02.11.2010
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 12.02.2010 – 4 K 81/09
Zur Frage, wer hinsichtlich eines Anspruchs auf Erstattung von Einfuhrumsatzsteuer erstattungsberechtigt ist.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Rückzahlung von Einfuhrabgaben. Der Beklagte erließ am 23.06.2008 einen Einfuhrabgabenbescheid, mit dem Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 32.549,51 Euro festgesetzt wurde. Der Bescheid erging an die Klägerin als Vertreterin für die Firma A GmbH & Co. KG (im Folgenden A) X-Straße, ... B. Die dem Einfuhrvorgang zugrunde liegende Zollanmeldung war von der Klägerin als Vertreterin der Fa. A eingereicht worden. Die Klägerin entrichtete die geforderten Abgaben innerhalb der im Bescheid genannten Frist.
Mit Schreiben vom 16.09.2008 wandte sich die Klägerin an den Beklagten und berief sich darauf, die Zahlung aufgrund eines Versehens geleistet zu haben. Sie habe sich selbst irrtümlich für zahlungspflichtig gehalten. Zahlungspflichtig sei dagegen in Wirklichkeit ausschließlich die Firma A gewesen. Die Klägerin bat um Erstattung des nach ihrer Auffassung rechtsgrundlos gezahlten Betrages. Der Beklagte lehnte die Erstattung mit Bescheid vom 26.09.2008 ab.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Einspruch vom 01.10.2008. Der Rechtsbehelf blieb erfolglos. Die Einspruchsentscheidung wurde am 25.02.2009 abgesendet.
Mit der am 25.03.2009 erhobenen Klage beruft sich die Klägerin weiterhin darauf, dass sie irrtümlich davon ausgegangen sei, selbst zur Zahlung des vom Beklagten festgesetzten Abgabenbetrages verpflichtet gewesen zu sein. Nachträglich habe sie erkennen können, dass sie lediglich als Vertreterin der Firma A über den Einfuhrabgabenbescheid unterrichtet worden sei, aufgrund des Abgabenbescheides jedoch nicht selbst zahlungspflichtig gewesen sei. Der Bescheid sei an sie, die Klägerin adressiert gewesen, wobei der Vertreterzusatz nicht wahrgenommen worden sei. In dem Bescheid habe sich auch kein Hinweis darauf befunden, dass die festgesetzten Abgabenbeträge von der Firma A zu zahlen gewesen seien. Vielmehr habe es unter „Zahlungsaufforderung” geheißen:
Ich bitte, den Betrag im Feld „Festgesetzter Abgabenbetrag” unter Angabe des RKZ bis zum angegebenen Fälligkeitstag zu zahlen an die Zollstelle...”
Der Beklagte habe in dem Einfuhrabgabenbescheid durch die Aufführung der Klägerin als Adressaten den Eindruck erweckt, dass die Klägerin selbst Einfuhrabgabenschuldnerin sei, was auf Seiten der Klägerin auch dazu geführt habe, dass sie selbst den festgesetzten Abgabenbetrag gezahlt habe. Der Beklagte habe damit den Irrtum erweckt, dass die Klägerin Steuerschuldnerin geworden sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 26.09.2008 und der Einspruchsentscheidung vom 17.02.2009 zu verurteilen, an die Klägerin EUR 32.549,51 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.10.2008 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die Einspruchsentscheidung und hält an seiner Auffassung fest, dass die Zahlung der streitigen Einfuhrabgaben im Zeitpunkt der Zahlung gesetzlich geschuldet war. Aus Sicht der Behörde habe die Klägerin die Schuld eines Dritten getilgt. Ein etwaiger Irrtum der Klägerin über das Bestehen einer eigenen Zahlungsverpflichtung sei rechtlich unerheblich.
2 Hefter Verwaltungsvorgänge haben vorgelegen.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Als Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Erstattung kommt allein Art. 236 des Zollkodexes (ZK) in Betracht, nicht dagegen - wie die Klägerin meint - die nationalrechtlichen Vorschriften der §§ 37 AO und 812 BGB. Die Klägerin begehrt in der Sache die Erstattung (Rückzahlung) von entrichteter Einfuhrumsatzsteuer. Nach § 21 Abs. 2 UStG gelten für die Einfuhrumsatzsteuer die (gemeinschaftsrechtlichen) Vorschriften für Zölle sinngemäß. Diese Verweisung führt zur Anwendung der Vorschrift des Art. 236 ZK. Soweit gemeinschaftsrechtliche Regelungen einschlägig sind, treten nationale Rechtsvorschriften zurück (vgl. § 1 Abs.1 Satz 2 AO).
Nach Art. 236 ZK werden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war oder der Betrag entgegen Art. 220 Abs. 2 ZK buchmäßig erfasst worden ist. Unter den Beteiligten besteht kein Streit über die Frage, ob eine fehlerhafte buchmäßige Erfassung der Zollschuld vorliegt. Der diesbezügliche Abgabenbescheid vom 21.05.2008 ist zudem nicht angefochten worden, sodass er in Bestandskraft erwachsen und einer materiellrechtlichen Überprüfung nicht mehr zugänglich ist.
Bereits aus diesem Grunde ist festzustellen, dass die Einfuhrumsatzsteuer zum Zeitpunkt der Zahlung gesetzlich geschuldet war. Auch die Klägerin trägt nicht vor, dass es an den gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass des Bescheides gefehlt habe.
Die Klägerin hat somit ihre Zahlung im Hinblick auf eine gesetzlich bestehende Abgabenschuld geleistet. Dass sie selbst nicht Schuldnerin der Abgabenleistung gewesen ist, sondern auf die Schuld eines Dritten, der Fa. A, geleistet hat, ist rechtlich ohne Belang. Wenn die Klägerin aus ihrer Sicht irrtümlich auf die Schuld der vertretenden Firma A gezahlt haben sollte, so führt das weder zur Unwirksamkeit noch zur Anfechtbarkeit der Leistung. Denn nach § 362 BGB ist als Leistung die Erfüllung der Schuld anzusehen. Es ist nicht erforderlich, dass es sich um eine eigene Schuld des Leistenden handeln muss. Auch die Leistung auf die Schuld eines Dritten bewirkt deren Erlöschen, ist also mit Rechtsgrund erfolgt. Umstände, die aus der Sicht der Zahlungsempfängerin darauf hindeuten könnten, dass die Klägerin eine versehentliche Zahlung ohne Zuordnung auf das zwischen der Fa. A und dem Beklagten bestehende Leistungsverhältnis vorgenommen hat, sind nicht erkennbar und auch von der Klägerin nicht vorgetragen worden. Ein „Widerruf” einer Zahlung als Erfüllungsleistung ist gesetzlich nicht vorgesehen. Eine Anfechtung der Leistung ist nicht möglich, weil sie keine Willenserklärung im Sinne der Vorschrift des § 119 BGB darstellt.
Zutreffend verweist der Beklagte darauf, dass die Klägerin nicht etwa irrtümlich als Zollschuldnerin in Anspruch genommen worden ist. Der Bescheid vom 23.06.2008 ist vielmehr an die Klägerin „als Vertreterin für Frau/Herr/Firma A GmbH & Co. KG X-Straße, ... B ergangen. Wenn die Klägerin daraufhin die Schuld der Vertretenen durch Zahlung zum Erlöschen bringt, so erbringt sie keine Leistung ohne Rechtsgrund. Rechtsgrund für ihre Zahlung ist vielmehr die zwischen dem Beklagten und der Firma A bestehende Abgabenschuld. Eine möglicherweise im Streitfall gegebene irrtümliche Zahlung auf eine fremde Schuld führt indessen nicht dazu, dass es an einem Rechtsgrund für die Zahlung fehlt.
Soweit die Klägerin meint, durch die Zahlungsaufforderung habe sie sich selbst zur Zahlung aufgefordert gesehen, übersieht sie, dass der Inhalt des Bescheides vom 23.06. 2008 ausweislich des deutlich erkennbaren Anschriftenfelds nicht an sie, sondern allein an die vertretene Fa. A gerichtet war. Ein verbleibender Irrtum der Klägerin über das Bestehen einer eigenen Schuld ist für die hier zu beurteilende Frage unerheblich.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann sie sich für ihre Rechtsauffassung nicht auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH-Urteil vom 18.6.1986 II R 38/84, BStBl II 1986,704) stützen. Der BFH hat zur Frage, wem der Steuererstattungsanspruch zusteht, ausgeführt, dass der Erstattungsanspruch die Umkehrung des Steueranspruchs ist. Erstattungsberechtigt ist daher derjenige Steuerpflichtige, gegen den der Steuerbescheid ergangen und für den die Steuerschuld bezahlt worden ist. Unerheblich ist dabei grundsätzlich, wer die Steuerschuld bezahlt hat und aus welchen Mitteln die Zahlung erfolgt ist, wenn nur nach dem erkennbaren Willen des Zahlenden die Zahlung für den Steuerschuldner vorgenommen worden ist. Im Streitfall ist aber nach dem aus Sicht des Beklagten erkennbaren Willen der zahlenden Klägerin die Zahlung für die Steuerschuldnerin - die Fa. A - vorgenommen worden. Hieraus ergibt sich, dass nur ihr - nicht dagegen der Klägerin - ein Erstattungsanspruch beim Vorliegen der hierfür erforderlichen Voraussetzungen zustehen kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 FGO) zugelassen.