02.11.2010
Finanzgericht Köln: Urteil vom 31.08.2009 – 11 K 4162/07
1) Die Verpflichtung zur Rückzahlung eines Steuererstattungsbetrags wegen späteren Wegfalls des Rechtsgrundes gem. § 37 Abs. 2 AO, weil nach der Zusammenveranlagung die getrennte Veranlagung gewählt wurde, trifft auch einen Ehegatten, auf dessen Girokonto der Steuererstattungsbetrag nicht geleistet worden ist, weil es sich um ein Geschäftskonto des anderen Ehegatten gehandelt hat. Denn in diesem Fall, in dem beide Ehegatten vor Aufhebung der Zusammenveranlagung erstattungsberechtigt waren, liegen Leistungen des Finanzamts an beide Ehegatten vor.
2) Betrifft die Erstattung solche Steuern, die dem Lohnsteuerabzug bei einem von beiden Ehegatten unterlegen hat, steht fest, dass die Steuern für Rechnung dieses Arbeitnehmers zurückbezahlt worden sind. Solange die Ehegattenzusammenveranlagung durchgeführt wird, steht der Erstattungsbetrag im Verhältnis der jeweils geleisteten Steuerabzugsbeträge den Ehegatten anteilig zu. Hierzu entsprechend sind die Rückforderungsbeträge zu bemessen, wenn die Zusammenveranlagung rückwirkend entfällt.
3) Wegen Anhängigkeit der entscheidungserheblichen Rechtsfrage beim BFH (VII R 37/08) wird die Revision zugelassen.
für Recht erkannt:
Tatbestand
Die Klägerin ist als Oberregierungsrätin im öffentlichen Dienst tätig. Sie erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung. Der Ehemann der Klägerin ist von Beruf Notar. Er erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus selbständiger Arbeit, sowie ebenfalls aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung. Die Eheleute leben derzeit getrennt.
Für die Streitjahre (1996 bis 1998) wurden zunächst Zusammenveranlagungen für die Klägerin und für ihren Ehemann durchgeführt. Nach einer Außenprüfung ergingen geänderte Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre (Bescheide vom 18.5.2006). Aufgrund dieser Änderungen ergaben sich durch Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen Erstattungen für die Streitjahre in Höhe von insgesamt … EUR. Dieser Betrag wurde auf das Konto … bei der Kreissparkasse A ausgezahlt. Hierbei handelte es sich um ein Konto des Klägers. In den Einkommensteuererklärungen, zuletzt für das Jahr 2000 (eingegangen beim Beklagten im Juli 2002), hatten die Eheleute diese Kontoverbindung angegeben.
Die Eheleute legten gegen die Änderungsbescheide Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens beantragten sie die getrennte Veranlagung. Darauf hob der Beklagte die Zusammenveranlagungsbescheide am 23.03.2007 auf und veranlagte die Klägerin und ihren Ehemann unter dem gleichen Datum getrennt.
Ebenfalls am 23.03.2007 erließ der Beklagte jeweils drei Rückforderungsbescheide über die für die Streitjahre erstatteten Steuerbeträge gemäß § 37 Abs. 2 AO gegen die Klägerin sowie gegen den Ehemann als Gesamtschuldner i.H.v. jeweils insgesamt … EUR. Zur Begründung führte er aus, die Erstattung sei unberechtigt, weil die Einkommensteuerbescheide vom 18.05.2006 mit Bescheid vom 23.03.2007 aufgehoben worden seien. Der zu Unrecht erstattete Betrag werde nach § 218 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 37 Abs. 2 AO zurück gefordert.
Die Klägerin sowie ihr Ehemann legten gegen die Rückforderungsbescheide Einspruch ein. Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass die Rückforderungsbescheide deshalb aufzuheben seien, da der Beklagte gegenüber ihr nicht mit schuldbefreiender Wirkung geleistet habe und sie daher nicht Leistungsempfängerin im Sinne von § 37 Abs. 2 AO sei.
Die Einsprüche führten zu Abänderungen der Bescheide. In den Einspruchsentscheidungen teilte der Beklagte nunmehr die Rückforderungsbeträge zwischen den Eheleuten aufgrund der sich nach dem materiellen Steuerrecht ergebenden Erstattungsberechtigung, d.h. nach dem Verhältnis der auf die Ehegatten entfallenden Steuerabzugsbeträgen auf. Einen entsprechenden Hinweis hatte er zuvor nicht erteilt. Auf die Klägerin entfielen hiernach für die drei Streitjahre Rückforderungsbeträge von insgesamt … EUR. Auf den Inhalt der gegen die Klägerin ergangenen Einspruchsentscheidung vom 11.10.2007 wird Bezug genommen. Die genaue Berechnung der Aufteilung der Rückforderungsbeträge ergibt sich aus der Rechtsbehelfsakte zur Rückforderung.
Am 08.05.2007 hatte der Beklagte einen großen Teil der Rückforderungsbeträge laut den Bescheiden vom 23.03.2007 mit einem Umsatzsteuerguthaben 1/2006 des Ehemanns der Klägerin im Wege der Umbuchung verrechnet. Diese Umbuchung machte er nach Ergehen der Einspruchsentscheidungen vom 11.10.2007 gegenüber der Klägerin und gegenüber ihrem Ehemann rückgängig. Stattdessen nahm er am 13.11.2007 eine erneute Umbuchung des Umsatzsteuerguthabens des Ehemanns auf die nach dem Ergebnis der Einspruchsentscheidung auf den Ehemann der Klägerin entfallenden Rückforderungsbeträge vor. Die sich nach der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2007 ergebenden Rückforderungsbeträge gegenüber der Klägerin i.H.v. … EUR verrechnete der Beklagte vollständig mit den Guthaben der Klägerin aus der getrennten Einkommensteuerveranlagung 1996 – 1998 durch Umbuchung (siehe Schreiben des Beklagten vom 15.11.2007, Bl. 121 f. der GA). Eine durch die Umbuchung erfolgte Tilgung war weder in der Einspruchsentscheidung gegenüber dem Ehemann noch gegenüber der Klägerin berücksichtigt worden.
Mit der gegen die Einspruchsentscheidung vom 11.10.2007 gerichteten Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen folgendes vor:
In den Einkommensteuererklärungen sei als Konto für etwaige Erstattungen das Geschäftskonto ihres Ehemanns angegeben worden. Dabei handele es sich lediglich um die Angabe einer Zahlstelle. Da zwischen der Abgabe der ursprünglichen Steuererklärungen für die Jahre 1996 bis 1998 und der Auszahlung des Steuerguthabens auf Grund der geänderten Steuerbescheide vom 18.5.2006 eine ungewöhnlich lange Zeitspanne gewesen sei, habe der Beklagte vor Auszahlung der Steuerguthaben die Kontenverbindung überprüfen müssen. Mit dem Erlass der Erstbescheide für die Streitjahre sei die Zahlstelle zudem schon verbraucht gewesen. Sie hätten die Kontoverbindung zwar bei der Steuererklärung 2000 ebenfalls verwendet. Dies sei aber auch schon zu lange her gewesen, als dass der Beklagte diese Kontoverbindung ohne weitere Überprüfung habe benutzen dürfen. Von der Zahlung der Einkommensteuererstattung Ende Mai 2006 sei sie auch vollkommen überrascht worden. Sie habe zum einen nicht mit geänderten Steuerbescheiden rechnen müssen, da die Betriebsprüfung nur gegen ihren Ehemann angeordnet gewesen sei. Sie habe keine Veranlassung zu der Annahme gehabt, dass gegenüber ihrer Person die Bescheide geändert würden. Zum anderen habe sie die geänderten Bescheide auch erst zu einem späteren Zeitpunkt von ihrem Steuerberater erhalten. Richtig wäre es nach Auffassung der Klägerin gewesen, die Bescheide zu erlassen und die Auszahlung zunächst nur anzukündigen, so dass Gelegenheit gewesen wäre, die Auszahlung zu verhindern. Der Beklagte habe auch die Möglichkeit gehabt, vor der Änderung der Einkommensteuerbescheide einen Aufteilungsbescheid zu erlassen, so dass sie ihre Interessen hätte wahren und ein eigenes Konto hätte angeben können. Schließlich sei nachweislich weitgehend Lohnsteuer zu erstatten gewesen, die ausschließlich von ihr gezahlt worden sei und die dann ohne vorherige Ankündigung auf das alleinige Konto ihres Ehemannes überwiesen worden sei, für das sie keine Kontovollmacht besessen habe. Auch deshalb sei der Beklagte vor der Auszahlung zur Überprüfung verpflichtet gewesen, ob das angegebene Konto noch zutreffend gewesen sei.
Die Einspruchsentscheidung sei aus einem weiteren Grund rechtswidrig und deshalb aufzuheben. Der Beklagte gehe zu Unrecht von einer teilschuldnerischen Haftung aus. Denn ihr Ehemann sei allein Leistungsempfänger nach § 37 Abs. 2 AO. Leistungsempfänger im Sinne dieser Vorschrift sei nicht der materiell Berechtigte eines Erstattungsanspruchs, sondern nur derjenige, an den der Beklagte tatsächlich gezahlt habe – es sei denn, die Leistung könne dem materiell Berechtigten zugerechnet werden. Diese Auslegung werde auch durch den Wortlaut der Vorschrift unterstützt. Ihr Ehemann sei unstreitig der tatsächliche Leistungsempfänger. Die Leistung könne ihr gegenüber auch nicht zugerechnet werden, da der Beklagte bei der Auszahlung auf Grund der unterlassenen Überprüfung der Gültigkeit der Konto-Verbindung grob fahrlässig gehandelt habe. Überdies sei § 37 Abs. 2 AO dem zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch nachgebildet. Bereicherter Leistungsempfänger sei ihr Ehemann. Sie könne auch nicht im Wege eines zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs Rückgriff bei ihm nehmen. Die hier in Betracht kommende sogenannte Eingriffskondiktion greife nicht durch, da die im Verhältnis zum Beklagten bestehende Leistungsbeziehung vorrangig sei.
Auch mit der Regelung des § 36 Abs. 4 S. 3 EStG sei ein Rückforderungsanspruch gegenüber ihr nicht zu begründen. Diese Vorschrift greife nicht ein, da keine „bestandskräftige gemeinsame Veranlagung” vorliege. Daher sei der vorliegende Fall auch mit demjenigen, der der Entscheidung des Finanzgerichts Nürnberg vom 31.07.2008 zu Grunde liege, nicht vergleichbar (FG Nürnberg, Urteil v. 31.07.2009, VI 439/2005, EFG 2009, 538, nrkr., Az. des BFH: VII R 37/08). Die gemeinsame Veranlagung mit ihrem Ehemann sei nicht bestandskräftig geworden, da sie dagegen fristgerecht Einspruch eingelegt habe. Überdies regele § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG die Erfüllungswirkung einer Steuererstattung und betreffe nicht den Fall der Rückforderung einer rechtsgrundlos erfolgten Steuererstattung. Der Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 EStG enthalte keine entsprechende Regelung.
Die Einspruchsentscheidung sei schließlich auch deshalb aufzuheben, weil der Rückforderungsanspruch des Beklagten erloschen sei. Denn er habe während des Einspruchsverfahrens eine Aufrechnung vorgenommen, die nach § 226 Abs. 1 AO i. V. m. § 389 BGB zum Erlöschen des Anspruchs auf Rückerstattung geführt habe. Zwar sei mit Forderungen ihres Ehemannes aufgerechnet worden. Dies komme ihr aber wegen der vom Beklagten ursprünglich angenommenen Gesamtschuldnerschaft (§ 44 Abs. 2 AO) zu Gute. Bei der Verrechnung handele sich um einen Verwaltungsakt, der bestandskräftig geworden sei. Im Übrigen habe der Umstand der Verrechnung in der Einspruchsentscheidung Berücksichtigung finden müssen. Indem der Beklagte in der Einspruchsentscheidung den Vorgang auf eine völlig neue Grundlage gestellt und die Verrechnung nicht berücksichtigt habe, ohne sie zuvor anzuhören, habe der Beklagte ihr schließlich nicht in ausreichendem Umfang rechtliches Gehör gewährt.
Die Klägerin beantragt,
die Rückforderungsbescheide vom 23.03.2007 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2007 aufzuheben,
hilfsweise, den Beklagten anzuweisen, die Rückforderungsbescheide in der Fassung der Einspruchsentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Finanzgerichts neu zu fassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt unter Berufung auf die Einspruchsentscheidung vom 11.10.2007 vor, nach Durchführung der Betriebsprüfung seien am 18.05.2006 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1996 bis 1998 erlassen worden. Die Einkommensteuer sei jeweils auf 0,00 EUR festgesetzt worden. Es sei eine Zusammenveranlagung der Ehegatten erfolgt. Die Steuerbescheide seien dem damaligen Berater als Empfangsbevollmächtigten der Eheleute bekannt gegeben worden. Die aus den Berichtigungsveranlagungen resultierenden Erstattungsansprüche seien dem Konto des Ehemanns der Klägerin bei der Kreissparkasse A am 24.05.2006 gut geschrieben worden. Da sich aus den Steuerbescheiden Erstattungen ergeben hätten, sei eine Aufteilung von Steuerschulden im Sinne der § 268 ff. AO weder möglich noch beantragt gewesen. Das Konto sei seitens der Eheleute über viele Jahre hinweg – zuletzt mit der Steuererklärung 2000 – benannt und so gespeichert worden. Eine Änderung der Kontoverbindung sei weder von der Klägerin noch von ihrem Ehemann mitgeteilt worden. Ergebe sich nach einer Zusammenveranlagung und Abrechnung mit Vorauszahlungen oder Steuerabzugsbeträgen ein Überschuss zugunsten der Steuerpflichtigen, so werde dieser nach Bekanntgabe des Steuerbescheides ausbezahlt (§ 36 Abs. 4 Satz 2 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) stehe bei zusammenveranlagten Eheleuten der Erstattungsanspruch demjenigen Ehegatten zu, der die zu erstattende Steuer an das Finanzamt gezahlt habe bzw. auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden sei. Nach § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG wirke aber bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26 b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden seien, die Auszahlung an einen Ehegatten auch für und gegen den anderen Ehegatten. Diese Vorschrift gehe von der Annahme aus, dass bei einer intakten Ehe die Steuererstattung an einen Ehegatten von dem anderen Ehegatten gebilligt werde. Erkenntnisse, dass die Klägerin nicht mit dieser Verfahrensweise einverstanden gewesen sei, hätten dem Finanzamt im Zeitpunkt der Erstattung nicht vorgelegen.
Nachdem die Klägerin und später auch ihr Ehemann im Rechtsbehelfsverfahren die getrennte Veranlagung für die Streitjahre beantragt habe, habe der Beklagte die Bescheide über die Zusammenveranlagung mit Datum vom 23.03.2007 aufgehoben und Rückforderungsbescheide gleichen Inhalts gegenüber beiden Ehegatten gemäß § 218 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 37 Abs. 2 AO erlassen. Über die hiergegen gerichteten Einsprüche sei mit separaten Einspruchsentscheidungen für die Klägerin und deren Ehemann vom 11.10.2007 entschieden worden. Mit den Einspruchsentscheidungen sei die Aufteilung der zurückgeforderten Steuerbeträge aufgrund der gegebenen Teilschuldnerschaft erfolgt. Insoweit werde auf die Einspruchsentscheidung vom 11.10.2007 verwiesen.
Der öffentlich-rechtliche Rückforderungsanspruch sei in § 37 Abs. 2 AO eigenständig geregelt. Die Vorschriften über die bürgerlich-rechtlichen Bereicherungsansprüche könnten weder unmittelbar noch analog angewendet werden. Als Leistungsempfänger im Sinne dieser Vorschrift sei nicht der Zahlungsempfänger, sondern der nach materiellem Steuerrecht Erstattungsberechtigte anzusehen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Urteil v. 30.08.2005, VII R 64/04, BStBl. II 2006, 353). Bei Überzahlung von Lohnsteuer sei derjenige Ehegatte, für den die Lohnsteuer abgeführt wurde, erstattungsberechtigt. Sei für beide Ehegatten Lohnsteuer abgeführt worden, bestimme sich die Höhe des materiellen Erstattungsanspruchs jedes Ehegatten nach dem Verhältnis der bei den Ehegatten einbehaltenen Lohnsteuerabzugsbeträge. Das gleiche gelte für einbehaltene Kapitalertragsteuer, Körperschaftsteuer und Zinsabschlagsteuer. Schließlich sei nicht zu berücksichtigen, in der Person welches Ehegatten der Steuerermäßigungstatbestand verwirklicht worden sei, der im Rahmen des Veranlagungsverfahrens zu der Steuererstattung geführt habe (BStBl. II 1983, 162; BStBl. II 1991, 47; BFH/NV 2001, 293).
Die Rückforderungsbeträge laut Einspruchsentscheidung vom 11.10.2007 seien durch Umbuchungen am 15.11.2007 getilgt worden.
Auf das anhängige Verfahren vor dem Finanzgericht Köln Az.: 11 K 4228/07 (Herr B) werde hingewiesen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
1. Eine Beiladung des Ehemanns der Klägerin kam nicht in Betracht. Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung gem. § 60 Abs. 3 FGO liegen nicht vor. Ebenso wie bei der getrennten Veranlagung von Ehegatten ergehen Bescheide im Erhebungsverfahren nach § 218 Abs. 2 AO für jeden Ehegatten gesondert, auch wenn mit ihnen über die Anrechnung von Vorauszahlungen oder Steuerabzugsbeträgen entschieden wird und eine Zusammenveranlagung vorausgegangen ist (vgl. BFH-Beschluss vom 11.01.1994, VII B 100/93, BStBl. II 1994, 405).
2. Die Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 1) ist zulässig, aber unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).
a) Der Beklagte hat die Rückforderungsbescheide zutreffend auf § 37 Abs. 2, § 218 Abs. 2 Satz 2 AO gestützt. Der Erlass eines vorgeschalteten Aufteilungsbescheides – vor der Durchführung der Erstattung auf Grund der Zusammenveranlagungsbescheide – war nicht notwendig, und zwar schon deshalb, weil die §§ 268 ff. AO nur die Aufteilung von Steuerschulden vorsehen.
b) Es liegt auch kein Verstoß gegen das rechtliche Gehör (§ 365 i.V.m. § 91 AO) vor. Denn nach § 91 AO ist das Finanzamt nur verpflichtet, dem Steuerpflichtigen Gelegenheit zur Äußerung zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu gewähren. Ferner kann eine unterbliebene Anhörung im finanzgerichtlichen Verfahren nachgeholt werden (§ 126 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 126 Abs. 2 AO).
c) Die Rückforderungsbescheide sind auch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtmäßig.
Ist eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt (§ 37 Abs. 2 AO).
Die zunächst ergangenen Zusammenveranlagungsbescheide zur Einkommensteuer 1996 – 1998 haben auf Grund der Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen zu einer Erstattung geführt. Der Rechtsgrund für die Erstattung ist nach Aufhebung der Zusammenveranlagungsbescheide entfallen. Der Beklagte geht zutreffend davon aus, dass die Person des Leistungsempfängers und damit die Verpflichtung zur Rückzahlung des ohne Rechtsgrund geleisteten Betrages sich nach der materiell-rechtlichen Erstattungsberechtigung richtet. Diese stand aber in dem vom Beklagten ermittelten Umfang der Klägerin zu.
Bei zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten steht ein etwaiger Erstattungsanspruch demjenigen Ehegatten zu, der die zu erstattende Steuer an das Finanzamt gezahlt hat bzw. auf dessen Rechnung die Zahlung erfolgt ist, wobei es nicht allein entscheidend ist, welcher Ehegatte den Zahlungsvorgang tatsächlich bewirkt hat, weil im Rahmen einer bestehenden Ehe als Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft es oft von Zufälligkeiten wie der Aufgabenverteilung und der Zeiteinteilung der Ehegatten abhängt, welcher von ihnen die Zahlung der Einkommensteuer durch Bareinzahlung oder Überweisung vom eigenen oder gemeinsamen Bankkonto tatsächlich besorgt. Solange die Ehe besteht und intakt ist, entspricht es deshalb natürlicher Betrachtungsweise und der regelmäßigen Absicht der Ehegatten, dass derjenige, der die Zahlung auf die gemeinsame Steuerschuld bewirkt, nicht nur sich selbst, sondern auch den anderen Ehegatten von seiner Steuerschuld befreien will. Soweit also Anhaltspunkte für eine bestimmte andere Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten fehlen, ist davon auszugehen, dass die Zahlung der Einkommensteuer für Rechnung beider Ehegatten als Gesamtschuldner bewirkt worden ist. Das hat zur Folge, dass beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 AO erstattungsberechtigt sind. Der Erstattungsbetrag ist dann zwischen ihnen nach Köpfen aufzuteilen (BFH-Urteil vom 25.07.1989, VII R 118/87, BStBl. II 1990, 41; BFH-Urteil vom 15.11.2005, VII R 16/05, BStBl. II 2006, 453; BFH-Beschluss vom 16.05.2008, VII B 118/07, BFH/NV 2008, 1440; BFH-Urteil vom 30.09.2008, VII R 18/08, BStBl. II 2009, 38).
Betrifft dagegen die Erstattung Steuern, welche im Wege des Steuerabzugs vom Arbeitslohn eines Ehepartners einbehalten worden sind, steht fest, dass die Steuern für Rechnung dieses Arbeitnehmers abgeführt worden sind (vgl. nur BFH-Urteil vom 18.09.1990, VII R 99/89, BStBl. II 1991, 47; BFH-Beschluss vom 29.10.2007, VII B 4/07, BFH/NV 2008, 330 m.w.N.; Drüen in Tipke/Kruse, § 37 AO, Tz. 82).
Die Ehegatten sind keine Gesamtgläubiger eines Erstattungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 AO (vgl. BFH-Urteil vom 02.02.1995, VII R 105/04, BFH/NV 1995, 781; BFH-Beschluss vom 14.12.2007, III B 102/06, BFH/NV 2008, 526; FG Nürnberg, Urteil v. 31.07.2008, VI 439/2005, EFG 2009, 538).
Nach diesen Grundsätzen, denen sich der Senat anschließt, stand der ursprüngliche Erstattungsbetrag auf Grund der Zusammenveranlagungsbescheide im Verhältnis der jeweils geleisteten Steuerabzugsbeträge den Ehegatten anteilig zu.
Da Erstattungs- und Rückforderungsanspruch lediglich unterschiedliche Richtungen des einheitlichen Anspruchs aus § 37 Abs. 2 AO kennzeichnen, gelten vorstehende Rechtsgrundsätze gleichermaßen für den Rückforderungsanspruch (FG Nürnberg, Urteil v. 31.07.2008, VI 439/2005, EFG 2009, 538; Drüen in Tipke/Kruse, § 37 AO, Tz. 109). Dem entspricht die vom Beklagten vorgenommene Zuordnung der Rückforderung gegen die Ehegatten. Im Ergebnis waren die Ehegatten somit anteilig im Verhältnis der für sie einbehaltenen Abzugssteuern Erstattungsberechtigte und – nach ersatzloser Aufhebung der Zusammenveranlagungsbescheide und damit Wegfall der Rechtsgrundlage für die Steuererstattungsansprüche – im gleichen (anteiligen) Verhältnis Schuldner der Rückforderungsbeträge.
Ein anderes Ergebnis ist nicht daraus herzuleiten, dass der Beklagte den Erstattungsbetrag auf ein Bankkonto des Ehemanns der Klägerin überwiesen hat. Zu dieser Vorgehensweise war der Beklagte nach § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG berechtigt. Entgegen der Auffassung der Klägerin ändert dieser Umstand nichts an der aus der ursprünglichen Erstattungsberechtigung sich spiegelbildlich ergebenden Rückzahlungsverpflichtung.
Die Vorschrift sieht vor, dass bei nach §§ 26, 26 b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten die Auszahlung eines nach § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG sich ergebenden Überschusses an einen Ehegatten auch für und gegen den anderen Ehegatten wirkt. Sie hat lediglich die Bedeutung eines besonderen Schuldbefreiungstatbestandes, der dazu führt, dass die Finanzbehörde von ihrer Zahlungspflicht unabhängig von den Ausgleichspflichten der Ehegatten im Innenverhältnis frei wird, wenn sie an einen der beiden Ehegatten gezahlt hat. Die Bestimmung besagt nur, dass das Finanzamt befugt ist, nach seiner Wahl an den einen oder den anderen Ehegatten auszuzahlen; sie regelt aber nicht, welcher der Ehegatten die Auszahlung des Erstattungsbetrags fordern darf. § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG begründet keine Gesamtgläubigerschaft der Ehegatten (BFH-Urteil vom 25.07.1989, VII R 118/87, BStBl. II 1990, 41; BFH-Urteil vom 08.01.1991, VII R 18/90, BStBl. II 1991, 442; BFH-Urteil vom 02.02.1995, VII R 105/94, BFH/NV 1995, 781; BFH-Beschluss vom 10.07.2008, VII B 194/07, BFH/NV 2008, 1802). Die Zahlung an einen Ehegatten kann mithin zwar nicht, wie im Falle der Gesamtgläubigerschaft, ohne weiteres als Leistung auch an den anderen Ehegatten angesehen werden (BFH-Urteil vom 02.02.1995, VII R 105/94, BFH/NV 1995, 781). In dem Fall aber, dass beide Ehegatten erstattungsberechtigt sind, liegen im Umfang der jeweiligen Berechtigung Leistungen an beide Ehegatten vor.
Der Beklagte war auch in tatsächlicher Hinsicht befugt, den sich nach der Zusammenveranlagung ergebenden Erstattungsbetrag auf das Konto des Klägers bei der Kreissparkasse A mit schuldbefreiender Wirkung gegenüber beiden Ehegatten zu überweisen. Denn dieses Konto war in den Einkommensteuererklärungen bis 2000 angegeben. Damit war die widerlegbare gesetzliche Vermutung einer Einziehungsvollmacht verbunden (vgl. BFH-Beschluss vom 14.12.2007, III B 102/06, BFH/NV 2008, 526). Anhaltspunkte dafür, dass die hierin liegende Anweisung widerrufen worden wäre oder keinen Bestand mehr hätte, liegen nicht vor.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind schließlich die Rückforderungsbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung auch nicht deshalb fehlerhaft, weil der Beklagte während des Einspruchsverfahrens gegen Forderungen des Ehemanns der Klägerin aufgerechnet und dies in der Einspruchsentscheidung gegenüber der Klägerin nicht ausdrücklich berücksichtigt hat. Dies folgt schon daraus, dass die Rückforderungsansprüche gegenüber der Klägerin auch nicht teilweise auf Grund der Verrechnung erloschen sind:
Die Voraussetzungen von § 226 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB lagen nicht vor, da die beteiligten Parteien nicht identisch waren, d.h. das Merkmal der „Gegenseitigkeit” nicht vorlag (§ 387 BGB). Der Beklagte hat gegenüber einer Forderung des Ehemanns der Klägerin (Umsatzsteuerguthaben 01/2006) aufgerechnet. Dadurch hätte die Forderung gegenüber der Klägerin nur dann erlöschen können, wenn sie und ihr Ehemann hinsichtlich der Rückforderungsbeträge Gesamtschuldner gewesen wären, § 44 Abs. 2 Satz 2 AO. Dies ist aber gerade nicht der Fall. Die Klägerin und ihr Ehemann sind im Verhältnis der für sie einbehaltenen Abzugssteuern Teilschuldner der Rückforderungsbeträge. Daran ändert im Ergebnis auch der Umstand nichts, dass der Beklagte bei Erlass der Rückforderungsbescheide am 23.03.2007 und der Umbuchung am 08.05.2007 noch irrtümlicherweise von einer Gesamtschuldnerschaft der Eheleute ausgegangen ist. Denn eine Aufrechnung durch den Beklagten ist nur dann wirksam, wenn die Gegenforderung (d.h. hier die Forderung des Beklagten auf Rückerstattung) materiell-rechtlich besteht, was im Falle der Anfechtung der dieser Forderung zu Grunde liegenden Verwaltungsakte (hier Rückforderungsbescheide vom 23.03.2007) erst feststeht, wenn die Anfechtungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen sind (BFH-Urteil vom 04.05.1993, VII R 82/92, BFH/NV 1994, 285; vgl. auch BFH-Urteil vom 15.06.1999, VII R 3/97, BStBl. II 2000, 46). Die Rückforderungsbescheide waren Gegenstand des Einspruchsverfahrens, so dass die Voraussetzung des materiell-rechtlichen Bestehens nicht vorlag. Im Übrigen hat der Beklagte die ursprünglichen Rückforderungsbescheide vom 23.03.2007, die eine Gesamtschuldnerschaft der Eheleute vorsahen, zutreffend in der Einspruchsentscheidung durch Rückforderungsbescheide in Teilschuldnerschaft ersetzt.
Da die vom Beklagten erfolgte Umbuchung nicht wirksam werden konnte und der Beklagte diese im Zusammenhang mit der Einspruchsentscheidung wieder rückgängig gemacht hat, ist schließlich auch die fehlende ausdrückliche Berücksichtigung in der Einspruchsentscheidung entgegen der Auffassung der Klägerin nicht rechtsfehlerhaft.
Der Klage muss somit in sachlicher Hinsicht der Erfolg versagt bleiben.
3. Die Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 2) ist unzulässig. Dem Verpflichtungsantrag auf Reduzierung der Rückerstattungsbeträge kommt gegenüber dem Anfechtungsantrag keine eigene Bedeutung zu.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
5. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, da die hier entscheidungserhebliche Rechtsfrage Gegenstand des beim BFH unter dem Az. VII R 37/08 anhängigen Verfahrens ist.