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  • 02.11.2010

    Finanzgericht München: Urteil vom 08.12.2009 – 12 K 4089/06

    Es verstößt weder gegen Verfassungs- noch gegen Gemeinschaftsrecht, dass mit § 34 Abs. 3 EStG i.d.F. des Steuersenkungsergänzungsgesetzes (StSenkErgG) vom 19.12.2000 (BGBl 2000 I S. 1812; BStBl 2001 S. 25) nur für Veräußerungsgewinne nach den §§ 14, 14a, 16 und 18 EStG und nicht auch für Veräußerungsgewinne nach § 17 EStG unter bestimmten persönlichen Voraussetzungen wieder eine Besteuerung der Veräußerungsgewinne mit dem halben durchschnittlichen Steuersatz eingeführt worden ist, dass im Veranlagungszeitraum 2001 Veräußerungsgewinne nach § 17 EStG also nicht mit dem halben durchschnittlichen Steuersatz, sondern nur nach der Fünftelregelung (§ 34 Abs. 1 EStG 2001) tarifbegünstigt waren und dass das Halbeinkünfteverfahren bei einer nach § 17 EStG steuerpflichtigen Veräußerung einer Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft erst ab dem Veranlagungszeitraum 2002 anwendbar war.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In der Streitsache

    hat der 12. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin am Finanzgericht …, der Richterin am Finanzgericht … und der Richterin am Finanzgericht … sowie der ehrenamtlichen Richter … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08. Dezember 2009

    für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    3. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand:

    Der im Oktober 2005 verstorbene, mit ihr zusammen zur Einkommensteuer 2001 zu veranlagende Ehemann der Klägerin war mit 32,8947 v. H. des Grundkapitals an der X-AG beteiligt. Er veräußerte diese Beteiligung im Streitjahr 2001 mit einem Gewinn in Höhe von DM. Für den Veräußerungsgewinn beantragte er die Gewährung des halben durchschnittlichen Steuersatzes nach § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das Finanzamt lehnte diesen Antrag mit dem Hinweis ab, dass eine ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 3 EStG für Einkünfte nach § 17 EStG gesetzlich nicht vorgesehen sei. Es setzte mit Einkommensteuerbescheid vom lediglich eine anteilige Steuer nach § 34 Abs. 1 EStG von DM aus einer Bemessungsgrundlage von DM fest.

    Im Verlaufe des hiergegen gerichteten Einspruchsverfahrens stellten die Klägerin und ihr Ehemann einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, zu dessen Begründung sie im Wesentlichen Folgendes ausführten: Die Steuervergünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG sei ihnen zu Unrecht nicht gewährt worden. Der Ehemann sei auf Grund eines Krebsleidens seit Ende 2000 berufsunfähig und erfülle daher die personenbezogenen Voraussetzungen dieser Bestimmung. Er habe als Folge der Erkrankung auch keine Möglichkeit gehabt, die Veräußerung seiner Beteiligung in das vom Halbeinkünfteverfahren begünstigte Jahr 2002 zu verschieben. Dass er sein Lebenswerk nicht in Form einer nach § 34 Abs. 3 EStG begünstigten Beteiligung an einer Personengesellschaft, sondern in Form der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft organisiert habe, dürfe für ihn nicht nachteilig sein. § 34 Abs. 3 EStG wolle die Sicherung der Altersvorsorge steuerlich begünstigen; das gelte unabhängig von der vom Steuerpflichtigen getroffenen Rechtsformwahl. Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verbiete deshalb, dem Veräußerer von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft den halben durchschnittlichen Steuersatz zu verwehren.

    Der erkennende Senat hat den Antrag mit Beschluss vom 12. Februar 2004 12 V 4005/03 abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 1. September 2004 VIII B 64/04, BFH/NV 2004, 1650, als unbegründet abgewiesen, da keine ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in § 34 Abs. 3 EStG i.d.F. des Steuersenkungsergänzungsgesetzes (StSenkErgG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1812; BStBl I 2001, 25 – nachfolgend: EStG 2001) getroffenen und vom Finanzamt der Besteuerung des Veräußerungsgewinns zugrunde gelegten Regelung bestünden.

    Das Finanzamt wies mit Einspruchsentscheidung vom den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid vom unter Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 1. September 2004 als unbegründet zurück.

    Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Auf den Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der X-AG-Aktien sei das Halbeinkünfteverfahren bzw. der halbe Steuersatz anzuwenden. Entgegen der Auffassung des BFH in seinem Beschluss vom 1. September 2004 fehle es an einem sachlichen Konzept des Gesetzgebers, da dieser Inhaber von ausländischen Beteiligungen insofern besser stelle, als hierfür das Halbeinkünfteverfahren schon in 2001 gelte. Die unterschiedliche Behandlung ausländischer und inländischer Beteiligungen stelle einen nicht gerechtfertigten Verstoß gegen die in Art. 56 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) niedergelegte Kapitalverkehrsfreiheit dar. Das Argument, dass in Fällen mit Inlandsbezug mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens abgewartet werden sollte, bis auf der Ebene der Körperschaft der Gewinn mit der neuen Definitivbelastung in einem Vorjahr unterlegen habe, könne auf der Ebene des Anteilseigners nicht als Rechtfertigungsgrund dienen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) könne eine Steuerregelung nur dann als kohärent angesehen werden, wenn ein zwingender unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem eingeräumten Steuervorteil einerseits und der Besteuerung andererseits bei demselben Steuerpflichtigen in Bezug auf dieselbe Steuer bestehe. Auch in 2002 bleibe die Ausschüttung von Gewinnen möglich, die unter Geltung des Anrechnungsverfahrens erwirtschaftet worden seien. Eine Kopplung von § 17 EStG n.F. an die Anwendbarkeit des Halbeinkünfteverfahrens wäre daher auch für Inlandsbeteiligungen bereits in 2001 möglich gewesen. Jedenfalls hätte als Ausgleich für diese Benachteiligung wenigstens die Besteuerung der Veräußerungsgewinne aus Inlandsbeteiligungen nach § 34 Abs. 3 EStG 2001 mit dem halben Steuersatz erfolgen können. Die Regelungen seien daher auch nicht verhältnismäßig. Darüber hinaus sei nach dem Beschluss des BFH vom 14. Februar 2006 VIII B107/04, BStBl II 2006, 523 ernstlich zweifelhaft, ob die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung von Beteiligungen ab 1 v. H. an einer ausländischen Kapitalgesellschaft mit der Kapitalverkehrsfreiheit zu vereinbaren ist, weil der Gewinn aus der Veräußerung von Beteiligungen unter 10 v. H. an einer inländischen Kapitalgesellschaft im Jahr 2001 noch nicht steuerpflichtig gewesen wäre. Daraus ergebe sich im Umkehrschluss, dass im Streitfall die volle Besteuerung des Veräußerungsgewinns europarechtswidrig sei, da die Veräußerung einer ausländischen Beteiligung nach § 3 Nr. 40 c EStG nur zur Hälfte steuerpflichtig gewesen wäre. Zudem verstoße die Nichteinbeziehung von im Jahr 2001 erzielten Veräußerungsgewinnen in das Halbeinkünfteverfahren ebenso wie die Nichtanwendbarkeit des § 34 Abs. 3 EStG auf Gewinne nach § 17 EStG gegen das Rechtstaatsprinzip der Kontinuitätsgewähr sowie das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG und sei daher zumindest verfassungswidrig. Das Halten einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft stehe wirtschaftlich dem Einzelunternehmen und der Mitunternehmerschaft sehr nahe. Der Veräußerungsgewinn i.S. von § 17 EStG sei deshalb, wie der BFH in seinem Beschluss in BFH/NV 2004, 1650 festgestellt habe, sowohl im zeitlichen Geltungsbereich des § 34 Abs. 3 EStG a.F. als auch nach der Neuregelung der Steuerbegünstigung der außerordentlichen Einkünfte durch § 34 Abs. 1 EStG nach dem StEntlG 1999/2000/2002 steuerrechtlich den Veräußerungsgewinnen i.S. von §§ 14, 14a, 16 und 18 EStG gleichgestellt gewesen. Dies habe sich erst durch die für Inlandsbeteiligungen in 2002 in Kraft getretene Herabsetzung der Beteiligungsgrenze auf 1 v.H. und die gleichzeitige Einführung des Halbeinkünfteverfahrens für Veräußerungsgewinne i.S.d. § 17 EStG geändert. Folglich sei es sachlich nicht gerechtfertigt und unverhältnismäßig, schon vor Wirksamkeit dieser Änderungen bei Veräußerungsgewinnen nach § 17 EStG auf die Begünstigung des § 34 Abs. 3 EStG zu verzichten. Im Übrigen sei die vom Gesetzgeber bei Erstreckung auf Beteiligungen an Kapitalgesellschaften befürchtete Gefahr einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der Vergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG 2001 mit erheblichem Steuerausfall im Jahr 2001 nicht gegeben. Die Begrenzung der Anwendung des halben Steuersatzes auf über 55 Jahre alte Personen und die Möglichkeit der nur einmaligen Inanspruchnahme impliziere an sich schon einen Missbrauchsauschluss. Im Fall der hier vorliegenden dauernden Berufsunfähigkeit sei zudem die Möglichkeit des Verkaufs an sich selbst mit anschließender Fortführung der Tätigkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Im Übrigen sei die vom Gesetzgeber angeführte Missbrauchsgefahr im Hinblick auf das auch bei einer ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung schon seit 1999 geltende Wertaufholungsgebot des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 EStG nicht gegeben.

    Die Klägerin beantragt,

    den Einkommensteuerbescheid 2001 vom und die Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass der Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der X-AG-Anteile in Höhe von DM nach § 3 Nr. 40 c EStG 2001 nur zu Hälfte angesetzt und die Einkommensteuer 2001 entsprechend herabgesetzt wird,

    hilfsweise, den Einkommensteuerbescheid 2001 vom und die Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass auf einen Teilbetrag des Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf der X-AG-Anteile von DM der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG 2001 angewandt und die Einkommensteuer 2001 entsprechend herabgesetzt wird,

    hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen,

    hilfsweise, das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über einen Normenkontrollantrag bezüglich der Gewährung des ermäßigten Steuersatzes i. S. d. § 34 Abs. 3 EStG 2001 bzw. des Halbeinkünfteverfahrens auszusetzen,

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung.

    Am 8. Dezember 2009 hat Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden. Auf die Niederschrift hierzu wird verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat den Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der X-AG-Anteile zurecht nach der sog. Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG 2001 besteuert. Hiergegen bestehen keine verfassungs- oder europarechtlichen Bedenken.

    Soweit die Klägerin geltend macht, die Nichteinbeziehung von im Streitjahr erzielten Veräußerungsgewinnen i.S.d. § 17 EStG in das Halbeinkünfteverfahren sei ebenso wie die Nichtanwendbarkeit des § 34 Abs. 3 EStG 2001 verfassungswidrig, folgt der Senat der gegenteiligen Auffassung des BFH in dem zwischen den Beteiligten ergangenen und umfassend begründeten Beschluss in BFH/NV 2004, 1650, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. Hieran hält der BFH auch nach erneuter Überprüfung seines Rechtstandpunkts im Beschluss vom 19. Juni 2006 VIII B 129/05, BFH/NV 2006, 1830, ausdrücklich fest. Danach sei die Ausgrenzung der Gewinne nach § 17 EStG aus dem Anwendungsbereich des § 34 Abs. 3 EStG 2001 verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil der Gesetzgeber befugt gewesen sei, im Rahmen der auf die Sicherung der Altersvorsorge gerichteten Zielsetzung der Sozialzwecknorm des § 34 Abs. 3 EStG 2001 in typisierender Weise zwischen der Veräußerung von Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen einerseits und von Kapitalgesellschaftsanteilen andererseits zu differenzieren. Darüber hinaus sei es ihm nicht verwehrt gewesen, den Umstand, dass die Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen (in der Regel) ab dem Veranlagungszeitraum 2002 dem Halbeinkünfteverfahren unterstehe, nach dem strukturell Veräußerungs- und Ausschüttungserträge gleich behandelt werden sollen, zum Zweck der Vermeidung fiskalisch unerwünschter Gestaltungen bereits im Veranlagungszeitraum 2001 zu berücksichtigen. Demgemäß könne der Vortrag, dass ein nach § 17 EStG im Jahre 2001 erzielter Veräußerungsgewinn konzeptionell – gleich der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils – der Alterssicherung gedient habe, nur Eingang in eine einzelfallbezogene Billigkeitsmaßnahme finden. Der Senat sieht keinen Anlass von der seinen Beschluss vom 12. Februar 2004 12 V 4005/03 im Übrigen bestätigenden Rechtsprechung des BFH abzurücken. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die o.g. Differenzierung zwischen der Veräußerung von Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen einerseits und von Kapitalgesellschaftsanteilen andererseits im Hinblick auf die vom Gesetzgeber befürchtete Gefahr der Vermeidung der höheren Dividendenbesteuerung beim Anteilseigner durch eine an deren Stelle tretende, wirtschaftlich gleichwertige und daher durch § 34 Abs. 3 EStG im Ergebnis zu Unrecht begünstigte Anteilsveräußerung sachlich gerechtfertigt. Allein der Umstand, dass auf Seiten des Anteilserwerbers das auch bei einer ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung schon seit 1999 geltende Wertaufholungsgebots des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 EStG zu beachten sein könnte, vermag daran nichts zu ändern. Danach ist eine Teilwertabschreibung nicht automatisch, sondern nur dann durch entsprechende Zuschreibungen rückgängig zu machen, wenn sich der Verkehrswert der Beteiligung, insbesondere durch zwischenzeitliche, nach der Ausschüttung erzielte Gewinne der Kapitalgesellschaft wieder erhöht hat (siehe dazu Prinz, Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 – Auswirkungen auf den Holdingstandort Deutschland, Finanzrundschau 1999, 356/360).

    Ebenso wenig hält der Senat die in § 34 Abs. 1 EStG 2001 getroffene Regelung, nach der Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nur nach der sog. Fünftelregelung einer ermäßigten Besteuerung und nicht bereits dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen, für europarechtswidrig.

    Insbesondere liegt der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen das in Art. 56 Absatz 1 EG geregelte Verbot von Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern nicht vor.

    Art. 56 bis 58 EG verbieten alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs sowohl zwischen den Mitgliedsstaaten als auch zwischen Mitgliedsstaaten und dritten Ländern. Eine solche Beschränkung ist bereits dann gegeben, wenn staatliche Maßnahmen für die Kapitaleinfuhr oder -ausfuhr abweichende, im Vergleich mit dem inländischen Kapitalverkehr nachteilige, Regelungen vorsehen und deshalb geeignet sind, Steuerpflichtige davon abzuhalten, ihr Kapital bei ausländischen Gesellschaften anzulegen. Eine solche Regelung wirkt sich zugleich beschränkend gegenüber den in anderen Mitgliedsstaaten ansässigen Gesellschaften aus, weil sie es diesen erschwert, im Inland Kapital zu sammeln (BFH-Urteil vom 18. November 2008 VIII R 24/07, BStBl II 2009, 518 unter Hinweis auf die EuGH-Urteile vom 7. September 2004 Rs. C-319/02, Manninen, Slg. 2004, I-7477, Rz 22, 23 und vom 6. März 2007 Rs. C292/04, Meilicke, Slg. 2007, I-1835, Rz 23, 24).

    Eine unzulässige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit, die auch die Übertragung von Kapitalanteilen mitschützt, erscheint im Streitfall ausgeschlossen. Zwar unterscheiden die Anwendungsregelungen zur Geltung des Halbeinkünfteverfahrens zwischen in- und ausländischen Beteiligungen insofern, als auf die Veräußerung von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften das Halbeinkünfteverfahren bereits mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum 2001 anzuwenden ist (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG), während es für die Veräußerung von Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften regelmäßig erst ab 2002 gilt. Jedoch begünstigt die frühere Geltung des Halbeinkünfteverfahrens für Auslandsbeteiligungen den in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Veräußerer einer ausländischen Kapitalanlage und kann deshalb auch in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Gesellschaften die Kapitalbeschaffung in Deutschland im Gegenteil erleichtern. Insoweit besteht im Streitfall auch ein wesentlicher Unterschied zu den von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidungen des EuGH zur Frage der Vereinbarkeit der nur für ausländische Beteiligungen ebenfalls schon in 2001 in Kraft getretenen Herabsetzung der Beteiligungsgrenze in § 17 EStG n.F. (Urteil vom 18. Dezember 2007 C-436/06 Rs. Gronfeldt, BStBl II 2009, 437) sowie zur ebenfalls vorgezogenen Geltung des Abzugsverbots für Auslandsbeteiligungen in § 8 b Abs. 3 Körperschaftsteuergesetz (Urteil vom 22. Januar 2007 C-377/07, BFH/NV 2009, 530). Hier waren stets Inhaber von Auslandsbeteiligungen benachteiligt. Im Streitfall, in dem es allein um die ungünstigere Behandlung der Veräußerung einer inländischen Beteiligung durch eine im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Person geht, fehlt es bereits an einem vergleichbaren grenzüberschreitenden Sachverhalt.

    Außerdem berührt Art. 56 EG nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EG nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln. Derartige Maßnahmen und Verfahren dürfen nach Art. 58 Abs. 3 EG nur kein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs i.S. des Art. 56 EG darstellen.

    Nach der ständigen Spruchpraxis des EuGH kann daher eine nationale Steuerregelung, die, wie im Streitfall, bei einer im betreffenden Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtigen Person zwischen Veräußerungsgewinnen aus inländischen und ausländischen Beteiligungen unterscheidet, dann „als mit den Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr vereinbar angesehen werden, wenn die unterschiedliche Behandlung Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar oder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, insbesondere die Notwendigkeit, die Kohärenz des Steuersystems zu gewährleisten, gerechtfertigt sind”. Außerdem ist die unterschiedliche Behandlung nur dann gerechtfertigt, „wenn sie nicht über das hinausgeht, was zum Erreichen des mit der fraglichen Regelung verfolgten Zieles erforderlich ist” (EuGH-Urteil in Rs. C-319/02 „Manninen”, Rz. 28, 29).

    Die spätere Geltung des Halbeinkünfteverfahrens für Inlandsbeteiligungen ist systembedingt und daher nach Auffassung des Senats in dem oben genannten Sinn gerechtfertigt sowie verhältnismäßig.

    Der Übergang vom körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahren auf das Halbeinkünfteverfahren beinhaltete eine grundlegende Systemumstellung. Diese hat der Gesetzgeber u.a. gerade deshalb für notwendig erachtet, weil die fehlende Anrechungsmöglichkeit von im Ausland gezahlter Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer eines inländischen Anteilseigners europarechtlichen Bedenken begegnete (vgl. dazu das EuGH-Urteil vom 6. Juni 2000 Rs. C-35/98 „Verkooijen”, EuGHE 2000, I-4071 sowie auch das EuGH-Urteil Rs. C-319/02 „Manninen”). Mit der vorzeitigen Einführung des Halbeinkünfteverfahrens für Auslandsbeteiligungen sollte deshalb nach dem Willen des Gesetzgebers möglichst früh eine europarechtskonforme Besteuerung von ausländischen Dividendenerträgen und Veräußerungsgewinnen hergestellt werden. Unschädlich ist, dass durch diese Teilreform noch kein Gleichlauf der Besteuerung von Anteilseignern inländischer und ausländischer Körperschaften eintrat. Die Unterscheidung war, wie der BFH auch im Beschluss in BFH/NV 2004, 1650 unter 2. bb) ddd) dargelegt hat, insofern sachlich geboten, als beim Übergang zum Halbeinkünfteverfahren nur für inländische Beteiligungen Abstimmungsbedarf mit dem bisherigen System der Körperschaftsteuer bestanden hat. Obwohl bei kalendergleichem Wirtschaftsjahr das Körperschaftsteuergesetz (KStG) n.F. für die Kapitalgesellschaft bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2001 gilt (§ 34 Abs. 1 KStG i.d.F. des StSenkG 2001/2002), ist das Anrechnungsverfahren bei offenen Gewinnausschüttungen des Veranlagungszeitraums 2001 für abgelaufene Wirtschaftsjahre (2000 und früher) sowohl auf der Stufe der Kapitalgesellschaft (§ 34 Abs. 10 a Satz 1 Nr. 1 KStG i.d.F. des StSenkG 2001/2002; heute: § 34 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 KStG) als auch auf der Stufe des Anteilseigners noch anzuwenden (§§ 52 Abs. 4 a Nr. 1, 36 und 50b EStG i.d.F. des StSenkG 2001/2002). Dies ist insofern systemgerecht, als in 2001 ausgeschüttete Gewinne noch unter Geltung des alten Körperschaftsteuerrechts erwirtschaftet worden waren, das anders als das neue System der Definitivbelastung erst im Zusammenspiel mit dem Einkommensteuerrecht eine Doppelbesteuerung von ausgeschütteten Gewinnen inländischer Körperschaften vermieden hatte, indem der Dividendenempfänger die bezahlte Körperschaftssteuer auf seine Einkommensteuer anrechnen durfte. Die Veräußerung einer Beteiligung soll nach der Konzeption des Gesetzgebers, wie auch die erst ab 2002 geltende und damit auf die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens abgestimmte Herabsetzung der Beteiligungsgrenze auf 1% zum Ausdruck bringen soll, wirtschaftlich einer Vollausschüttung gleichstehen (BFH-Urteil vom 27. Oktober 2005 IX R 15/05, BStBl II 2006, 171 und BFH-Beschluss in BStBl II 2006, 523). Hätte der Gesetzgeber, wie von der Klägerin gefordert, zumindest für Veräußerungsgewinne aus inländischen Beteiligungen die Geltung des Halbeinkünfteverfahrens bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2001 angeordnet, wäre es daher zu einer systemwidrigen und ungerechtfertigten Benachteiligung inländischer Dividendenempfänger gekommen. Darüber hinaus hätte die Gefahr bestanden, dass die Besteuerung von in 2001 ausgeschütteten Gewinnen aus inländischen Beteiligungen, die nach der nicht zu beanstandenden Zielsetzung des Gesetzgebers noch dem alten Anrechnungsverfahren unterliegen sollten, dadurch umgangen wird, dass die Anteile in 2001 veräußert werden, mit der Folge, dass in diesem Jahr mit erheblichen Steuerausfällen zu rechnen gewesen wäre (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 1650). Der Gesetzgeber war daher nach Auffassung des Senats nicht gehindert, auch zur Wahrung der Kohärenz des Steuersystems und zur Abwendung von Missbrauchsgefahren eine Übergangsregelung zu treffen und das Halbeinkünfteverfahren zum Nachteil für die Veräußerung inländischer Beteiligungen gegenüber der ausländischen Beteiligung erst ab 2002 in Kraft zu setzen.

    Obwohl eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO einen Grundlagenbescheid für die Steuerfestsetzung darstellt, war das vorliegende Verfahren nicht bis zur Entscheidung über die beantragte Billigkeitsmaßnahme im Verfahren 12 K /07 auszusetzen. Es erscheint sachgerecht, dem Antrag der Klägerin zu folgen, zunächst rechtskräftig über die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung zu entscheiden, da sich im Falle eines Obsiegens im vorliegenden Verfahren eine Billigkeitsmaßnahme erübrigen würde. Gegebenenfalls könnte eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO erfolgen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

    VorschriftenEStG 2001 § 17 Abs. 1 S. 1, EStG 2001 § 34 Abs. 1, EStG 2001 § 34 Abs. 3, EStG 2002 § 3 Nr. 40c, GG Art. 3 Abs. 1, EG Art. 56 Abs. 1, EG Art. 58