherrschten Gesellschaft erst nach der Veräußerung endet.
Der Kläger war alleiniger Kommanditist einer GmbH & Co. KG (KG). Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 23. Dezember 1998 übertrug er seine Kommanditbeteiligung auf die Firma A GmbH. Mitübertragen wurde das Gewinnbezugsrecht für das am 31. Dezember 1998 endende Geschäftsjahr. Laut Vertrag erfolgte die Übertragung mit schuldrechtlicher und dinglicher Wirkung zum 29. Dezember 1998 als Übertragungsstichtag. Die KG war als Organträger Alleingesellschafter der Firma C GmbH, der Firma S GmbH und der Firma B GmbH. Mit allen drei Organgesellschaften, deren Geschäftsjahr das Kalenderjahr ist, bestanden Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge zugunsten der KG.
In der Feststellungserklärung für das Streitjahr 1998 erklärte die KG einen Gewinn als Gesellschaft von./. 257.580 DM sowie ein zuzurechnendes Einkommen der Organgesellschaften von 1.683.494 DM. Sie teilte es auf die Firma V-Gesellschaft mbH als persönlich haftender Gesellschafter und die Firma A GmbH als Kommanditist auf. Auf den Kläger aufzuteilende Einkünfte wurden nicht erklärt. Der Beklagte folgte der Erklärung nicht und bat um Erläuterung der Übertragung der Beteiligung des Klägers an der KG. Mit Feststellungsbescheid vom 5. Oktober 2000 stellte der Beklagte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 5.049.820 DM und darin nicht enthaltene Einkommen der Organgesellschaft mit 1.683.494 DM fest. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb setzten sich aus laufenden Einkünften von ./. 265.080 DM, übrigen Sonderbetriebseinnahmen von 750 DM und Veräußerungsgewinnen (einschließlich steuerfreier Veräußerungsgewinn) von 5.307.400 DM zusammen und enthielten gewerbliche Einkünfte, die der Tarifbegrenzung nach § 32 c des Einkommensteuergesetzes (EStG) unterliegen, von ./. 264.141 DM. Dem Kläger wurden laufende Einkünfte von ./. 264.141 DM (Tarifbegrenzung nach § 32 c EStG) sowie ein Veräußerungsgewinn von 5.307.400 DM zugerechnet. Das Einkommen aus den Organgesellschaften wurde für den Kläger mit 1.674.141 DM festgestellt. Der Firma A GmbH wurden Einkünfte aus Gewerbebetrieb (laufende Einkünfte)
von ./. 939 DM sowie ein Einkommen der Organgesellschaften von 9.353 DM zugerechnet. Gegen den Feststellungsbescheid legte die KG Einspruch ein. Nach Durchführung einer Betriebsprüfung bei der KG durch das Finanzamt für Großbetriebsprüfung (Bericht vom 4. April 2002) änderte der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 12. März 2003 die Feststellung für 1998. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden mit 5.149.820 DM, die in den Einkünften aus Gewerbebetrieb nicht enthaltenden Einkommen der Organgesellschaften mit 1.683.494 DM festgestellt. Die festgestellten Besteuerungsgrundlagen wurden mit 5.143.792 DM für Einkünfte aus Gewerbebetrieb, davon 5.407.400 DM Veräußerungsgewinne einschließlich steuerfreie Veräußerungsgewinne und ./. 263.608 DM laufende Einkünfte (Einkünfte, die der Tarifbegrenzung nach § 32 c EStG unterliegen) und 1.674.141 DM Einkommen der Organgesellschaften auf den Kläger aufgeteilt. Auf die Firma A GmbH entfielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb von./. 1.472 DM und Einkommen der Organgesellschaften von 9.353 DM. Im Übrigen wurde der Einspruch als unbegründet verworfen. 2008 ist die Firma V-Gesellschaft mbH von der Firma X GmbH als Rechtsnachfolgerin übernommen worden.
Mit der Klage trägt der Kläger vor:
Ihm seien aufgrund seines Ausscheidens aus der KG zum 29. Dezember 1998 keine Einkünfte aus den Organgesellschaften zuzurechnen. Der aufgrund der Gewinnabführungsverträge abzuführende Gewinn stehe dem Organträger erst mit Ablauf des Geschäftsjahres der Organtochter zum 31. Dezember zu. Die Forderung sei erst mit Ablauf des Bilanzstichtags zu bilanzieren und erst zu diesem Stichtag im Vermögen des Organträgers zu erfassen. In der anlässlich seines Ausscheidens aus der KG erstellten Zwischenbilanz seien daher Gewinne der Organtöchter nicht enthalten.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. März 2003 dahin abzuändern dass die Einkommen der Organgesellschaften dem Kläger nicht zugerechnet werden. Darüber hinaus wird für die beigetretene Kommanditistin beantragt,
das in der Ergänzungsbilanz aktivierte schwebende Geschäft (1.674.141 DM) mit Ablauf des 31. Dezember 1998 abzuschreiben und als Betriebsausgaben anzuerkennen;
hilfsweise im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die Einspruchsentscheidung vom 12. März 2003. Dort hat er ausgeführt, dass die Ergebnisse der Organgesellschaften auf die Zeit vor und nach Änderung der Beteiligungsverhältnisse aufzuteilen und getrennt zuzurechnen seien.
Zu dem Verfahren sind die Firma X GmbH als Rechtsnachfolger der Firma V-Gesellschaft mbH und die Firma A GmbH als weitere Feststellungsbeteiligte der KG notwendig beigeladen worden (Beschluss vom 10. September 2008).
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Gewinnfeststellungsbescheid für 1998 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 12. März 2003 ist weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Er verletzt daher den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Wie vom Beklagten zurecht angenommen, erstreckt sich die gesonderte Feststellung der Einkünfte (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO) grundsätzlich auch dann auf ein volles Wirtschaftsjahr, wenn ein Gesellschafter während des Wirtschaftsjahres aus der Gesellschaft ausscheidet und die Gesellschaft danach von den verbleibenden Gesellschaftern oder von diesen mit einem oder mehreren neuen Gesellschaftern fortgeführt wird (vgl. Urteil des BFH vom 29. April 1993 – IV R 107/92, BStBl II 1993, 666, m.w.N.). Dafür ist maßgebend, dass trotz des Gesellschafterwechsels die Identität der Personengesellschaft als solcher erhalten bleibt und dass die Einbeziehung auch solcher Personen in die Gewinnfeststellung, die nicht während des ganzen Wirtschaftsjahres Gesellschafter sind, dem Sinn und Zweck des Feststellungsverfahrens nicht widerspricht. Trotz eines Gesellschafterwechsels bleibt die Identität der Personengesellschaft als Gewinnerzielungs- und -ermittlungssubjekt erhalten.
In die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO sind auch die Gewinne einzubeziehen, die ein Gesellschafter aus der Veräußerung seines Anteils an der Personengesellschaft erzielt. Der Veräußerungsgewinn gehört gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu den Einkünften des Gesellschafters aus seiner Beteiligung an der Personengesellschaft und ist deshalb verfahrensrechtlich als Bestandteil der gesondert festzustellenden Einkünfte anzusehen.
Für die Durchführung der Gewinnermittlung bei der Personengesellschaft bei einem Gesellschafterwechsel gilt Folgendes:
Tritt während eines Wirtschaftsjahres einer Personengesellschaft ein Gesellschafterwechsel ein und wird von der Personengesellschaft auf den Zeitpunkt des Gesellschafterwechsels eine Zwischenbilanz erstellt, um eine genaue Gewinnaufteilung zu erreichen, so kommt der Zwischenbilanz Bedeutung einer „Schlussbilanz” für den ersten Teil des Wirtschaftsjahres und die Bedeutung einer „Schlussbilanz des vorangegangenen Wirtschaftsjahres” (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG) für den zweiten Teil des Wirtschaftsjahres zu. Auf die Zwischenbilanz sind die Grundsätze über die Bilanzberichtigung (§ 4 Abs. 2 Satz 1 EStG) und den Bilanzzusammenhang anzuwenden. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass alle Geschäftsvorfälle des Wirtschaftsjahres –entweder bei der Gewinnfeststellung für dessen ersten oder dessen zweiten Teil – erfasst werden (vgl. BFH-Urteil vom 30. April 1991 – VIII R 50/86, BFH/NV 1991, 676). Für den Fall, dass der Neugesellschafter für die erworbenen Unternehmeranteile mehr aufgewendet haben sollte als den Betrag der Buchwerte der erworbenen Anteile, wäre die Differenz in Ergänzungsbilanzen klarzustellen.
In die Gewinnfeststellung geht auch das Ergebnis aus den Organgesellschaften aufgrund der Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge zugunsten der KG ein. Der Senat folgt nicht der Auffassung des Klägers, die Einkünfte aus den Organgesellschaften seien demjenigen steuerlich zuzurechnen, dem sie gesellschaftsrechtlich zustehen, der im Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses Gesellschafter ist. Im Streitfall wäre das der Erwerber der Anteile, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für das zivilrechtliche Entstehen des Gewinnanspruchs erst nach Ausscheidens des Klägers zum 31. Dezember vorlagen. Es ist steuerlich nicht zulässig, den während des Jahres eingetretenen Gesellschaftern bis zum Eintrittszeitpunkt realisierte Gewinne oder Verluste zuzurechnen. Dem steht die in § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO und in § 2 Abs. 1 EStG zum Ausdruck kommende Entscheidung des Gesetzgebers entgegen, dass die anteiligen Einkünfte aus der Nutzung von Gesamthandseigentum, hier die Beteiligung an den Organgesellschaften, dem Gesamthänder steuerlich unabhängig von einer „Ausschüttung” zuzurechnen sind (vgl. BFH-Urteil vom 18. Mai 1995 – IV R 125/92, BStBl II 1996, 5 m.w.N.). Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Regel des § 101 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Danach sind im Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber einer Beteiligung an einer Gesellschaft die Erträge demjenigen steuerrechtlich zuzurechnen, dem sie nach dieser Vorschrift oder nach einer von dieser Regel abweichenden Vereinbarung gebühren (§ 101 Nr. 2 Halbsatz 2 BGB). § 101 BGB ermöglicht nicht nur im bürgerlichen Recht, sondern auch im Einkommensteuerrecht einen angemessenen Ausgleich bei der Zurechnung von Einnahmen zwischen mehreren Fruchtziehungsberechtigten (im Ergebnis ebenso für eine anteilmäßige Zurechnung Döllerer, BB 1975, 1075 f.; Hönle, BB 1993, 252; Schmidt/Müller/Stöcker, Die Organschaft im Körperschaftssteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuerrecht, 6. Aufl. 2003, Rdn. 508 und 511; Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 15 Rdn. 453). Im Vertrag zur Anteilsübertragung zwischen Kläger und neu eintretendem Gesellschafter ist keine abweichende Vereinbarung zur Zurechnung der Gewinne aus den Beteiligungen an den Organgesellschaften getroffen worden.
Der Höhe nach sind die Gewinne, auch aus den Organgesellschaften nicht streitig. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Berechnungen im Bericht über die Außenprüfung vom 4. April 2002 Bezug. Der Kläger ist dem nicht substantiiert entgegen getreten. Ebenso ist ihre Aufteilung, die sich nach dem zeitlichen Ausscheiden des alten Gesellschafters und dem Eintritt des neuen Gesellschafters gerichtet hat, nicht zu beanstanden.
Soweit der Kläger beantragt hat, einen Betrag von 1.674.141 DM als Betriebsausgaben für den beigetretenen Gesellschafter anzuerkennen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Wie o.a. handelt es sich dabei um den Gewinnanteil aus den Organgesellschaften, der dem Kläger und nicht dem neu eingetretenen Gesellschafter zuzurechnen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Aus Gründen der Billigkeit sind dem Kläger auch die außergerichtlichen Auslagen der beigeladenen Firma X GmbH aufzuerlegen (§ 139 Abs. 4 FGO).
Die Revision war nicht zuzulassen (§ 115 Abs. 1 FGO). Weder weicht der Senat von der Rechtsprechung des BFH ab noch ist über den Einzelfall hinaus eine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits erkennbar.