Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 02.11.2010

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 27.04.2010 – 9 K 5258/07 G

    Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 20 Buchst. d) GewStG erfasst nicht Schadensersatzleistungen, die wegen Nichterrichtung einer begünstigten Einrichtung im Sinne der Vorschrift gezahlt werden.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat der 9. Senat in der Besetzung: Vorsitzende Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtliche Richterin … ehrenamtliche Richterin … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 27. April 2010 für Recht erkannt:

    Tatbestand

    Streitig ist, ob eine Schadensersatzleistung unter die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 20 Buchstabe d) des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) fällt.

    Die Klägerin, eine GmbH, betreibt als Betriebsgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung ein Dialysezentrum in D-Stadt in Zusammenarbeit mit der Gemeinschaftspraxis X. und Dr. Y. GbR. Während einer Betriebsprüfung für die Jahre 1998 bis 2002 verständigten sich die Klägerin und die Betriebsprüfung darauf, dass die Gewerbeerträge nach § 3 Nr. 20 Buchstabe d GewStG steuerfrei seien. Es handele sich bei dem Dialysezentrum um eine „Einrichtung zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen”. Pflegebedürftig seien die behandelten Personen deshalb, weil sie nicht imstande seien, ihre Blase zu entleeren und insoweit auf die Hilfe des Dialysezentrums angewiesen seien – vgl. BMF vom 14. November 1997 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, BStBl I 1997, 957, § 14 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 1 des Sozialgesetzbuchs XI – (so die Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 27. Januar 2004).

    Mit Vereinbarung vom 12. Juni 1994 schloss die Klägerin mit dem Arzt Dr. med. R. Z. einen Vertrag über den Betrieb eines noch zu errichtenden Dialysezentrums in A-Stadt, der inhaltlich zumindest im Wesentlichen der Kooperationsvereinbarung mit der Gemeinschaftspraxis X. und Dr. Y. GbR entsprach. Danach sollte Dr. Z. zum ärztlichen Leiter des Dialysezentrums A-Stadt bestellt werden und seine Tätigkeit auf freiberuflicher Basis ausüben (§ 1 Abs. 1, 3 des Vertrages). Die Entscheidungen im medizinischen Bereich oblagen Dr. Z., im wirtschaftlichen Bereich der Klägerin (§ 2 Nr. 2 Satz 2 des Vertrages). Nach § 4 des Vertrages war die Finanzierung des Dialysezentrums von der Klägerin sicherzustellen. Dr. Z. sollte eigenverantwortlich mit der Krankenversicherung das Ärztehonorar und die Sachkostenpauschale abrechnen und die Sachkostenpauschale an die Klägerin abführen. Beide Vertragsbeteiligten verpflichteten sich, sich in der gleichen Stadt keine Konkurrenz zu machen. Für den Falle einer Zuwiderhandlung waren Schadensersatzansprüche vorgesehen. Gemäß § 6 des Vertrages (in der Fassung, die dem späteren Zivilrechtsstreit zugrunde lag) sollte der Vertrag erst mit Eröffnung einer Kassenarztpraxis durch Dr. Z. in Kraft treten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertragstext in Band I der Prüferhandakte Bezug genommen.

    Die vertragliche Vereinbarung mit Dr. Z. wurde in der vereinbarten Form zu keinem Zeitpunkt durchgeführt. Dr. Z. kündigte vielmehr am 29. September 1994 den Vertrag, nachdem er bereits zuvor geltend gemacht hatte, die Klägerin habe die Anmietung geeigneter Räumlichkeiten nicht nachgewiesen, obwohl seine zwischenzeitlich erteilte Kassenzulassung erlösche, wenn sie nicht binnen drei Monaten ausgeübt werde.

    In einem nachfolgenden Rechtsstreit erstritt die Klägerin ein Urteil des Oberlandesgerichts B-Stadt vom 2. April 1998, in dem Dr. Z. verpflichtet wurde, ihr sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihr durch die Nichtaufnahme des Betriebes des Dialysezentrums A-Stadt entstanden waren. Die hiergegen eingelegte Revision wies der Bundesgerichtshof zurück. Wegen der Höhe der Schadensersatzansprüche kam es zu einem Klageverfahren vor dem Landgericht in A-Stadt, das durch einen Prozessvergleich vom 27. Juni 2003 endete. Nach diesem Vergleich war Dr. Z. im Wesentlichen verpflichtet, einen Betrag von 1.533.875,60 EUR (3.000.000,00 DM) an die Klägerin in monatlichen Raten von 13.000,00 EUR beginnend ab dem 1. März 2003 zu zahlen. Mit der Zahlung dieser Vergleichssumme sollten sämtliche Ansprüche der Parteien, die ihnen durch die Nichtaufnahme des Betriebs des Dialysezentrums in A-Stadt entstanden waren, erledigt sein. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Oberlandesgerichts B-Stadt vom 2. April 1998 und auf das Sitzungsprotokoll des Landgerichts A-Stadt vom 27. Juni 2003 im Verfahren 5 O 1534/01 Bezug genommen.

    Im Jahr 2006 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung C-Stadt u.a. wegen Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer (GewSt) 2003 statt. Die Betriebsprüfung (Bp) vertrat die Auffassung, die vorbezeichnete Schadensersatzforderung sei zum 31. Dezember 2003 i. H. v. 1.000.000,00 EUR zu aktivieren und der Gewinn der Klägerin entsprechend zu erhöhen. Der vorgenannte Betrag wurde wie folgt ermittelt:

    Vergleichssumme1.533.875,60 EUR
    ./. im Jahr 2003 gezahlt./. 130.000,00 EUR
    Forderung zum 31.12.2003 nominal1.403.875,60 EUR
    Lt. Anlage 1a zum Bp-Bericht./. Abzinsung
    Lt. Anlage 1b zum Bp-Bericht./. Risikoabschlag
    Bilanzansatz zum 31.12.2003
    und Gewinnerhöhung in 2003 (vor GewSt-Rückstellung)1.000.000 EUR
    Die Abzinsung und den Risikoabschlag nahmen die Beteiligten ausweislich des Vermerks über die Schlussbesprechung vom 5. Dezember 2006 einvernehmlich vor.

    Die Bp vertrat außerdem die Auffassung, die Schadensersatzforderung führe zu einem gewerbesteuerpflichtigen Gewinn. Die Tätigkeit einer GmbH gelte gemäß § 2 Abs. 2 GewStG im vollen Umfang als Gewerbebetrieb. Das von der Klägerin in D-Stadt in Kooperation mit der Gemeinschaftspraxis X./Dr. Y. GbR betriebene Dialysezentrum sei zwar nach § 3 Nr. 20 Buchstabe d) GewStG von der GewSt befreit. Diese Befreiung erstrecke sich jedoch nicht auf die Schadensersatzforderung wegen der Nichtaufnahme des Betriebes des Dialysezentrums in A-Stadt.

    Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) erließ nachfolgend am 16. Mai 2007 einen erstmaligen GewSt-Messbescheid 2003, in dem es einen Gewinn aus Gewerbebetrieb i.H.v. 809.720 EUR zugrunde legte. Dabei ging es offensichtlich von der gewinnerhöhend zu aktivierenden Schadensersatzforderung i.H.v. 1.000.000 EUR aus und berücksichtigte gegenläufig eine gewinnmindernde GewSt-Rückstellung i.H.v. 190.280 EUR (vgl. auch Tz. 2.7.2 des Bp-Berichts vom 20. Dezember 2006).

    Die Klägerin legte hiergegen Einspruch ein. Zur Begründung führte sie sinngemäß aus, die Tätigkeit einer Dialyseeinrichtung sei grundsätzlich von der GewSt befreit. Der Schadensersatzanspruch sei als Surrogat für entgangene Einnahmen aus einer Dialyseeinrichtung wie Erlöse aus dem Betrieb einer solchen Einrichtung zu behandeln.

    Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 19. November 2007 als unbegründet zurück.

    Mit ihrer Klage macht die Klägerin weiterhin geltend, auch die Gewinnanteile der Klägerin aus dem Schadensersatzanspruch gegen Dr. Z. seien nach § 3 Nr. 20 Buchstabe d GewstG von der GewSt befreit. Zum Sachverhalt trägt sie ergänzend vor, der Gegenstandswert der Klage habe sich auf 10 Mio. DM belaufen. Da Dr. Z. die Möglichkeit gehabt habe, mit 45 % beteiligt zu werden, sei von vornherein der Gegenstandswert auf die Hälfte reduziert worden. Bei dem geschlossenen Vergleich i.H.v. 3 Mio. DM habe das Gericht nicht den Wert der Dialyse-Pflegeeinrichtung bewertet, sondern lediglich festgestellt, welchen monatlichen Gewinn die Klägerin mit der Einrichtung auf 10 Jahre Vertragslaufzeit gerechnet erzielt hätte. Rechtlich ist die Klägerin der Ansicht, § 3 Nr. 20 GewStG sei entgegen dem BFH-Urteil vom 29. März 2006 X R 59/00 keine sachliche, sondern eine beschränkt persönliche Befreiungsvorschrift und beziehe sich subjektiv auf die Einrichtung, ohne die Befreiung auf bestimmte Rechtsformen zu beschränken. Sei das Trägerunternehmen noch auf anderen Gebieten tätig, schließe dies die GewSt-Befreiung nach § 3 Nr. 20 GewStG nicht aus. Die Klägerin sei allerdings ausschließlich als steuerbefreite Einrichtung tätig. Damit umfasse die Steuerbefreiung den gesamten Gewerbeertrag. Für ein Verständnis der Norm als beschränkt persönliche Befreiungsvorschrift spreche auch eine Entscheidung des FG Düsseldorf zu § 3 Nr. 11 GewStG, wonach diese Befreiungsnorm betreffend berufsständische Versorgungswerke nicht zwischen einzelnen Betätigungsfeldern differenziere, sondern die Einrichtung als solche insgesamt befreie. Aber auch wenn § 3 Nr. 20 GewStG als sachliche Befreiungsvorschrift verstanden werde, betreffe die Befreiung grundsätzlich den gesamten Gewerbeertrag bezogen auf den begünstigten Tätigkeitsbereich. Die Befreiungsvoraussetzungen dürften nur bezogen auf abgrenzbare Betätigungsbereiche geprüft werden, nicht aber bezogen auf einzelne Geschäftsvorfälle. Eine Beschränkung der Steuerbefreiung auf einzelne Erlösgruppen, Ertragsarten oder ein Ausschluss aperiodischer Erträge der Einrichtung (wie hier der Schadensersatzforderung oder etwa bei sonstigen Versicherungsentschädigungen) sei weder gesetzlich vorgesehen noch praktikabel. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 06.03.2008 und 08.04.2010 Bezug genommen.

    Die Klägerin beantragt,

    den Gewerbesteuermessbescheid für 2003 vom 16. Mai 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. November 2007 aufzuheben,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Nach Auffassung des FA handelt es sich im Streitfall bei der Vorschrift des § 3 Nr. 20 Buchstabe d) GewStG um einen gesundheits- und wirtschaftspolitisch motivierten Befreiungstatbestand und damit um eine sachliche Steuerbefreiung. Da die Befreiungsvorschrift gesundheits- und wirtschaftspolitisch motiviert sei, könne sie nur auf den aktiven Betrieb einer Pflegeeinrichtung abstellen und diesen begünstigen.

    Eine weitere Tatbestandsvoraussetzung der Befreiungsvorschrift in § 3 Nr. 20 Buchstabe d) GewStG regele, dass die Betriebseinnahmen einer Pflegeeinrichtung in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder überwiegend getragen werden müssten. Im vorliegenden Fall seien die streitbefangenen Einnahmen jedoch zu 100 % nicht von den genannten Trägern geleistet worden. Von daher sei die Befreiungsvorschrift auch sachlich nicht einschlägig. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Die Tätigkeit der Klägerin als Kapitalgesellschaft gilt stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 2 GewStG). Ihr Gewinn aus Gewerbebetrieb im Streitjahr 2003 ist zumindest insoweit nicht gemäß § 3 Nr. 20 Buchstabe d) GewStG von der Gewerbesteuer befreit, wie er auf der aktivierten Schadensersatzforderung wegen der Nichtinbetriebnahme des Dialysezentrums in A-Stadt beruht.

    1. Von der Gewerbesteuer befreit sind gemäß § 3 Nr. 20 Buchstabe d) GewStG Krankenhäuser, Altenheime, Altenwohnheime, Pflegeheime, Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen, wenn bei Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und bei Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen im Erhebungszeitraum die Pflegekosten in mindestens 40 vom Hundert der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind.

    § 3 Nr. 20 Buchstabe d) GewStG entspricht wegen des abweichenden Obersatzes zwar nicht wörtlich, aber weitgehend § 4 Nr. 16 Buchstabe e) des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Beide Normen wurden eingeführt, um dem veränderten Altersaufbau der Bevölkerung in Großstädten Rechnung zu tragen, in denen diese Einrichtungen zunehmende Bedeutung gewinnen und um die bestehenden Versorgungsstrukturen bei der Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen zu verbessern (vgl. zu § 3 Nr. 20 Buchstabe d GewStG: Bundestagsdrucksache 12/5764, 43; vgl. zu § 4 Nr. 16 Buchstabe e UStG: Bundestagsdrucksachen 12/1368, 27 und 12/1506, 178; BFH-Urteil vom 8. September 1994 IV R 85/93, BFHE 175, 451, BStBl II 1995, 67; FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21. Februar 2001 II 279/00, EFG 2001, 645). Die Vorschriften sollen zur Kostenentlastung bei den entsprechenden Einrichtungen beitragen und als „Verschonungssubvention” mittelbar auch einen Anreiz für die Vornahme von Investitionen in diesem Bereich schaffen (vgl. auch zu § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStGBFH-Urteil vom 29. März 2006 X R 59/00, BFHE 213, 50, BStBl II 2006, 661 unter II. 3.e, bb, II.3.g).

    Ob § 3 Nr. 20 GewStG eine sachliche Steuerbefreiung beinhaltet (so BFH-Urteil vom 29. März 2006 X R 59/00, BFHE 213, 50, BStBl II 2006, 661 unter II. 3e, bb; OFD Magdeburg vom 9. März 2010 G 1412-10-St 216, Juris) oder – wie die Klägerin meint – eine eingeschränkt persönliche Steuerbefreiung (so FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. Januar 2009 8 K 6250/06, EFG 2009, 769; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Aufl., § 3 Rz. 206), kann dahingestellt bleiben. Die Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 20 Buchstabe d) GewStG betrifft nach beiden Auffassungen jedenfalls nur die in der Norm genannte Einrichtung/Tätigkeit (vgl. Abschn. 99a Abs. 1 S. 1 Umsatzsteuer-Richtlinien 2000 zu § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG: „Begünstigt sind Einrichtungen …”; im Ergebnis ebenso FG Berlin-Brandenburg, EFG 2009, 769). Daneben kann die Kapitalgesellschaft jedwede andere steuerpflichtige Tätigkeit ausüben. So kann etwa der Betrieb eines Krankenhauses unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 20 GewStG auch dann steuerbefreit sein, wenn der Betreiber daneben noch einer anderen gewerblichen Tätigkeit nachgeht (BFH-Urteil vom 19. März 2002 VIII R 57/99, BStBl II 2002, 662; OFD Magdeburg vom 9. März 2010 G 1412-10-St 216, Juris; s.a. BFH-Urteil vom 27. März 1996 I R 182/94, BStBl II 1997, 449 zu § 3 Nr. 13 GewStG).

    2. Im Streitfall bedarf es keiner abschließenden Prüfung, ob der Betrieb eines Dialysezentrums gemäß § 3 Nr. 20 Buchstabe d) GewStG von der GewSt befreit ist. Die vorgenannte Steuerbefreiung erstreckt sich jedenfalls nicht auf die hier in Rede stehende Schadensersatzforderung.

    a) Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass das von der Klägerin in Zusammenarbeit mit der Gemeinschaftspraxis X. und Dr. Y. GbR betriebene Dialysezentrum als „Einrichtung zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen” unter die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 20 Buchstabe d) GewStG fällt und mit Dr. Z. der Betrieb einer vergleichbaren Einrichtung angestrebt wurde.

    Ob Ersteres auch unter Berücksichtigung der BFH-Rechtsprechung zutrifft, die zur Auslegung des § 3 Nr. 20 GewStG auf die Begriffsbestimmungen des Sozialgesetzbuchs abstellt (vgl. BFH-Beschluss vom 18. September 2007 I R 30/06, BFHE 219, 184, BStBl II 2009, 126; ähnlich zu § 4 Nr. 16 Buchst. e UStGBFH-Urteil vom 5. Februar 2004 V R 2/03, BFHE 104, 496, BStBl II 2004, 669), kann vorliegend aus den nachfolgend unter b) dargestellten Gründen dahingestellt bleiben.

    b) Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 20 Buchstabe d) GewStG setzt das Betreiben einer begünstigten „Einrichtung” voraus. Einnahmen, die wegen der Nichtaufnahme des Betriebs einer derartigen Einrichtung erzielt werden, fallen nicht unter die Norm. Dementsprechend sind Schadensersatzleistungen jedenfalls dann nicht begünstigt, wenn sie – wie hier – keinen Ersatz für erfolglos getätigte Aufwendungen darstellen, sondern einen entgangenen Gewinn abgelten sollen.

    aa) „Einrichtungen” i.S. des § 3 Nr. 20 Buchstabe d) GewStG sind nicht mit dem Träger der Einrichtung gleichzusetzen. Sie setzen vielmehr eine vom Träger unterscheidbare Einheit durch Zusammenfassung von sachlichen und persönlichen Mitteln voraus (vgl. – wenngleich zur Umsatzsteuer – BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 V R 23/99, BFHE 191, 88, BStBl II 2002, 302; Birkenfeld, Das große Umsatzsteuerhandbuch, § 98 Rz. 172; Stadie, UStG, 2009, § 4 Nr. 16 (bis 2008), Rz. 13, 23, 35: Aufteilung der Tätigkeit in zwei Krankenhäuser möglich; a.A. wohl FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. September 2006 6 K 1948/04, EFG 2007, 226, bestätigt – ohne ausdrückliche Stellungnahme zur vorgenannten Frage – durch BFH-Urteil vom 24. Januar 2008 V R 54/06, BFHE 221, 391, BStBl II 2008, 643; einschränkend auch Abschn. 99a Abs. 1 S. 3 Umsatzsteuer-Richtlinien 2000, wonach gleichartige Einrichtungen eines Unternehmens jeweils als eine Einrichtung anzusehen sein sollen).

    Im Streitfall unterhielt die Klägerin die Einrichtung „Dialysezentrum D-Stadt”. Mit dieser Einrichtung stand die hier in Rede stehende Schadensersatzforderung in keinem Zusammenhang. Auch kann der erkennende Senat dahingestellt lassen, ob gleichartige, aber räumlich und organisatorisch getrennte Einrichtungen ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung (wie sie etwa für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe in § 64 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO – besteht) als eine Einrichtung angesehen werden können. Denn vorliegend ist das geplante „Dialysezentrum A-Stadt” zu keinem Zeitpunkt tätig geworden. Ausgehend von dem unter 1. dargestellten Zweck der Norm, werden von der Steuerbefreiung aber nur solche Umsätze, Vermögensgegenstände, Einnahmen und Ausgaben erfasst, die mit den Leistungen an die Kranken/Pflegebedürftigen verbunden sind (vgl. zu § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG i.V.m. § 67 AO: Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine, Stiftungen und der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, 6. Aufl., Rz. 66a). In den Bereich der Steuerbefreiung mögen zwar eventuell noch Erträge aus Abwicklungsmaßnahmen fallen (so FG München, Urteil vom 22. November 1990 15 K 15012/87, EFG 1991, 557 zu § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG; a.A. Abschn. 100 Abs. 1 Nr. 6 Umsatzsteuer-Richtlinien 2000 und BFH-Urteil vom 1. Dezember 1977 V R 37/75, BFHE 124, 103, BStBl II 1978, 173 zu § 4 Nr. 16 UStG). Zweifelhaft, aber nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint es des Weiteren, auch Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Errichtung einer begünstigten Einrichtung noch unter die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 20 GewStG zu fassen. Insoweit wäre möglicherweise der Argumentation der Klägerin zu folgen, dass auf die begünstigte Tätigkeit/Einrichtung und nicht auf den einzelnen Geschäftsvorfall abzustellen ist. Darum geht es im Streitfall jedoch nicht. Die in Rede stehende Schadensersatzforderung – zumindest soweit sie vom FA als steuerpflichtig erfasst worden ist – betraf einen Schadensersatz wegen der Nichtaufnahme des Betriebs eines Dialysezentrums in A-Stadt. Einnahmen wegen der Nichterrichtung einer begünstigten Einrichtung werden vom Normzweck des § 3 Nr. 20 Buchstabe d) GewStG jedoch nicht erfasst.

    bb) Der Steuerpflicht der Schadensersatzforderung kann nicht der Einwand entgegen gehalten werden, unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mache es keinen Unterschied, ob Gewinne aus einer begünstigten Einrichtung erzielt oder aufgrund eines Schadensersatzanspruchs vom Schädiger auszugleichen seien. Zum Einen begrenzt der Normzweck des § 3 Nr. 20 GewStG – wie dargelegt – die Steuerbefreiung auf den tatsächlichen Betrieb der dort näher bezeichneten Einrichtungen. Zum Anderen führt dieses Verständnis der Befreiungsvorschrift nicht zwingend zu einem Nachteil für den Steuerpflichtigen. Denn ein Schadensersatzanspruch umfasst auch die damit verbundenen Steuermehrbelastungen (vgl. BFH-Beschluss vom 20. November 2007 I R 54/05, BFH/NV 2008, 617 und BFH-Urteil vom 4. Dezember 1991 I R 26/91, BFHE 167, 32, BStBl II 1992, 686, jeweils zu Schadensersatzforderungen einer GmbH wegen Körperschaftsteuer gegen ihren Steuerberater).

    c) Der vom FA im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch angesetzte gewerbesteuerliche Gewinn ist jedenfalls nicht zu hoch bemessen. Zwar könnten mit dem Schadensersatzanspruch Betriebsausgaben (etwa Beratungskosten) in Zusammenhang stehen. Das Finanzamt hat jedoch zu Unrecht zu Gunsten der Klägerin die im Streitjahr bereits gezahlten Teilbeträge i.H.v. 130.000 EUR nicht als gewerbesteuerpflichtig erfasst. Etwaige Betriebsausgaben lägen – wovon auch die Klägerin ausgeht – unter diesem Betrag. Eine Verböserung ist dem Finanzgericht verwehrt.

    3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

    4. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO). Die Frage, inwieweit Steuerbefreiungen, die wie § 3 Nr. 20 Buchstabe d GewStG an bestimmte (begünstigte) Betätigungen anknüpfen, auch für Schadensersatzansprüche gelten, erscheint höchstrichterlich noch nicht geklärt.

    VorschriftenGewStG § 3 Nr 20 Buchst d)