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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 03.02.2010 – 7 K 1410/09 GE

    - Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs.2a GrEStG n. F. im Hinblick auf die fiktive Übertragung von Grundbesitz zwischen einer Muttergesellschaft und deren 100 % - Tochtergesellschaft durch mittelbaren Gesellschafterwechsel.


    - Ausschlaggebend für den Übergang von mindestens 95 vom Hundert der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter ist nicht die wirtschaftliche Betrachtungsweise, sondern allein die Änderung in der Rechtsträgerschaft zwischen rechtlich verschiedenen Körperschaften.


    - Ein dem Gesetzgeber zuzurechnendes strukturelles Defizit in der Durchsetzung des § 1 Abs. 2a GrEStG ist nicht zu erkennen.


    Tatbestand

    Die Klägerin ist seit dem Jahre 1999 Eigentümerin des Grundstückes Y Str. in Y-Stadt. Bei Gründung der Klägerin waren an ihr zu 94 v.H. die F KG beteiligt. Weitere 6 v.H. gehörten der A Vermietungsgesellschaft mbH (A GmbH). Der 94 v.H. - Anteil ging zunächst im Wege einer Rechtsnachfolge auf die G Gruppe AG über und wurde am 16.3.2006 auf die H GmbH übertragen. Die streitigen Änderungen im Gesellschafterbestand der Alleingesellschafterin der A GmbH, der C GmbH (C GmbH), entwickelten sich wie folgt: Zunächst stand die C GmbH zu 100 v.H. im Alleineigentum der I AG. Die I AG veräußerte hiervon zum 1.1.2005 einen Anteil von 50 v.H. an der C GmbH an die J Bank. Die J Bank brachte wiederum am 12.8.2005 ihren 50 v.H. - Anteil an der C GmbH in eine 100 % - Tochtergesellschaft, die J Bank K-Beteiligungsholding GmbH (J K GmbH) ein. Die weiteren 50 v.H. übertrug die I AG am 31.3.2006 auf ihre Tochtergesellschaft, die J Beteiligungen GmbH, an der die J Bank zu 100 v.H. beteiligt ist. Nach einer Anzeige durch die Klägerin erließ der Beklagte mit Bescheid vom 3.9.2008 einen auf § 17 GrEStG gestützten Bescheid, in dem ein (fiktiver) Erwerbsvorgang am 31.3.2006 durch den Gesellschafterwechsel i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG in Folge der Übertragung des 50 v.H. Anteils an der C GmbH von der I AG auf die Tochtergesellschaft I Beteiligungen GmbH festgestellt wird. Den mit Schreiben vom 9.9.2008 erhobenen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 6.3.2009 als unbegründet zurück.

    Die Klägerin hat am 9.4.2009 Klage erhoben und trägt zu deren Begründung im Wesentlichen vor, bei einer wörtlichen Auslegung des § 1 Abs. 2a GrEStG, wonach auch die Übertragungen auf 100 % - Tochtergesellschaften einen mittelbaren Gesellschafterwechsel i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG darstellten, sei diese Vorschrift verfassungswidrig. Derartige Übertragungen verstießen gegen das im allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Gebot der Folgerichtigkeit der Besteuerung. Dieses Gebot verpflichte den Gesetzgeber dazu, bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Tatbestands eine einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen. Durch die Einfügung des § 1 Abs. 2a GrEStG habe der Gesetzgeber neben den reinen Eigentumsübertragungsvorgängen auch solche Vorgänge erfassen wollen, die im wirtschaftlichen Ergebnis einer Grundstücksübertragung gleichkommen. Erfasst sei auch der wesentliche Wechsel im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft, wobei es nicht darauf ankomme, ob dieser Wechsel unmittelbar oder nur mittelbar erfolge. Die Klägerin vertritt die Ansicht, ein mittelbarer Gesellschafterwechsel setze voraus, dass die Übertragung zwischen solchen Personen erfolge, die nicht nur zivilrechtlich unterschiedlich seien. Erforderlich sei des Weiteren, dass diese Personen auch wirtschaftlich verschieden seien. Eine solche „wirtschaftliche” Verschiedenheit bestehe nicht bei der bloßen Zwischenschaltung einer 100% Tochtergesellschaft eines vormaligen Gesellschafters. Bei solchen Übertragungen habe der bisherige Anteilseigner mit seiner 100% Beteiligung nach wie vor die Möglichkeit, seinen Willen durchzusetzen, und behalte seine dem Eigentum vergleichbare Position. § 1 Abs.2a GrEStG sei daher verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass hiervon ausschließlich solche Änderungen im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft erfasst seien, bei denen die Gesellschaftsanteile mittelbar oder unmittelbar auf solche Personen übergehen, die von den bisherigen Gesellschaftern wirtschaftlich verschieden seien. Folge man dieser Auffassung nicht, sei § 1 Abs. 2a GrEStG jedenfalls deshalb verfassungswidrig, weil der Besteuerungsanspruch bei mittelbaren Anteilsübertragungen weitgehend nicht durchgesetzt werden könne, so dass ein dem Gesetzgeber zuzurechnendes strukturelles Erhebungsdefizit vorliege. Weder die bestehende Anzeigepflicht, noch die weiteren Kontrollmöglichkeiten der Finanzverwaltung reichten aus, um eine gleichmäßige und vollständige Steuererhebung zu gewährleisten. Verschiedene Landesrechnungshöfe hätten insoweit Versäumnisse gerügt, die teilweise auf mangelnden Kenntnissen der jeweiligen Bearbeiter von der grunderwerbsteuerlichen Bedeutungen bestimmter Sachverhalte beruhten. Es müsse mit Nichtwissen bestritten werden, dass die Berichte zu einer relevanten Änderung der Praxis der Finanzämter geführt habe.

    Die Klägerin beantragt,

    den Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbssteuer vom 3.9.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6.3.2009 aufzuheben,

    hilfsweise, die Revision zuzulassen

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er ist der Ansicht, § 1 Abs. 2a GrEStG sei eng am Wortlaut auszulegen. Während § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. noch auf eine wirtschaftliche Betrachtung abstellte, sei nach der Neufassung bei einem mittelbaren Gesellschafterwechsel ausschließlich auf eine Änderung in der rechtlichen Zuordnung der Anteile abzustellen. Der Umstand, dass bei einem mittelbaren Anteilswechsel durch die Übertragung auf eine 100% Tochtergesellschaft bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise kein Austausch des Rechtsträgers erfolge, sei insoweit nicht erheblich, da im rechtlichen Sinne die Tochtergesellschaften selbständig und von ihren Gesellschaftern unabhängig seien. Es liege auch kein strukturelles Erhebungsdefizit vor. Ein solches werde bereits durch die gesetzliche Anzeigepflicht derartiger Vorgänge ausgeschlossen. Im Übrigen liege es im Bereich der im Konzern verbundenen Unternehmen, entsprechende Informations- und Mitteilungssysteme über steuerpflichtige Vorgänge zu schaffen, so dass die anzeigepflichtige Grundbesitzgesellschaft ihrer Anzeigepflicht nachkommen könne. Zudem unterliege der ganz überwiegende Teil der Gesellschaften, die nach dem GrEStG anzeigepflichtig seien, regelmäßig Anschlussprüfungen durch die entsprechenden Betriebsprüfungsämter. Hierdurch werde sichergestellt, dass nicht angezeigte Fälle des § 1 Abs. 2a GrEStG rechtzeitig aufgegriffen und der Steuerfestsetzung zugeführt würden. Außerdem seien die gerügten Vollzugsdefizite abgestellt. Schließlich führe nicht jeder Mangel in der Durchsetzung einer Steuernorm automatisch zu einem strukturellen, verfassungswidrigen Vollzugsdefizit.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von dem Beklagten vorgelegten Grunderwerbsteuerakte Bezug genommen.

    Gründe

    Die Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig. Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs.2a GrEStG im Hinblick auf die Übertragung zwischen einer Muttergesellschaft auf deren 100 % - Tochtergesellschaft.

    Nach § 1 Abs. 2a GrEStG gilt als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes, mithin grunderwerbsteuerpflichtiges Geschäft, wenn zu dem Vermögen einer Personengesellschaft – hier der Klägerin – ein inländisches Grundstück gehört und wenn sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert, dass mindestens 95 vom Hundert der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. Im vorliegende Fall liegt eine unmittelbare Übertragung von Anteilen an der Klägerin hinsichtlich des 94 % - Anteils, in der Übertragung am 16.3.2006 zwischen der G AG einerseits auf die H GmbH andererseits vor. Dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig.

    Durch die weiteren Übertragungen der jeweils 50 % Anteile an der C GmbH durch die J auf deren Tochtergesellschaft J K-Beteiligungsholding GmbH am 12.8.2005 einerseits und vom 31.3.2006 zwischen der I AG und deren 100 % - Tochtergesellschaft, der I Beteiligungen GmbH, andererseits wurden mittelbar die übrigen 6 % Anteile an der Klägerin vollständig übertragen. Diese mittelbaren Übertragungen vervollständigen den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG.

    Es dürfte Einigkeit darüber bestehen, dass der Begriff der mittelbaren Änderung im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft keine Einschränkung auf eine bestimmte Ebene der Beteiligungen enthält (vgl. Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 16.Aufl. § 1 Rdz. 847b; Hofmann, GrEStG, 7. Aufl. § 1 Rdz. 116, Weilbach, GrEStG, § 1 Rdz.81) und dass für die Ermittlung des relevanten Anteils von mehr als 95 vom Hundert auf die Änderungen auf der jeweiligen Beteiligungsebene abzustellen ist (vgl. Fischer in Boruttau, a.a.O., § 1 Rdz. 848A, m.w.N.). Demzufolge wird der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG erst durch die zeitlich letzte Übertragung vom 31.3.2006, die Übertragung zwischen der I AG auf deren Tochtergesellschaft I Beteiligungs-GmbH vollständig erfüllt.

    Der Senat teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin nicht. § 1 Abs. 2a GrEStG ist nicht dahingehend teleologisch einzuschränken, dass Übertragungen innerhalb einer Gesellschaftergruppe von einer Muttergesellschaft auf eine 100 % - Tochtergesellschaft von der Besteuerung auszunehmen sind (vgl. Fischer in Boruttau, a.a.O., § 1 Rdz.847b; Pahlke/Franz, § 1, Rdz. 307). Nach der Änderung des § 1 Abs.2a GrEStG kommt es auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht mehr an. Ausschlaggebend ist vielmehr alleine typisierend die Änderung in der Rechtsträgerschaft zwischen rechtlich verschiedenen Körperschaften. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Übertragung auch zwischen einer Muttergesellschaft auf die 100 % - Tochtergesellschaft einen derartigen Wechsel in der rechtlichen Zuständigkeit bedeutet. Nach Auffassung des Senates würde die von der Klägerin im Anschluss an vereinzelte Stimmen in der Literatur geforderte wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Beurteilung, ob ein neuer Gesellschafter gegeben ist, genau die Unsicherheiten in der Anwendbarkeit der Vorschrift wieder herstellen, die durch deren Änderung und den Verzicht auf eine solche Betrachtungsweise vermieden werden sollten.

    Auch ein dem Gesetzgeber zuzurechnendes strukturelles Defizit in der Durchsetzung des § 1 Abs. 2a GrEStG vermag der Senat nicht zu erkennen. Es kann dabei dahinstehen, inwieweit die von den Landesrechnungshöfen gerügten Mängel tatsächlich noch aktuell bestehen. Vollzugsmängel, wie sie immer wieder vorkommen können und sich tatsächlich ereignen, führen allein noch nicht zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm (BVerfG Beschluss vom 9.3.2004, 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 m.w.N.). Zur Gleichheitswidrigkeit und damit zur Verfassungswidrigkeit einer materiellen Steuernorm führen Defizite im Erhebungsverfahren erst dann, wenn sie darauf angelegt sind, eine gleichmäßige Durchsetzung des Steueranspruchs zu verhindern. Dabei ist u.a. zu berücksichtigen, ob besondere Verifikationsinstrumente wie etwa die Außenprüfung hinsichtlich der betreffenden Einkünfte regelmäßig zur Anwendung kommen oder eher die seltene Ausnahme darstellen (BVerfG Beschluss vom 9.3.2004, 2 BvL 17/02, a.a.O.). Anders als in den Fällen der Zins- oder Spekulationseinkünfte unterliegen die Beteiligten an den grunderwerbsteuerlichen Tatbeständen des § 1 Abs. 2a GrEStG grundsätzlich und regelmäßig steuerlichen Außenprüfungen, so dass eine Prüfung der Erfüllung der steuerlichen Pflichten keine Ausnahme, sondern die Regel darstellt. Es handelt sich bei derartigen Vorgängen gerade nicht um typische Massenverfahren, bei denen eine Kontrolle nur erschwert möglich ist. Im Übrigen ergeben sich aus den vorgenannten Berichten keine derart bedeutsamen und gewichtigen Mängel, die einen verfassungsrechtlich relevanten Widerspruch zwischen dem normativen Befehl der materiell pflichtbegründenden Steuernorm und der nicht auf Durchsetzung dieses Befehls angelegten Erhebungsregeln begründen können.

    Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr.1 FGO zugelassen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.

    VorschriftenGrEStG § 1 Abs. 2a, GG Art. 3 Abs. 1