Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 02.11.2010

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 11.05.2010 – 8 K 2450/09 Kg

    1.) Eine Verlängerung des Kindergeldanspruchs über das 25. Lebensjahr des Kindes hinaus aufgrund eines freiwillig geleisteten sozialen Jahres kommt - auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten - nicht in Betracht.

    2.) Gegen die Herabsetzung der Altersgrenze für die Berücksichtigung von Kindern auf das 25. Lebensjahr durch das Steueränderungsgesetz 2007 vom 19.06.2006 (BGBl. I 2006, 1652) bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat der 8. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 11.05.2010 für Recht erkannt:

    Tatbestand:

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Kindergeld auch für ein über 25 Jahre altes Kind zu gewähren ist, das ein sog. freiwilliges soziales Jahr anstelle des Zivildienstes geleistet hat.

    Die Klägerin (Klin.) ist die Mutter des am … April 1984 geborenen Kindes H. In der Zeit vom 01.08.2003 bis zum 30.04.2004 leistete das Kind ein freiwilliges soziales Jahr. Für diesen Zeitraum erhielt die Klin. für ihren Sohn Kindergeld.

    Nach Ableistung des freiwilligen sozialen Jahres nahm das Kind ein Studium zum Dipl.-Architekten an der Universität T auf. Der Sohn der Klin. setzte ab 2008/2009 sein Studium in England fort.

    Die durchschnittliche Studiendauer in dem vom Kind der Klin. aufgenommenen Studiengang liegt – nach dem Zahlenspiegel der Universität T – bei elf bis zwölf Semestern. Die Absolventen der Universität T sind hiernach im Durchschnitt 27,1 Jahre alt; 44 % aller Absolventen im Studiengang Architektur und Stadtplanung haben einen Auslandsaufenthalt zu Studienzwecken durchgeführt.

    Mit Bescheid vom 31.03.2009 hob die Beklagte (Bekl.) die Festsetzung des Kindergeldes ab Mai 2009 auf. Zur Begründung wies die Bekl. darauf hin, dass das Kind mit Vollendung des 25. Lebensjahres keinen Anspruch auf Kindergeld mehr habe.

    Am 07.04.2009 legte die Klin. gegen den Aufhebungsbescheid der Bekl. Einspruch ein. Zur Begründung trug die Klin. im Einspruchsverfahren vor, dass die besonderen Umstände im Hinblick auf die durchschnittliche Dauer des Studienganges sowie die grundsätzliche Pflicht zur Ableistung des Zivildienstes zu berücksichtigen seien. Sinn und Zweck des Kindergeldes sei es, das Kind während seiner gesamten ersten Ausbildung finanziell zu unterstützen und den Finanzbedarf der Eltern für das Existenzminimum des Kindes steuerlich freizustellen. Dieser Zweck werde verfehlt, wenn es praktisch unmöglich ist, während der durchschnittlichen Studiendauer Kindergeld zu beziehen. Die Eltern müssten während der Endphase des Studiums erhebliche finanzielle Unterstützungsleistungen erbringen, ohne dafür steuerlich entlastet zu werden. Aufgrund der durchschnittlichen Studiendauer des vom Kind gewählten Studienganges sowie des notwendigen Auslandsaufenthalts sei es dem Kind unmöglich, sein Studium bereits vor Vollendung des 25. Lebensjahres abzuschließen. Hilfsweise machte die Klin. geltend, dass die im Jahr 2007 durchgeführte Absenkung der Altersgrenze in § 32 Einkommensteuergesetz (EStG) von ehemals 27 auf 25 Jahre verfassungswidrig sei.

    Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 12.06.2009 wies die Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung trug die Bekl. vor, dass das Kind mit Überschreiten der Altersgrenze nicht mehr berücksichtigungsfähig sei und ein Verlängerungstatbestand nach § 32 Abs. 5 EStG nicht vorläge.

    Mit der am 15. Juli 2009 erhobenen Klage verfolgt die Klin. den geltend gemachten Kindergeldanspruch weiter. Unter Wiederholung der im Vorverfahren vorgetragenen Auffassung ergänzte die Klin. ihr Vorbringen dahingehend, dass nach ihrer Auffassung die Nichtaufnahme der Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres in den Verlängerungstatbestand des § 32 Abs. 5 EStG verfassungswidrig sei. Die Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres sei mit der Zivildienstzeit vergleichbar. Durch die gesetzliche Regelung des § 14 c ZDG sei das freiwillige soziale Jahr als Wehrdienstersatz anerkannt. Kinder, die ein freiwilliges soziales Jahr ableisten, seien gegenüber Kindern, die Zivildienst leisten, benachteiligt. Es liege eine Ungleichbehandlung vor. Sowohl bei dem freiwilligen sozialen Jahr als auch beim Zivildienst handle es sich um Möglichkeiten der Kriegsdienstverweigerer, ihren bürgerlichen Pflichten nachzukommen. Die Ungleichbehandlung ergebe sich im vorliegenden Fall auch aus der besonderen Situation und dem bisherigen Lebensweg ihres Sohnes. Er werde das Studium in England fortsetzen und bei Beendigung des Studiums das durchschnittliche Alter der männlichen Absolventen der Universität T erreichen.

    Die Absenkung der Altersgrenze im § 32 Abs. 4 und 5 EStG verstoße gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Rückwirkungsverbot und gegen den Grundsatzes des Vertrauensschutzes. Bei Beginn der Ausbildung des Sohnes sei die Absenkung der Altersgrenze nicht vorhersehbar gewesen. Im Vertrauen auf die damals bestehende Rechtslage habe ihr Sohn sowohl das freiwillige soziale Jahr absolviert als auch das Studium der Architektur aufgenommen.

    Die Klin. beantragt,

    den angefochtenen Kindergeldbescheid aufzuheben und Kindergeld in der gesetzlichen Höhe zu gewähren,

    hilfsweise,

    die Revision zuzulassen,

    weiter hilfsweise,

    das Verfahren auszusetzen und die Sache dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

    Die Bekl. beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise,

    die Revision zuzulassen.

    Zur Begründung weist die Bekl. ergänzend darauf hin, dass der Kindergeldanspruch bei Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres bestehen bleibt, während der Anspruch beim Ableisten des Zivil- oder Wehrdienstes für diese Zeiten nicht bestehe. Sinn und Zweck des Kindergeldes sei es nicht, ein Kind während der gesamten ersten Ausbildung finanziell zu unterstützen, sondern die Eltern des Kindes steuerlich zu entlasten. Der Wegfall des Kindergeldanspruches sei durch die Möglichkeit, Ausbildungskosten des Kindes gemäß § 33 Abs. 1 EStG als außergewöhnliche Belastungen (agB) bei der Einkommensteuer(ESt)-Festsetzung zu berücksichtigen, hinreichend kompensiert. Dies wirke sich in der Regel günstiger aus als die Zahlung des Kindergeldes.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze verwiesen und Bezug genommen.

    Der Senat hat am 11. Mai 2010 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird verwiesen und Bezug genommen. Die Kindergeldakte der Bekl. mit der Nr. … lag zur Beweiszwecken vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

    Entscheidungsgründe:

    Die Klage ist unbegründet.

    Der Aufhebungsbescheid vom 31.03.2009 und die Einspruchsentscheidung vom 12.06.2009 sind rechtmäßig und verletzen die Klin. nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

    Nach § 70 Abs. 2 EStG ist die Festsetzung des Kindergeldes aufzuheben oder zu ändern, soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten. Aufzuheben oder zu ändern ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an. Nach §§ 62, 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung wird für ein Kind, das sich in Berufsausbildung befindet, Kindergeld grundsätzlich nur bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gewährt.

    Die Familienkasse hat zu Recht die Kindergeldfestsetzung gegenüber der Klägerin ab Mai 2009 aufgehoben, da der Sohn der Klin. die für die Berücksichtigung maßgebliche Altersgrenze nach § 32 Abs. 4 EStG überschritten hat.

    Im Streitfall haben sich mit Ablauf des Monats April 2009 die kindergeldbegründenden Umstände zum Nachteil der Klin. geändert, denn das Kind H hat im Monat April 2009 sein 25. Lebensjahr vollendet. Dies führt unabhängig von einer Fortdauer der Berufsausbildung zur Beendigung des Anspruchs auf Kindergeld (vgl. zur zeitlichen Anwendung der Herabsetzung der Altersbegrenzung von 27 auf das 25. Lebensjahr durch das Steueränderungsgesetz 2007 vom 19. Juli 2006, Bundesgesetzblatt (BGBl.) I 2006, S. 1652, § 52 Abs. 40 Sätze 6 ff. EStG).

    Eine Verlängerung des Kindergeldanspruchs über das 25. Lebensjahr hinaus gemäß § 32 Abs. 5 Satz 1 EStG kommt nicht in Betracht. Hiernach wird ein Kind, das

    den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder

    sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder

    eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Abs. 1 Entwicklungshelfer-Gesetz ausgeübt

    hat, für einen der Dauer dieser Dienste oder Tätigkeit entsprechenden Zeitraum höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes, über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.

    Nach der Gesetzesbegründung wollte der Gesetzgeber hierdurch einen Ausgleich dafür schaffen, dass Kinder während der Ableistung des Grundwehr- oder Zivildienstes steuerlich und kindergeldrechtlich unberücksichtigt bleiben, jedoch sich deren Berufsausbildung zeitlich verzögert (vgl. Bundestagsdrucksache (BT-Drs.) 13/1558, S. 155 f.; Bundesfinanzhof(BFH)-Urteil vom 14. Oktober 2002, VIII R 68/01, BFH/NV 2003, 460).

    Das Kind H erfüllt keinen der aufgeführten Tatbestände des § 32 Abs. 5 Satz 1 EStG. Die Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres ist im Katalog des § 32 Abs. 5 EStG nicht aufgeführt.

    Eine Berücksichtigung des Sohnes der Klägerin über den Wortlaut der Vorschrift hinaus kommt nicht in Betracht, denn die in § 32 Abs. 5 Satz 1 EStG beschriebenen Tätigkeiten sind abschließend aufgezählt. Im Falle der Absolvierung anderer Dienste kann der Verlängerungstatbestand nicht in Anspruch genommen werden (vgl. BFH, a. a. O.; FG Münster, Urteil vom 19.05.2009, 8 K 2947/08 Kg, EFG 2009, 1563).

    Der Senat sieht auch keinen Anlass, den Verlängerungstatbestand des § 32 Abs. 5 Satz 1 EStG analog auf die hier zu entscheidende Konstellation des Ableistens eines freiwilligen sozialen Jahres im Sinne des § 14 c ZDG anzuwenden. Es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke bei Interessenvergleichbarkeit zwischen dem gesetzlich geregelten und nicht geregelten Sachverhalt (vgl. hierzu im Einzelnen: Drüen, in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung – AO – /FGO, § 4, Rn. 365 ff. m.w.N.). Eine planwidrige Regelungslücke liegt nicht vor. Der Gesetzgeber hat die Verlängerungstatbestände in § 32 Abs. 5 Satz 1 EStG dezidiert geregelt. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber versehentlich Dienstleistungen im Sinne von § 14 c ZDG im Katalog des § 32 Abs. 5 Satz 1 EStG nicht berücksichtigt hat, liegen nicht vor. Zudem fehlt es zur Überzeugung des Senats an einer vergleichbaren Interessenlage zwischen den in § 32 Abs. 5 Satz 1 EStG genannten Verlängerungstatbeständen und der vorliegenden Konstellation. Zutreffend weist die Klin. darauf hin, dass sowohl Zeiten, in denen ein freiwilliges soziales Jahr abgeleistet werden als auch die Zeiten des normalen Zivil-/Wehrdienstes zur Verzögerung in der Berufsausbildung des Kindes führen. Ebenso zutreffend weist die Klin. darauf hin, dass die Leistungen nach § 14 c ZDG im Zusammenhang mit der Ableistung des normalen Zivildienstes stehen. Denn bei Erfüllung des freiwilligen sozialen Jahres erlischt die Pflicht, Zivildienst leisten zu müssen. Der entscheidende Unterschied ist jedoch, dass der Kindergeldberechtigte eines Zivil- bzw. Wehrdienst leistenden Kindes für die Dauer des Dienstes keinen Anspruch auf Kindergeld hat, während die Klin. für ihren Sohn, der ein freiwilliges soziales Jahr absolviert hat, während diese Zeit Kindergeldansprüche nach § 32 Abs. 4 Abs. 1 Nr. 2 d EStG hatte. Es kann dahinstehen, ob die vom Gesetzgeber dem Kindergeldanspruch typisierend zugrunde gelegte Unterhaltsverpflichtung des Erziehungsberechtigten fortbesteht. Der Gesetzgeber rechtfertigt die Verlängerung des Kindergeldanspruches in Zeiten der Absolvierung des Grundwehr- und Zivildienstes besonders mit der fehlenden steuerrechtlichen/kindergeldrechtlichen Begünstigung wehrdienst- bzw. zivildienstleistender Kinder (vgl. BT-Drs. 13/1558, S. 155 f.).

    Der Senat hält die Regelung des § 32 Abs. 5 Satz 1 EStG und die Nichtberücksichtigung von Dienstleistungen im Sinne von § 14 c ZDG auch nicht für verfassungswidrig. Eine Aussetzung des Verfahrens zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gemäß Art. 100 Grundgesetz (GG) kommt nicht in Betracht. Entgegen der Auffassung der Klin. ist zur Überzeugung des Senates kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG anzunehmen. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentliches Ungleiches seiner Eigenart entsprechend rechtlich ungleich zu behandeln. Das gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfG-Urteil vom 09.12.2008, 2 BvL 1/07, NJW 2009, 48 m. w. N.).

    Eine unterschiedliche Behandlung zwischen den in § 32 Abs. 5 Satz 1 EStG abschließend genannten Dienstleistungen und dem vom Sohn der Klin. geleisteten freiwilligen sozialen Jahr nach § 14 c ZDG ist nach Auffassung des erkennenden Senats durch sachliche Erwägungen hinreichend gerechtfertigt. Denn für Zeiten der Ableistung des freiwilligen sozialen Jahres hatte die Klin. einen Kindergeldanspruch und das Kindergeld auch erhalten. Eine zusätzliche Förderung über das maßgebliche Lebensjahr des Kindes hinaus wäre vor diesem Hintergrund sogar eine Ungleichbehandlung. Die von der Klägerin angesprochenen wirtschaftlichen Nachteile durch die Nichtgewährung des Kindergeldes sind nicht zwingend. Denn eine fortwährende Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber einem sich noch in der Berufsausbildung befindlichen Kind, für das kein Anspruch auf Kindergeld mehr besteht, begünstigt der Gesetzgeber mit einem steuerlichen Abzug der Kosten als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 EStG. Der Abzugsbetrag für Unterhaltsleistungen gegenüber Kindern gemäß § 33a Abs.1 EStG kann sich sogar steuerlich günstiger auswirken als die tatsächliche Zahlung des Kindergeldes. Denn die maximale Förderung nach § 33a Abs. 1 EStG ist höher als die Summe der Kindergeldbeträge sowie der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG.

    Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Herabsetzung der Altersgrenze für die Berücksichtigung von Kindern auf das 25. Lebensjahr durch § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG durch Art. 1 Nr. 11 des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl. I 2006, S. 1652) bestehen nicht (vgl. FG Niedersachen, Urteil vom 18.11.2008, 15 K 101/08, EFG 2009, 359; FG München, Urteile vom 17.02.2009, 12 K 1075/08, EFG 2009, 837, vom 22.04.2009, 9 K 3729/08, EFG 2009, 1842, und vom 17.6.2009, 1 K 3887/08, EFG 2009, 1755). Die Gesetzesänderung verstößt weder gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes noch gegen das sich aus dem Rechtsstaatsgebot ableitende Rückwirkungsverbot. Die Herabsetzung der Altersgrenze ist eine nicht zu beanstandende politische Entscheidung (Loschelder, in: Schmidt, EStG, 29. Aufl., § 32 EStG, Rn. 3). Hierbei hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Diesen Spielraum hat er mit der Herabsetzung der Altersgrenze von 27 auf 25 Jahre in zulässiger Weise ausgeübt.

    Nach der Begründung der Gesetzesänderung für das Steueränderungsgesetz 2007 (BT-Drs. 16/1545) verfolgt der Gesetzgeber das Anliegen, mit der Absenkung der Altersgrenze einer künftig veränderten Bildungsstruktur mit schneller zu erreichenden Schulabschlüssen Rechnung zu tragen. Zugleich sollen gewisse Anreize geschaffen werden, ein aufgenommenes Studium zügiger zu beenden. Diese Motive und Ziele des Gesetzgebers sind anzuerkennen.

    Ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin auf die weitere Gewährung des Kindergeldes in der bisher geregelten Weise besteht nicht. Gesetze, die auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirken, können Grundrechte berühren, wobei in die erforderliche grundrechtliche Bewertung die Grundsätze des Vertrauensschutzes einfließen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 14.05.1986, 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, S. 200). Gegen diese Grundsätze wird verstoßen, wenn das Gesetz einen Eingriff vornimmt, mit dem der Betroffene nicht zu rechnen brauchte und sein Vertrauen schutzwürdiger ist als das mit dem Gesetz verfolgte Anliegen; es ist abzuwägen zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens des Einzelnen und der Bedeutung des gesetzlichen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit (vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 9. Aufl. 2007, Art. 20, Rn. 73a, m. w. N.).

    Das Vertrauen der Klägerin auf den Fortbestand der bisherigen Gesetzeslage hat gegenüber dem anzuerkennenden Motiv des Gesetzgebers zurückzutreten. Denn ein schlichtes Vertrauen darauf, dass Kindergeld in der Zukunft bis zu einem bestimmten Alter des Kindes gewährt wird, ist nicht schutzwürdig (vgl. Finanzgericht München, Urteil vom 17.02.2009, 12 K 1075/08, EFG 2009, 837). Zudem steht die Entscheidung über die Aufnahme eines Studiums dem volljährigen Kind zu und nicht den Eltern, so dass ein dispositionsbezogenes Vertrauen der Eltern als die Kindergeldberechtigten in diesem Fall nicht begründet werden kann (ebenso Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 18. November 2008, 15 K 101/08, EFG 2009, 359). Indem der Gesetzgeber in § 52 Abs. 40 Satz 4 EStG eine gleitende Übergangsregelung geschaffen hat, hat der Gesetzgeber nach Auffassung des erkennenden Senats die durch die Neuregelung entstehenden Härten für diejenigen Kinder entschärft, die bei der Gesetzesänderung bereits kurz vor der Vollendung des 25. Lebensjahres standen. Verfassungsrechtlich war der Gesetzgeber nicht verpflichtet, die vorgenannte Übergangsregelung soweit auszudehnen, dass alle Kinder, die bereits ein Studium begonnen haben, weiterhin Berücksichtigung finden können (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.03.2010, 3 K 1763/09, juris). Dem Gesetzgeber ist es nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.06.2007, Az. 1 BvR 2204/00, juris).

    Bei der Ausgestaltung der Stichtagsregelung ließ sich der Gesetzgeber offensichtlich vom Normalfall einer vierjährigen Grundschulzeit, einem neunjährigen Gymnasiumsbesuch und einem in der Regelstudienzeit durchgeführten Studium leiten. Ein Kind, das – wie der Sohn der Klägerin – im April 1984 geboren wurde, konnte das neunjährige Gymnasium 2003 beenden. Auch unter Berücksichtigung des freiwilligen sozialen Jahres verblieben dem Kind – bei Beginn des Studiums im Wintersemester 2004/2005 – 9 Semester Studienzeit, bevor es die Altersgrenze für den Kindergeldbezug erreichte. Angesichts einer Regelstudienzeit für die meisten Fächer von neun Semestern – so auch für das Architekturstudium in T – hat der Gesetzgeber bei der Stichtagsregelung auch für die Absolventen des neunjährigen Gymnasiums ausreichend Zeit zur Beendigung ihrer Ausbildung vorgesehen. Besonderheiten des Einzelfalls – wie das Auslandstudium des Sohns der Klägerin – musste der Gesetzgeber nicht berücksichtigen. Unerheblich ist auch, dass die durchschnittliche Studiendauer an der Universität T im gewählten Studienfach oberhalb der Regelstudienzeit ist. Nach der Begründung des Gesetzgebers soll durch die Absenkung der Altersgrenze Anreize dafür geschaffen werden, die Studiendauer zu verkürzen. Es wäre widersprüchlich, die bisherige durchschnittliche Studiendauer als Maßstab für die Förderungsdauer der Kinder anzusetzen, wenn der Gesetzgeber gerade die Senkung der durchschnittlichen Studiendauer durch Kürzung des Kindergeldberechtigungszeitraums beabsichtigt.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob die Herabsetzung der Altersgrenze durch § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG verfassungsgemäß ist, nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

    VorschriftenEStG § 32 Abs 5 S 1, EStG § 62 Abs 1 Nr 1, EStG § 63 Abs 1 S 2, EStG § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst a