Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 02.11.2010

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 23.10.2009 – 11 K 50/07

    1. Hat das Finanzamt bei einer Erörterung mit dem Steuerpflichtigen die Bereitschaft erkennen lassen, für den Nachweis der Nichtrückkehrtage die Bestätigung des Arbeitgebers ausreichen zu lassen, ist eine Sachverhaltsfeststellung auf der Grundlage eines reduzierten Beweismaßes zulässig, wenn der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung des Sachverhalts nicht verletzt hat. Danach genügt eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Steuerpflichtige an den von dem Arbeitgeber bestätigten Tagen arbeitsbedingt nicht an seinen Wohnort in Deutschland zurückgekehrt ist.

    2. Bei einem leitenden Angestellten einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft, der seinen Wohnsitz im Inland hat und die Voraussetzungen der Grenzgängerbesteuerung nicht erfüllt, besteht das Schweizer Besteuerungsrecht auch für Zeiträume, in denen der Steuerpflichtige Dienstreisen ins Ausland unternommen hat.


    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 11. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2009 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Ehrenamtliche Richter …

    für Recht erkannt:

    1. Unter Änderung des Bescheids vom 1. Juli 2009 wird die Einkommensteuer der Kläger für 2004 in der Höhe festgesetzt, die sich bei Anwendung der Splittingtabelle ergibt, wenn das zu versteuernde Einkommen mit einem gegenüber dem genannten Bescheid um xxx.xxx EUR geringeren Betrag angesetzt wird, der Betrag von xxx.xxx EUR allerdings bei der Berechnung des Steuersatzes nach Maßgabe des § 32b EStG einbezogen wird. Die Berechnung der festgesetzten Steuer wird dem Beklagten übertragen.

    2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

    3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, haben die Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet haben, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

    4. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Klägerin, die seit 1. Mai 2009 Rentnerin ist und mit ihrem Ehemann, dem Kläger, zusammen veranlagt wird, arbeitete als Vize-Direktorin mit Prokura bei der Schweiz. Bank AG in X, Schweiz. Sie leitete im Streitjahr 2004 den Bereich „… Management …”. Wegen der Einzelheiten wird auf das Organigramm der Schweiz. Bank AG Bezug genommen (Klage-Akte, S. 115-118). Sie war zuständig für die Fremdwährungskonten der Schweiz. Bank X. Sie hatte solche Konten zu eröffnen, die Konditionen zu verhandeln und die Kontakte zu den jeweiligen Banken zu pflegen. Eine weitere Aufgabe war, als Eskalationsstelle zu fungieren. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufgabenbeschreibung der Klägerin (Klage-Akte, S. 118) sowie die Zielvereinbarung der Klägerin mit ihrem Arbeitgeber vom 23. November 2004 (Klage-Akte, S. 119-125) Bezug genommen. Ihr Arbeitsort X war etwa 35 Kilometer vom Wohnort Y, Deutschland, entfernt. Die Strecke legte sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück; hierzu verfügte sie über ein Jahresstreckenabonnement. Die Fahrt mit dem Zug dauerte etwa eine Stunde.

    Die Kläger erklärten in ihrer Einkommensteuer-ESt-Erklärung 2004 u.a. steuerfreie, im Progressionsvorbehalt zu berücksichtigende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin in Höhe von xxx.xxx,xx.– EUR. Sie fügte einen Lohnausweis, eine Anlage „N-Gre-3”, eine Bescheinigung des Arbeitgebers vom 19. Januar 2005 über die Nichtrückkehr an mehr als 60 Arbeitstagen mit einem Sichtvermerk des Kantonalen Steueramts X vom 29. März 2005 sowie eine Einzelaufstellung der Nichtrückkehrtage bei. Nach der „Liste der Nächte 2004” hatte die Klägerin an 93 Tagen aus beruflichen Gründen nicht an ihrem inländischen Wohnsitz übernachtet und zwar an folgenden Tagen aus folgenden Gründen:

    AnzahlDatum 2004Gearbeitet bisGrund
    107.01.21.30
    212.01.21.00
    313.01.21.30
    415.01.21.30
    526.01.21.30
    627.01.22.00
    729.01.21.30
    802.02.21.30
    903.02.21.30
    1009.02.21.30
    1110.02.21.30
    1212.02.21.30
    1316.02.21.30
    1418.02.
    1519.02.
    1625.02.23.00
    1726.02.22.00
    1801.03.22.00
    1902.03.22.00
    2004.03.
    2108.03.21.30
    2209.03.21.30
    2311.03.21.30
    2416.03.
    2517.03.21.30
    2622.03.21.30
    2724.03.21.30
    2829.03.
    2930.03.
    3031.03.21.30
    3105.04.21.30
    3219.04.
    3320.04.
    3421.04.21.30
    3526.04.21.30
    3627.04.21.30
    3703.05.
    3804.05.21.30
    3911.05.21.30
    4012.05.21.30
    4118.05.21.00
    4226.05.
    4327.05.
    4428.05.
    4502.06.21.00
    4606.06.
    4707.06.
    4808.06.
    4909.06.
    5010.06.
    5111.06.
    5212.06.
    5313.06.
    5414.06.
    5515.06.
    5616.06.
    5723.06.21.30
    5829.06.21.30
    5930.06.21.30
    6007.07.21.00
    6115.07.21.00
    6221.07.21.30
    6326.07.
    6428.07.21.30
    6529.07.
    6609.08.21.00
    6712.08.21.30
    6801.09.21.30
    6909.09.21.30
    7014.09.21.30
    7121.09.21.30
    7223.09.21.00
    7328.09.21.30
    7404.10.
    7507.10.21.30
    7619.10.
    7720.10.21.30
    7821.10.
    7926.10.21.30
    8002.11.21.00
    8103.11.
    8204.11.21.00
    8310.11.21.30
    8418.11.21.30
    8529.11.21.00
    8630.11.
    8701.12.
    8806.12.21.30
    8907.12.
    9009.12.
    9114.12.
    9216.12.21.30
    9322.12.21.30
    Die Tage und den Grund für ihre langen Arbeitszeiten hatte die Klägerin per Mail der Personalabteilung ihres Arbeitgebers mitgeteilt, damit dieser die Bescheinigung „Gre-3” ausfüllen konnte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Mails Bezug genommen (Klage-Akte, S. 59-86).

    Darüber hinaus bescheinigte die Arbeitgeberin der Klägerin mit Schreiben vom 19. Januar 2005, dass diese in der Abteilung „… Market …” im Rang einer Vizedirektorin tätig sei und als Leiterin die Sektion „… Management …” führe. Diese Position erfordere einen großen persönlichen Einsatz, der unregelmäßige Arbeitszeiten nach sich ziehe. Wegen der Einzelheiten wird auf dieses Schreiben der Schweiz. Bank AG Bezug genommen (Klage-Akte, S. 54).

    Die Klägerin erläuterte im August 2003 in Bezug auf die Veranlagung für das Jahr 2002 persönlich dem Beklagten, sie beginne ihre Arbeit regelmäßig zwischen 7.00 Uhr und 7.30 Uhr (spätestens um 7.45 Uhr) und sei häufig bis 22.00 Uhr, manchmal auch länger, tätig. Ihre Arbeitszeit werde nicht erfasst. Grund für diese langen Arbeitszeiten seien insbesondere die weltweiten Bankbeziehungen, insbesondere mit den USA und Japan, und die damit verbundenen Zeitverschiebungen. Eine Heimfahrt mit dem Zug sei ihr nach 22 Uhr nicht mehr zuzumuten, zumal sie bereits früh aufstehen müsse, um wieder rechtzeitig im Büro zu sein. Sie fahre mit der Bahn, obwohl ihr ein Geschäftswagen zur Verfügung stehe. Daher übernachte sie bei Bedarf in X. Sie habe dort ein möbliertes Zimmer in der Wohnung ihrer volljährigen Tochter und zahle hierfür Miete. Die Klägerin hatte zugunsten ihrer Tochter einen Dauerauftrag von monatlich 400 Schweizer Franken – SFr. – für den „Mietanteil … straße” eingerichtet. Nach den Angaben im Mietvertrag vom 30. April 2003 zahlte die Tochter ab 1. Juni 2003 monatlich x.xxx. – SFr. für ihre Drei-Zimmer-Wohnung. Daraufhin hielt der Beklagte in den Akten u.a. Folgendes fest:

    „Für die Folgejahre ist dafür Sorge zu tragen, dass die betrieblich bedingten Übernachtungen in X nachgewiesen werden können. Dazu ist zumindest erforderlich, dass alle Übernachtungen dem Arbeitgeber bekanntgegeben werden, so dass dieser diese auch bestätigen kann”.

    Wegen der Einzelheiten wird auf den Aktenvermerk vom 19. August 2003 sowie die oben zitierte Aktennotiz Bezug genommen (Rechtsbehelfs-Rb-Akte, S. 6-8).

    Das beklagte Finanzamt – FA – setzte mit ESt-Bescheid 2004 vom 20. April 2006 die ESt in Höhe von xx.xxx.– EUR unter Einbezug der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin in Höhe von (xxx.xxx.– EUR ./. x.xxx.– EUR Entfernungspauschale ./. xxx.– EUR übrige Werbungskosten =) xxx.xxx.– EUR in die steuerliche Bemessungsgrundlage fest. Die Schweizer Abzugssteuer in Höhe von x.xxx.– EUR rechnete es an. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein.

    Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machen die Kläger im Wesentlichen geltend, sie, die Klägerin, sei keine Grenzgängerin i.S.d. Art. 15a DBA Schweiz, da sie an mehr als 60 Tagen aus beruflichen Gründen in der Schweiz übernachtet habe und daher ihre Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht im Inland, sondern in der Schweiz zu besteuern seien – so wie in den Vorjahren auch. Sie habe im Rahmen einer persönlichen Erörterung mit dem Beklagten am 15. August 2003 vereinbart, wie der Nachweis einer beruflich veranlassten Übernachtung in der Schweiz geführt werden könne, nämlich durch Vorlage von elektronischen Nachrichten an die Kollegen. Mit ihrer ESt-Erklärung 2004 habe sie eine Liste über insgesamt 93 Übernachtungen in der Schweiz und dem Ausland vorgelegt. Ein Teil dieser Übernachtungen sei notwendig gewesen, weil bei Auslandsreisen der Abflug auf dem Flugplatz X in der Regel um 7.00 Uhr morgens und der Rückflug erst gegen 21.20 Uhr erfolgt sei. Eine entsprechende Zugverbindung zwischen ihrem Wohnsitz und dem Flughafen X habe es zu diesen Zeiten nicht gegeben. Hinsichtlich der übrigen Übernachtungen habe sie exemplarisch mit mehreren Kopien über die an diesen Tagen stattgefundenen Termine Unterlagen beigelegt. Auch an diesen Tagen sei ihr wegen später Beendigung der Arbeit eine Rückkehr nach Y nicht mehr zuzumuten gewesen.

    Sie erhalte aufgrund ihrer beruflichen Position eine Vielzahl von Mails, täglich zwischen 50 und 70, teils mit großen Anhängen in englischer Sprache, die zeitnah bearbeitet werden müssten. Zusätzlich fänden am frühen Morgen Telefonate mit Banken aus Asien und am Abend mit Banken aus Amerika/Kanada statt. Damit dauere schon ein normaler Arbeitstag mehr als 10 Stunden. Darüber hinaus betreffe die Frage der Zumutbarkeit immer eine konkrete Situation im Einzelfall unter Berücksichtigung der Art des ausgeübten Berufs. Sie könne die hohen beruflichen Erwartungen nur bei einem besonderen zeitlichen Engagement erfüllen. Dies beruhe auch darauf, dass sie sich hoch gearbeitet habe und bei der Übernahme und Ausführung jeder neuen Tätigkeit immer wieder Informations- und Lernbedarf gehabt habe. Im Übrigen verletze der Vorbehalt der Grenzgängerregelung und damit der Ausschluss der Besteuerung als leitende Angestellte in der Schweiz gemäß Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz den Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Grundgesetz – GG –. Sie werde insoweit ungleich behandelt. Werde nämlich bei der Zuweisung des Besteuerungsrechts gemäß Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz auf die Verwertung der Tätigkeit in der Schweiz abgestellt, müsse dies folgerichtig auch bei der Auslegung des Art. 15a DBA Schweiz Beachtung finden. Der Beklagte wolle sie wohl rechtlos stellen. Denn er sage nicht einmal, wie sie denn eine berufliche Veranlassung nachweisen könne.

    Die Kläger beantragen,

    die zuletzt mit Bescheid vom 1. Juli 2009 erfolgte Festsetzung der ESt 2004 erneut zu ändern und dabei die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von xxx.xxx,00 EUR steuerfrei zu belassen und nur bei der Ermittlung des Steuersatzes zu berücksichtigen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen;

    hilfsweise

    die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin in Höhe von (xx.xxx.– EUR ./. xxx.– EUR =) xx.xxx.– EUR in die steuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen und (xxx.xxx.– EUR ./. x.xxx.– EUR =) xxx.xxx.– EUR unter Progressionsvorbehalt steuerfrei zu belassen.

    Er macht im Wesentlichen unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung geltend, die Klägerin habe nicht anhand geeigneter Belege nachgewiesen, dass Übernachtungen an mehr als 60 Tagen beruflich veranlasst gewesen seien. Ihr sei die Heimkehr möglich und zumutbar gewesen. Der in Art. 15a DBA Schweiz verwendete Begriff „aufgrund ihrer Arbeitsausübung” sei weder im DBA Schweiz noch in den Protokollen definiert. Nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen – BMF – bestimme sich die Anzahl der Nichtrückkehrtrage nach der Anzahl der beruflich bedingten Übernachtungen. Dabei liege eine Nichtrückkehr aufgrund der Arbeitsausübung vor, wenn die Rückkehr an den Wohnsitz aus beruflichen Gründen – aus objektiven Gründen – nicht möglich oder nicht zumutbar sei. Es dürfe nicht der persönlichen Betrachtungsweise und Wertung des Steuerpflichtigen überlassen bleiben, ob er nach Hause fahre oder nicht. Sonst könne die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht gewahrt werden. Die Klägerin sei nach § 90 Abs. 2 Abgabenordnung – AO – zur Beweismittelbeschaffung und – vorsorge verpflichtet. Ihr obliege die objektive Beweislast. Sie habe damit den Grund jedes einzelnen Nichtrückkehrtages sowie den Ort und die Kosten der Übernachtung konkret anzugeben. Der Vordruck „Gre-3” reiche hierfür nicht aus. Hinzu komme, dass ein Arbeitnehmer nicht erreichen könne, dass seine Grenzgängereigenschaft aufgrund von Nichtrückkehrtagen entfällt, indem er durch Überstunden den verbleibenden Zeitraum zwischen Arbeitsende an einem und Arbeitsbeginn am folgenden Tag so stark verkürze, dass eine Rückkehr an den inländischen Wohnort nicht mehr möglich oder zumutbar sei. Im Übrigen habe er, der Beklagte, nicht zugesagt, jede dem Arbeitgeber per Mail angezeigte Übernachtung als Nichtrückkehrtag anzuerkennen. Ebenso wenig erfordere Art. 3 GG eine Gleichbehandlung aller leitenden Angestellten, unabhängig davon, ob sie Grenzgänger seien oder nicht. Es gebe keine Typisierung für leitende Angestellte.

    Hilfsweise werde eine Aufteilung der Schweizer Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit der Klägerin begehrt, weil Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA Schweiz so zu verstehen sei, dass lediglich Einkünfte aus der physisch in der Schweiz ausgeübten Tätigkeit von der deutschen Steuer freizustellen seien. Art. 15 Abs. 4 DBA regle lediglich ein konkurrierendes und kein ausschließliches Besteuerungsrecht der Schweiz. Das Besteuerungsrecht für Auslandstage eines leitenden Angestellten stehe dem Ansässigkeitsstaat des leitenden Angestellten zu, der die Doppelbesteuerung durch Anrechnung vermeide. Die gegenteilige Ansicht des BFH (vgl. das Urteil vom 25. Oktober 2006 I R 81/04, BFH/NV 2007, 593) sei nicht richtig.

    Am 23. Juni 2009 fand eine Erörterung der Sach- und Rechtslage statt. Die Klägerin berichtete über ihre Arbeit im Eskalationsteam für Fremdwährungskonten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift der Berichterstatterin vom 23. Juni 2009 Bezug genommen (Klage-Akte, S. 102-104).

    Während des Klageverfahrens änderte der Beklagte den ESt-Bescheid 2004 mit Bescheid vom 1. Juli 2009 und setzte ESt in Höhe von xx.xxx.– EUR fest. Der Beklagte erkannte nunmehr die für das möblierte Zimmer gezahlte Miete als Werbungskosten an. Gleichzeitig kürzte er die Anzahl der Tage für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Die sich daraus ergebende Höhe der Werbungskosten von x.xxx EUR und die danach verbleibenden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von xxx.xxx EUR sind zwischen den Beteiligten nicht streitig.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist begründet.

    Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, da in die Bemessungsgrundlage Beträge eingeflossen sind, die durch die Tätigkeit der Klägerin für die Schweiz. Bank veranlasst sind. Diese Einkünfte sind nach Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 DBA Schweiz im Inland steuerfrei zu belassen. Die insoweit vorrangige Regelung des Art. 15a DBA-Schweiz greift nicht ein, da die Klägerin im Streitjahr nicht Grenzgängerin im Sinne dieser Vorschrift war. Die durch regelmäßige Rückkehr vom ausländischen Arbeitsort an den inländischen Wohnsitz gekennzeichnete Grenzgängereigenschaft (vgl. Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA Schweiz) entfällt nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA Schweiz nämlich dann, wenn der Arbeitnehmer an mehr als 60 Arbeitstagen aus Gründen seiner Arbeitsausübung nicht an den inländischen Wohnsitz zurückkehrt. Das war bei der Klägerin im Streitjahr indessen der Fall.

    1. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin an zahlreichen Tagen aus beruflichen Gründen nicht nach Y zurückgekehrt ist, weil Auslandsdienstreisen eine Rückkehr an ihren Wohnort nicht zugelassen haben; es handelt sich dabei jedenfalls um die in der von der Klägerin vorgelegten Aufstellung unter den Nrn. 14, 15, 28, 29, 32, 33, 37, 42 bis 44, 46 bis 56, 61, 65, 72, 76, 82, 86 und 87 aufgelisteten 28 Tage. Auch der Senat hat keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung der Klägerin, wonach sie an diesen Tagen ausschließlich aus Gründen ihrer Arbeitsausübung in X oder im Ausland übernachtet hat. Das gilt auch für die Tage, an denen die Klägerin abends nach 21:00 Uhr auf dem Flughafen X/Kloten gelandet ist; der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat diesbezüglich unwidersprochen vorgetragen, dass es ihr um diese Zeit nicht mehr möglich gewesen sei, mit dem Zug von dort aus nach Y zurückzukehren.

    2. Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Klägerin über die unter 1. bezeichneten 28 Tage hinaus an zahlreichen weiteren Tagen ihre Arbeit im Büro erst so spät beendet hat, dass sie aus diesem Grund von einer Rückkehr an ihren Wohnsitz nach Y Abstand genommen hat (a). Er hält es darüber hinaus auch für sehr wahrscheinlich, dass dies an allen anderen der in ihrer Aufstellung enthaltenen 65 Tagen der Fall war (b). Das reicht unter den gegebenen Umständen aus, um bei der Entscheidung des Streitfalles hiervon auszugehen; im Hinblick auf die Situation, die infolge der im August 2003 zwischen den Beteiligten u. a. zur Frage der künftigen Nachweisführung geführten Besprechung entstanden ist, erachtet der Senat nämlich eine Sachverhaltsfeststellung auf der Grundlage eines reduzierten Beweismaßes für zulässig und auch ausreichend (c).

    a) Schon aufgrund der von der Klägerin wahrzunehmenden Aufgaben (vgl. hierzu die mit dem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 07. Juli 2009 vorgelegten Unterlagen; FG-ABl. 114-125) erscheint es naheliegend, dass ihre Präsenz im Büro häufig sowohl früh morgens als auch spät abends erforderlich war. Die Klägerin hat hierzu darauf hingewiesen, dass sie infolge ihrer mit der Verwaltung der Fremdwährungskonten der Schweiz. Bank verbundenen Funktion des Deeskalationsmanagements häufig Kontakt mit Stellen im außereuropäischen Ausland habe aufnehmen müssen und sie wegen der Zeitverschiebung die zuständigen Ansprechpartner in Asien nur am frühen Morgen und diejenigen in den USA vielfach nur am späten Abend habe erreichen können. Auch ist es nicht ungewöhnlich, dass eine in leitender Stellung tätige Person vor oder nach (urlaubs –, krankheits- oder dienstreisebedingter) Büroabwesenheit zur Vermeidung oder dem Abbau von Arbeitsrückständen bis in den späten Abend im Büro bleibt.

    Dass sich dies bei der Klägerin so verhalten hat, bezweifelt im Grunde auch das FA nicht. In dem über die Besprechung vom 15. August 2003 gefertigten Aktenvermerk (vgl. Rb-Akte Bl. 6 f.) brachte die daran beteiligte Bedienstete der beklagten Behörde (Frau Vogelbacher) zum Ausdruck, dass die Klägerin einen seriösen Eindruck mache und glaubhaft wirke; es werde weder unterstellt, dass sie die Arbeitszeiten falsch darstelle, noch werde bezweifelt, dass sie in X übernachte. Die in diesem Vermerk Ausdruck findende Einschätzung der Glaubwürdigkeit der Klägerin hat das FA im gerichtlichen Verfahren nicht korrigiert.

    Auch der erkennende Senat ist vor dem Hintergrund, dass die Angaben der Klägerin angesichts der von ihr seinerzeit wahrzunehmenden Aufgaben insgesamt plausibel erscheinen und keine konkreten Anhaltpunkte dafür bestehen, dass sie bereit sein könnte, im Interesse der Verhinderung der inländischen Besteuerung unzutreffende Angaben zu machen, davon überzeugt, dass sie jedenfalls an zahlreichen Tagen bis nach 21.00 Uhr im Büro gearbeitet und es dann im Hinblick auf den für die Fahrten nach Y und zurück anfallenden Zeitaufwand sowie die dann für die dortige Nachtruhe noch verbleibende Zeit vorgezogen hat, in der Wohnung ihrer Tochter in X zu übernachten.

    b) Während der Senat danach keine Zweifel daran hat, dass die Klägerin an zahlreichen Tagen aus den genannten (beruflichen) Gründen abends nicht nach Deutschland zurückgekehrt ist, hat er die gleiche Gewissheit hinsichtlich der Frage, wie oft dies im Streitjahr tatsächlich der Fall war, nicht gewinnen können. Er hält es zwar namentlich wegen des persönlichen Eindrucks, den er von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, aber auch aufgrund der anderen unter a) ausgeführten weiteren Erwägungen für sehr wahrscheinlich, dass die Klägerin an allen, jedenfalls aber den meisten der in der von ihr erstellten Liste der berufsbedingten Nichtrückkehr enthaltenen Tage wegen allzu später Beendigung ihrer Arbeit in X übernachtet hat. Der Senat konnte allerdings trotz des glaubwürdigen Eindrucks, den die Klägerin in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, keine über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Überzeugung von der Richtigkeit ihrer Angaben erlangen. Dies beruht vor allem auf der Erkenntnis, dass die Befragung in der mündlichen Verhandlung nur begrenzte Einsichten hinsichtlich der Aufrichtigkeit der Klägerin vermitteln konnte, da diese nicht durch andere, von ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit unabhängige Erkenntnisquellen bestätigt werden konnten. Solche gibt es nämlich für den zentralen Sachverhalt nicht. Es gibt insbesondere keine Zeugen, die aus eigener Wahrnehmung Angaben dazu hätten machen können, wie oft die Klägerin im Streitjahr ihre Arbeit abends erst so spät beendet hat, dass ihre Nichtrückkehr an ihren Wohnsitz nach Deutschland jeweils als beruflich veranlasst erscheinen konnte. Der Senat misst diesbezüglich auch den von der Klägerin vorgelegten Mails (vgl. FG-ABl. 59 bis 86) keinen zusätzlichen, d. h. keinen Beweiswert zu, der über den Erkenntniswert der von ihr vorgelegten Auflistung der berufsbedingten Nichtrückkehrtage hinausgeht. Diese Mails enthalten nämlich weder eine Bestätigung der Richtigkeit des Vorbringens der Klägerin durch eine andere Person noch ermöglichen sie dem Gericht eine Überprüfung ihrer inhaltlichen Richtigkeit.

    In den Mails hat die Klägerin regelmäßig im Verlauf eines Arbeitstages –mitunter auch schon sehr früh –ihre Absicht gegenüber einer Mitarbeiterin der Personalabteilung ihres Arbeitgebers kundgetan, an dem jeweiligen Abend ihre Arbeit erst spät (meist gegen 21:30 Uhr) beenden und dann in X übernachten zu wollen. Beispielhaft wird hierzu auf den Inhalt der von ihr am 26. Januar 2004 um 12:48 Uhr an Frau N N gesandte Mail (FG-ABl. 82) Bezug genommen, die unter dem Betreff „Uebernachtung in X” wie folgt lautet:

    „Sali N

    Ich hatte letzte Woche Ferien und habe diese Woche viele Meetings. Aus diesem Grunde kann ich meine Mails nicht während der normalen Arbeitszeit abarbeiten und werde deshalb heute abend länger arbeiten (bis ca 21:30) und dann in X übernachten.

    Gruss und schönen Nachmittag

    A”

    Selbst wenn man davon ausgeht, dass die in Mails dieser Art zum Ausdruck kommende Absicht auch tatsächlich der im Zeitpunkt der Absendung der Mail aktuellen Arbeitsplanung der Klägerin entsprochen hat, steht damit noch nicht fest, dass sie dieses Vorhaben auch stets so umgesetzt hat. Die Klägerin könnte die Bearbeitung der Mails schneller als vorausgesehen (etwa bereits um 19:00 Uhr) abgeschlossen haben, sie könnte aber auch aus anderen Gründen von ihrer ursprünglichen Absicht abgerückt sein und die Arbeit auf den folgenden Arbeitstag verschoben haben; in solchen Fällen könnte eine Rückkehr an ihren Wohnort im Inland entweder doch stattgefunden oder aber aus anderen als beruflichen Gründen unterblieben sein. Ein besonderer, über tabellarische Eigenaufzeichnungen hinausgehender Erkenntniswert kommt der von der Klägerin praktizierte Form der Nachweisführung jedenfalls nicht zu.

    c) Obwohl der Senat eine volle, von nachvollziehbaren Zweifeln freie Überzeugung hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin, an allen in ihrer Aufstellung enthaltenen Tagen bis in die späten Abendstunden in X gearbeitet zu haben, nicht hat erlangen können, geht er von diesem Sachverhalt aus. Der Streitfall ist nämlich durch Besonderheiten gekennzeichnet, die es gebieten, hinsichtlich der Zahl der beruflichen Nichtrückkehrtage den Überzeugungsgrad der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit ausreichen zu lassen. Mehr kann nämlich aufgrund der der Klägerin durch das FA nahegelegten Art der Nachweisführung nicht erreicht werden. Höhere Anforderungen an die Überzeugungsbildung zu stellen, verstieße deshalb unter den gegebenen Umständen gegen Treu und Glauben.

    aa) Für diese Auffassung stützt sich der Senat auf die abgabenrechtlichen Schätzungsregelungen, deren sinngemäße Anwendung für die Überzeugungsbildung des Finanzgerichts § 96 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO – in Ergänzung des im ersten Halbsatz der Regelung definierten Erkenntnismaßstabs ausdrücklich anordnet.

    § 162 Abs. 1 AO sieht die Möglichkeit einer Schätzung immer dann vor, wenn die Finanzbehörde einen steuererheblichen Sachverhalt nicht ausreichend ermitteln kann. Die Konsequenz aus der in § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO geregelten sinngemäßen Anwendung des § 162 AO ist demnach die Zulassung eines Wahrscheinlichkeitsurteils als Erkenntnismaßstab und damit eine Reduzierung des Regelbeweismaßes auch im finanzgerichtlichen Verfahren (vgl. dazu die Nachweise aus der Rspr. bei Seer in Tipke/Kruse, AO und FGO, Rz. 69 ff. zu § 96 FGO).

    Auch wenn Aufklärungsdefizite im Besteuerungsverfahren häufig auf Mitwirkungspflichtverletzungen zurückzuführen sind und diese deshalb den größten Teil der Anwendungsfälle des § 162 AO ausmachen, beschränkt § 162 Abs. 1 AO die Befugnis zur Schätzung keineswegs auf solche Fälle. Sie ist vielmehr auch in anderen Fällen in Betracht zu ziehen, in denen die tatsächlichen Umstände einer Besteuerungsgrundlage nicht mit letzter Sicherheit ermittelt werden können. Das bedeutet indessen nicht, dass es für die Zulässigkeit einer auf ein reduziertes Beweismaß gestützten gerichtlichen Entscheidung belanglos wäre, worauf es beruht, dass eine sichere Überzeugung von einer steuererheblichen Tatsache nicht erlangt werden kann. Wer nach den steuergesetzlichen Wertungen die Verantwortung dafür trägt, dass der besteuerungserhebliche Sachverhalt aufgeklärt wird, soll nicht durch Verletzung seiner diesbezüglichen Pflichten erreichen können, dass dadurch das Beweismaß für die Feststellung in seiner Aufklärungsverantwortung liegenden steuerentlastenden Tatsachen gesenkt wird. Obwohl der im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der in Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA Schweiz getroffenen Ausnahmeregelung trägt (vgl. das BFH-Urteil vom 15. September 2004 I R 67/03, BFH/NV 2005, 267) und obwohl § 90 Abs. 2 AO bezogen auf Auslandssachverhalte eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen begründet, die auch eine Pflicht zur Beweisvorsorge beinhaltet, ist jedoch auch im Streitfall eine Sachverhaltsfeststellung auf der Grundlage eines reduzierten Beweismaßes nicht ausgeschlossen. Denn die Klägerin hat ihre diesbezüglichen Mitwirkungspflichten nicht verletzt. Sie hat vorgelegt, was sie vorlegen konnte. Dass sie sich nicht um weitere –aussagekräftigere –Beweismittel bemüht hat, kann ihr im Streitfall nicht angelastet werden.

    bb) Die Besonderheiten, die im Streitfall eine Reduzierung des Beweismaßes auf dasjenige der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit rechtfertigen, liegen darin, dass die Beteiligten am 15. August 2003 vor dem Hintergrund diesbezüglich unterschiedlicher Auffassungen die Anforderungen an einen Nachweis der berufsbedingten Nichtrückkehrtage miteinander erörtert haben und das FA dabei hat erkennen lassen, dass es hierfür Mails, mit denen die Klägerin ihren Arbeitgeber jeweils im Voraus über die Nichtrückkehr unterrichtet, als ausreichend erachten werde.

    In einem über diese Unterredung gefertigten Aktenvermerk vom 19. August 2003 (Rb-ABl. 6 f.), auf den wegen aller Einzelheiten verwiesen wird, ist die Problematik der Nachweisführung vor dem Hintergrund skizziert, dass die Arbeitszeiten der Klägerin nicht über Zeiterfassungsgeräte festgehalten werden und ihr Arbeitgeber nur allgemein ihre teilweise ungewöhnlich langen Arbeitszeiten, nicht aber konkret diejenigen Tage bestätigen kann, an denen sie deshalb in der Schweiz übernachtet hat. Ferner ist darin festgehalten, dass die Klägerin einen ebenso seriösen wie glaubwürdigen Eindruck mache und nicht davon ausgegangen werde, dass sie hinsichtlich ihrer Arbeitszeiten falsche Angaben mache. Nach weiteren Ausführungen schließt der Aktenvermerk mit dem Ergebnis, dass eine „Freistellung” (bezogen auf die Arbeitseinkünfte der Klägerin für 2002 von der inländischen Steuerpflicht) erfolgen könne, was dann auch geschehen ist. In einem weiteren –undatierten –Vermerk ist unter der Überschrift „WV 2003 ff” ausgeführt (vgl. Rb-ABl. 8; vgl. ferner oben Seite 7 des Urteils):

    „Für die Folgejahre ist dafür Sorge zu tragen, dass die betrieblich bedingten Übernachtungen in X nachgewiesen werden können.

    Dazu ist zumindest erforderlich, dass alle Übernachtungen dem Arbeitgeber bekanntgegeben werden, so daß dieser diese auch bestätigen kann.”

    Es ist dem FA zwar zuzugeben, dass die Behörde der Klägerin damit nicht zugesagt hat, jede der von ihr ihrem Arbeitgeber per Mail angezeigte Übernachtung anzuerkennen und auf eine Überprüfung der beruflichen Veranlassung zu verzichten. Jedoch muss sie sich entgegen halten lassen, dass sie der Klägerin gegenüber den Eindruck erweckt hat, sich angesichts der ihr zugebilligten generellen Glaubwürdigkeit für den Nachweis der beruflich veranlassten Nichtrückkehrtage mit Mails begnügen zu wollen, in denen sie –die Klägerin –ihrer Personalabteilung jeweils frühzeitig (um die Möglichkeit der Überprüfung zu gewährleisten) unter stichwortartiger Nennung des hierfür gegebenen Grundes die bevorstehende Verlängerung ihrer Arbeitszeit in die Abendstunden hinein anzeigen sollte. So jedenfalls hat die Klägerin das Ergebnis der hierzu mit der Sachbearbeiterin des FA (Frau F) geführten Besprechung nach ihren glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung verstanden und so durfte sie dieses Ergebnis aufgrund des Inhalts der vorstehend dargestellten Vermerke nach Auffassung des Senats auch verstehen. Von diesem Verständnis der Nachweisanforderungen hat sich im Übrigen ganz offensichtlich zunächst auch das FA leiten lassen. Es hat nämlich die von der Klägerin aus ihrer Tätigkeit für die Schweiz. Bank erzielten Einkünfte im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer 2003 im Inland steuerfrei belassen (vgl. das Eingabeprotokoll für die Veranlagung 2003; ESt-Akte Fach 2003), obwohl die Klägerin die für diesen Zeitraum geltend gemachten berufsbedingten Nichtrückkehrtage nach dem Inhalt der ESt-Akte Fach 2003 ebenfalls (nur) mit einer Auflistung der entsprechenden Tage, Mails der auch für das Streitjahr 2004 vorgelegten Art sowie einer darauf Bezug nehmenden Bestätigung ihres Arbeitgebers vom 04. August 2004 belegt hatte.

    dd) Gegen eine sinngemäße Anwendung des § 162 AO im Streitfall spricht auch nicht, dass es bei der streitigen Zahl der berufsbedingte Nichtrückkehrtage nicht lediglich um die Quantifizierung dem Grunde nach feststehender Besteuerungsgrundlagen geht. Martin (in Betriebs-Berater 1986, 1021 ff., 1029) und Seer (in Tipke/Kruse; AO und FGO, Rz. 20 zu § 162 AO) haben zutreffend nachgewiesen, dass auch bei der Annahme eines Sachverhalts von einem als Schätzung bezeichneten Wahrscheinlichkeitsurteil ausgegangen werden kann; jedem quantitativen Zahlenansatz liegt nämlich bei einer Schätzung von Besteuerungsgrundlagen immer ein mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit vermuteter Lebensvorgang zugrunde.

    ee) Nachdem die Klägerin für die in ihrer Auflistung enthaltenen Tage jeweils entsprechende Mails vorgelegt hat, ihre generelle Glaubwürdigkeit vom FA auch in der mündlichen Verhandlung weiterhin –wie bereits anlässlich der Besprechung vom 15. August 2003 –als sehr hoch eingeschätzt wurde und auch die von der Klägerin zu ihrer Stellung und ihren Aufgaben bei der Schweiz. Bank vorgelegten Unterlagen insgesamt ihre Angaben zu den Daten der Nichtrückkehr glaubhaft erscheinen lassen, legt der Senat diese seiner Entscheidung zugrunde.

    3. Kann deshalb –mit einer sehr hohen, für den Streitfall ausreichenden Wahrscheinlichkeit –davon ausgegangen werden, dass die Klägerin an insgesamt 93 Tagen nicht nach Deutschland an ihren Wohnort zurückgekehrt ist, weil sie entweder sich auf einer Dienstreise befunden oder ihre Tätigkeit im Büro erst so spät abgeschlossen hat, dass sie deswegen nicht mehr an ihren inländischen Wohnort nach Y zurückgekehrt ist, dann war sie im Streitjahr nicht Grenzgängerin gemäß Art. 15a DBA Schweiz. Sie ist an den entsprechenden (mehr als 60) Tagen im Sinne des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA Schweiz „auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht … zurückgekehrt”. Den gegen diese Würdigung vom FA erhobenen Einwand, dass die Klägerin ihre Arbeit auch so habe einrichten können, dass sie diese an jedem Arbeitstag frühzeitig genug abschließt, um noch ohne weiteres mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause fahren zu können, hält der Senat nicht für stichhaltig. Wenn die Klägerin bis um 21:30 Uhr in ihrem Büro am Betriebssitz ihres Arbeitgebers gearbeitet hat und wenn sie –was aufgrund der von Klägerseite dargelegten Bahnverbindungen unstreitig ist –bei einer anschließenden Rückkehr nach Hause mit öffentlichen Verkehrsmitteln dort erst nach 23:00 Uhr hätte eintreffen können, dann hatten ihre Übernachtungen in X an diesen Tagen ihren Grund in der Arbeitsausübung der Klägerin.

    4. Sind die Voraussetzungen der Grenzgängerbesteuerung danach nicht erfüllt, dann sind die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit gemäß Art. 15 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA Schweiz von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen. Sie sind (nur) in der Schweiz zu besteuern, da die Klägerin ihre Arbeit dort ausgeübt hat. Weil sie als Prokuristin einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft zu einer der in Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz genannten Gruppen leitender Angestellter gehörte, gilt dies auch für Zeiträume, in denen sie Dienstreisen ins Ausland unternommen hat (vgl. das BFH-Urteil vom 25. Oktober 2006 I R 81/04, BFH/NV 2007, 593).

    Das zu versteuernde Einkommen der Kläger ist danach um die –der Höhe nach unstreitigen –Arbeitseinkünfte der Klägerin von xxx.xxx EUR zu vermindern. Diese Einkünfte sind in der genannten Höhe jedoch bei der Berechnung des Steuersatzes gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG einzubeziehen. Der Senat überträgt die Ermittlung des festzusetzenden Steuerbetrages nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA, welches § 100 Abs. 2 Satz 3 FGO zu beachten hat.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da er der Frage der Reduzierung des Beweismaßes in Fällen unverschuldeter Beweisnot rechtsgrundsätzliche Bedeutung beimisst. Im Übrigen sind offensichtlich auch zur Frage der Anwendung des Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz auf Tätigkeiten eines in Deutschland ansässigen leitenden Angestellten für eine schweizerische Kapitalgesellschaft, die tatsächlich außerhalb der Schweiz verrichtet werden, noch Revisionen anhängig; schon deshalb wäre mit Rücksicht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO die Revision zuzulassen.

    VorschriftenFGO § 96 Abs. 1 S. 1, AO § 162, AO § 90 Abs. 2, EStG § 32b Abs. 1 Nr. 2