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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 13.01.2010 – 12 K 8023/06 B

    1. Eine Körperschaft verliert ihre wirtschaftliche Identität, wenn ihre sämtlichen Geschäftsanteile im Rahmen eines Management-Buy-Out übertragen werden und ihr in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang damit von ihrem bisherigen Gesellschafter sämtliche Geschäftsanteile an vier Beteiligungsgesellschaften zugeführt werden, deren kumulierter Bilanzwert den Wert ihres zum vorangegangenen Bilanzstichtag vorhandenen Anlagevermögens deutlich übersteigt.

    2. Dem von der Klägerin hervorgehobenen Umstand, dass der neuen Anteilseigner zwar an der Erarbeitung des Konzepts beteiligt, bei der Entscheidung hierüber und erst recht bei der Auswahl des neuen Anteilseigners aber ohne jeden Einfluss gewesen sei, kommt im Streitfall keine entscheidende Bedeutung zu. Für die Erfüllung des Tatbestands des Regelbeispiels des § 8 Abs. 4 S. 2 KStG ist es nicht erforderlich, dass es gerade der neue Anteilseigner ist, der das Gesamtgeschehen von Beginn an maßgeblich beherrscht und in seinem Sinne steuert.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 12. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. Januar 2010 durch den Präsidenten des Finanzgerichts …, die Richterin am Finanzgericht …, den Richter …, die ehrenamtliche Richterin … und den ehrenamtlichen Richter …

    für Recht erkannt:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand:

    Die Beteiligten streiten darum, ob der Klägerin das Nutzen vorgetragener Verluste wegen Verlusts ihrer wirtschaftlichen Identität zu versagen ist.

    Die Klägerin entstand 1990 unter der Firma „XYZ GmbH” durch Umwandlung des ehemaligen VEB XYZ. Das Stammkapital von 1 Mio. DM übernahm zunächst die Treuhandanstalt; diese veräußerte die Gesellschaft sodann im September 1992 an die A AG – …, heute firmierend als A … GmbH (nachfolgend: „A AG”), die ihrerseits im Juni 1992 von der Treuhandanstalt privatisiert worden war.

    Die hinter der A AG stehenden Investoren führten in den Folgejahren umfassende Umstrukturierungen durch, in deren Rahmen sie unter anderem Geschäftsbereiche der A AG auf bestehende bzw. neu gegründete Gesellschaften der Unternehmensgruppe („A-Gruppe”) übertrugen. Anfang 1996 war die A-Gruppe in die beiden Unternehmensbereiche I (hierbei handelte es sich um den originären Bereich der A AG) sowie II (dieser Bereich war erst durch den Erwerb der Klägerin und weiterer Gesellschaften aufgebaut worden) gegliedert; sie beschäftigte ca. 1.700 Mitarbeiter und erzielte einen Jahresumsatz von ca. 250 – 300 Mio. DM.

    Im Frühjahr 1996 geriet die A-Gruppe in Ertrags- und Liquiditätsprobleme. Im Sommer 1996 erarbeiteten deshalb die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS), der Bund, das Land … sowie diverse Gläubigerbanken in einer konzertierten Aktion ein Sanierungskonzept, mit dem sie in erster Linie das Ziel verfolgten, möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern; zudem stellten sie der A-Gruppe eine notwendige Überbrückungsfinanzierung zur Verfügung. Zunächst sah das Konzept vor, den Geschäftsbereich II zu schließen und den Geschäftsbereich I an einen Investor zu veräußern. Nachdem Bemühungen, einen Investor zu finden, nicht zum Erfolg geführt hatten, änderten die Beteiligten im Laufe des Jahres 1997 das Konzept: Ziel war es nun, bestimmte Fortführungsbereiche zu definieren, diese Bereiche betriebswirtschaftlich zu stabilisieren und wirtschaftliche Risiken von ihnen abzuwenden, insbesondere das Übergreifen einer etwaigen Insolvenz im Bereich der stillzulegenden und abzuwickelnden Aktivitäten auf die Fortführungsbereiche („Insolvenzkaskade”) zu verhindern. Bei der Definition der zu erhaltenden Bereiche folgten die Beteiligten maßgeblich einem vom damaligen Mitglied des Vorstands der A AG, Herrn L („L”) erarbeiteten Konzept. Der bisherige Geschäftsbereich der Klägerin (II) gehörte dabei zu den Bereichen, die als nicht überlebensfähig und deshalb abzuwickeln eingestuften wurden. Allerdings sollte die Klägerin als Gesellschaft nicht liquidiert werden, sondern zukünftig in geänderter Funktion als Holding- und Dienstleistungsgesellschaft für die definierten Fortführungsbereiche fungieren.

    Bis zum Ende des Jahres 1997 hatte die Klägerin sämtliche laufenden Geschäfte, die den bisherigen Geschäftsbereich II betrafen, abgearbeitet. Sie führte in der Folgezeit kein operatives Geschäft mehr. Aufgrund Gesellschafterbeschlusses vom 19. Dezember 1997 erhielt die Klägerin eine neue Firma („A1 GmbH”). Gleichzeitig wurde ihr Gesellschaftszweck wie folgt gefasst:

    der Erwerb, das Halten und Verwalten sowie die Beratung anderer Unternehmen, insbesondere im Bereich … für Anlagen der …technik;

    die Planung, Beratung sowie die Erbringung von Engineering- und Entwicklungsleistungen in den Bereichen … für Anlagen der …technik;

    technische und kaufmännische Standort- und Gebäudeverwaltung (Facility Management) unter Ausschluss von Tätigkeiten des § 34c GewO.

    In ihrer Handelsbilanz zum 31. Dezember 1997 wies die Klägerin ein Aktivvermögen von rund 1.778.000 DM aus; hierin enthalten war Anlagevermögen im Bilanzwert von rund 440.000 DM. Das Anlagevermögen entfiel größtenteils (mit rund 370.000 DM) auf „andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung” sowie (mit rund 44.000 DM) auf technische Anlagen und Maschinen.

    Entsprechend dem verfolgten Konzept zur Neuausrichtung der A-Gruppe übertrug die A AG mit wirtschaftlicher Wirkung zum 01. Januar 1998 (Vertrag vom 30. März 1998) sämtliche Geschäftsanteile an der A2 GmbH sowie zum 31. Juli 1998 (Verträge vom 30. Juli 1998) sämtliche Geschäftsanteile an der A3 GmbH, der A4 GmbH und der A5 GmbH auf die Klägerin. Als Kaufpreis für die vier Gesellschaften vereinbarten die Vertragsparteien Beträge von insgesamt 1,6 Mio. DM; diese Beträge führte die A AG sodann der Klägerin jeweils als Kapitalrücklage zu. Außerdem erhöhte die A AG mit Gesellschafterbeschluss vom 30. Oktober 1998 das Stammkapital der Klägerin um 2 Mio. DM auf insgesamt 3 Mio. DM und verpflichtete sich ferner, ein Agio in Höhe von weiteren 5 Mio. DM in die Kapitalrücklage der Klägerin einzuzahlen. Schließlich verzichtete die A AG aufgrund eines Erlassvertrags vom 16. Dezember 1998 auf eine ihr gegenüber der Klägerin zustehende Darlehensforderung in Höhe von 7,2 Mio. DM. Der Erlass stand unter der auflösenden Bedingung eines zu einem späteren Zeitpunkt ausreichenden, das Stammkapital deckenden Aktivvermögens („Besserungsschein”).

    Im Herbst 1998 legte L der BvS, dem Bund und dem Land … ein Konzept für ein Management-Buy-out („MBO”) betreffend die fortzuführenden Geschäftsbereiche der A-Gruppe vor, das diese als erfolgversprechend ansahen. Auf dieser Grundlage übertrug die A AG mit Vertrag vom 18. Dezember 1998 sämtliche Geschäftsanteile der Klägerin sowie sämtliche Gewinnbezugsrechte ab 01. Januar 1998 an L. Die veräußerten Geschäftsanteile der Klägerin sowie die Geschäftsanteile der zuvor auf die Klägerin übertragenen Beteiligungsgesellschaften waren verpfändet; sie hafteten den Gläubigerbanken für Verbindlichkeiten der A AG und weiterer Unternehmen der A-Gruppe.

    In ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1998 wies die Klägerin ein Aktivvermögen von insgesamt rund 36,04 Mio. DM aus, darunter Anteile an verbundenen Unternehmen (1,85 Mio. DM), Forderungen gegen verbundene Unternehmen (rund 3,68 Mio. DM), sonstige Vermögensgegenstände (rund 13,3 Mio. DM) sowie liquide Mittel (rund 16,25 Mio. DM).

    Mit Bescheiden vom 08. August 2000 (zur Körperschaftsteuer) und vom 04. Januar 2001 (zur Gewerbesteuer) stellte der Beklagte den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer der Klägerin auf den 31. Dezember 1998 auf 34.184.483 DM sowie den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf denselben Tag auf 24.850.688 DM fest. Beide Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Rahmen einer im Juli 2002 begonnenen Betriebsprüfung gelangte der Beklagte zu der Auffassung, dass die Klägerin im Laufe des Jahres 1998 ihre wirtschaftliche Identität verloren habe, und erließ daraufhin am 15. Februar 2005 geänderte Bescheide, in denen er die zum 31. Dezember 1997 festgestellten Verluste zum 31. Dezember 1998 jeweils nicht mehr berücksichtigte. Da sich nach den Prüfungsfeststellungen für 1998 erstmals ein positiver Gewerbeertrag ergeben hatte, erließ der Beklagte am 04. Mai 2005 ferner einen Bescheid über Gewerbesteuermessbetrag (7.985 DM = 4.072,44 EUR) und Gewerbesteuer (31.063 DM = 15.882,26 EUR) für 1998.

    Die am 09. März 2005 (zur Verlustfeststellung) sowie am 26. Mai 2005 (zur Gewerbesteuer) erhobenen Einsprüche der Klägerin wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 22. Dezember 2005 zurück. Die Klägerin hat daraufhin am 23. Januar 2006 Klage erhoben.

    Die Klägerin hält die angefochtenen Bescheide für rechtswidrig, da ein Verlust ihrer wirtschaftlichen Identität nicht eingetreten sei. Es fehle am Zuführen neuen Betriebsvermögens, jedenfalls aber an einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Anteilseignerwechsel und einer etwaigen Betriebsvermögenszuführung.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei bei der Frage der Zuführung neuen Betriebsvermögens allein auf das Anlagevermögen abzustellen. Die im Laufe des Jahres 1998 auf sie, die Klägerin, übertragenen Beteiligungsgesellschaften seien insoweit aber nicht maßgeblich, da sämtliche übertragenen Geschäftsanteile an die Gläubigerbanken verpfändet gewesen seien; es fehle deshalb an der erforderlichen dauerhaften Stärkung ihres, der Klägerin, Vermögens. Gleiches gelte im Übrigen für sämtliche sonstigen Aktiva.

    Das „Zuführen” neuen Betriebsvermögens könne außerdem nur relevant sein, wenn und soweit es von dem neuen Anteilsinhaber ausgehe; denn § 8 Abs. 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG) wolle verhindern, dass der neue Anteilseigner Gewinnquellen auf die erworbene Verlustgesellschaft verlagere. Im Streitfall habe aber weder L noch eine diesem nahe stehende Person die Übertragung der Beteiligungsgesellschaften veranlasst. Insbesondere habe L die im August 1997 getroffene Grundlagenentscheidung, welche Maßnahmen der Umstrukturierung im Einzelnen getroffen werden sollten, nicht beeinflusst.

    Gehe der Anteilseignerwechsel dem (etwaigen) Zuführen neuen Betriebsvermögens nicht voraus, sondern folge er diesem – wie im Streitfall – nach, so sei dieser Vorgang außerdem nur dann schädlich, wenn der alte und der neue Anteilseigner dabei kollusiv zusammenwirkten. Hieran fehle es; denn zum einen habe L zum Zeitpunkt der Übertragung der Beteiligungsgesellschaften auf sie, die Klägerin, den späteren Anteilserwerb noch gar nicht beabsichtigt; zum andere hätten weder die A AG noch L, sondern vielmehr allein die BvS, der Bund, das Land … und die Gläubigerbanken Einfluss auf den Anteilseignerwechsel von der A AG auf L gehabt. Es fehle mithin an dem von der Rechtsprechung geforderten „Gesamtplan” im Sinne eines vom Steuerpflichtigen (hier: vom neuen Anteilseigner L) in einzelnen Teilschritten festgelegten und von diesem beherrschten, auf das Erreichen eines Endzieles gerichteten Geschehensablaufs.

    Schließlich bestünden auch erhebliche Zweifel an der formellen Verfassungsmäßigkeit des § 8 Abs. 4 KStG in der vom Beklagten herangezogenen Fassung des Gesetzes zur Fortsetzung der Unernehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997. Die zuvor anwendbare Fassung der Norm habe ausdrücklich eine zeitliche Reihenfolge zwischen dem Anteilseignerwechsel und der „danach” erfolgenden Betriebsvermögenszuführung vorgesehen; diese Reihenfolge sei im Streitfall nicht gegeben.

    Die Klägerin beantragt,

    die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer sowie über den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 1998, jeweils vom 15. Februar 2005, sämtlich in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Dezember 2005, aufzuheben,

    sowie

    die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er bekräftigt, dass die wirtschaftliche Identität der Klägerin im Zusammenhang mit dem unstreitigen Anteilseignerwechsel verloren gegangen sei.

    Schon das Regelbeispiel gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG sei erfüllt. Bereits die im Laufe des Jahres 1998 auf die Klägerin übertragenen Beteiligungsgesellschaften hätten mit ihrem Bilanzwert zum 31. Dezember 1998 (1,85 Mio. DM) das gesamte Aktivvermögen zum Ende des Jahres 1997 (rund 1,78 Mio. DM) überstiegen. Dass die Geschäftsanteile verpfändet gewesen seien, stehe dem Erfüllen des Regelbeispiels nicht entgegen. Maßgeblich sei insoweit allein der zu Recht erfolgte Ausweis in der Bilanz; die Pfandgläubiger hätten kein wirtschaftliches Eigentum am Pfandgut erworben. Das Zuführen des neuen Betriebsvermögens sei auch von außen erfolgt; die Klägerin habe den Erwerb nicht aus selbst erwirtschafteten Erträgen finanzieren können. Schließlich liege auch ein sachlicher sowie ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Ausstattung der Klägerin mit den Beteiligungsgesellschaften und dem Anteilseignerwechsel vor; denn beide beruhten auf dem einheitlichen Konzept zur dauerhaften Entkoppelung der Fortführungsbereiche von dem durch drohende Insolvenz gefährdeten Altbereich der A-Gruppe. An der Erarbeitung sowie der Umsetzung dieses Konzepts habe L als Vorstand der A AG maßgeblich mitgewirkt.

    Selbst wenn das Regelbeispiel nicht erfüllt wäre, sei das Versagen der Verlustnutzung aber jedenfalls nach § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe mit dieser Norm das Ziel verfolgt, das Nutzen von Verlusten, die ein Gesellschafter durch eine bestimmte Tätigkeit erzielt habe, zum Ausgleich von Gewinnen zu verhindern, die ein anderer Gesellschafter mit einer anderen Tätigkeit erwirtschafte. Genau dies sei bei der Klägerin der Fall.

    Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin beantragt, Frau B, in den Jahren … bis … für das A-Engagement zuständige Mitarbeiterin der … Landesbank Girozentrale, zur Frage der Einflussnahme des L auf die einzelnen Teilschritte des vermeintlichen Gesamtplans als Zeugin zu vernehmen.

    Entscheidungsgründe

    I. Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet. Die in zulässiger Weise angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht im Sinne von § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) in ihren Rechten. Die auf den 31. Dezember 1997 vorgetragenen Verluste sind für die Klägerin nicht mehr nutzbar, nachdem diese im Jahr 1998 ihre wirtschaftliche Identität gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 (nachstehend: „KStG a.F.”) verloren hat.

    1. Entgegen den von der Klägerin geäußerten Zweifeln ist § 8 Abs. 4 KStG a.F. für das Streitjahr 1998 gültig und anwendbar. Gemäß der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15. Januar 2008 (Beschluss, 2 BvL 12/01, Bundesgesetzblatt [BGBl.] I 2008, 481) ist Art. 3 Nr. 4 lit. a) des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform zwar wegen Verstoßes gegen das Demokratieprinzip (Parlamentsvorbehalt) mit dem Grundgesetz unvereinbar; es fehlt jedoch an der für die Ungültigkeit der Norm nötigen Evidenz des Verfahrensverstoßes. Diese Entscheidung des BVerfG hat Gesetzeskraft.

    Gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG a.F. ist eine Körperschaft nur unter der Voraussetzung zum Abzug von Verlusten nach § 10d Einkommensteuergesetz (EStG) berechtigt, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. Entsprechendes gilt gemäß § 10a Satz 4 des Gewerbesteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung („GewStG a.F.”) für die Kürzung des Gewerbeertrags um einen vortragsfähigen Gewerbeverlust. § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG a.F. beschreibt als Regelbeispiel eines Verlusts der wirtschaftlichen Identität den Tatbestand, dass mehr als die Hälfte der Geschäftsanteile der Körperschaft übertragen werden und die Körperschaft ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuen Betriebsvermögen fortführt oder wieder aufnimmt.

    2. Indem der Klägerin zwischen März und Juli 1998 sämtliche Geschäftsanteile an vier Beteiligungsgesellschaften übertragen wurden, deren kumulierter Bilanzwert den Wert des zum vorangegangenen Bilanzstichtag vorhandenen Anlagevermögens der Klägerin deutlich überstieg, und indem zugleich mit Vertrag vom 18. Dezember 1998 sämtliche Anteile an der Klägerin von der bisherigen Gesellschafterin A AG an den neuen Anteilseigner L veräußert wurden, hat die Klägerin den Tatbestand des Regelbeispiels gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG a.F. erfüllt und damit ihre wirtschaftliche Identität im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG a.F. verloren.

    a) Bei den in das Vermögen der Klägerin übergegangenen Geschäftsanteilen handelte es sich um taugliches „Betriebsvermögen” im Sinne dieser Norm. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Anteile an Gläubiger der bisherigen Gesellschafterin A AG verpfändet gewesen sein mögen. Zwar hat der BFH, worauf die Klägerin verweist, darauf erkannt, dass das Übernehmen einer Bürgschaft oder das Einräumen von Sicherheiten für Bankkredite als ein dem Zuführen neuen Aktivvermögens wirtschaftlich vergleichbarer Vorgang gewertet werden könne (BFH, Urteil vom 08. August 2001 – I R 29/00, Bundessteuerblatt [BStBl.] II 2002, 392). Diese Entscheidung betraf jedoch einen besonders gelagerten Fall, in dem die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb erst mit den aufgrund der Sicherheitengestellung erlangten Krediten fortsetzen konnte. Keineswegs kann daraus der verallgemeinernde Schluss gezogen werden, dass Wirtschaftsgüter, an denen Sicherungsrechte Dritter bestehen, bei der Betrachtung des Betriebsvermögens im Rahmen des § 8 Abs. 4 KStG a.F. außer Ansatz zu lassen seien. Die auf die Klägerin übergegangenen Anteile waren vielmehr trotz der bestehenden Pfandrechte dazu geeignet und bestimmt, ihrem Geschäftsbetrieb dauerhaft zu dienen. Die Anteile waren auch nicht etwa aufgrund der bestehenden Pfandrechte „wertlos”; denn die Klägerin konnte über die ihr zustehenden Stimmrechte ihren Einfluss als Alleingesellschafter und damit ihre Funktion als Holdinggesellschaft ausüben; zudem standen ihr die ausgeschütteten Gewinne aus den Beteiligungsgesellschaften weiter zu. Darüber hinaus versetzte die Inhaberschaft an den Anteilen die Klägerin immerhin in die Lage, anderen Gesellschaften (hier: der A AG) Leistungen in Form der Sicherheitengestellung zu erbringen; derartige Leistungen werden unter fremden Dritten im Allgemeinen nur gegen angemessenes Entgelt gewährt.

    Schließlich waren die Anteile auch ohne jeden Zweifel für die Klägerin in ihrer neuen Funktion als Dachgesellschaft „prägend”. Da es im Rahmen der Tatbestandsmäßigkeit des „neuen” Betriebsvermögens darum geht, jegliche Änderung der Struktur, Zusammensetzung und wirtschaftlichen Bedeutung des Betriebsvermögens zu erfassen (vgl. BFH, Urteile vom 08. August 2001 – I R 29/00, a.a.O.; vom 05. Juni 2007 – I R 106/05, BStBl. II 2008, 986), können die Anteile mithin nicht außer Betracht bleiben.

    b) Das neue Betriebsvermögen in Gestalt der Geschäftsanteile ist der Klägerin auch im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG a.F. „zugeführt” worden. Hierbei kann dahinstehen, ob – wie die Klägerin meint – auf das Bild einer Gesellschaftereinlage abzustellen ist oder ob auch der Erwerb auf anderem Wege, etwa eine Anschaffung aus selbst erwirtschaftetem Vermögen ohne Mitwirken des Gesellschafters, das „Zuführen” neuen Betriebsvermögens begründen kann. Denn im Streitfall hat der bisherige Gesellschafter der Klägerin dieser die Anteile abgetreten und die Klägerin damit zum rechtlichen und wirtschaftlichen Inhaber der Anteile gemacht, wobei er zugleich den Entgeltanspruch für die Anteile in die Kapitalrücklage der Klägerin einlegte. Dieser Vorgang erfüllt mithin auch das strengere Kriterium des „Zuführens” von außen.

    c) Schließlich besteht im Streitfall zwischen dem Zuführen des neuen Betriebsvermögens und dem anschließenden Anteilseignerwechsel auch ein hinreichender sachlicher und zeitlicher Zusammenhang. Dieses im Gesetz nicht ausdrücklich genannte Tatbestandsmerkmal versteht der BFH, dem der erkennende Senat insoweit folgt, als ein Korrektiv, um einem zu weiten Anwendungsbereich des Gesetzeswortlauts entgegen zu wirken: Die wirtschaftliche Identität einer Körperschaft kann, wie der BFH in gefestigter Rechtsprechung ausführt, nicht deswegen verloren gehen, weil nach einer Anteilsveräußerung (oder davor) irgendwann und ohne einen dazu bestehenden Zusammenhang eine Veränderung im Betriebsvermögen der Körperschaft eintritt (vgl. nur BFH, Urteil vom 26. Mai 2004 – I R 112/03, BStBl. II 2004, 1085; Beschluss vom 15. Dezember 2004 – I B 115/04, BStBl. II 2005, 528). Erforderlich sei vielmehr sowohl ein sachlicher als auch ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Anteilseignerwechsel und der Veränderung im Betriebsvermögen. Das Bestehen eines sachlichen Zusammenhangs soll dabei im Fall eines offenkundigen zeitlichen Zusammenhangs (widerleglich) vermutet werden können, wofür der BFH einen Zeitraum von einem Jahr zugrunde legt (Urteil vom 29. April 2008 – I R 91/05, BFH/NV 2008, 1965), während er die anfänglich von der Finanzverwaltung angenommene Zeitspanne von fünf Jahren als für eine derartige Vermutung ebenso zu lang beurteilt hat wie einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren (vgl. BFH, Beschluss vom 15. Dezember 2004 – I B 115/04, a.a.O.).

    Auf die Frage einer „ausreichend kurzen” Frist kommt es im Streitfall indes nicht an. Denn hier braucht der Senat nicht auf eine aus der zeitlichen Nähe zwischen Anteilsübertragung und Zuführen des neuen Betriebsvermögens hergeleitete Vermutung für einen auch sachlich bestehenden Zusammenhang beider Maßnahmen zu schließen, da dieser sachliche Zusammenhang aus anderen Gründen feststeht. Er ergibt sich nämlich zweifelsfrei aus dem für die A-Gruppe im Laufe des Jahres 1997 erarbeiteten und sodann im Folgejahr 1998 umgesetzten Restrukturierungskonzept. Dieses Konzept sah, wie die Klägerin vorgetragen und durch Unterlagen, insbesondere durch die Mitteilung der Bundesregierung gegenüber der Europäischen Kommission, belegt hat, als grundlegende Maßnahme vor, bestimmte Bereiche der bisherigen Unternehmensgruppe („Fortführungsbereiche”) abzusondern, diese Bereiche unter dem einheitlichen Dach einer Holdinggesellschaft – eben der Klägerin in neuer Funktion – zu sammeln und sodann vom Rest der A-Gruppe, insbesondere von der A AG selbst, zu trennen, um so das Übergreifen einer etwaigen Insolvenz der verbleibenden Glieder der A-Gruppe auf diese Fortführungsbereiche („Insolvenzkaskade”) zu verhindern. Das Konzept selbst umfasste damit im Rahmen eines einheitlichen Plans sämtliche Maßnahmen, die bei der Klägerin später den Tatbestand des Regelbeispiels gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG ausmachen sollten, nämlich das Einbringen der Beteiligungsgesellschaften, verbunden mit dem Funktionswechsel der Klägerin von einer operativ am Markt tätigen hin zu einer Holdinggesellschaft, sowie den Übergang der Klägerin auf neue, außerhalb der A-Gruppe stehende Gesellschafter. Nur in ihrer Gesamtheit waren diese Einzelschritte geeignet, das angestrebte Ziel eines dauerhaften erfolgreichen Erhalts der Fortführungsbereiche zu erreichen; denn insbesondere ohne den letzten Schritt, die Übertragung der Klägerin auf neue, außen stehende Anteilseigner, wären die vorangegangenen Maßnahmen aus Sicht der hinter dem Konzept stehenden Stellen im Insolvenzfall wertlos gewesen. Dieses Konzept aus aufeinander aufbauenden Maßnahmen ist sodann innerhalb weniger Monate, nämlich zwischen März und Dezember 1998, umgesetzt worden, so dass im Streitfall weder am zeitlichen noch am sachlichen Zusammenhang gezweifelt werden kann.

    Dem von der Klägerin hervorgehobenen Umstand, dass der neuen Anteilseigner L zwar an der Erarbeitung des Konzepts beteiligt, bei der Entscheidung hierüber und erst recht bei der Auswahl des neuen Anteilseigners aber ohne jeden Einfluss gewesen sei, kommt nach Auffassung des erkennenden Senats im Streitfall keine entscheidende Bedeutung zu. Für die Erfüllung des Tatbestands des Regelbeispiels ist es nicht erforderlich, dass es gerade der neue Anteilseigner ist, der das Gesamtgeschehen von Beginn an maßgeblich beherrscht und in seinem Sinne steuert. Denn die Vorschrift des § 8 Abs. 4 KStG a.F. setzt nicht bei der Person des neuen Anteilsinhabers, sondern bei der Körperschaft an, die den Verlustabzug begehrt. Auf deren wirtschaftliche Identität allein stellt das Gesetz ab. Steht ein Verlust dieser Identität aufgrund eines Geschehensablaufs in Frage, der – objektiv feststehend – in einem gestalterischen (sachlichen) und zeitlichen Zusammenhang realisiert wird, kann es nicht entscheidend darauf ankommen, auf wessen Initiative und Planung dieser Geschehensablauf im Einzelnen zurückgeht. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn – wie im Streitfall – mit dem Anteilseignerwechsel ein Branchenwechsel einhergeht. In diesen Fällen muss es für die Erfüllung des Regelbeispiels als ausreichend erachtet werden, wenn der neue Anteilseigner im Zeitpunkt seines Anteilserwerbs den objektiv vorhandenen sachlichen Zusammenhang zwischen seinem Anteilserwerb und einer vorangegangenen Zuführung neuen Betriebsvermögens erkennt, billigt und sich in dem Sinne zu eigen macht, dass er mit der erworbenen Gesellschaft in dem neu begonnenen Geschäftsbereich (im Streitfall: als Holdinggesellschaft) zu arbeiten beginnt. Denn entscheidend für den Verlust der wirtschaftlichen Identität ist, wie der BFH bereits im Zusammenhang mit der Auslegung des Begriffs des „neuen Betriebsvermögens” betont, dass bei der Anteilsübertragung letztlich nicht der Geschäftsbetrieb in seiner bisherigen Form erworben werden sollte (BFH, Urteil vom 01. Juli 2009 – I R 101/08, BFH/NV 2009, 1838). Dies ist aber auch dann der Fall, wenn die Kapitalgesellschaft ihren „Geschäftsbetrieb in seiner bisherigen Form” bereits auf Veranlassung des bisherigen Anteilsinhabers (sei es auch auf Drängen seiner Gläubiger oder von dritter Seite) unmittelbar vor dem Anteilseignerwechsel verloren und stattdessen neues, für einen anders gearteten Geschäftsbetrieb taugliches Vermögen von diesem erworben hat und der neue (künftige) Anteilsinhaber die zu erwerbende Gesellschaft bereits in dieser Form vorfindet. Zumindest dies aber kann im Streitfall für die Person des neuen Anteilsinhabers L nicht bezweifelt werden.

    Aus den vorgenannten Erwägungen musste dem Antrag der Klägerin, Beweis über die Einflussnahme des L auf den Geschehensablauf zu erheben, nicht entsprochen werden. Es kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass L weder die Annahme des maßgeblich von ihm erarbeiteten Sanierungskonzepts durch die BvS, den Bund, das Land … und die Gläubigerbanken noch deren spätere Entscheidung für das von ihm, L, vorgelegten MBO-Konzept beeinflussen konnte. Hierauf kommt es, wie dargelegt, nicht entscheidend an.

    Soweit die Klägerin dem gegenüber darauf verweist, dass der BFH in seinem Urteil vom 14. März 2006 (I R 8/05, BStBl. II 2007, 602) ausführe, ein sachgerechtes Normverständnis des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG a.F. verlange „eine Beherrschung des Geschehensablaufs durch die beteiligten (alten und neuen) Anteilseigner nach Maßgabe eines Gesamtplans”, kann diese Rechtsprechung nach Ansicht des Senats nicht dahingehend verstanden werden, dass beim Konzipieren und Durchführen dieses Gesamtplans stets sowohl der alte als auch der neue Anteilsinhaber kollusiv zusammenwirken müssten. Diese Interpretation kann schon deshalb nicht zutreffen, weil dann nicht einmal der typische Fall, dass der neue Anteilsinhaber nach Übernahme der Gesellschaft dessen weitere Zukunft ohne jegliches Mitwirken des Altgesellschafters lenkt, noch von der Norm erfasst wäre. Die Ausführungen des BFH sind vielmehr allein im dortigen Kontext zu verstehen, dass es nicht genüge, wenn die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Regelbeispiels „lediglich unverbunden und zufällig nebeneinander stehen”. Diesem unverbundenen und zufälligen Nebeneinander stellt der BFH das Beherrschen des Geschehensablaufs nach Maßgabe eines „Gesamtplans” gegenüber. Die Position des den Geschehensablauf Beherrschenden wird dabei regelmäßig dem neuen Anteilseigner und in bestimmten Fällen möglicherweise auch den zusammenwirkenden alten und neuen Anteilsinhabern gemeinschaftlich zukommen. Unabdingbare Voraussetzung ist Letzteres indes nicht.

    II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    III. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 FGO zuzulassen. Die Ausführungen des BFH über das Erfordernis einer „Beherrschung des Geschehensablaufs durch die beteiligten (alten und neuen) Anteilseigner nach Maßgabe eines Gesamtplans” (Urteil vom 14. März 2006, I R 8/05, BStBl. II 2007, 602) könnten – abweichend von der vorstehenden Interpretation durch den erkennenden Senat – auch in der Weise verstanden werden, dass der BFH eine Steuerung des Gesamtplans (zumindest auch) durch den neuen Anteilseigner für unabdingbar erachtet. Diese Frage bedarf im Sinne der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung der Klärung. Angesichts der Vielzahl der derzeit noch zur Entscheidung anstehenden Fälle zu § 8 Abs. 4 KStG in der hier maßgeblichen Fassung kommt dieser Rechtsfrage trotz des zwischenzeitlichen Außerkrafttretens der Norm auch grundsätzliche Bedeutung zu.

    VorschriftenKStG 1996 § 8 Abs. 4, GewStG 1991 § 10a S. 4