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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 24.03.2010 – 4 K 2523/09 VSt

    Eine Müll- und Klärschlammverbrennungsanlage kann für den selbst erzeugten und zur Beleuchtung, Klimatisierung und Gipsabscheidung in den Zentrifugen der Rauchgasreinigungsanlage eingesetzten Strom die Befreiung von der Stromsteuer beanspruchen, wenn die Stromerzeugungsanlage ohne den Stromeinsatz zu diesen Zwecken technisch nicht ordnungsgemäß betrieben werden kann.


    Tatbestand

    Die Klägerin betrieb u.a. eine Müll- und Klärschlammverbrennungsanlage (MKVA), die Strom erzeugt und über eine Rauchgasreinigungsanlage (RRA) verfügte.

    Im Kesselgebäude der MKVA waren zahlreiche technische Schalt- und Regelungsanlagen untergebracht, deren Umgebungstemperatur für einen störungsfreien Betrieb der MKVA und der RRA höchstens 40°C betragen durfte. Zudem befanden sich in diesem Gebäude fensterlose Räume, in denen sich das Bedienungspersonal rund um die Uhr aufhielt und die aus arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Gründen zu beleuchten und zu klimatisieren waren. Im Einzelnen handelte es sich um die Schaltanlagen, die Warte, den Gleichrichterraum, den Batterieraum, den Relaisraum und die Arbeits- und Sozialräume des im Drei-Schichten-Betrieb arbeitenden Bedienungspersonals.

    Die RRA erzeugte beim Filtern in der Rauchgasreinigung eine Gipssuspension mit einem Wasseranteil von 70%, der nach der der Klägerin erteilten Betriebsgenehmigung zur fachgerechten Entsorgung auf einen Wasseranteil von 20% vermindert werden musste. Dazu setzte die Klägerin zwei elektrisch betriebene Zentrifugen ein. Den so hergestellten Gips durfte die Klägerin nicht verwerten, sondern hatte ihn auf einer Sondermülldeponie zu entsorgen. Ihre Berufung gegen das klageabweisende Urteil hinsichtlich der diesbezüglichen Nebenbestimmungen ihrer Betriebsgenehmigung wies das Oberverwaltungsgericht mit rechtskräftigem Urteil vom ...... ab.

    Auf Anordnung des Beklagten fand bei der Klägerin eine Außenprüfung u.a. der Stromsteuer für die Jahre 2005 und 2006 statt, deren Ergebnis im Prüfungsbericht vom 15.09.2008 zusammengefasst wurde. In dem Bericht stellte der Prüfungsbeamte fest, dass die Klägerin in den beiden Jahren jeweils 998,965 MWh Strom zur Beleuchtung und Klimatisierung der Räume im Gebäude der MKVA einsetzte. Weiter setzte die Klägerin in beiden Jahren jeweils 146.040 MWh Strom zum Betrieb zweier Zentrifugen ein, mit denen sie die Gipssuspension aus der RRA entwässerte. Nach Auffassung des Prüfungsbeamten waren diese Stromverwendungen, die die Klägerin in ihren Stromsteueranmeldungen nicht angemeldet hatte, nicht mehr der Stromerzeugung im technischen Sinne zuzuordnen.

    Der Beklagte schloss sich den Feststellungen und Wertungen des Prüfungsberichts mit Bescheid vom 27.10.2008 an und erhob u.a. für den Strom, der für Beleuchtung und Klimatisierung eingesetzt wurde, 40.957,57 EUR Stromsteuer und für den Strom, der für die Gipsabscheidung eingesetzt wurde, 5.987,64 EUR Stromsteuer nach.

    Zur Begründung des gegen diesen Bescheid fristgerecht eingelegten Einspruchs trug die Klägerin vor, die Verwendung des Stroms für Beleuchtung und Klimatisierung und für die Gipsabscheidung sei nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Stromsteuergesetzes StromStG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes (Stromsteuer-Durchführungsverordnung – StromStV) stromsteuerfrei.

    Die MKVA sei für eine ordnungsgemäße Funktion und zur Einhaltung rechtlicher Vorschriften zu beleuchten und zu klimatisieren. Dabei gehe es nicht um die bloße Unterhaltung des Kraftwerks, wie etwa bei Büroräumen, Lagern oder Werkstätten. Zudem werde in den fensterlosen Räumen, für deren Beleuchtung und Klimatisierung sie den Strom verwendet habe, ununterbrochen im mehreren Schichten gearbeitet, so dass Beleuchtung und Klimatisierung zwingend erforderlich seien.

    Die Entsorgung von Reststoffen aus der Anlage und vom Betriebsgrundstück sei ein wesentlicher Bestandteil eines genehmigungsfähigen Betriebsablaufs. Die Rauchgasreinigung ende erst mit dem Abtransport der Reststoffe zur Entsorgung. Sie habe den Gips nicht veredeln, nämlich verkaufsfertig machen dürfen, sondern müsse ihn entsorgen.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 16.06.2009 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück, da nach den eng auszulegenden Bestimmungen des § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 StromStV nur die Anlagen steuerfrei betrieben werden dürften, die für die Stromerzeugung unentbehrlich seien und in einem direkten technischen Zusammenhang mit der Stromerzeugung stünden.

    Das gelte für Beleuchtung und Belüftung ebenso wie für die Gipsentwässerung. Diese Aufbereitung diene nach erfolgter Stromerzeugung nur dem leichteren Abtransport. Sie stehe in keinem technischen Zusammenhang mit der Stromerzeugung. Auch ende die Rauchgasreinigung mit der Entnahme der Suspension aus der RRA.

    Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und beantragt,

    den Bescheid des Beklagten vom 27.10.2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.06.2009 aufzuheben, soweit darin für Strom, der für Beleuchtung und Klimatisierung eingesetzt wurde, 40.957,57 EUR Stromsteuer und für Strom, der für die Gipsabscheidung eingesetzt wurde, 5.987,64 EUR Stromsteuer festgesetzt worden sind.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    und verweist auf seine Einspruchsentscheidung.

    Gründe

    Die Klage ist begründet.

    Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 27.10.2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.06.2009 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit darin für Strom, der für Beleuchtung und Klimatisierung eingesetzt wurde, 40.957,57 EUR Stromsteuer und für Strom, der für die Gipsabscheidung eingesetzt wurde, 5.987,64 EUR Stromsteuer festgesetzt worden sind, § 100 Abs. 1 S.1 der FinanzgerichtsordnungFGO –.

    § 9 Abs.1 Nr. 2 StromStG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Nr. 1 StromStV befreit zwar nur denjenigen Strom von der Stromsteuer, der zur Stromerzeugung in Neben- und Hilfsanlagen der Stromerzeugungseinheit im technischen Sinne verbraucht wird. Dies ist aber im Streitfall sowohl für den Strom, der für Beleuchtung und Klimatisierung als auch für die beiden Zentrifugen eingesetzt wird, der Fall.

    Im technischen Sinne verbraucht wird der Strom, ohne den die Stromerzeugungsanlage technisch nicht ordnungsgemäß betrieben werden kann. Damit ist der Strom für Beleuchtung und Klimatisierung der vom Bedienungspersonal genutzten Räume des Kesselhauses zwingend zu befreien.

    Ohne Beleuchtung der Arbeits- und Aufenthaltsräume des Kesselhauses ist ein Betrieb der MKVA, für deren Betrieb die Klägerin dort Personal rund um die Uhr einsetzt, das die Anlage ständig zu beaufsichtigen hat, schlechthin unmöglich. Ohne die aus arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Gründen notwendige Beleuchtung kann die Klägerin die MKVA nicht betreiben.

    Gleiches gilt auch für den Strom, der für die Klimatisierung eingesetzt wird. Aufgrund der hohen Heiztemperaturen im Kesselhaus, auf die die Klägerin in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, muss sie nicht nur dafür sorgen, dass die verwendeten Schaltanlagen hinreichend gekühlt werden, um funktionsfähig zu bleiben, sondern auch, dass das ständig anwesende Bedienungspersonal in einer unter arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Gesichtspunkten ordnungsgemäßen Arbeitsumgebung tätig werden kann. Deren Gewährleistung ist betriebsnotwendig.

    Der für den Betrieb der Zentrifugen verwendete Strom gehört im Streitfall untrennbar zur Rauchgasreinigung, die nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StromStV eine Neben- oder Hilfsanlage einer Stromerzeugungseinheit ist. Die zum Betrieb der MKVA notwendige Rauchgasreinigung erschöpft sich nämlich nicht in der bloßen Reinigung des Rauchgases, sondern umfasst den dauerhaften Betrieb der RRA selbst und aller weiteren dafür notwendigen Anlagen. Fallen wie hier beim Betrieb der RRA in großem Umfang Abfallstoffe wie die Gipssuspension an, können diese nicht in der MKVA verbleiben, sondern müssen beseitigt werden. Da der Klägerin in der Betriebsgenehmigung die Beseitigung selbst durch Entwässerung und mit der vergeblich angefochtenen Vorgabe der Abfallklassifikation des Gipses dessen Entsorgung auf einer Sondermülldeponie vorgeschrieben war, musste sie diese Verfahren anwenden, um die RRA und mit ihr die MKVA überhaupt betreiben zu können. Insoweit war die Entwässerung des Gipses für den ordnungsgemäßen technischen Betrieb der MKVA notwendig und damit Teil der Stromerzeugung im technischen Sinne.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, diejenige über die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

    Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO nicht erkennbar war.

    VorschriftenStromStG § 9 Abs.1 Nr. 2, StromStV § 12 Abs. 1 Nr. 1