02.11.2010
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 30.09.2009 – 15 K 4679/08 Kg
- Mit der Aufnahme einer Vollzeiterwerbstätigkeit endet ungeachtet der Fortdauer der Berufsausbildung des Kindes der dem Grunde nach vorliegende Berücksichtigungstatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) EStG, so dass die ab diesem Zeitpunkt erzielten Einkünfte nicht in die Berechnung des Jahresgrenzbetrags für den Kindergeldanspruch mit einzubeziehen sind.
- Mit der in der Verfügung des Bundeszentralamtes für Steuern – BZSt – vom 04.07.2008 St II 2 – S 2282 – 138/2008 (DStR 2008, 1736) vertretenen gegenteiligen Auffassung wird die Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 16.11.2006, III R 15/06, BStBl. II 2008, 56) nicht zutreffend umgesetzt.
- Diese Grundsätze finden auch dann Anwendung, wenn das Kindergeld abgezweigt worden ist.
Tatbestand
Der Bescheid vom 15.09.2008 über die Aufhebung des Kindergeldes ab Januar 2008 und der Bescheid vom 15.09.2008 über die Rückforderung des Kindergeldes für die Monate Januar bis August 2008 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.11.2008 werden aufgehoben, soweit das Kindergeld für die Monate Januar bis Juli 2008 aufgehoben und zurückgefordert wurde. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 12 % und die Beklagte zu 88 %.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung zu Recht ab Januar 2008 aufgehoben und das für den Zeitraum von Januar bis August 2008 ausgezahlte Kindergeld zu Recht von der Klägerin zurückgefordert hat.
Die Mutter der am 16.02.1987 geborenen Klägerin erhielt von der Familienkasse B fortlaufend Kindergeld bis einschließlich April 2005.
Auf Antrag der Klägerin vom 15.07.2005 wurde das Kindergeld mit Bescheid der Familienkasse B vom 21.10.2005 ab dem 01.08.2005 an sie abgezweigt und ausgezahlt.
Vom 22.08.2005 bis zum 31.07.2009 absolvierte die Klägerin eine Ausbildung zur Erzieherin. Im Rahmen des theoretischen Teils der Ausbildung besuchte sie bis zum 31.07.2008 das Berufskolleg C (Fachschule für Sozialpädagogik). Den praktischen Teil der Ausbildung absolvierte sie durch Ableistung eines Berufspraktikums vom 01.08.2008 bis zum 31.07.2009 bei einer städtischen Kindertageseinrichtung. Während dieser Zeit war sie bei dem Träger der Kindertageseinrichtung als Praktikantin auf Vollzeitbasis beschäftigt.
Vom 01.01.2008 bis zum 31.07.2008 bezog die Klägerin BAföG in Höhe von 507,- EUR monatlich. Vom 01.08.2008 bis zum 31.12.2008 erzielte sie Einkünfte in Höhe von insgesamt 6.699,66 EUR brutto.
Den Beginn des Berufspraktikums ab dem 01.08.2008 und die Änderung ihrer Einkommensverhältnisse teilte die Klägerin der Beklagten, der Familienkasse D, mit Schreiben vom 02.09.2008 mit.
Daraufhin hob die Beklagte mit Bescheid vom 15.09.2008 gegenüber der Mutter der Klägerin die Festsetzung des Kindergeldes ab Januar 2008 auf. Zur Begründung führte sie aus, dass die Einkünfte und Bezüge der Tochter der Klägerin den Jahresgrenzbetrag von 7.680,- EUR überschritten. Mit weiterem Bescheid vom 15.09.2008 forderte die Beklagte das in der Zeit von Januar bis August 2008 gezahlte Kindergeld in Höhe von 1.232,- EUR von der Klägerin zurück.
Den hiergegen am 22.09.2009 eingelegten Einspruch wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 14.11.2008 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO – zur Rückzahlung des Kindergeldes verpflichtet sei. Aufgrund der bestandskräftigen Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Januar bis August 2008 sei das Kindergeld ohne rechtlichen Grund an die Klägerin ausgezahlt worden.
Hiergegen richtet sich die am 10.12.2008 von der Klägerin erhobene Klage.
Sie trägt vor, dass die Beklagte das Kindergeld für den Zeitraum Januar bis August 2008 zu Unrecht zurückgefordert habe. Zwar sei die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass der Jahresgrenzbetrag für das Jahr 2008 überschritten werde. Ihre Einkünfte ab August 2008 seien jedoch nicht mit in die Berechnung des Jahresgrenzbetrags einzubeziehen, da sie ab diesem Zeitpunkt einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgegangen sei. Einkünfte aus einer solchen Vollzeiterwerbstätigkeit seien nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs –BFH– außer Acht zu lassen. Der Anspruch auf Kindergeld bleibe daher für die Monate Januar bis August 2008 bestehen, da ihre Einkünfte und Bezüge in diesem Zeitraum den anteiligen Grenzbetrag nicht überschritten.
Sie beantragt sinngemäß,
die Bescheide vom 15.09.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.11.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor: Die Klägerin erfülle im gesamten Kalenderjahr 2008 die Voraussetzungen von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) des Einkommensteuergesetzes – EStG –. Deshalb stehe die Vollzeiterwerbstätigkeit grundsätzlich einem Kindergeldanspruch nicht entgegen. Allerdings seien nach der Entscheidung des BFH vom 16.11.2006, III R 15/06, BStBl. II 2008, 56 die Einkünfte aus einer zeitweiligen Vollzeiterwerbstätigkeit stets in die Ermittlung des Jahresgrenzbetrages einzubeziehen, wenn – wie im Streitfall – auch in den Monaten der Vollzeiterwerbstätigkeit ein Berücksichtigungstatbestand im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG vorliege. Da die Einkünfte und Bezüge der Klägerin den Jahresgrenzbetrag überschritten, sei der Kindergeldanspruch daher für das gesamte Kalenderjahr 2008 zu versagen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der beigezogenen Kindergeldakte Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Gründe
Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten auf deren Durchführung verzichtet haben, § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –.
Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang auch begründet.
1. Die Klage richtet sich sowohl gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung ab Januar 2008 als auch gegen die Rückforderung des für die Monate Januar bis August 2008 ausgezahlten Kindergeldes.
Zwar bezieht sich die Klägerin in ihrem Antrag in der Klageschrift nur auf den Erstattungsbescheid vom 15.09.2009 über die Rückforderung des Kindergeldes für den Zeitraum Januar bis August 2008. Allerdings wendet sie sich in der Begründung ihrer Klage auch gegen die rückwirkende Aufhebung der Kindergeldfestsetzung ab Januar 2008. Die Klage, die als Prozesserklärung grundsätzlich auslegungsfähig ist, wobei Ziel der Auslegung die Erforschung des tatsächlichen Willens des Erklärenden unter Beachtung des Klagebegehrens ist (vgl. BFH-Beschluss vom 15.12.1987 VIII R 38/86, BFH/NV 1988, 460), kann daher aufgrund des Klagevorbringens als sowohl gegen den Kindergeldaufhebungsbescheid als auch gegen den Rückforderungsbescheid gerichtete Anfechtungsklage ausgelegt werden.
2. Die Klage ist zulässig.
a) Die Klägerin ist, auch soweit sie sich mit ihrer Klage gegen den Aufhebungsbescheid vom 15.09.2009 wendet, gemäß § 40 Abs. 2 FGO klagebefugt.
Nach § 40 Abs. 2 FGO obliegt es dem Kläger, eine eigene Rechtsverletzung geltend zu machen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Ein lediglich wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Prozesses genügt nicht (BFH-Beschluss vom 12.07.1994 VII B 102/94, BFH/NV 1995, 229). Eine solche Verletzung rechtlich geschützter Interessen liegt auch dann vor, wenn der Kläger zwar nicht selbst Inhaber der streitigen materiellen Rechtsposition ist, der materielle Anspruch aber aufgrund eines ihm zustehenden Antragsrechts ihm gegenüber zu erfüllen ist. In einem solchen Fall stellt das eigene Antragsrecht zugleich die Überprüfbarkeit des materiellen Anspruch sicher, da dieses ansonsten leerliefe (BFH-Urteil vom 12.01.2001 VI R 181/97, BFHE 194, 368, BStBl II 2001, 443).
Im Streitfall stand der Klägerin eine solche Rechtsposition zu, da sie als Abzweigungsberechtigte gemäß § 67 Satz 2 EStG befugt war, einen Antrag auf Gewährung von Kindergeld zu stellen.
Gemäß § 67 Satz 2 EStG kann den Antrag auf Kindergeld außer dem Berechtigten auch stellen, wer ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergeldes hat. Ein berechtigtes Interesse hat neben dem materiell Berechtigten stets auch das Kind selbst, da die Kindergeldleistung zur Erfüllung eines eigenen Unterhaltsbedarfs erfolgt (BFH-Beschluss vom 26.01.2001VI B 310/00, BFH/NV 2001, 896). Die Antragsbefugnis nach § 67 Satz 2 EStG dient dabei nicht nur dazu, eine Voraussetzung für die Kindergeldgewährung, nämlich die Antragstellung, zu erfüllen, sondern führt im Falle der Ablehnung der Kindergeldgewährung oder der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung auch zur Einspruchs- und späteren Klagebefugnis (BFH-Urteil vom 12.01.2001, a.a.O.).
Die Voraussetzung der Abzweigung nach § 67 Satz 2 EStG lagen im Streitfall auch vor: Dem Antrag der Klägerin auf Abzweigung des Kindergeldes vom 15.07.2005 hatte die Beklagte mit Bescheid vom 21.10.2005 entsprochen. Demzufolge verletzte sie die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung gegenüber der Kindergeldberechtigten ab Januar 2008 in ihren eigenen Rechten auf Auszahlung des Kindergeldes.
b) Die Zulässigkeit der Klage scheitert auch nicht an einer fehlenden Durchführung des nach § 44 Abs. 1 FGO erforderlichen außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens.
Entgegen der (früheren) Auffassung der Beklagten ist nämlich davon auszugehen, dass sich der Einspruch der Klägerin vom 16.09.2009 nicht nur gegen den Rückforderungs-, sondern auch gegen den Aufhebungsbescheid vom 15.09.2009 richtete.
Im vorliegenden Fall bezog sich der Einspruch der Klägerin seinem Wortlaut nach auf das „Schreiben (der Beklagten) vom 15.09.2008”. Daraus ging nicht hervor, dass sie nur den Erstattungsbescheid angreifen wollte, da beide Bescheide vom 15.09.2009 datierten. Im Hinblick darauf war es für die die (zu diesem Zeitpunkt noch nicht durch einen rechtskundigen Bevollmächtigten vertretene) Klägerin nicht ohne weiteres möglich, die Bescheide im Sinne von § 357 Abs. 3 Satz 1 AO zutreffend zu bezeichnen, denn auch der unmittelbar an sie adressierte Rückforderungsbescheid enthielt die Formulierung, dass die Kindergeldfestsetzung aufgehoben werde. Hat aber die Behörde selbst die Verwaltungsakte nicht eindeutig abgegrenzt, dürfen daraus dem Betroffenen keine Nachteile entstehen. Vielmehr ist der Einspruch im Zweifel so auszulegen, dass die Anfechtung soweit reicht, wie sie reichen muss, um den angestrebten Erfolg zu erreichen (vgl. BFH-Urteile vom 11.09.1986 IV R 11/83, BFHE 147, 403, BStBl II 1987, 5 und vom 19.06.1997 IV R 51/96, BFH/NV 1998, 6). Danach war im vorliegenden Fall von einer Anfechtung beider Bescheide auszugehen. Denn nur durch die gleichzeitige Anfechtung des Aufhebungsbescheides konnte die Klägerin verhindern, dass der Rechtsgrund für die Auszahlung des Kindergeldes bereits aufgrund der bestandskräftigen Aufhebung der Kindergeldfestsetzung entfiel. Dass die beklagte Familienkasse bei Erlass der Einspruchsentscheidung davon ausging, dass sich der Einspruch nur gegen den Rückforderungsbescheid richte, ist insoweit unbeachtlich. Bei verständiger Würdigung und unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten ist davon auszugehen, dass die Beklagte mit der genannten Einspruchsentscheidung zugleich den Einspruch der Klägerin gegen den Aufhebungsbescheid abgelehnt hat. Im Klageverfahren hat sich die Beklagte auch nicht mehr auf die Bestandskraft des Aufhebungsbescheides berufen.
3. Die Klage ist für den Zeitraum Januar bis Juli 2008 begründet, im Übrigen unbegründet.
Die mit Bescheid jeweils vom 15.09.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.11.2008 erfolgte Aufhebung und Rückforderung des Kindergeldes ist für die Monate Januar bis Juli 2008 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Für den Monat August erfolgte die Aufhebung und Rückforderung des Kindergeldes dagegen zu Recht.
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Klägerin als Abzweigungsberechtigte für die Zeit von Januar bis Juli 2008 ein Anspruch auf Auszahlung des Kindergeldes zu, weil sie sich in dieser Zeit in Ausbildung befand und die in dieser Zeit erzielten eigenen Einkünfte und Bezüge die schädliche Grenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Satz 7 EStG nicht überschritten. Die in der Zeit von August bis Dezember 2008 erzielten Einkünfte der Klägerin sind bei der Frage, ob der Grenzbetrag überschritten ist, außer Acht zu lassen, weil die Klägerin in dieser Zeit einer Vollzeitbeschäftigung nachging.
a) Für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, besteht gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) EStG Anspruch auf Kindergeld, solange das Kind für einen Beruf ausgebildet wird. Unter Berufsausbildung ist die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. Die Berufsausbildung dauert solange an, wie das Kind sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet (BFH-Urteil vom 24. Mai 2000 VI R 143/99, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2000, 473 m.w.N.). Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. Januar 2000 VI R 11/99, BFHE 191, 50, BStBl II 2000, 199).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze befand sich die Klägerin im gesamten Kalenderjahr 2008 in einer Berufsausbildung. Sowohl die Teilnahme an dem theoretischen Unterricht an der Fachschule für Sozialpädagogik in der Zeit von Januar bis Juli 2008 als auch die Ableistung des Berufspraktikums in der Zeit ab August 2008 waren zur Vorbereitung auf den Beruf der Erzieherin nicht nur geeignet, sondern für die Zulassung zu diesem Beruf auch erforderlich (vgl. §§ 1ff. und § 29 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung Berufskolleg NRW, Anlage C). Dass sich die Klägerin im genannten Zeitraum in einer Ausbildung im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) EStG befand, ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
b) Gleichwohl ist die Klägerin für den Zeitraum von August bis Dezember 2008 kindergeldrechtlich nicht zu berücksichtigen. Denn mit der Aufnahme der Vollzeiterwerbstätigkeit endete der dem Grunde nach vorliegende Berücksichtigungstatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) EStG. Die Einkünfte der Klägerin aus ihrer Vollzeittätigkeit während des Berufspraktikums sind mithin nicht in die Berechnung des Jahresgrenzbetrags mit einzubeziehen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist, auch wenn die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) EStG – wie im Streitfall – vorliegen, ein Kind in den Monaten einer Vollzeiterwerbstätigkeit nicht als Kind im Sinne des Kindergeldrechts zu berücksichtigen. Die Zeit der Vollzeiterwerbstätigkeit wird insoweit nicht als Ausbildungszeit im Sinne der genannten Vorschrift angesehen, da es hier an einer verminderten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern infolge einer Unterhaltssituation des Kindes fehlt (BFH-Urteil vom 15.09.2005 III R 67/04, BStBl II 2006, 305). Dementsprechend sind bei der Ermittlung, ob der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Satz 7 EStG durch die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes überschritten ist, die Einkünfte der Vollzeiterwerbstätigkeit auszuscheiden, weil es sich bei diesen Monaten um Kürzungsmonate handelt (BFH a.a.O.).
An diesen Grundsätzen hat der BFH in der von der Beklagten angeführten Entscheidung vom 16.11.2006, III R 15/06, BStBl. II 2008, 56 ausdrücklich festgehalten. Im Hinblick darauf, dass das Kindergeld der Unterhaltssituation der Eltern Rechnung tragen soll, hat der BFH seine Rechtsprechung jedoch dahingehend ergänzt, dass die Vollzeiterwerbstätigkeit den Tatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG ausnahmsweise dann nicht entfallen lassen soll, wenn unter Einbeziehung der Einkünfte aus der Vollzeiterwerbstätigkeit der Jahresgrenzbetrag nicht überschritten wird, weil bei einer solchen Sachlage die Unterhaltssituation und die dadurch geminderte Leistungsfähigkeit der Eltern fortbesteht (ebenso: BFH-Urteil vom 15.03.2007 III R 25/06, BFH/NV 2007, 1481). Der BFH folgt damit einem Meistbegünstigungsprinzip: Der Kindergeldanspruch entfällt für die Monate des Vollzeiterwerbs, wenn die Einkünfte aus dieser Vollzeiterwerbstätigkeit den anteiligen Jahresgrenzbetrag übersteigen. Für die Zeit, in der keine Vollzeiterwerbstätigkeit vorliegt, sind bei der Ermittlung, ob der Grenzbetrag überschritten ist, die Einkünfte aus der Vollzeiterwerbstätigkeit nicht zu berücksichtigen. Wird jedoch ausnahmsweise einschließlich der Vollzeiterwerbseinkünfte der Jahresgrenzbetrag unterschritten, besteht auch für die Zeit der Vollzeiterwerbstätigkeit ein Kindergeldanspruch.
Diesen Rechtsprechungsgrundsätzen schließt sich der Senat an (vgl. auch Urteile des FG Köln vom 12.03.2009 10 K 3830/08, EFG 2009, 1241; des FG Düsseldorf vom 15.11.2007 14 K 2543/07 Kg, EFG 2008, 627 und des FG Münster vom 16.07.2008 10 K 4881/07 Kg, EFG 2008, 1636). Diese Grundsätze finden nach Auffassung des Senates auch dann Anwendung, wenn das Kindergeld – wie vorliegend – abgezweigt worden ist. Denn auch in diesem Fall gilt der vom BFH als maßgeblich erachtete Gesichtspunkt der Unterhaltsbedürftigkeit des Kindes und der verminderten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern unverändert fort. Soweit sich die Beklagte auf die Verfügung des Bundeszentralamtes für Steuern – BZSt – vom 04.07.2008 St II 2 – S 2282 – 138/2008 (DStR 2008, 1736) beruft, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die darin gemachte Vorgabe, dass die Einkünfte aus einer Vollzeiterwerbstätigkeit stets in die Ermittlung des Jahresgrenzbetrages mit einzubeziehen seien, wenn auch während der Dauer der Vollzeiterwerbstätigkeit eine Situation im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG gegeben sei, setzt die beschriebene Rechtsprechung des BFH aus Sicht des Senates nicht zutreffend um. Denn der BFH hat, anders als es das BZSt meint, die frühere und im Regelfall begünstigende Regelung (vgl. BFH-Urteil vom 15.09.2005, a.a.O.) nicht aufgegeben.
Ausgehend von den dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen steht der Klägerin für den Zeitraum Januar bis Juli 2008 ein Anspruch auf Auszahlung des Kindergeldes zu. Die Monate der Vollzeittätigkeit sind vorliegend nicht zu berücksichtigen, da die von der Klägerin dabei erzielten anrechenbaren Einkünfte in Höhe von 4.397,88 EUR (= 6.699,66 EUR Bruttoarbeitslohn abzgl. Arbeitnehmeranteil an der Sozialversicherung in Höhe von 1.381,78 EUR und Werbungskostenpauschbetrag in Höhe von 920,- EUR) über dem anteiligen Jahresgrenzbetrag von 3.200,- EUR (= 7.680,- EUR x 5/12) liegen. Damit bleibt auch der Monat August 2008 als Kürzungsmonat außen vor, da die Klägerin bereits in diesem Monat einer Vollzeittätigkeit nachging. Dass der Lohn für diesen Monat, wie die Klägerin vorgetragen hat, erst später ausgezahlt wurde, ist unbeachtlich. Denn nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Zurechnung kommt es nicht darauf an, in welchem Monat, sondern für welchen Monat innerhalb des Kalenderjahres Einnahmen aus dem Berufsausbildungsverhältnis zugeflossen sind (BFH-Urteil vom 01.03.2000 VI R 162/98, BStBl II 2000, 459).
Der auf die Zeit von Januar bis Juli 2008 entfallende anteilige Grenzbetrag in Höhe von 4.480,- EUR wird von den von der Klägerin erzielten anrechenbaren Bezügen in Höhe von 3.369,- EUR hingegen nicht überschritten, so dass sie für diesen Zeitraum einen Anspruch auf Auszahlung des Kindergeldes hat.
Die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide vom 15.09.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.11.2008 waren daher insoweit aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sowie im Hinblick auf vergleichbare beim BFH anhängige Revisionsverfahren (vgl. z.B. III R 3/09 und III R 49/09) zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.