02.11.2010
Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 23.06.2009 – 12 K 3439/01
- Das in Art. 20 Abs. 1 a, b DBA-Frankreich verankerte Schachtelprivileg findet auf an inländische KGaA zugeflossene Dividenden von französischen Tochterkapitalgesellschaften im vollem Umfang bis auf die Ebene der Gesellschafter Anwendung.
- Eine im Inland ansässige KGaA ist abkommensrechtlich wie eine juristische Person zu behandeln und persönlich berechtigt das Schachtelprivileg nach dem DBA-Frankreich in Anspruch zu nehmen.
- Von der deutschen Steuerbemessungsgrundlage auszunehmen sind auch die nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG von den Gesellschaftern im Rahmen ihrer Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezogenen Beträge aufgrund der Schachteldividenden
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen des Hauptantrags der Klägerin darum, ob das Schachtelprivileg nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik (DBA-F) auf die der Beigeladenen (nachfolgend als KGaA bezeichnet) von französischen Tochterkapitalgesellschaften zugeflossenen Dividenden in vollem Umfang bis auf die Ebene der Gesellschafter der Klägerin Anwendung findet, wie es der Rechtsansicht der Klägerin entspricht.
In dem Fall, dass das Schachtelprivileg nach dem DBA-F für die von der KGaA vereinnahmten französischen Dividenden insoweit nicht gewährt wird, als die Klägerin an der KGaA beteiligt ist, ist der Avoir Fiscal (französische Steuergutschrift) als Ertrag zu erfassen und bei den Gesellschaftern der Klägerin auf die Einkommensteuer anzurechnen bzw. zu erstatten. Dabei streiten die Beteiligten hilfsweise darum, ob eine Anrechnung bzw. Erstattung des Avoir Fiscal auch insoweit zu erfolgen hat, als an der Klägerin (Komplementärin der KGaA) Personen beteiligt sind, die mit ihren Einkünften aus der Beteiligung an der Klägerin in Deutschland beschränkt steuerpflichtig sind.
Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin ist seit 1995 als Komplementärin mit einem Anteil von % an der in ansässigen KGaA beteiligt. Die übrigen % an der börsennotierten Gesellschaft werden von Kommanditaktionären gehalten. Die Beteiligung der Klägerin ist durch Einbringung ihres Geschäftsbetriebes in die KGaA entstanden. Die Beteiligung der Kommanditaktionäre entstand ausschließlich durch Ausgabe von neuen Kommanditaktien im Wege einer Kapitalerhöhung.
An der Klägerin sind sowohl unbeschränkt steuerpflichtige als auch beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt. Für das Streitjahr 1996 ergab sich eine Beteiligungsquote für die beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter von insgesamt %.
Die KGaA hält neben weiteren Beteiligungen u. a. eine Beteiligung von rund % an der /Frankreich (vormals: .). Im Streitjahr 1996 hielt die KGaA des Weiteren eine Beteiligung von % an der .
Aus den Beteiligungen an der . und der vereinnahmte die KGaA im Streitjahr 1996 phasengleich Dividenden in Höhe von insgesamt DM. Von diesen Dividenden entfielen für das Streitjahr 1996 gemäß der Beteiligungsquote von % rechnerisch auf die Klägerin DM.
In den §§ bis der Satzung der KGaA ist wirtschaftlich eine umfassende Gewinnpoolung zwischen der Klägerin und den Kommanditaktionären der KGaA vereinbart, die sowohl das Ergebnis der Klägerin als auch das Ergebnis der KGaA umfasst. Rechtlich wird die Gewinnpoolung durch Ergebnisbeteiligungs- und Ergebnisaufteilungsabreden erreicht.
Hinsichtlich der Behandlung des Avoir Fiscal bei der KGaA und der Klägerin ist § 30 der Satzung der KGaA (Ergebnisaufteilung) zu beachten. Wird wegen des Bezugs von Dividenden aus der Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft von dieser Gesellschaft geschuldete ausländische Körperschaftsteuer durch die ausländische oder durch die deutsche Finanzverwaltung erstattet, steht gemäß § 30 (1) der Satzung der KGaA der Erstattungsbetrag der KGaA als Ertrag aus ihrer Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft zu. Die Satzung der KGaA begründet damit einen handelsrechtlichen Anspruch der KGaA auf einen zusätzlichen Anteil an Beteiligungserträgen in Höhe der bei den Gesellschaftern durch die ausländischen Beteiligungen erzeugten steuerlichen Zusatzerträge (Erstattung ausländischer Körperschaftsteuer). Dies gilt entsprechend für den Fall, dass zusätzlich zu den Dividenden aus einer Beteiligung von der Beteiligungsgesellschaft entrichtete Körperschaftsteuer vergütet wird. Entsprechend dieser Satzungsvorschrift hat die KGaA den vollen Betrag der auf sie entfallenden Bruttobardividenden der und der und den auf die Gesellschafter der Klägerin entfallenden Avoir Fiscal als Beteiligungsertrag ausgewiesen. Die Gesellschafter der Klägerin haben ihre Avoir-Fiscal-Ansprüche an die KGaA abgetreten.
Die bisherige steuerliche Behandlung der Dividenden bei der KGaA und bei der Klägerin erfolgte in der Weise, dass die KGaA für Dividendenzahlungen der und der das Schachtelprivileg gemäß Artikel 20 Abs. 1 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa DBA-F und Artikel 4 der Richtlinie (EWG) Nr. 90/435 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten vom 23. Juli 1990, ABL EG Nr. L 225 S. 6, ber. Abi. EG Nr. L 266 S. 20, geändert durch Beitrittsakte 1995, Abl. EG Nr. L 1 S. 144 („Mutter-Tochter-Richt-linie”), geltend gemacht hat, soweit an der KGaA Kommanditaktionäre beteiligt sind ( %). Damit entspricht der von der Klägerin geltend gemachte, bei der KGaA neben der Bruttobardividende ertragswirksam vereinnahmte Avoir Fiscal 50 % des nicht als schachtelbegünstigt behandelten Teils der französischen Dividenden, d. h. % von 50 % der Bruttobardividende. Der in der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung nach den §§ 179 Abs. 2 Satz 2 und 180 Abs. 1 Nr. 2a Abgabenordnung (AO) für das Streitjahr 1996 erklärte steuerpflichtige Gewinn der Klägerin beinhaltet nach der bisherigen Handhabung neben dem auf die Klägerin entfallenden Anteil an den Bruttobardividenden ebenfalls % der bei der KGaA verbuchten satzungsgemäßen Ertragsbeteiligung an Avoir Fiscal ( % von DM, d. h. DM).
Die Erklärung für das Streitjahr 1996 wurde am 04.11.1997 abgegeben. Der Beklagte (das Finanzamt –FA-) folgte in dem gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach den §§ 179 Abs. 2 Satz 2 und 180 Abs. 1 Nr. 2a AO für 1996 vom 17.12.1997 den Angaben in der Feststellungserklärung. Für das Streitjahr 1996 wurde mithin ein Gewinn von DM erklärt und festgestellt.
Über die Höhe und die Verteilung des anrechenbaren bzw. erstattungsfähigen Avoir Fiscal enthielt der ursprüngliche Gewinnfeststellungsbescheid 1996 vom 17.12.1997 keine Angaben. Bei einer entsprechenden Abwicklung des Avoir Fiscal durch das FA wie für 1995 wäre dies auch nicht erforderlich gewesen, da der Avoir Fiscal für die in 1995 vereinnahmten französischen Dividenden in einer Summe unmittelbar an die KGaA ausgezahlt worden war. Für das Streitjahr 1996 ergab sich insgesamt ein Anspruch auf Anrechnung bzw. Erstattung von Avoir Fiscal in Höhe von DM.
Das bisherige Verfahren bezüglich der Erstattung des Avoir Fiscal wurde in der Weise gestaltet, dass das FA zunächst für die der KGaA aus Frankreich zufließenden Dividenden den Avoir Fiscal insoweit gewährte, als die Dividenden rechnerisch auf die Beteiligung der Klägerin entfielen. Dabei wurde nicht zwischen unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern unterschieden. Die KGaA machte eine Anwendung des Schachtelprivilegs nach Artikel 20 Abs. 1 Buchstabe a und Buchstabe b Doppelbuchstabe aa DBA-F nur insoweit geltend, als die aus Frankreich zugeflossenen Dividenden rechnerisch auf die Beteiligung der Kommanditaktionäre entfielen.
Die Erstattungsbeträge wurden für alle Gesellschafter der Klägerin auf einem gemeinsamen Antragsformular RF 1A geltend gemacht. Dabei bestätigte das FA stets die Ansässigkeit aller Gesellschafter der Klägerin in Deutschland im Sinne des DBA-F (für im Streitjahr 1996 vereinnahmte, in 1997 fällige Dividenden am 19.08.1997). Der Avoir-Fiscal-Erstattungsbetrag sollte dann – wie für die im Jahr 1995 vereinnahmten Dividenden – unmittelbar der KGaA zufließen.
Nachdem das FA auch in der Folgezeit der von der KGaA und der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung gefolgt war, erklärte es erstmals mit dem Schreiben vom 24.02.1998 bezüglich der beiden in 1997 eingereichten Avoir-Fiscal-Erstattungsanträge für von der KGaA in 1996 vereinnahmte Dividenden, dass es beabsichtige, abweichend von der bisherigen Handhabung die Anträge auf Erstattung des Avoir Fiscal insoweit abzulehnen, als an der Klägerin beschränkt Steuerpflichtige beteiligt seien. Begründet wurde dies damit, dass diese Personen nicht im Sinne von Artikel 2 Abs. 1 Nr. 4a DBA-F in Deutschland ansässig seien, da sie nach deutschem Steuerrecht in Deutschland weder aufgrund ihres Wohnsitzes noch ihres gewöhnlichen Aufenthalts steuerpflichtig seien. Somit stehe ihnen eine Anrechnung bzw. Erstattung des Avoir Fiscal nicht zu. Hinsichtlich der Gewährung des Schachtelprivilegs vertrat das FA weiter die Auffassung, das Schachtelprivileg nach Artikel 20 Abs. 1 Buchstabe a und Buchstabe b Doppelbuchstabe aa DBA-F sei nur insoweit anzuwenden, als an der KGaA Kommanditaktionäre beteiligt seien. Eine weitergehende Anwendung des Schachtelprivilegs lehnte das FA ab.
Am 12.05.2000 reichte die Klägerin für das Streitjahr 1996 eine geänderte Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung nach den §§ 179 Abs. 2 Satz 2 und 180 Abs. 1 Nr. 2a AO ein. Dabei berief sie sich darauf, dass das Schachtelprivileg nach dem DBA-F und nach der Mutter-Tochter-Richtlinie für die gesamten, der KGaA zufließenden Bruttobardividenden aus der Beteiligung an der und der gelte, da die KGaA eine Kapitalgesellschaft im Sinne des DBA-F sei, und beantragte nunmehr, den Gesamtgewinn unter Gewährung des Schachtelprivilegs nach Artikel 20 Abs. 1 Buchstabe a und Buchstabe b Doppelbuchstabe aa DBA-F für die gesamten Dividenden der und der festzustellen. Für 1996 beträgt der festzustellende steuerpflichtige Gesamtgewinn demnach DM. Der neu erklärte Gesamtgewinn von DM enthält unverändert den Anteil der Klägerin an der in der Handels- und Steuerbilanz der KGaA als Beteiligungsertrag ausgewiesenen satzungsgemäßen Ertragsbeteiligung am Avoir Fiscal in Höhe von DM, wie es der bisherigen bzw. der in den entsprechenden Jahren noch unstreitigen oben geschilderten Handhabung entspricht. Die aufwandswirksame Umkehr des Ertrags aus Avoir Fiscal erfolgt trotz Antrag auf Gewährung des vollen Schachtelprivilegs für 1996 analog der Handhabung in der Handelsbilanz erst im Wirtschaftsjahr 2000.
Mit Schreiben vom 31.07.2001 bat die Klägerin das FA, als Folge des Klageantrags auf vollständige Freistellung der Dividenden der und der den Antrag auf Gewährung des Avoir Fiscal gemäß Form RF 1 A für die in 1996 von der KGaA vereinnahmten Dividenden zunächst als hinfällig zu betrachten. Gleichzeitig verwies die Klägerin darauf, den Antrag hilfsweise für den Fall der Nichtgewährung der Schachtelbefreiung im anstehenden Finanzgerichtsverfahren stellen zu wollen.
Mit Änderungsbescheid vom 07.08.2001 änderte das FA daraufhin die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für 1996 und stellte den Gesamtgewinn unter Bezugnahme auf den Antrag vom 31.07.2001 auf nunmehr DM fest. Dabei legte das FA das Schreiben der Klägerin vom 31.07.2001 dahingehend aus, dass nicht nur die Anrechnung des Avoir Fiscal auf die Einkommensteuer der Feststellungsbeteiligten unterbleiben sollte, sondern dass der in dem bislang festgestellten steuerpflichtigen Gewinn enthaltene Ertrag wegen Gewährung des Avoir Fiscal von DM (satzungsgemäße Ertragsbeteiligung der KGaA DM, davon entsprechend der Gewinnbeteiligung der Klägerin an der KGaA %) auch im Rahmen der Feststellung des steuerlichen Gesamtgewinns für 1996 nicht mehr als Gewinn berücksichtigt werden solle. Den mit der Abgabe der geänderten Feststellungserklärung vom 12.05.2000 verfolgten Antrag auf vollständige Freistellung der Dividenden der und der von der deutschen Besteuerung lehnte das FA ab, worauf in der Anlage zum geänderten Feststellungsbescheid ausdrücklich hingewiesen wurde.
Mit ihrer mit Zustimmung des FA gemäß § 45 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erhobenen Sprungklage begehrt die Klägerin die mit der geänderten Erklärung vom 12.05.2000 beanspruchte Berücksichtigung des Schachtelprivilegs nach dem DBA-F und nach der Mutter-Tochter-Richtlinie für die gesamten, der KGaA zufließenden Bruttobardividenden aus der Beteiligung an der und der , da die KGaA eine Kapitalgesellschaft im Sinne des DBA-F sei, und beantragt im Hauptantrag, den Gesamtgewinn unter Gewährung des Schachtelprivilegs nach Artikel 20 Abs. 1 Buchstabe a und Buchstabe b Doppelbuchstabe aa DBA-F für die gesamten Dividenden der und der festzustellen.
Zur Begründung ihres Hauptantrags verweist die Klägerin im Wesentlichen auf eine gutachterliche Stellungnahme von Herrn Dr. Klaus Ebling, Vizepräsident des Bundesfinanzhofs a.D., vom 31.03.2000, auf die Bezug genommen wird. Das Ergebnis dieser gutachterlichen Stellungnahme fasst sie wie folgt zusammen:
1. Von einer französischen an eine deutsche Kapitalgesellschaft gezahlte Schachteldividenden würden aufgrund des in Artikel 20 Abs. 1 Buchstabe a i. V. m. Buchstabe b DBA-F verankerten Schachtelprivilegs grundsätzlich von der inländischen Steuerbemessungsgrundlage ausgenommen.
2. Die Inanspruchnahme des Schachtelprivilegs setze voraus, dass der in Deutschland ansässigen Kapitalgesellschaft mindestens 10 % des Gesellschaftskapitals der ausschüttenden französischen Kapitalgesellschaft gehöre. Diese Voraussetzung sei hinsichtlich der KGaA im Hinblick auf die beiden Beteiligungen an der und der unstreitig erfüllt.
3. Da die KGaA eine in Deutschland ansässige, körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft sei, sei sie auch persönlich berechtigt, das Schachtelprivileg nach dem DBA-F in Anspruch zu nehmen.
4. Die KGaA sei hinsichtlich der aus Frankreich bezogenen Schachteldividenden alleiniges Subjekt der Einkünfteerzielung.
5. Die KGaA sei abkommensrechtlich in vollem Umfang wie eine juristische Person zu behandeln. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut von Artikel 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b DBA-F. Soweit es das Verhältnis der Klägerin als persönlich haftender Gesellschafterin zur KGaA betreffe, sei die KGaA für Zwecke der Anwendung des Schachtelprivilegs nach dem DBA-F nicht gleichzeitig partiell auch als Personengesellschaft zu behandeln. Die inländische einkommensteuerrechtliche Behandlung des Gewinnanteils der Klägerin sei für die Frage der Anwendung des Schachtelprivilegs nicht entscheidungserheblich.
6. Die vom Bundesfinanzhof (BFH) in seinen Urteilen vom 21.06.1989 (Bundessteuerblatt -BStBl- II 1989, 881) und vom 17.10.1990 (BStBl II 1991, 211) aufgestellten Rechtsgrundsätze seien auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar bzw. nicht entscheidungsrelevant.
7. Die Bestimmung in Artikel 20 Abs. 1 Buchstabe a i. V. m. Buchstabe b Doppelbuchstabe aa DBA-F, nach der die aus Frankreich bezogenen Schachteldividenden in vollem Umfang von der deutschen Steuerbemessungsgrundlage auszunehmen seien, umfasse auch die Beträge, die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von den Gesellschaftern der Klägerin im Rahmen ihrer Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt würden.
Für den Fall des Obsiegens vertritt die Klägerin zusätzlich die Auffassung, dass die Minderung des steuerpflichtigen Gewinns wegen Wegfalls der Anrechenbarkeit des Avoir Fiscal für steuerliche Zwecke nicht im Wirtschaftsjahr 1996 zu erfassen sei, sondern dass entsprechend der handelsrechtlichen Vorgehensweise eine Ausbuchung in der Steuerbilanz erst im Wirtschaftsjahr 2000 vorzunehmen sei. Folglich sei die vom FA mit dem angefochtenen Bescheid vom 07.08.2001 vorgenommene Gewinnminderung für 1996 rückgängig zu machen. Die mit dem Hauptantrag begehrte Feststellung des steuerpflichtigen Gewinns der Klägerin für das Streitjahr 1996 sei danach wie folgt zu ermitteln:
DM | DM | |
festgestellter steuerpflichtiger Gewinn lt. Bescheid vom 07.08.2001 | ||
./. nach dem Schachtelprivileg des DBA-F freizustellender Betrag - von der KGaA in 1996 vereinnahmte französische Schachteldividenden - davon % (Anteil Klägerin) | ||
+ Umkehr der vom FA für 1996 vorgenommenen Gewinnminderung wg. Wegfalls des Avoir Fiscal - Avoir-Fiscal-Anrechnungsanspruch - davon % (Anteil Klägerin) | ||
festzustellender steuerpflichtiger Gewinn lt. Hauptantrag |
bzw. Erstattungsverfahrens entnommen werden könnten. Hinsichtlich der weiteren Begründung des Hilfsantrags wird auf die Ausführungen der Klägerin auf den Seiten 21 – 30 der Klageschrift vom 23.08.2001 Bezug genommen. Der gemäß dem Hilfsantrag der Klägerin festzustellende steuerpflichtige Gesamtgewinn ist nach ihrer Auffassung wie folgt zu ermitteln:
DM | DM | |
festgestellter steuerpflichtiger Gewinn lt. Bescheid vom 07.08.2001 | ||
+ Umkehr der vom FA für 1996 vorgenommenen Gewinnminderung wg. Wegfalls des Avoir Fiscal Avoir-Fiscal-Anrechnungsanspruch davon … % (Anteil der Klägerin) | ||
festzustellender steuerpflichtiger Gewinn lt. Hilfsantrag |
Die Klägerin beantragt,
1. der geänderte Bescheid für 1996 vom 07.08.2001 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensbesteuerung nach den §§ 179 Abs. 2 Satz 2 und 180 Abs. 1 Nr. 2a AO wird abermals geändert und das FA verurteilt, die auf die Feststellungsbeteiligten insgesamt entfallenden und zu verteilenden steuerpflichtigen Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 1996 auf DM festzustellen und das Ergebnis entsprechend dem bisher angewandten Gewinnverteilungsschlüssel auf die in der Anlage 2 zur Klageschrift bezeichneten Gesellschafter zu verteilen.
2. Im Wege eines Hilfsantrags: Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung vom 07.08.2001 wird geändert und der Beklagte dazu verurteilt, im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung
a) den steuerpflichtigen Gesamtgewinn um DM zu erhöhen und entsprechend dem bisher angewandten Gewinnverteilungsschlüssel auf die in der Anlage 2 zur Klageschrift bezeichneten Gesellschafter zu verteilen, und
b) den Avoir Fiscal in Höhe von DM entsprechend dem bisher angewandten Gewinnverteilungsschlüssel bei den in der Anlage 2 zur Klageschrift bezeichneten beschränkt und unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern als bei der Einkommensbesteuerung anrechenbaren bzw. erstattungsfähigen Betrag zu berücksichtigen.
3. Im Wege eines Hilfsantrags: Die Revision wird zugelassen.
4. Die KGaA wird nach § 60 Abs. 1 FGO zum Verfahren beigeladen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach seiner Auffassung ist der Hauptantrag unbegründet. Mit Schreiben vom 02.10.2000 habe sich das FA bereits ausführlich mit den insoweit einschlägigen Argumenten und Gesichtspunkten auseinandergesetzt und dargelegt, dass die französischen Schachteldividenden
- in Deutschland nur insoweit steuerfrei gestellt seien, als sie auf den Grundkapitalbereich der KGaA entfielen,
- in Deutschland unter Anrechnung des Avoir Fiscal steuerpflichtig seien, soweit sie dem Gewinnanteil der Klägerin zuwüchsen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auf das genannte Schriftstück Bezug genommen (Anlage 2 und Anlage 3 zum Schriftsatz vom 25.10.2001).
Auch der Hilfsantrag sei unbegründet. Für den Fall, dass die Klägerin im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits die Anrechung des Avoir Fiscal für die in 1996 von der KGaA vereinnahmten Dividenden beantragen sollte, vertritt
das FA die Auffassung, dass nur die unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter der Klägerin den Avoir Fiscal beanspruchen können. Die im Wege des Hilfsantrages begehrte Gewährung des Avoir Fiscal für die beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter sei dagegen abzulehnen. Gemäß Artikel 20 Abs. 1 b) (bb) Satz 2 DBA-F kämen nur solche Personen in den Genuss der Steuergutschrift (Avoir Fiscal), die „in der Bundesrepublik ansässig” seien. Demnach könnten nur die inländischen, nicht aber die ausländischen Gesellschafter der Klägerin den Avoir Fiscal erhalten. Aus dem Umstand, dass in Artikel 20 Abs.1 b) (bb) Satz 3 DBA-F bloß vom „Empfänger” der Dividende die Rede sei, lasse sich nicht ableiten, die Vertragsstaaten hätten den im Satz zuvor bestimmten Anwendungsbereich für die Steuergutschrift auf beschränkt Steuerpflichtige ausdehnen wollen. Wenn die Vertragsstaaten auch die beschränkt Steuerpflichtigen hätten begünstigen wollen, hätte es nach Auffassung des FA der Regelung in Satz 2 nicht bedurft. Entgegen der Auffassung der Klägerin lasse Artikel 3 Abs. 3 des Zustimmungsgesetzes zum DBA-F keine anderen Rückschlüsse zu. Der Gesetzgeber habe zwar in dieser Norm den Ausdruck „Steuerpflichtiger” verwendet. Damit sei aber niemand anderes gemeint als die „in der Bundesrepublik ansässige Person” i.S. des Artikel 20 Abs.1 b) (bb) DBA-F. Denn das Zustimmungsgesetz sei im Lichte des Doppelbesteuerungsabkommens auszulegen.
Die Argumentation der Klägerin, das FA habe sich dadurch „rechtlich gebunden”, weil er auf den RF1 A-Anträgen die Ansässigkeit des Gläubigers der Dividendenerträge bestätigt habe, gehe fehl. Die besagte Bestätigung sei offenkundig unrichtig, auf die Richtigkeit dieser Erklärung habe die Klägerin nicht vertrauen dürfen. Zudem sei in diesem Zusammenhang zu beachten, dass sich die Erklärung auf dem Formular RF 1A an einen Dritten, den französischen Fiskus, richte und nicht an die Klägerin. Auch aus diesem Grund könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf diese Erklärung berufen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.
Die KGaA ist durch Beschluss des 12. Senats vom 25.03.2009 gemäß § 60 Abs. 1 FGO zum Verfahren beigeladen worden.
Die Beteiligten haben gemäß § 90 Abs. 2 FGO auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Dem Gericht haben die den Rechtsstreit betreffenden Steuerakten vorgelegen.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Der geänderte Bescheid für 1996 vom 07.08.2001 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensbesteuerung nach den §§ 179 Abs. 2 Satz 2 und 180 Abs. 1 Nr. 2a AO verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FA hat zu Unrecht die Freistellung der auf die Klägerin als Komplementärin der KGaA entfallenden französischen Dividenden der und der von der deutschen Besteuerung nach Artikel 20 Abs. 1 Buchstabe a i.V.m. Buchstabe b Doppelbuchstabe aa DBA-F in der für 1996 geltenden Fassung versagt. Die KGaA hatte einen uneingeschränkten Anspruch auf diese Schachteldividendenvergünstigung, da diese sich nicht nur auf die dem Grundkapitalbereich der KGaA zufließenden Dividenden ihrer französischen Tochtergesellschaften erstreckt.
Die streitgegenständlichen Ausschüttungen der französischen Tochtergesellschaften fließen der KGaA als Anteilseignerin zu und unterliegen bei dieser - vorbehaltlich der Anwendung des DBA-F - grundsätzlich entsprechend dem Welteinkommensprinzip gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Dies gilt unbeschadet der Vorschrift des § 9 Abs. 1 KStG, nach dessen Maßgabe die auf die persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA entfallenden Gewinnanteile bei der Ermittlung der für die Besteuerung der KGaA maßgeblichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden.
Gemäß Artikel 20 Abs. 1 Buchstabe a DBA-F wird die Doppelbesteuerung bei Personen, die in der Bundesrepublik Deutschland ansässig sind, grundsätzlich, d.h. vorbehaltlich der Buchstaben b und c, dadurch ausgeschaltet, dass die aus Frankreich stammenden Einkünfte von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen werden, die nach dem Abkommen in diesem Staat besteuert werden können. Unter den Begriff „Person” fällt dabei nicht nur die natürliche Person, sondern auch die juristische Person, wie im Streitfall die KGaA (Artikel 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b DBA-F).
Zu diesen Einkünften gehören Dividenden i.S.d. Artikels 9 Abs. 1 und 6
DBA-F, die eine in Frankreich ansässige Gesellschaft an eine in der Bundesrepublik ansässige Person, mithin auch an eine juristische Person, zahlt. Die Freistellung der Dividenden setzt allerdings gemäß Artikel 20 Abs. 1 Buchstabe b Unterbuchstabe aa DBA-F voraus, dass der in der Bundesrepublik ansässigen Kapitalgesellschaft mindestens 10 v.H. des Gesellschaftskapitals der ausschüttenden französischen Kapitalgesellschaft gehören. Diese Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des sog. Schachtelprivilegs sind hinsichtlich der KGaA, einer „Person” im Sinne des Artikels 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b DBA-F, unstreitig erfüllt.
Auch die weitere Voraussetzung, dass die freizustellenden Einkünfte nach dem DBA in Frankreich besteuert werden können, ist ebenfalls erfüllt. Entscheidend ist dabei, dass Frankreich grundsätzlich das Recht hat, für die fraglichen Dividenden eine Quellensteuer zu erheben (Artikel 9 Abs. 2 DBA-F). Dieses Recht steht zwar diesem Staat kraft ausdrücklicher Regelung in Artikel 9 Abs. 4 Satz 1 DBA-F nicht in Bezug auf solche Dividenden zu, die - wie im Streitfall - eine in Frankreich ansässige Kapitalgesellschaft an eine in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft zahlt, der mindestens 10 v.H. des Gesellschaftskapitals der französischen Gesellschaft gehören. Trotz dieses fehlenden Quellenbesteuerungsrechts Frankreichs in Bezug auf Schachteldividenden i.S.d. Artikels 9 Abs. 4 DBA-F genügt es für die Anwendung des Artikels 20 Abs. 1 Buchstabe a i.V.m. Buchstabe b, Doppelbuchstabe aa DBA-F, dass gemäß Artikel 9 Abs. 2 DBA-F allgemein ein Besteuerungsrecht besteht (BFH-Urteil vom 29.05.1996 I R 21/95, BStBl II 1997, 63). Es liegt insoweit eine Rechtsfolgen-, nicht eine Rechtsgrundverweisung vor (vgl. Kramer in: Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Kommentar, Artikel 20 DBA-F, Rn. 23). Danach ergibt sich die Rechtsfolge, dass - entsprechend den bilateralen Vereinbarungen - die Schachteldividenden weder in Frankreich
noch bei der deutschen Muttergesellschaft der Besteuerung unterliegen. Es ist für den Senat keine Rechtsgrundlage für eine Auslegung des DBA-F mit dem Ziel ersichtlich, die Wirkungen dieser (doppelten) Freistellung einzuschränken.
Berechtigt, das Schachtelprivileg in Anspruch zu nehmen, sind gemäß Artikel 20 Abs. 1 Einleitungssatz i.V.m. Artikel 9 Abs. 1 DBA-F „Personen, die in der Bundesrepublik ansässig” sind. Unter dem Begriff „Person” sind sowohl natürliche als auch juristische Personen zu verstehen (Artikel 2 Abs. 1 Nr. 3 DBA-F). Wann eine Person in einem der beiden Vertragsstaaten (hier: in der Bundesrepublik) „ansässig” ist, bestimmt Artikel 2 Abs. 1 Nr. 4 DBA-F. Nach Buchstabe a dieser Vorschrift ist Ansässigkeit u.a. dann gegeben, wenn die Person nach dem Recht des betreffenden Staates dort aufgrund des Ortes der Geschäftsleitung steuerpflichtig ist.
Die KGaA erfüllt als eine nach deutschem Recht errichtete und nur in der Bundesrepublik unbeschränkt steuerpflichtige juristische Person in Bezug auf die Ausschüttungen der französischen Tochterunternehmen die persönlichen Voraussetzungen des Artikels 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b, Nr. 4 Buchstabe a i.V.m. Artikel 20 Abs. 1 Buchstabe a und Buchstabe b, Doppelbuchstabe aa DBA-F.
Gemäß Artikel 9 Abs. 1 DBA-F müssen die Dividenden von einer in einem Vertragsstaat (hier: Frankreich) ansässigen Gesellschaft gezahlt werden. Das DBA-F bestimmt allerdings diesen Begriff nicht näher. Aus Artikel 9 Abs. 6 DBA-F folgt jedoch im Umkehrschluss, dass darunter jedenfalls Kapitalgesellschaften fallen (BFH-Urteil vom 29.05.1996 I R 21/95, BStBI II 1997, 63). Diese Voraussetzungen erfüllen die beiden Tochtergesellschaften und .
Die KGaA ist entsprechend dem Abkommensrecht in vollem Umfang als Empfängerin der Ausschüttungen ihrer französischen Tochtergesellschaften anzusehen und kann nach Auffassung des Senats demnach die Vergünstigungen des Artikel 20 Abs. 1 DBA-F für sich uneingeschränkt in Anspruch nehmen. Soweit die aus Frankreich bezogenen Dividenden in den Gewinn der KGaA eingehen, der zu Ausschüttungen an die Kommanditaktionäre (weiter-) verwendet wird und bei diesen zu Einkünften aus Kapitalvermögen führt, ist dies zwischen den Beteiligten nicht streitig. Streit besteht jedoch in Bezug auf die Dividendenbeträge, welche die Klägerin als persönlich haftende Gesellschafterin (phG) aufgrund ihrer Gesellschafterstellung bezieht. Hier verweist das FA zur Begründung seiner Auffassung grundlegend auf das BFH-Urteil vom 21.06.1989 X R 14/88 (BStBI II 1989, 881), wonach die KGaA zwar zivilrechtlich als juristische Person ausgestaltet, einkommensteuerrechtlich jedoch dem phG der von ihm im Rahmen der KGaA erzielte anteilige Gewinn unmittelbar zuzurechnen ist.
Unbeschadet dieser in § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG und § 9 Nr. 1 KStG enthaltenen innerstaatlichen Regelung zur steuerlichen Behandlung der Gewinnanteile des phG einer KGaA ist abkommensrechtlich jedoch zu beachten, dass i.S.d. Artikels 20 Abs. 1 DBA-F allein die KGaA die Ausschüttungen der beiden französischen Tochtergesellschaften bezieht. Die KGaA ist insoweit in vollem Umfang wie eine juristische Person („Person” im Sinne des Artikels 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b DBA-F) zu behandeln. Sie ist, soweit es das Verhältnis der Klägerin als phG zu ihr betrifft, für die Anwendung des Artikels 20 Abs. 1 DBA-F nicht gleichzeitig (partiell) auch als Personengesellschaft zu behandeln. Die inländische einkommensteuerrechtliche Behandlung des Gewinnanteils des phG einer KGaA ist auf dieser Stufe der Prüfung nicht entscheidungserheblich. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung von Ebling (Brennpunkte des Steuerrechts 2001, 67-82, Festschrift für Wolfgang Jakob zum 60. Geburtstag) an.
Ähnlich argumentiert Debatin (Anmerkung zum BFH-Urteil vom 17.10.1990
I R 16/89, BStBl II 1991, 211, RiW 1991, 355 f.). Danach bildet die Abkommensregelung gegenüber dem innerstaatlichen Recht lex specialis (§ 2 AO), was verbietet, die innerstaatliche Einkünfteeinstufung zum Maßstab der Abkommensauslegung zu machen. Diese ist vielmehr so weit wie möglich aus dem Abkommen selbst zu schöpfen. Der Bereich, in dem unter der Abkommensdiktion noch von einer Personengesellschaft zu sprechen ist, bestimmt sich durch Ausgrenzung der Gesellschaften, die unter dem Abkommen Personeneigenschaft besitzen, was für die Erträge, die dem Gesellschafter von der Gesellschaft zufließen, die Regelung für Dividenden zur Anwendung bringt. Die Weiche dazu stellt die Abkommensregel darüber, wann unter dem Abkommen eigenständige Personeneigenschaft der Gesellschaft zu bejahen ist. Dies ist gemäß Artikel 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b DBA-F der Fall, wenn es sich um eine juristische Person oder einen ihr gleichgestellten Rechtsträger handelt. Da die Kommanditgesellschaft auf Aktien nach ausdrücklicher Nennung in § 1 KStG Körperschaftsteuersubjekt ist, stellt sie daher unter dem Abkommen eine eigenständige Person dar, was ihre Einstufung als Personengesellschaft ausschließt. Das FA will dies nicht gelten lassen, soweit es um die Klägerin als pHG der KGaA geht. Einer solchen Betrachtung steht indessen schon im Ausgangspunkt entgegen, dass ein Rechtsgebilde unter dem Abkommen nicht teilweise die Eigenschaft einer Personengesellschaft besitzen kann und teilweise nicht. Aber weitaus gravierender ist, dass die Einstufung der KGaA als eigenständige Person im Sinne des Artikels 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b DBA-F überhaupt nur dann durchbrochen sein kann, wenn auf gleicher Vorschriftenebene, d. h. also im Abkommen selbst, eine entsprechende Ausnahme verankert ist (vgl. Debatin, RiW 1991, 356). Der Senat vermag dies im Streitfall nicht zu erkennen.
Das DBA-F selbst bestimmt nicht, was im Einzelnen unter den Begriffen „natürliche” und „juristische” Personen zu verstehen ist, die als Abkommensberechtigte in Bezug auf die Vergünstigungen des Artikels 20 Abs. 1 DBA-F in Betracht kommen können. Dies richtet sich nach dem Recht der beiden Vertragsstaaten. Dabei werden unter juristischen Personen nach dem Recht beider Vertragsstaaten die Gebilde verstanden, die Rechtssubjekte sind, ohne natürliche Personen zu sein (Kramer a.a.O., Artikel 2 DBA-F, Rn. 12).
Bei Gesellschaften ist für die abkommensrechtliche Beurteilung maßgebend der korporative Status, den diese nach dem Recht des Sitzstaates haben. Nach diesem korporativen Status entscheidet sich grundsätzlich auch die Frage, wer ggf. in welchem Umfang die im jeweiligen DBA vereinbarten Vergünsti-gungen, z.B. ein Schachtelprivileg, in Anspruch nehmen kann (vgl. auch Debatin, Anmerkung zum BFH-Urteil vom 17.10.1990 I R 16/89, BStBI II 1991, 211, RiW 1991, 355 f.). Dementsprechend ergeben sich hinsichtlich der Abkommensberechtigung Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsstaaten regelmäßig erst dann, wenn diese die gesellschaftsrechtliche Einheit, welche die Einkünfte bezieht, rechtlich unterschiedlich beurteilen, z.B. Personengesellschaft einerseits und juristische Person andererseits. Eine solche Meinungsverschiedenheit ist jedoch bei der Auslegung des DBA-F hinsichtlich der KGaA für den Senat nicht ersichtlich.
Die KGaA tritt, was grundsätzlich für die abkommensrechtliche Einordnung entscheidend ist, nach außen als eine Einheit (juristische Person) in Erscheinung und ist damit „Person” im Sinne des Artikels 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b DBA-F. Sie ist nicht aufgesplittet in einen sog. transparenten und einen sog. intransparenten Teil (zu den beiden Begriffen s. Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008, Artikel 1 Rn. 17, 22). Es handelt sich bei ihr auch nicht um eine Mischform, wie beispielsweise bei einer Kapitalgesellschaft & Co. Ebenso wenig ist sie vergleichbar mit Gesellschaftsformen, denen bereits zivilrechtlich nur auf einem Teilgebiet der Rechtsordnung Rechtsfähigkeit eingeräumt ist (sog. Teilrechtspersonen; siehe dazu Vogel in Vogel/Lehner, DBA,
5. Aufl. 2008, Artikel 3, Rn. 13 a.E.). Deshalb kann die KGaA selbst unmittelbar für sich die Vergünstigungen des Artikel 20 Abs. 1 DBA-F in Anspruch nehmen (ebenso Schaumburg, Die KGaA als Rechtsform für den Mittelstand?, DStZ 1998, 525 ff., 538, jedoch nur hinsichtlich der Abkommensberechtigung der KGaA dem Grunde nach), und zwar allein, nicht daneben auch die phG. Im Übrigen sieht auch Frankreich die KGaA in vollem Umfang als juristische Person an. Damit besteht auch insoweit Übereinstimmung mit Artikel 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b DBA-F.
Mit der zivilrechtlichen Konstruktion korrespondiert die steuerrechtliche Einordnung, wonach die KGaA selbständiges Steuerrechtssubjekt und als solches gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG körperschaftsteuerpflichtig ist. Bezieht man in die abkommensrechtliche Wertung auch die weiteren Regelungen über die (inländische) Besteuerung einer KGaA ein, so folgt aus dieser Gesamtbetrachtung, dass die KGaA in Bezug auf die Anwendung - jedenfalls des DBA-F - uneingeschränkt und in vollem Umfang allein als Kapitalgesellschaft zu beurteilen ist.
So gehört gemäß der ausdrücklichen Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG der Teil des Gewinns der KGaA, der an phG auf ihre nicht auf das Grundkapital gemachten Einlagen verteilt wird, bei der KGaA - im Unterschied zu den der Einkommensverwendung dienenden Ausschüttungen an die Kommanditaktionäre (vgl. § 8 Abs. 3 KStG) - zu den abziehbaren Aufwendungen (entsprechend bereits § 15 Nr. 8 KStG 1925). Es ist Rechtssystematik (siehe dazu nachstehend), dass die entsprechenden Gewinnanteile bei der Ermittlung des körperschaftsteuerlichen Gewinns außer Ansatz bleiben (vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 18. Aufl., § 15, Rn. 890; Bühler/Paulick/Freericks, Einkommensteuer/Körperschaftsteuer, 3. Aufl., Stand:1982, § 9 KStG, Rn. 10; B1ümich/Stuhrmann, § 15 EStG, Rn. 562). Dies entspricht dem Rechtsgrundsatz, dass auch in dem für die KGaA nach Aktienrecht aufzustellenden Jahresabschluss der nach den Vorschriften des HGB ermittelte Gewinn der phG als gewinnmindernder Betrag abzusetzen ist (so BFH-Urteil vom 04.05.1965 I 186/64 U, BStBl III 1965, 418, zu § 219 AktG 1937).
Die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG wurde - ebenso wie die vorherigen Regelungen (vgl. dazu BFH-Urteil in BStBI III 1965, 418; Evers, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz, 2. Aufl., 1927, Anm. 85 zu § 15 KStG) - im Übrigen nur deshalb geschaffen, um eine sonst entstehende steuerliche Doppelbelastung beim phG - als natürliche Person - mit Körperschaftssteuer und Einkommensteuer auszuschließen. Die fraglichen Gewinnanteile bilden nämlich nicht zwangsläufig abziehbare Aufwendungen, so dass die Vorschrift nicht nur deklaratorische Bedeutung hat (vgl. BFH-Urteil in BStBl III 1965, 418).
Der phG einer KGaA ist nicht notwendigerweise Mitunternehmer, da der Gesetzgeber in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG bewusst (vgl. BFH-Urteil vom 08.02.1984 I R 11/80, BStBl II 1984, 381) - im Unterschied zu § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG - keine Mitunternehmerschaft statuiert hat. Die phG werden lediglich wie Mitunternehmer behandelt (BFH-Urteil in BStBl II 1989, 881, m.w.N.). Ihre Einkünfte werden anteilig im Rahmen des für die KGaA durchzuführenden Betriebsvermögensvergleichs auf der Ebene der Gesellschaft berechnet (ebenso Theisen, Die Besteuerung der KGaA, DB 1989, 2191, 2193; Schlütter, Handelsrechtliche und steuerrechtliche Behandlung der Gewinnanteile der Komplementäre einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, StuW 1978, 295, 299).
In seinem Urteil in BStBl II 1989, 881, geht der BFH zwar im Zusammenhang mit der Frage, nach welchen Grundsätzen der Gewinn der phG zu ermitteln ist, selbst von der handelsrechtlichen Grundlage aus, wonach die Gewinn- und Verlustanteile der Komplementäre „Teil des Gesamtergebnisses der KGaA” sind. Er führt dann allerdings unter Hinweis auf Becker (Erläuterungen zur Rechtsprechung, StuW 1 1936, Sp. 80 ff., 97) aus, steuerrechtlich werde die Einkommensbesteuerung des phG, sofern dieser nicht auch Kommanditaktionär ist, „an der Wurzel” von der Körperschaftsbesteuerung der KGaA abgespalten (vgl. auch Mathiak, Rechtsprechung zum Bilanzsteuerrecht, DStR 1989, 661, 667). Dies könnte auf den ersten Blick dahingehend verstanden werden, dass die Besteuerung der KGaA einerseits und die der phG andererseits - gleichsam ab ovo - völlig getrennt voneinander zu beurteilen und zu behandeln seien (so jedenfalls Schaumburg, a.a.O,, S. 538). Das wäre jedoch nicht zutreffend. Zum einen würde eine solche Ansicht dem vorstehend aufgezeigten dogmatischen Zusammenhang widersprechen. Zum anderen ergibt sich aus den Ausführungen von Becker nicht eine solche weitreichende Auslegung. In seiner Abhandlung in StuW 1 1936 heißt es in der in Bezug genommenen Sp. 97, wörtlich nur... aber körperschaftsteuerpflichtig ist nur dieses Gebilde, d. h. die Gesamtheit der Kommanditisten; die persönlich haftenden Gesellschafter scheiden aus. So ergibt sich steuerrechtlich ganz natürlich, aus der Sache heraus, eine Spaltung in der Besteuerung des oder der einzelnen persönlich haftenden Gesellschafter, soweit sie nicht auch als Kommanditisten beteiligt sind, und der Gesamtheit der Kommanditisten. Die besonderen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes, die diese Spaltung unter dem leitenden Gedanken der Vermeidung einer Doppelbesteuerung der persönlich haftenden Gesellschafter gewährleisten, müssten, wenn sie nicht im Gesetz stünden, von der Rechtsprechung aus der Sache heraus genau ebenso, wie sie jetzt sind, entwickelt werden. Dies zeigt, dass auch Becker von den aufgezeigten dogmatischen Grundlagen ausgeht. Er verdeutlicht lediglich, dass er die unterschiedliche einkommensteuerrechtliche Behandlung der phG gegenüber der KGaA als solcher, wie sie sich aufgrund des damaligen § 29 Nr. 2 EStG, dem jetzigen § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG, ergeben hat, für zutreffend, ja sogar für erforderlich hält. Aus der Verwendung des Wortes „Spaltung” kann man nichts Gegenteiliges herleiten. Im Kontext gesehen bezeichnet dieses Wort lediglich die unterschiedliche steuersteuerrechtliche Behandlung im Ergebnis.
Im Übrigen weist der BFH in seinem Urteil in BStBI II 1989, 881, im Zusammenhang mit der Frage, nach welchen Grundsätzen der Gewinn der phG zu ermitteln ist, ausdrücklich darauf hin, dass die Buchführungs- und Abschlusspflichten der phG nur „im Rahmen der KGaA” zu erfüllen sind (Abschnitt 3b und c des Urteils). Auch dies ist ein Hinweis dafür, dass der BFH mit seinem Urteil in BStBI II 1989, 881, keine vollständige steuerrechtliche Trennung zwischen KGaA und ihren phG hat vollziehen wollen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.
Die Revision war zuzulassen, weil die Frage der Anwendbarkeit des Schachtelprivilegs nach dem DBA-F auf die von einer KGaA vereinnahmten französischen Dividenden insoweit, als eine Personengesellschaft als Komplementärin an der KGaA beteiligt ist, höchstrichterlich - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden ist.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 und § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).