02.11.2010
Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 28.05.2009 – 5 K 3238/03
- Die einvernehmliche Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses steht der Anwendung des § 3 Nr. 9 EStG nicht entgegen, wenn die Auflösung vom Arbeitgeber veranlasst ist, das heißt wenn dieser die entscheidende Ursache für die Auflösung gesetzt hat und die Initiative zur Auflösung von ihm ausgegangen ist.
- Bei einem Wechsel des Arbeitgebers kommt ist zur Anwendung des § 3 Nr. 9 EStG darauf an, ob die Zahlung als sozialpolitisch begründeter Ausgleich der Folge eines Arbeitsplatzverlustes anzusehen ist. Entscheidend ist, ob sich das neue Arbeitsverhältnis als Fortsetzung eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses darstellt.
- Eine endgültige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist zu verneinen, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bei einem Arbeitgeber erfolgt, der unternehmensrechtlich mit dem bisherigen Arbeitsgeber verbunden ist.
- Erfolgt die Weiterbeschäftigung bei einer externen Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft, um den bisherigen Arbeitnehmer für einen befristeten Zeitraum zu beschäftigen und weiter zu qualifizieren und wird dabei ersichtlich die Möglichkeit der Zahlung von Kurzarbeitergeld durch die Arbeitsverwaltung nach § 175 SGB III ausgenutzt, wird das bisherige Arbeitsverhältnis endgültig beendet und ein neues befristetes Arbeitsverhältnis mit einer anderen fremden juristischen Person begründet.
- Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld, die aufgrund von Vereinbarungen im Sozialplan zum Ausgleich der durch die strukturelle Kurzarbeit verursachten Einkommensminderung gezahlt werden, fallen unter Abfindungen im Sinne des § 3 Nr. 9 EStG, soweit sie durch den Arbeitsplatzverlust infolge der Auflösung des Dienstverhältnisses veranlasst sind.
Tatbestand
Die Klägerin war seit 1983 bei der A in X als Feinwerkmechanikerin beschäftigt, und zwar zunächst ab 5. September 1983 befristet, ab 10. März 1984 unbefristet. Ab 1. Oktober 1990 ging das Arbeitsverhältnis zunächst auf die B und zum 1. Oktober 1995 im Rahmen eines Betriebsübergangs gemäß § 613 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB – auf die C (GmbH) über.
Aufgrund einer wirtschaftlichen Notlage der GmbH war im Jahr 1998 eine Umstrukturierung des Unternehmens erforderlich. Zwischen dem Betriebsrat der GmbH und der Unternehmensleitung wurde am 7. April 1998 ein Interessenausgleich-Sozialplan gemäß §§ 111, 112 BetrVG vereinbart. Danach waren zur Vermeidung einer sofortigen Betriebsschließung mit der Folge der Kündigung sämtlicher Beschäftigungsverhältnisse u.a. folgende Maßnahmen vorgesehen:
„1. Abschluß von Aufhebungsverträgen mit der C
2. Gleichzeitiger Abschluß von zeitlich befristeten Arbeitsverhältnissen mit der … D.
Durchführung struktureller Kurzarbeit in Verbindung mit Qualifizierungs- und/oder Weiterbildungsmaßnahmen.
Während der Dauer der strukturellen Kurzarbeit erhalten die betroffenen MitarbeiterInnen einen Nachteilsausgleich. Die Auszahlung dieses Nachteilsausgleichs erfolgt über die D aus dem durch die C zur Verfügung gestellten Härtefonds.
In den Härtefonds stellt die Firma C mindestens
10 % der fiktiv anfallenden Lohn- und Gehaltskosten ein.”
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Interessenausgleich-Sozialplan verwiesen.
In einer Protokollnotiz zum o.g. Plan vom 7. April 1998 wurde unter der Überschrift „Härtefonds” festgehalten, dass die GmbH für die Zeit vom 1. Mai 1998 bis zum 30. April 1999 in den Härtefonds 2 Mio. DM einbringt. Aus diesen Mitteln sollten die Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis mit der GmbH durch Aufhebungsvertrag beendet wurde und die mit der D
ein befristetes Arbeitsverhältnis geschlossen haben, als Nachteilsausgleich für die dauerhafte Gewährung von Kurzarbeitsgeld eine monatliche Nettozahlung erhalten. Diese sollte sich nach der Differenz zwischen dem individuell gezahlten Kurzarbeitergeld und 90 % des fiktiven Nettoentgeltes bemessen.
Auf diese Protokollnotiz wird im Übrigen Bezug genommen.
In einer weiteren Vereinbarung vom 20. April 1998 zwischen der D und der GmbH wurde den von der D übernommenen Arbeitnehmern ein Nachteilsausgleich iSd § 3 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes – EStG – zugesichert. Nach § 1 der Vereinbarung sollten Arbeitnehmer, die nach Beendigung der Beschäftigung bei der D keinen zumutbaren Arbeitsplatz erhalten konnten, einen nach einer besonderen Formel zu berechnenden Nachteilsausgleich aus von der GmbH bereitgestellten Mitteln erhalten. Arbeitnehmer, denen ein neuer Arbeitsplatz nachgewiesen wurde oder die einen Arbeitsplatz mit niedrigerer Bezahlung als bisher erhalten, sollten nach § 2 der Vereinbarung einen Nachteilsausgleich in Höhe des zwölffachen Differenzbetrags zwischen bisheriger und neuer Bezahlung, höchstens jedoch das 2,5fache des bisherigen Entgelts erhalten. Auf diese Vereinbarung wird ebenfalls verwiesen.
Mit Vertrag vom 8. April 1998 wurde der Arbeitsvertrag der Klägerin mit der GmbH mit Wirkung vom 30. April 1998 aufgehoben. Zugleich verpflichtete sich die Klägerin, ab dem 1. Mai 1998 in ein Beschäftigungsverhältnis mit der D einzutreten. Für diesen Zeitraum sollte sie Kurzarbeitergeld von der D erhalten.
Ebenfalls am 8. April schloss die Klägerin mit der D in Erfurt einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1. Mai 1998 bis spätestens 30. April 1999. Danach war die Klägerin verpflichtet, ihr zugewiesene zumutbare Arbeiten anzunehmen und während der Kurzarbeit an Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug 30 Stunden, Arbeitsort war X.
Unter dem 31. März 1999 teilte die D unter Bezug auf § 1 Nachteilsausgleich vom 20. April 1998 der Klägerin ein Arbeitsplatzangebot mit. Danach bot ihr die E ab dem 1. Mai 1999 einen unbefristeten Arbeitsplatz als Mitarbeiter in dem Modul
Baugruppenfertigung in X an. Mit Vertrag vom 3. Mai 1999 wurde die Klägerin sodann bei der E mit Wirkung vom 3. Mai 1999 beschäftigt.
Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses mit der D nahm die Klägerin an Schulungsveranstaltungen teil; daneben übte sie zur Aufrechterhaltung ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten weitgehend die Tätigkeiten aus, die sie zuvor für die GmbH zu erbringen hatte. Allerdings war nunmehr die D weisungsbefugt. Die Arbeitsleistungen wurden in den von der D angemieteten Räumlichkeiten der GmbH erbracht.
Im Rahmen der Einkommensteuer (ESt)–Veranlagungen für 1998 und 1999 legte der Beklagte der Steuerberechnung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 17.158 DM (1998: Einnahmen: 21.081 DM./. Werbungskosten) bzw. 24.853 DM (1999: Einnahmen 28.618 DM ./. Werbungskosten) zugrunde und setzte mit Bescheid vom 28. Dezember 1999 für 1998 ESt in Höhe von
0 DM bzw. mit Bescheid vom 25. Mai 2001 für 1999 ESt in Höhe von 781 DM fest.
Die Steuerfestsetzung für 1998 wurde mit Bescheiden vom 11. April 2001 und 14. Mai 2001 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung – AO – geändert.
Im Rahmen einer bei der D im Jahr 2000 durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung wurde festgestellt, dass die Klägerin im Jahr 1998 1.304,27 DM und im Jahr 1999 249,62 DM Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld erhalten hatte; diese Einnahmen waren steuerlich bisher nicht erfasst worden.
Mit Änderungsbescheiden gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vom 28. Mai 2002 erfasste der Beklagte die o.g. Beträge bei den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit und setzte die ESt für 1998 auf 89 DM und für 1999 auf 852 DM fest.
Im anschließenden Einspruchsverfahren wurde geltend gemacht, die festgestellten Zahlungen stellten ratierliche Abfindungszahlungen für den Verlust des Arbeitplatzes dar; diese seien steuerfrei, da der Freibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG nicht überschritten sei.
Nach Zurückweisung der Rechtsbehelfe mit Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2003 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, die vom Beklagten versteuerten Zahlungen stellten eine steuerbefreite Abfindung i.S.d. § 3
Nr. 9 EStG dar. Im Sozialplan vom 7. April 1998 werde ausdrücklich erwähnt, dass die Mitarbeiter/Innen für die Dauer der strukturellen Kurzarbeit einen Nachteilsausgleich erhalten sollten. Dieser sei aus dem von der GmbH zur Verfügung gestellten Härtefonds durch die D zu zahlen gewesen. Die Zahlungen stellten daher keinen steuerpflichtigen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld dar, sondern seien als Abfindung zu behandeln. Dies folge daraus, dass die Zahlungen nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses erfolgten; der hierdurch eingetretene Nachteil sei sodann durch die Kurzarbeit bei der
D gemindert worden. Der verbleibende Restnachteil sei durch die Zahlungen seitens der GmbH, für die die D lediglich als Zahlstelle fungierte, erfolgt. Sie stellten daher als Nachteilsausgleich steuerfreie Abfindungszahlungen dar. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des klägerischen Vortrags wird auf die Schriftsätze Ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27. August 2003, 23. April 2004, 14. Februar 2007, 25. Juni 2007, 9. August 2007 und 16. April 2009 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2003 sowie die Änderungsbescheide vom 28. Mai 2002 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, zum einen sei eine Auflösung des Dienstverhältnisses mit der GmbH nicht erfolgt, sondern es habe lediglich – wie die verschiedenen Wechsel der Arbeitgeber der Klägerin in der Vergangenheit zeigten – eine weitere Fortsetzung des Arbeitsvertrags mit der D stattgefunden. Das formale Abstellen auf den Wechsel des Arbeitsgebers werde der Zielsetzung des § 3 Nr. 9 EStG nicht gerecht.
Zum anderen stelle der der Klägerin gezahlte Zuschuss zum Kurzarbeitergeld keine Abfindung iSd § 3 Nr. 9 EStG dar. Eine solche sei nach den getroffenen Vereinbarungen nur dann zu zahlen gewesen, wenn die Beschäftigten keine Aufhebungsvertrag unterschrieben bzw. keinen befristeten Arbeitsvertrag mit der D eingegangen wären. In diesen Fällen seien Abfindungen auch gerichtlich erstritten worden. Zudem seien Entschädigungen in Form einer Einmalzahlung zu leisten gewesen, wenn die D nach Ablauf des befristeten Arbeitverhältnisses keinen zumutbaren Arbeitsplatz habe anbieten können.
Der Zuschuss zum Kurzarbeitergeld sei dagegen in für eine Abfindung untypischer Weise nach der Höhe des letzten Nettolohns bemessen worden und von der D ausgezahlt worden. Deren Aufgabe war es, die Beschäftigten der GmbH zu übernehmen und nach Abschluss der befristeten Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen in einen unbefristeten und zumutbaren Arbeitsvertrag zu vermitteln. In diesem Fällen hätten die getroffenen Vereinbarungen gerade keine Abfindungen vorgesehen. Mit der Vermittlung in neue Arbeitsverhältnisse seien Abfindungen nach dem Interessenausgleich -Sozialplan vom 7. April 1998 ausgeschlossen, weil die Beschäftigten - abgesehen von der Kurzarbeit – durch den Arbeitgeberwechsel keine entschädigungswürdigen Nachteile erfahren hätten.
Mit der Zahlung von Zuschüssen zum Kurzarbeitergeld sei zwar das Ziel verfolgt worden, finanzielle Nachteile der Beschäftigten auszugleichen; die Zuschüsse stellten aber keine steuerfreien Abfindungen dar, sondern in vollem Umfang steuerpflichtigen Arbeitslohn. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Beklagtenvortrags wird auf dessen Schriftsätze vom 27. Oktober 2003, 11. August 2004, 18. Juli 2007 und 12. Mai 2009 verwiesen.
Dem Gericht haben die einschlägigen ESt-Akten des Beklagten vorgelegen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Die angefochtenen Änderungsbescheide vom 28. Mai 2002 sind rechtswidrig, da die Voraussetzungen für eine Änderung der ESt-Festsetzungen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht vorliegen.
Nach dieser Norm ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit neue Tatsachen
oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Die im Rahmen der bei der D im Jahr 2000 durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung festgestellten Zuschusszahlungen zum Kurzarbeitergeld sind zwar neue Tatsachen iSd § 173 AO, sie führen jedoch nicht zu einer höheren Steuerfestsetzung, da diese Zahlungen nach § 3 Nr. 9 EStG in der damals gültigen Fassung nicht der ESt unterliegen.
Gemäß § 3 Nr. 9 EStG in der bis zum 31. Dezember 2005 geltenden Fassung waren steuerfrei Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten oder gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses, höchstens jedoch in den Streitjahren 1998 und 1999 16.000 DM; bei älteren Arbeitnehmern und längerer Beschäftigungsdauer erhöhte sich der Freibetrag.
Diese Voraussetzungen sind bezüglich der an die Klägerin in den Streitjahren gezahlten Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld erfüllt.
Das zwischen der Klägerin und der GmbH bestehende Arbeitsverhältnis wurde mit Vertrag vom 8. April 1998 aufgehoben. Die einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses steht indessen der Anwendung des § 3 Nr. 9 EStG nicht entgegen. Entscheidend ist, dass die Auflösung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber veranlasst ist, d.h. wenn dieser die entscheidende Ursache für die Auflösung gesetzt hat, die Initiative zur Auflösung von ihm ausgegangen ist. Eine sodann einvernehmlich erfolgte Auflösung ist dann unerheblich (vgl. grundlegend Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 10. November 2004 XI R 51/03, Bundessteuerblatt II 2005, 441).
Im Streitfall ging die Initiative zur Aufhebung des Arbeitsverhältnisses – wie die Darlegungen im Sozialplan vom 7. April 1998 belegen – im Hinblick auf die schwierige wirtschaftliche Lage der GmbH von dieser aus und mündete zur Vermeidung einer Betriebsschließung mit Kündigungen in den Vereinbarungen des Sozialplans.
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde entgegen der Ansicht des Beklagten auch endgültig beendet. Mit Abschluss des Aufhebungsvertrags vom 8. April 1998 wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der GmbH mit Wirkung zum 30. April 1998 zivilrechtlich wirksam aufgelöst. Das von der Klägerin mit der D mit Wirkung vom 1. Mai 1998 eingegangene befristete Arbeitverhältnis steht dieser endgültigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der GmbH nicht entgegen.
Bei einem Wechsel des Arbeitgebers ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Zielsetzung des § 3 Nr. 9 EStG (sozialpolitisch begründeter Ausgleich der Folgen eines Arbeitsplatzverlustes) zu beachten. Eine rein formale Betrachtung eines Arbeitgeberwechsels ist daher nicht ausreichend. Entscheidend ist vielmehr, wie die Beteiligten nach den Umständen des Einzelfalles den Arbeitgeberwechsel ausgestaltet haben, insbesondere, ob sich das neue Arbeitsverhältnis als Fortsetzung eines einheitlichen Arbeits-/Dienst-verhältnisses darstellt (vgl. BFH-Urteil vom 2. April 2008 IX R 82/07, Sammlung der Entscheidungen des BFH-BFH/NV – 2008,1325 und BFH-Beschluss vom 8. Juli 2005 XI B 32/03, BFH/NV2005, 1859, jeweils m.w.N.).
Im Streitfall ist insoweit beachtlich, dass die Weiterbeschäftigung der Klägerin nicht bei einem Arbeitgeber erfolgte, der unternehmensrechtlich mit der GmbH verbunden ist. In derartigen Fällen hat die höchstrichterliche Rechtsprechung eine endgültige Beendigung des Arbeitsverhältnisses verneint, weil trotz formalen Wechsels des Arbeitgebers das Arbeitverhältnis im Übrigen in Bezug auf den Arbeitsbereich, die Entlohnung und unter Wahrung des sozialen Besitzstandes im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wurde (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 2005 XI R 8/05, BFH/NV 2006/1071 m.n.N. zu Umsetzungen von Arbeitnehmern innerhalb eines Konzerns oder anlässlich eines Betriebsübergangs; anders beim sog. Managementbuyout oder Wechsel eines leitenden Angestellten in den Geschäftsbetrieb einer neu gegründeten GmbH des bisherigen Arbeitgebers vgl. BFH-Urteil IX R 82/07 a.a.O.).
Die Beschäftigung der Klägerin bei der D erfolgte bei einer Gesellschaft, die mit der GmbH nicht gesellschaftsrechtlich verbunden war. Die
D ist vielmehr eine externe Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft mit der Aufgabe, die bisherigen Arbeitnehmer der GmbH nach Auflösung der bestehenden Arbeitsverhältnisse für einen befristeten Zeitraum zu beschäftigen und weiter zu qualifizieren. Dabei wird ersichtlich die Möglichkeit der Zahlung von Kurzarbeitergeld durch die Arbeitsverwaltung nach § 175 SGB III ausgenutzt. In diesem Fall wurde das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin endgültig beendet und ein völlig neues, befristetes Arbeitsverhältnis mit einer anderen fremden juristischen Person begründet. Ein Übergang des Arbeitsverhältnisses nach § 613 a BGB ist ganz offenkundig nicht erfolgt. Auch die inhaltliche Ausgestaltung dieses Arbeitsverhältnisses unterscheidet sich von jenem mit der GmbH. Zwar wurden die Tätigkeiten in den gleichen, nunmehr von der D angemieteten Räumen der GmbH erbracht. Auch die praktischen Arbeiten waren nach den Angaben der Klägerin im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25. Juni 2007 weitgehend mit der früheren Tätigkeit identisch. Sie dienten aber nunmehr lediglich der Aufrechterhaltung der Kenntnisse und Fähigkeiten der Klägerin während der Zeit der Weiterqualifizierung.
Zudem unterlag die Klägerin nunmehr der Weisungsbefugnis der D und hatte zusätzlich zur Schulung ihrer praktischen Fähigkeiten – im wöchentlichen Wechsel – an ca. 8-stündigen Schulungsmaßnahmen zur Weiterqualifizierung teil zu nehmen. Von einer Fortsetzung eines „einheitlichen” Arbeitsverhältnisses ist daher im Streitfall nicht auszugehen (ebenso Pröpper, Steuerfreie Abfindungen gemäß § 3 Nr. 9 EStG auch bei Transfersozialplan und Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft? in Der Betrieb 2001, 2170, 2172).
Im Hinblick auf die vielschichtigen, im Interessenausgleich-Sozialplan dargelegten außersteuerlichen Gründe, die für die gewählte Sachverhaltsgestaltung ausschlaggebend waren, scheidet auch die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs iSd des § 42 AO aus.
Die an die Klägerin gezahlten Zuschüsse zur Kurzarbeitergeld sind als Abfindungen iSd § 3 Nr. 9 EStG zu qualifizieren. Abfindungen sind insoweit Leistungen an den Arbeitnehmer, die Nachteile des Arbeitnehmers aus dem Verhalten des bisherigen Arbeitgebers ausgleichen sollen. § 3 Nr. 9 EStG erfasst damit alle Leistungen zur Abgeltung von Interessen, die durch den Arbeitsplatzverlust infolge Auflösung des Dienstverhältnisses beeinträchtigt sind, soweit die Auflösung vom Arbeitgeber veranlasst wurde. Erforderlich ist ein unmittelbarer Zusammenhang der Zahlung mit dem aufgelösten Dienstverhältnis (vgl. BFH-Urteil XI R 18/05 a.a.O). Ein solcher Zusammenhang besteht im Streitfall, da die Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld ausweislich der Vereinbarungen im Sozialplan zum Ausgleich der durch die strukturelle Kurzarbeit verursachten Einkommensminderung gezahlt wurden. Die Zahlungen erfolgten zwar durch den neuen Arbeitgeber D, sind aber als Zahlungen der GmbH durch die D als bloße „Zahlstelle anzusehen, da die GmbH sich in der Zusatzvereinbarung vom 7.April 1998 verpflichtet hatte, für den durch die Kurzarbeit entstehenden Nachteil einen Betrag von 2 Mio. DM für monatliche Nettozuzahlungen zur Verfügung zu stellen. Die D hat diese Beträge lediglich für die GmbH verauslagt und sich dann von dieser erstatten lassen. Dies hat auch die Lohnsteuer-Außenprüfung im Bericht vom 21. Mai 2001 festgestellt.
Der Hinweis der Oberfinanzdirektion im Schreiben an den Beklagten vom 20. Mai 2003, der Zuschuss zum Kurzarbeitergeld sei unabhängig von der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses über einen Zeitraum von mehreren Monaten gezahlt worden, kann nach den vorliegenden Akten nicht verifiziert werden. Der genannte Prüfungsbericht spricht lediglich den Zeitraum nach Beginn der Beschäftigung bei der D an. Im Übrigen wäre die Zahlung des Zuschusses zum Kurzarbeitergeld an andere, weiterhin bei der GmbH Beschäftigte kein erheblicher Umstand, der einer Qualifizierung der hier streitigen Zahlungen als Abfindung entgegen stünde. Denn diese Zahlungen wurden nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Nachteilsausgleich erbracht.
Auch die Vereinbarung über Nachteilsausgleich vom 20. April 1998 steht der Anwendung des § 3 Nr. 9 EStG im Streitfall nicht entgegen. Die dort geregelten Nachteilsausgleichszahlungen betrafen Zeiträume nach Beendigung des
befristeten Arbeitverhältnisses mit der D. Sie enthalten keine Einschränkungen des im Interessenausgleich-Sozialplan nebst Zusatzprotokoll ausdrücklich für die Zeit der Beschäftigung bei der D zugesagten Nachteilsausgleichs durch Gewährung eines Zuschusses zum Kurzarbeitergeld.
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des BFH vom 21. Mai 2007 XI B 169/06, BFH/NV 2007, 1648, in dem der BFH monatliche Zuzahlungen des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld nicht als Abfindungen iSd § 3 Nr. 9 EStG a.F. angesehen hat. Im dort vorliegenden Streitfall war das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Zuzahlungen jedoch noch nicht aufgelöst, so dass bereits diese tatbestandliche Voraussetzung der Steuerbefreiung fehlte. Folgerichtig hat der BFH in diesem Fall die Ursache für die Zahlung des Zuschusses nicht in der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, sondern in der Kurzarbeit gesehen. Im Streitfall war jedoch das Arbeitsverhältnis der Kläger im Zahlungszeitpunkt wirksam beendet, so dass der notwendige Kausalzusammenhang zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Ausgleichzahlungen zur Vermeidung von Nachteilen, die durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses begründet sind, vorliegt.
Im Übrigen ist weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich, dass die an die Klägerin erfolgten Zahlungen die Freibeträge des § 3 Nr. 9 EStG überschreiten.
Der Klage war nach alledem stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten folgt aus § 151 Abs. 1 FGO iVm §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, da die Frage der Zahlung von Zuschüssen zum Kurzarbeitergeld an Beschäftigte von sog. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften bislang – soweit ersichtlich- höchstrichterlich nicht entschieden ist und das Verfahren als sog. Musterverfahren für eine Vielzahl von anhängigen gleichgelagerten Rechtsbehelfen beim Beklagten sowie anderen Finanzämtern geführt wird. Trotz der zwischenzeitlichen Aufhebung der Regelung des § 3 Nr. 9 EStG ist daher die Zulassung der Revision geboten.