02.11.2010
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 08.09.2008 – 4 K 19/06
Rindfleisch aus Isolierschlachtbetrieben ist nicht von handelsüblicher Qualität; dessen Ausfuhr unter Inanspruchnahme von Ausfuhrerstattung ist sanktionsbewehrt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung einer Sanktion durch das beklagte Hauptzollamt.
Die Klägerin meldete in der Zeit von Februar 1997 bis Januar 1998 mit diversen Ausfuhranmeldungen beim Hauptzollamt A (Zollamt B) Rindfleisch aus sog. Isolierschlachtbetrieben zur Ausfuhr in verschiedene Drittländer an. Das beklagte Hauptzollamt gewährte der Klägerin auf ihre Erstattungsanträge jeweils antragsgemäß Ausfuhrerstattung im Vorschusswege und gab nach Einreichung der entsprechenden Unterlagen die Sicherheiten jeweils frei.
Mit insgesamt 39 Berichtigungsbescheiden vom 15.11.1999 und 17 Berichtigungsbescheiden vom 22.11.1999 forderte das beklagte Hauptzollamt die der Klägerin gewährten Ausfuhrerstattungen in Höhe von insgesamt DM 1.328.089,33 bzw. DM 305.347,14 unter Hinweis auf Art. 13 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 mit der Begründung zurück, dass das unter Zollkontrolle gestellte Fleisch angesichts seiner Herkunft aus Isolierschlachtbetrieben nicht als handelsüblich anzusehen sei.
Die gegen die Berichtigungsbescheide vom 15.11.1999 bzw. 22.11.1999 gerichteten Klagen der Klägerin wies das Finanzgericht Hamburg in der Folgezeit mit Urteilen vom 8.9.2008 (4 K 147/06 bzw. 4 K 146/06) ab.
Bereits mit Bescheid vom 23.11.1999 hatte das beklagte Hauptzollamt gegenüber der Klägerin unter Hinweis auf Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 eine Sanktion in Höhe von DM 816.718,20 mit der Begründung festgesetzt, die Klägerin habe eine höhere als die ihr zustehende Erstattung beantragt.
Nachdem das beklagte Hauptzollamt mit Änderungsbescheid vom 3.5.2002 den Sanktionsbetrag um € 22.497,77 und mit Teilabhilfebescheid vom 8.4.2004 um weitere € 40.225,32 reduziert hatte, wies es den gegen den Sanktionsbescheid vom 23.11.1999 gerichteten Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 31.1.2006 zurück.
Mit ihrer am 8.2.2006 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort und betont, sie habe keine höhere als die ihr zustehende Ausfuhrerstattung beantragt. Vielmehr habe sie bei jeder Ausfuhranmeldung unter Hinweis auf die eingereichten Genusstauglichkeitsbescheinigungen offen gelegt, dass die Ware aus sog. Isolierschlachtbetrieben stamme. Der Europäische Gerichtshof habe in seinen Urteilen vom 14.4.2005 (C-385/03) und 1.12.2005 (C-309/04) klargestellt, dass es für die ordnungsgemäße Erklärung der Erstattungsfähigkeit einer Ware allein auf die gegenüber dem Abfertigungszollamt abzugebende Ausfuhranmeldung ankomme. Die gegenüber dem Zollamt B abzugebenden Ausfuhranmeldungen nebst Genusstauglichkeitsbescheinigungen enthielten indes die eindeutige schriftliche Erklärung, dass es sich bei der betreffenden Ware um Rindfleisch aus Isolierschlachtbetrieben gehandelt habe. Da gegenüber dem Ausfuhrzollamt der Sachverhalt in jeder Hinsicht offengelegt worden sei, habe kein Sanktionsbetrag entstehen können. Ob und inwieweit die Genusstauglichkeitsbescheinigungen zusammen mit den Ausfuhranmeldungen an das beklagte Hauptzollamt gelangt seien, sei eine Angelegenheit der internen Verwaltung. Im Übrigen unterstehe die Prüfung der handelsüblichen Qualität des exportierten Rindfleisches nicht dem beklagten Hauptzollamt als Zahlstelle, sondern dem Abfertigungszollamt bzw. der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt; diese Behörden hätten jedoch die handelsübliche Qualität der Ware in jedem Ausfuhrfall geprüft und bejaht.
Die Klägerin beantragt,
den Sanktionsbescheid vom 23.11.1999 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3.5.2002 und des Bescheides vom 2.4.2004 sowie die Einspruchsentscheidung vom 31.1.2006 aufzuheben.
Das beklagte Hauptzollamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verteidigt die angefochtenen Bescheide und verweist darauf, dass die Klägerin in den jeweiligen Ausfuhranmeldungen die gesunde und handelsübliche Qualität des zur Ausfuhr angemeldeten Rindfleisches zugesichert habe. Diese Angabe habe sich als falsch erwiesen und löse gemäß Art. 11 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3665/87 verschuldensunabhängig die Erhebung einer Sanktion aus.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten 4 K 19/06, 4 K 146/06 und 4 K 147/06 sowie der Sachakten des beklagten Hauptzollamtes verwiesen.
Gründe
Die zulässige Anfechtungsklage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Rechtsgrundlage für die vom beklagten Hauptzollamt gegenüber der Klägerin festgesetzten Sanktion ist die Bestimmung des Art. 11 Abs. 1 Unterabsatz 1 lit. a) der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27.11.1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. Nr. L 351/1), in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2945/94 (ABl. Nr. L 310/57; im Folgenden: VO Nr. 3665/87). Dort heißt es, wird festgestellt, dass ein Ausführer eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt hat, so entspricht die für die betreffende Ausfuhr geschuldete Erstattung der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung vermindert um einen Betrag in Höhe des halben Unterschieds zwischen der beantragten Erstattung und der für die tatsächlichen Ausfuhr geltenden Erstattung. Als beantragte Erstattung gilt der Betrag, der anhand der Angaben gemäß Art. 3 bzw. Art. 25 Abs. 2 VO Nr. 3665/87 berechnet wird (Art. 11 Abs. 1 Unterabsatz 2 Satz VO Nr. 3665/87). Ergibt sich aus der in Art. 11 Abs. 1 Unterabsatz 1 lit. a) genannten Verminderung ein Negativbetrag, so hat der Ausführer diesen Betrag zu zahlen (Art. 11 Abs. 1 Unterabsatz 4 VO Nr. 3665/87). Im Streitfall sind die Voraussetzungen für die Verhängung einer Sanktion gestützt auf die Vorschrift des Art. 11 Abs. 1 lit. a) VO Nr. 3665/87 erfüllt. Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten merkt der erkennende Senat im Einzelnen lediglich Folgendes an:
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat mit Urteil vom 14.4.2005 (C-385/03) entschieden, dass unrichtige Angaben in der Ausfuhranmeldung oder einem anderen bei der Ausfuhr verwendeten Dokument, die zu einer höheren Erstattung als der zustehenden führen können, die Anwendung der in Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 vorgesehenen Sanktion nach sich ziehen (Rz. 37). In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist ferner geklärt, dass die in der Ausfuhranmeldung abgegebene Erklärung der handelsüblichen Qualität der Ware, für die eine Erstattung beantragt wird, zu den sanktionsbewehrten Angaben gemäß Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 gehört (vgl. EuGH, Urteil vom 27.4.2006, C-27/05, Rz. 35). Schließlich hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bereits erkannt, dass ein Ausführer, der ein Erzeugnis im Rahmen des Ausfuhrerstattungsverfahrens anmeldet, stillschweigend versichert, dass dieses Erzeugnis alle für die Erstattung geltenden Voraussetzungen, zu denen auch die gesunde und handelsübliche Qualität der Erstattungsware zählt, erfüllt (vgl. EuGH, Urteil vom 1.12.2005, C-309/04, Rz. 32 und 35). Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist davon auszugehen, dass ein - so wie die Klägerin - Ausführer, der wegen Nichteinhaltung der Anforderung der gesunden und handelsüblichen Qualität keinen Erstattungsanspruch hat, einer Sanktion unterliegt, es sei denn, es liegt einer der in Art. 11 Abs. 1 Unterabsatz 3 VO Nr. 3665/87 vorgesehenen Befreiungsgründe vor. Im Streitfall ist indes keiner der in Art. 11 Abs. 1 Unterabsatz 3 VO Nr. 3665/87 abschließend aufgeführten Befreiungstatbestände erfüllt. Es ist der Klägerin daher auch mit Blick auf die Festsetzung einer Sanktion nicht behilflich, dass aus den lediglich dem Ausfuhrzollamt vorgelegten Genusstauglichkeitsbescheinigungen ersichtlich war, dass die Erstattungsware aus sog. Isolierschlachtbetrieben stammte. Ein Befreiungstatbestand des Inhalts, dass die Sanktion entfällt, wenn zwar nicht für die für die Zahlung der Ausfuhrerstattung zuständigen Stelle, jedoch für eine dritte Behörde, deren Kenntnis sich die Zahlstelle nicht zurechnen lassen muss, ersichtlich gewesen wäre, dass das in Rede stehende Erzeugnis nicht alle für die Erstattung geltenden Voraussetzungen erfüllt, ist in Art. 11 Abs. 1 Unterabsatz 3 VO Nr. 3665/87 nicht normiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 4 MOG findet § 139 Abs. 2 FGO in marktordnungsrechtlichen Streitigkeiten keine Anwendung. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 FGO), sind nicht gegeben.