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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 26.08.2009 – 6 K 2295/06

    1. Der Organträger muss in zeitlicher Hinsicht nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG an der Organgesellschaft vom Beginn des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft bis zu dessen Ende ununterbrochen in einer Weise beteiligt sein, die den Voraussetzungen der finanziellen Eingliederung genügt.

    2. Die finanzielle Eingliederung gemäß §§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG ist tatsächlicher und nicht rechtlicher Natur und kann daher nicht mit steuerlicher Rückwirkung herbeigeführt werden.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 6. Senat unter Mitwirkung des Richters am Finanzgericht … als Vorsitzenden der Richters am Finanzgericht … des Richters am Finanzgericht … der ehrenamtlichen Richterinnen … und … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 26. August 2009

    für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

    3. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten darüber, ob für das Jahr 2004 zwischen der Klägerin und der Beigeladenen ein körperschaftsteuerliches Organschaftsverhältnis anzuerkennen ist.

    Die Klägerin ist eine gemäß notariellem Vertrag vom 16. April 2004 durch Ausgliederung zweier Teilbetriebe aus der R. GmbH hervorgegangene GmbH. Die Ausgliederung erfolgte mit Wirkung zum 1. Januar 2004. Die Umwandlung wurde am 24. Juni 2004 ins Handelsregister eingetragen. Die R. GmbH war nach der Ausgliederung zunächst Alleingesellschafterin der Klägerin. Darüber hinaus hielt die R. GmbH 100 % der Anteile an der P GmbH. Mit notariell beurkundetem Gesellschafterbeschluss, ebenfalls vom 16. April 2004, brachte die R. GmbH ihre Beteiligung an der Klägerin im Rahmen einer Kapitalerhöhung bei der P GmbH in diese Gesellschaft ein. Die Einbringung erfolgte mit wirtschaftlicher Wirkung zum 1. Januar 2004 und wurde am 8. Oktober 2004 ins Handelsregister eingetragen. Alleingesellschafterin der Klägerin ist seitdem die P GmbH. Ebenfalls am 16. April 2004 schlossen die Klägerin und die P GmbH einen Gewinnabführungsvertrag, was am 25. Oktober 2004 ins Handelsregister eingetragen wurde.

    Im Rahmen ihrer am 30. März 2006 beim Beklagten eingereichten Körperschaftsteuererklärung für 2004 ging die Klägerin vom Vorliegen einer köperschaftsteuerlichen Organschaft zwischen ihr und der P GmbH aus. Dem folgte der Beklagte nicht. Er ging davon aus, dass die erforderliche finanzielle Eingliederung nicht vorgelegen habe und setzte mit Bescheid vom 6. Juli 2006 unter Zugrundelegung des im Jahresabschluss ausgewiesenen abgeführten Gewinns in Höhe von 596.582 EUR die Körperschaftsteuer auf 135.524 EUR gegen die Klägerin fest.

    Auf den Einspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 6. Juli 2006 reduzierte der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 24. November 2006 die festgesetzte Körperschaftsteuer (aus in diesem Verfahren nicht streitigen Gründen) auf 116.429 EUR und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück, wobei der Beklagte das Vorliegen einer köperschaftsteuerlichen Organschaft weiterhin verneinte.

    Zur Begründung ihrer am 20. Dezember 2006 erhobenen Klage führt die Klägerin im Wesentlichen aus, dass die finanzielle Eingliederung der Klägerin in die P GmbH und somit die körperschaftsteuerliche Organschaft zu bejahen sei. Die Rückwirkungsfiktion für die Ermittlung des Einkommens müsse auch bei der Beurteilung der Frage der Zurechnung der Stimmrechte gelten. Ohne die nachfolgende Einbringung der Klägerin in die P GmbH hätte unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. September 2003 I R 55/02 eine unmittelbare finanzielle Eingliederung der Klägerin i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in die R. GmbH vorgelegen. Durch die Einbringung der Anteile an der Klägerin in die P GmbH wäre die P GmbH gemäß § 22 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 3 Satz 1 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden R. GmbH eingetreten. Nach der Generalklausel des § 12 Abs. 3 Satz 1 UmwStG würden die Besteuerungsmerkmale, die von der übertragenden Körperschaft verwirklicht wurden, von der übernehmenden Körperschaft fortgeführt. Zu diesen Besteuerungsmerkmalen würde auch die finanzielle Eingliederung i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG gehören. Im Übrigen sei die Einbringung der Anteile an der Klägerin in die P GmbH auf den 31. Dezember 2003/ 1. Januar 2004 zurückbezogen worden. Die finanzielle Eingliederung sei rechtlicher Natur und damit rückbeziehungsfähig. Mit Änderungsbescheid vom 7. August 2008 hat der Beklagte aus in diesem Verfahren unstreitigen Gründen die Körperschaftsteuer für 2004 auf 166.603 EUR festgesetzt.

    Die Klägerin beantragt, den Körperschaftsteuerbescheid 2004 vom 7. August 2008 dahingehend zu ändern, dass die Körperschaftsteuer 2004 mit 0 EUR festgesetzt wird, hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt Klageabweisung, hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Zur Begründung führt er aus, dass die Voraussetzungen für ein körperschaftsteuerliches Organverhältnis im Streitjahr nicht erfüllt gewesen seien. Eine ununterbrochene finanzielle Eingliederung der Klägerin in die P GmbH zu Beginn des Wirtschaftsjahres hätte nicht vorgelegen, da die P GmbH tatsächlich am 1. Januar 2004 noch nicht an der Klägerin beteiligt gewesen wäre. Auch hätte zum 1. Januar 2004 keine finanzielle Eingliederung in die R. GmbH vorgelegen, in welche die P GmbH als Rechtsnachfolgerin auf Grund der Anteilseinbringung hätte eintreten können. Bei dem Tatbestandsmerkmal der finanziellen Eingliederung würde es sich um eine tatsächliche Voraussetzung handeln, welche erfüllt sein müsste. Davon sei auch der BFH in seinem Urteil vom 17. September 2003 ausgegangen. Eine rückwirkende Fiktion der tatsächlichen Existenz der Kapitalgesellschaft hätte der BFH nicht anerkannt.

    Mit Beschluss vom 17. September 2008 hat das Gericht die P GmbH beigeladen. Diese hat sich zum Verfahren nicht geäußert.

    Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 20. Dezember 2006, 22. Februar, 14., 30 März 2007, 4. Juni und 15. August 2008 sowie deren Anlagen sowie auf die Niederschrift über die mündlichen Verhandlung vom 26. August 2009 Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    1. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid über die Körperschaftsteuer 2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

    Der Beklagte hat das Bestehen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft im Jahr 2004 zu Recht verneint.

    a) Die fiktive Behandlung der Klägerin als Kapitalgesellschaft ab dem 1. Januar 2004 wird zunächst von den Beteiligten übereinstimmend und auch zutreffend bejaht. Die Klägerin ist durch Ausgliederung gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) entstanden. Ertragsteuerrechtlich gelten für diese Art der Umwandlung die § 20 ff. UmwStG.

    Der steuerlich grundsätzlich maßgebende Übertragungsstichtag wäre der Tag des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums an den durch Ausgliederung in die aufnehmende Gesellschaft eingebrachten Wirtschaftsgütern, mithin der Tag der Eintragung der Umwandlung im Handelsregister. Hiervon abweichend (§ 20 Abs. 7 UmwStG) konnte der steuerliche Übertragungsstichtag auf Antrag der Klägerin jedoch so ermittelt werden, als ob das eingebrachte Betriebsvermögen mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtages i.S. von § 20 Abs. 8 UmwStG übergegangen wäre. In Fällen der Sacheinlage durch Ausgliederung gem. § 123 UmwG darf als steuerlicher Übertragungsstichtag der Stichtag angesehen werden, für den die Schlussbilanz des übertragenden Unternehmens i.S.d. § 17 Abs. 2 UmwG aufgestellt ist, wobei dieser Stichtag höchstens acht Monate vor der Anmeldung der Ausgliederung zur Eintragung im Handelsregister liegen darf. Die Klägerin hat die Übertragungsbilanz auf den 31. Dezember 2003 erstellt. Dieser Tag lag weniger als acht Monate vor dem Umwandlungsbeschluss und der Anmeldung zum Handelsregister. Durch die eingereichte Steuererklärung für 2004 und dem beigefügten Jahresabschluss hat die Klägerin deutlich gemacht, dass dieser Stichtag auch steuerlich gelten sollte. Die Steuerpflicht der Klägerin begann daher mit Ablauf des 31. Dezember 2003. Ihr Wirtschaftsjahr begann somit am 1. Januar 2004.

    b) Jedoch kann die körperschaftsteuerlichen Organschaft im Streitjahr nicht anerkannt werden, da die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung der Klägerin in die Beigeladene gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG in zeitlicher Hinsicht nicht erfüllt ist.

    aa) Eine finanzielle Eingliederung liegt nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG vor, wenn der Organträger an der Organgesellschaft in einem solchen Umfang beteiligt ist, dass ihm die Mehrheit der Stimmrechte zusteht. Die finanzielle Eingliederung soll gewährleisten, dass der Organträger in den im regelmäßigen Geschäftsverkehr auftauchenden Fragen seinen Willen durchsetzen kann. Demgemäß stellt das Gesetz auch nicht auf die Mehrheit der Anteile ab, sondern auf die Mehrheit der Stimmrechte (vgl. Frotscher, in Frotscher/Maas, KStG, § 14 Rz. 90). Diese Voraussetzung ist mit Einbringung der Beteiligung an der Klägerin von der R. GmbH in die Beigeladene erfüllt. Mit Einbringung der Beteiligung in die Beigeladene verfügte diese über sämtliche Stimmrechte. In zeitlicher Hinsicht muss nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG der Organträger an der Organgesellschaft vom Beginn des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft bis zu dessen Ende ununterbrochen in einer Weise beteiligt sein, die den Voraussetzungen der finanziellen Eingliederung genügt (vgl. Frotscher, in Frotscher/Maas, KStG, § 14 Rz. 126). Der Begriff „ununterbrochen” ist eng auszulegen: Jede noch so kurze Unterbrechung schadet und führt zur Auflösung der finanziellen Eingliederung und damit zum Ende der Organschaft. Maßgebend ist jeweils das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft; auf das Wirtschaftsjahr des Organträgers kommt es nicht an. Die finanzielle Eingliederung muss vom Beginn des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft an bestehen; es genügt nicht, wenn sie erst im Laufe dieses Wirtschaftsjahrs hergestellt wird. Entsprechend muss die finanzielle Eingliederung bis zum Ende des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft bestehen bleiben. Endet die finanzielle Eingliederung vor dem Ende des Wirtschaftsjahres oder beginnt sie nach seinem Anfang, kann dem Organträger das Einkommen der Organgesellschaft nicht zugerechnet werden.

    bb) Nach Ansicht des Senats liegt eine dementsprechende finanzielle Eingliederung der Klägerin in die Beigeladene während des gesamten Wirtschaftsjahres nicht vor. Das Gericht ist in Übereinstimmung mit der Entscheidung des BFH vom 17. September 2003 I R 55/02 (in BFHE 203, 329, BStBl II 2004, 534) der Ansicht, dass die finanzielle Eingliederung gemäß §§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG tatsächlicher und nicht rechtlicher Natur ist und dass diese tatsächlichen Voraussetzungen von Beginn des Wirtschaftsjahres (1. Januar 2004) bis zum Zeitpunkt der Einbringung der Klägerin in die Beigeladene (16. April 2004) nicht vorgelegen haben. Zwar gibt es in der Literatur mehrere Stimmen, die die finanzielle Eingliederung als rechtlichen Umstand ansehen, und dementsprechend die finanzielle Eingliederung als „rückwirkungsfähig” behandeln (vgl. Gosch/ Neumann KStG § 14 Rz. 158, Plewka in DB 2005, 1703 ff.). Dem kann der Senat jedoch nicht folgen. Wie bereits dargestellt, soll die finanzielle Eingliederung gewährleisten, dass der Organträger in den im regelmäßigen Geschäftsverkehr auftauchenden Fragen seinen Willen durchsetzen kann. Diese Möglichkeit der Durchsetzung des Willens ist nach Ansicht des Senats tatsächlicher und nicht nur rechtlicher Natur. Da im Übrigen lediglich die Möglichkeit einer Willensdurchsetzung gegeben sein muss, kommt es auf die Frage, ob eine Willensausübung tatsächlich stattgefunden hat oder hätte, nicht an. Eine nachträglich „fingierte” Willensdurchsetzungsmöglichkeit scheidet auf Grund der tatsächlichen Natur dementsprechend aus. Da die Klägerin zu Beginn des Wirtschaftsjahres am 1. Januar 2004 noch nicht als eigenständige Kapitalgesellschaft bestand und darüber hinaus eine Beteiligung der Beigeladenen erst im April 2004 erfolgte, konnte die Beigeladene bis zu diesem Zeitpunkt auf die geschäftlichen Fragen der Klägerin bzw. der Teilbetriebe, aus denen die Klägerin entstanden ist, keinen Einfluss nehmen.

    2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 4 FGO.

    3. Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsache und zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO zugelassen.

    VorschriftenKStG 2002 § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, UmwStG 2002 § 22 Abs. 1, UmwStG 2002 § 12 Abs. 3 S. 1